Die Themenfelder Integration, kulturelle Vielfalt bzw. Vielheit und Integration haben Paderborn insbesondere in den letzen beiden Wochen beschäftigt. Am Europatag im Rathaus letzte Woche Mittwoch hatte Dr. Mark Terkessides bereits dazu aufgerufen, die Perspektive zu ändern und die Defizitdiskussion zu beenden. Integration hieße heute, die Defizite der Ankommenden aufzuarbeiten, um „in einer imaginären Stunde null gemeinsam losstarten zu können“. Dadurch ergäben sich Parallelgesellschaften. Nach Meinung des Sozialpsychologen sollte man von der Frage „Wo sind die Problemkinder?“ Abstand nehmen und stattdessen fragen: „Wie kann ich den Betrieb so ausrichten, dass er fit für die Vielheit der Gesellschaft ist?“
Seinen Vorschlag dazu nennt Terkessides daher „Programm Interkultur“. Ziel des Programms ist es, die Institutionen fit für die Vielheit der Gesellschaft zu machen. Unter anderem schlägt er dazu die Veränderung im Bereich des Personals von Institutionen vor: In einer Schule finde sich die Vielheit meist ausschließlich im Klassenzimmer. Im Lehrerzimmer hingegen sei die Parallelgesellschaft ohne Migrationshintergrund und ohne Erfahrungen mit den Lebenswirklichkeiten ihrer Schutzbefohlenen zu finden. Daher fordert er, mehr Lehrkräfte mit Migrationshintergrund an die Schulen zu bringen. Außerdem ist es wichtig, so Terkessides, Vorurteile abzubauen, die teilweise wie selbsterfüllende Prophezeiungen wirken. In einem Gespräch hat ihm ein türkischstämmiger Vater erzählt: „Meine Kinder kommen täglich türkischer aus der Schule, als sie rein gehen!“ Mit ein wenig Phantasie, der Verankerung des Fachs Deutsch als Zweitsprache in die Lehrpläne und der Reduzierung des Frontalunterrichts ließe sich so etwas nach Terkessides Meinung erreichen. Sein Motto lautet: „Weg von der Parallelstruktur!“
Auch in der Podiumsdiskussion „Wissenschaf[t] Integration“, die am Montag von den Studierenden des Studienganges Europäische Studien organisiert wurde, diskutierte man unter dem Motto „Arriver en Europe – Ankommen in Europa“, über Integration. Hier ging es zunächst darum, was im Fall der Geflüchteten heute die Basis für eine gelungene Integration bilden könnte. In der von Professor Riegraf moderierten Diskussion wurden hauptsächlich die Themen Sprache bzw. Spracherwerb, Arbeit und Bürokratie diskutiert: Das Lernen der deutschen Sprache ist zum einen Ausdruck von Integration und oder auch der einzige Weg zur Teilhabe an einer Gesellschaft. Außerdem wurde dafür plädiert, über die Ursachen der Flucht und die Kultur der Geflüchteten aufzuklären, um die Angst vor dem Fremden abzubauen.
Im Podium saßen nicht nur deutsche Politiker und Wissenschaftler, wie der Migrationsforscher Prof. Dr. Dietrich Thränhardt, Bernd Schulze Waltrup von der CDU und Christina Vetter, Leiterin der Integrationsargentur Paderborn-Höxter und SPD Politikerin, sondern auch Abdalsalam Naddaf, ein Wissenschaftler mit Fluchtgeschichte sowie Yves Calippe, stellvertretender Bürgermeister von Paderborns französischer Partnerstadt LeMans. Dadurch waren die Diskussionsbeiträge vielfältig und die Diskussion lebhaft. Da im Podium drei verschiedene Sprachen gesprochen wurden – Deutsch, Französisch und Englisch – übersetzten Studierende aus dem Studiengang Europäische Studien simultan für die ausländischen Teilnehmer. Auch die fremdsprachigen Beiträge wurden für das Publikum noch einmal auf Deutsch zusammengefasst. Die Podiumsdiskussion war also selbst ein Beispiel für Verständigung der Kulturen. Der Schlusssatz der Podiumsdiskussion kam schließlich von Yves Calippe: „Nichts hindert uns daran, die Sprache des anderen zu lernen.“ – im konkreten und übertragenen Sinne.