17 Jahre undercover? Spekulationen zur Geschichte einer 500 Lira-Münze

Der 1. Januar 2002 war ein wichtiges Datum der europäischen Geldgeschichte: An diesem Tag kam der Euro zu uns, in Form neuer Geldscheine und Münzen! Seinerzeit 14 Jahre alt, stand ich der neuen Währung feindlich gegenüber. Der Grund war wirtschaftlicher Natur. Während mein Taschengeld dem offiziellen Wechselkurs entsprechend von 50 DM auf 25 Euro umgerechnet wurde, verfügten letztere längst nicht mehr über dieselbe Kaufkraft. Die Tüte Pommes im örtlichen Freibad, die vorher 3 DM gekostet hatte, kostete ab sofort 2 Euro. Der Trend hat sich bekanntermaßen fortgesetzt. Während es heute als normal empfunden wird, 10 Euro für einen Platz im Kino zu bezahlen, hätte man für 20 DM sowohl die eigene Karte als auch die der Freundin bezahlen können und hätte noch ein paar Mark für Popcorn übrig gehabt.

Wie mir ein Italienkenner vor einigen Jahren versichert hat, ist es den Italienern nicht anders ergangen. Während es vor dem 1. Januar 2002 noch möglich gewesen sein soll, mit 1 Millionen Lira im Monat eine bescheidene aber gesicherte Existenz zu führen, reichen die 520 Euro dafür hinten und vorne nicht!

Ein numismatisches Relikt aus den guten alten Zeiten fand vor einigen Tagen unerwartet Einzug in meinen Geldbeutel. Ich entdeckte eine 500 Lira-Münze aus Italien, geprägt im Jahre 1995, die man mir in irgendeinem Geschäft versehentlich als Wechselgeld gegeben hat. Der Fehler scheint verzeihbar: Die Münze sieht einem heutigen 2 Euro-Stück nämlich zum Verwechseln ähnlich. Auch sie besteht aus zwei Metallen. Einen goldenen Kern aus Bronzital (eine Legierung aus 82% Kupfer, 16% Aluminium und 2% Nickel) umgibt ein silberner Ring aus Acmonital (81,75 % Stahl, 18,25 % Chrom). Mit 2,58 cm entspricht ihr Durchmesser nahezu exakt dem einer 2 Euro-Münze. Lediglich im Gewicht gibt es einen klaren Unterschied: Während eine 2 Euro-Münze 8,5 g auf die Waage bringt, sind es bei der 500 Lira-Münze nur 6,8 g.

Die Vorderseite der italienischen Münze ziert ein nach links gerichteter Frauenkopf im Profil: Es handelt sich um eine Personifikation der Italienischen Republik. Darunter steht „CRETARA“, der Name der bekannten Künstlerin Laura Cretara, der die Gestaltung der Münze oblag. Die Rückseite bietet uns einen Blick über den Quirinalsplatz in Rom. Im Vordergrund steht der Dioskurenbrunnen mit seinem antiken Obelisken. Dahinter sehen wir die Fassade des Quirinalspalastes, dem heutigen Amtssitz des italienischen Präsidenten.

Die Prägung der Lira-Münzen endete bereits im Jahre 2001. Was hat dieses Exemplar seither getan? War die Münze tatsächlich 17 Jahre als vermeintliche 2 Euro-Münze Undercover im Umlauf? Oder war sie zeitweise aus dem Verkehr gezogen? Vielleicht lag sie einige Jahre unter einem Autositz oder in einer Sofaritze, wurde erst kürzlich wieder entdeckt und aufgrund  fehlender Betrachtung erneut in den Wirtschaftskreislauf eingespeist. Letzteres scheint mir die plausiblere Theorie. Rekonstruieren lässt sich freilich nichts.

Im stadtschreiberlichen Schreibtischfach hat die Münze nun ihre vorerst letzte Ruhestätte gefunden. In einigen hundert Jahren wird man sie vielleicht in einem Museum bewundern können als Relikt aus einer Zeit, als man für 3,50 DM (sprich 1 Euro und 75 Cent) noch mit einem Tankstellendöner satt werden konnte.

Herzliche Grüße und bis bald!

Ihr Paul Duschner

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*