Das Paderborner Schützenfest – Zwischen Tradition und Feier

Am vergangenen Wochenende war ich auf meinem ersten Schützenfest! Ich hatte mir im Vorhinein von meinem Bekannten Marc bereits einiges über das Schützenfest in Paderborn erzählen lassen, sodass ich zumindest den groben Ablauf kannte. Ich habe marschierende Schützen, Paraden, Kutschen mit Königinnen und Spielmannszüge gesehen. Auch das traditionelle Königsschießen habe ich mir angesehen.

Besonders das Königsschießen war für mich spannend. Zunächst war ich davon ausgegangen, dass derjenige Schütze, der den Vogel als erster treffen würde, der neue König werden würde. Tatsächlich ging es aber darum, den Holzvogel bis auf den letzten Holzsplitter von seiner Befestigung zu schießen. Dies zog sich etwa zweieinhalb Stunden, in denen insbesondere die Titelmusik der Winnetou Filme gespielt wurde. Die beiden Moderatoren – in diesem Jahr wurde zum ersten Mal, wie mir von einem der Zuschauer erklärt wurde, eine Übersetzung für die anwesenden Engländer angeboten – gaben während des Schießens verschiedene Kommentare und Erklärungen zum Schießprozess ab. Außerdem interviewten sie die Anwesenden und auch das Publikum. Die Winnetou-Musik war scheinbar in den letzten Jahren eine Art Geheimwaffe gewesen um den Vogel zum Absturz zu bewegen. Als sich dieser nach mehr als zwei Stunden immer noch wacker hielt, spielte man auf Anraten des Publikums ACDC, um den Vogel zu erschrecken.
In dieser Zeit hatte ich die Gelegenheit mich mit verschiedenen Zuschauern über die Veranstaltung und das Königsschießen zu unterhalten. Ein anwesender Metzger aus Lippstadt erzählte mir, dass es in Paderborn Brauch sei, die Königin bereits im Vorhinein festzulegen. In anderen Städten und Dörfern hingegen ist es üblich, dass der neue König sich seine Königin selbst wähle. In Paderborn habe der Brauch, die Königin im Vorhinein festzulegen, seinen Ursprung darin, dass das Schützenfest mit hohen Kosten für den König verbunden sei und durch die Wahl der Königin aus einer anderen Familie, die Kosten für das Schützenfest geteilt werden könnten. Da König und Königin im Laufe des Jahres an vielen Veranstaltungen teilnähmen, verbrächten König und Königin so mehr Zeit miteinander als mit ihren Ehegatten. Dies habe in der Vergangenheit bereits zu Gerüchten und gesellschaftlichen, aber auch ehelichen Spannungen geführt.

Bei der Parade der „alten Königin“ habe ich außerdem Wolf Frank und seine Verlobte Huanhuan Lu aus Shandong in China getroffen. Beide leben derzeit in China. Da er jedoch in Paderborn aufgewachsen ist und die beiden dabei sind, eine Familie zu gründen, haben sie sich dafür entschieden zunächst nach Paderborn und damit in die Nähe zu seiner Familie zu ziehen. Für Huanhuan war das Schützenfest eine besondere Erfahrung: Die Kleider, Paraden und das Marschieren waren für sie, wie auch für mich, neu und aufregend. Wer von uns beiden mehr Fotos gemacht hat, kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Im Vorbeigehen wurde sie jedoch von sehr vielen Schützen und den Zeremonienmeistern gegrüßt und angelächelt. Die junge Chinesin war für einige der Schützen und Musiker definitiv eines der Highlights des Festes!

Eine andere Zuschauerin, die ebenfalls in Paderborn aufgewachsen ist und das Schützenfest seit ihrer Kindheit kennt, erklärte mir: „Es wird weit weniger getrunken als früher! Oder zumindest trinke ich jetzt weniger.“ Außerdem würden hier ihrer Meinung nach immer mehr Hürden überwunden, so dass das Schützenfest in den letzten Jahren weltoffener geworden sei. Im Nachhinein und vor dem Hintergrund der Erfahrungen ihrer Freundin als Zeremonienmeisterin kann sie nun sagen, dass das Schützenfest in Paderborn wesentlich ernster sei, als sie es als Kind wahrgenommen habe. An Paderborn schätze sie, dass es eine kleine Stadt mit Großstadtflair sei. Das Vorurteil der sturen Ostwestfalen träfe auf die Paderborner ihrer Erfahrung nach nicht zu.

Nach der Königinnenparade hatte ich außerdem die Gelegenheit mich mit einigen der jungen Musiker und Musikerinnen der Königsträßer zu unterhalte. Mit Hilfe ihrer Smartphones hatten sie die Kilometer gezählt, die sie am Sonntag marschiert waren: 8,5 Kilometer reines Marschieren! Inklusive Tanzen von Mitternacht bis zwei Uhr morgens kamen sie insgesamt auf Kilometerzahlen von 12 bis 17,5.

Das Paderborner Schützenfest habe ich also als traditionelles Fest mit verschiedenen Brächen kennen gelernt, dass sich aber genauso an die gesellschaftliche Realität anpasst, beziehungsweise sich mit den Paderbornern zusammen verändert. Alles in Allem bleibt das Schützenfest ein Fest, das – unter Berücksichtigung der Traditionen und Bräuche – auch als solches wahrgenommen, angenommen und gefeiert wird.

Weitere Bilder vom Schützenfest finden Sie auf Facebook unter www.facebook.com/StadtschreiberPaderborn

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