Die 70er als museales Objekt – ein kleiner Exkurs nach Dänemark: Teil II

Nachdem ich im ersten Teil meines Berichts zum Den Gamle By bereits ein wenig zu den Wohnungen von 1974 erzählt habe, möchte ich nun genauer auf die Konzeption eingehen. Das Besondere an den Räumen ist nicht nur die Ausstattung, sondern auch die verschiedenen Details, die den Zimmern hinzugefügt wurden. So befinden sich auf den Tischen Gegenstände, die den Eindruck erwecken, die Bewohner würden hier noch stets leben: Teetassen, Tageszeitungen und sogar Imitationen von Lebensmitteln, wie unechter Babybrei, angeschnittenes Brot und Margarine im Kühlschrank. Die Produkte sind von Marken, die 1974 verwendet wurden. Dies und die Verwendung einer Puppe, die, als älterer Herr ausstaffiert, in einer der Wohnungen „schlafend” auf dem Sofa liegt, würde in vielen deutschen Museen sicherlich auf Kritik stoßen, ist doch dieser Eindruck, man könne die Vergangenheit wieder zum Leben erwecken, ein trügerischer. Eine Gefahr, die ich in der Inszenierung solcher Wohn- und Lebensrealitäten sehe, ist die der Stereotypisierung. So wurden in der Kommune mehrere leere Bierflaschen verteilt, die ein bestimmtes Bild einer Wohngemeinschaft verstärken sollen. In einigen Wohnungen werden außerdem Projektionen gezeigt, die Umrisse von Bewohnern darstellen sollen, teilweise werden auch fiktive Dialoge, wie ein Gespräch am Frühstückstisch einer Familie, abgespielt.

Blick in einen mit künstlichen Lebensmitteln ausgestatteten Kühlschrank in einer Wohnung von 1974.

Gleichzeitig werden die Einrichtungen der Wohnungen durch museale Ergänzungen verfremdet. Dazu gehören neben den Beschriftungstafeln auch Absperrungen vor einigen Betten und Sofas und Glasplatten vor einigen Objekten. Diese Begrenzungen sind notwendig, denn die beinahe lebendige Atmosphäre der Wohnungen lädt einige Besucher dazu ein, auf den Sitzflächen zu verweilen. Auch durch die verschiedenen interaktiven Stationen wirken die Einrichtungsgegenstände kaum wie Exponate eines Museums. So steht in jeder Wohnung ein Telefon, mit welchem die Besucher sich gegenseitig anrufen können. In der Kommune steht ein Plattenspieler, auf dem selbstständig verschiedene Titel aufgelegt werden können. Neben den Beschriftungen, die an den Wänden hängen, werden auch erklärende Videos in einzelnen Räumen abgespielt. Diese zeigen Interviews mit den ehemaligen Bewohnern der Wohnungen und geben interessante Hintergrundinformationen zum Alltag in den Siebziger Jahren. Besondere Einrichtungen stellen neben den Wohnungen eine gynäkologische Praxis und ein erst kürzlich eingebauter Kindergarten von 1974 dar. Auch die Toiletten, die sich zu der Zeit auf dem Gang befanden und von den Bewohnern der jeweiligen Wohnungen geteilt werden mussten und die Kellerräume wurden originalgetreu eingebaut.

Blick auf den Esstisch in der Wohnung des Hippie-Paares. Im Hintergrund ist ein Interview mit dem ehemaligen Bewohner zu hören.


Die Period Rooms in Den Gamle By eröffnen hinsichtlich ihrer Konzeption neue Überlegungen. So kann insbesondere die Einbeziehung von Interviews mit den ehemaligen Bewohnern eine sinnvolle Möglichkeit sein, die jeweiligen Interieurs einordnen zu können. Jedoch erzeugen einige der vom Museum hinzugefügten Aspekte eine zu starke Inszenierung und führen zur Erschaffung eines künstlichen Bildes. Gleichzeitig entwickeln gerade diese Aspekte eine große Wirkung auf die Besucher und können große Vorteile hinsichtlich der Geschichtsvermittlung bringen. In jedem Fall ist Den Gamle By einen Besuch wert!

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