Archiv des Autors: Christoph Vogelsang

Meidingers 10 Todsünden der Schulpolitik im Licht der Bildungsforschung 3/12 – Teil 2

Todsünde Nr. 2: Ideologien und Visionen bestimmen schulische Reformen

In einer Artikelreihe beschäftigen wir uns mit dem Buch „Die 10 Todsünden der Schulpolitik – Eine Streitschrift“ von Heinz-Peter Meidinger (2021) aus der Perspektive der empirischen Bildungsforschung. Dabei betrachten wir, wie Prämissen und Argumentationen im Buch vor dem Hintergrund von Ergebnissen der Bildungsforschung eingeschätzt werden können. Dieser ist der zweite Teil eines Beitrags, der sich mit der zweiten vom Autoren so bezeichneten Todünde beschäftigt. Im ersten Teil wurde die Kernthese des zugehörigen Kapitels genauer betrachtet. Da diese insbesondere am Beispiel der Einführung von Gesamtschulen im deutschen Bildungssystem konkretisiert wird, wurden anschließend theoretische und (ein paar wenige) historische Hintergründe zu Fragen der Gestaltung von gegliederten und aus Gesamtschulen bestehenden Schulsystemen dargestellt. Dieser Beitrag konzentriert sich nun auf die Ergebnisse empirischer Untersuchungen zum Schulsystem und insbesondere zur Wirkung von Gesamtschulen. Thesen aus dem Buch werden auch in diesem Teil im Konjunktiv als indirekte Rede wiedergegeben, was keine Zustimmung oder Ablehnung implizieren soll.

Grau ist alle Empirie…

Was ergaben nun diese ersten empirischen Studien zur neu eingeführten integrierten Gesamtschule? Wie bei einem solch komplexen Untersuchungsgegenstand zu erwarten, sind die Ergebnisse ebenfalls komplex und unterscheiden sich je nach untersuchtem Zielbereich, Bundesland und weiterer Faktoren (vgl. zusammenfassend Fend, 1982). Bspw. untersuchten Fend et al. (1976) mit Hilfe einer Befragung von 3750 Schüler*innen der 9. und 10. Schulstufe, 404 Lehrkräften und 548 Eltern aus Baden-Württemberg, Hessen, Hamburg und Berlin, ob im integrierten Gesamtschulsystem im Vergleich mehr Schüler*innen höhere Schulabschlüsse anstrebten oder welche Rolle Intelligenz in verschiedenen Schulsystem spielte. Grob zusammengefasst ergab sich, dass im Gesamtschulsystem mehr Schüler*innen als Abschluss ein Abitur erwarteten (40% gegenüber 23%, Fend et al., 1976, 141) und dass der Zusammenhang zwischen Intelligenz und Leistungen bzw. Leistungsstatus im Gesamtschulsystem im Vergleich niedriger ausfällt (r = .24 gegenüber r = .38, Fend et al., 1976).

Auch im Abschlussbericht der wissenschaftlichen Beratergruppe zum Gesamtschulversuch von Nordrhein-Westfalen (Kultusminister NRW, 1979) werden umfangreiche Ergebnisse zu Vergleichen zwischen Schüler*innen der beiden Schulsysteme berichtet. Allgemein zusammengefasst zeigte sich, dass bezogen auf fachliche Lernleistungen leistungsschwächere Schüler*innen (definiert anhand der Übergangsempfehlung auf eine Hauptschule) in der 6. Klasse an integrierten Gesamtschulen höhere Leistungen erzielten, als die entsprechende Gruppe im gegliederten System. Bei leistungsstärkeren Schüler*innen (Übergangsempfehlung für Realschule oder Gymnasium) sind die Ergebnisse umgekehrt. Dieses Muster ergab sich allerdings nicht mehr für Schüler*innen in der 9. Klasse, in der die Schüler*innen im gegliederten System höhere Leistungen erzielten (siehe hierzu Kultusminister NRW, 1979, 57ff.). Es wurde allerdings auch eine große Varianz zwischen Schulen innerhalb beider Systeme in den Ergebnissen und auch in den Lerngelegenheiten innerhalb der Schulen für die erfassten Fachleistungen festgestellt. Die Ergebnisse werden zudem in Beziehungen aus Hessen gesetzt, die teils umgekehrte Befunde zeigten. Im Bereich der Lehrkräfte-Schüler*innen-Verhältnisse berichteten Gesamtschüler*innen ein höheres Maß an zugestandener Mitbestimmung durch Lehrkräfte und höhere Selbstständigkeitserwartungen als im gegliederten System. Bei Verstößen gegen schulrelevante Normen (z.B. Störungen etc.) ergaben sich keine Unterschiede zwischen den Systemen. Bezogen auf schulische Abschlüsse erwarben Schüler*innen an Gesamtschulen zu geringeren Anteilen einen Hauptschulabschluss, dafür aber einen höheren Anteil der Fachoberschulreife (68% gegenüber 50%, Kultusminister NRW, 1979, 43f.). In den Oberstufen der Gesamtschulen erreichte allerdings ein geringerer Anteil an Schüler*innen das Abitur (73% gegenüber 86% an Gymnasien, Kultusminister NRW, 1979, 44f.). Es wird in diesem Zusammenhang aber auch formuliert: „Für die Bewertung der Erfolgsquote in der gymnasialen Oberstufe der Gesamtschule ist zu berücksichtigen, daß [sic!] an Gesamtschulen mehr als ein Drittel der Schüler eines Eingangsjahrgangs in die gymnasiale Oberstufe eintritt, während im traditionellen Schulsystem nur etwas mehr als ein Fünftel aller Schüler eines Eingangsjahrgangs […] in die Oberstufe übergeht.“ (Kultusminister NRW, 1979, 45).

Allein der Blick in diese zwei Publikationen zeigt für die Beurteilung der integrierten Gesamtschule: Es ist kompliziert ;). Es besteht eine große Varianz zwischen Ergebnissen verschiedener Schulen innerhalb beider Systeme, innerhalb einzelner Schulen und in den Systemen einzelner Bundesländer (es gibt also auch Überlappungen zwischen den Schulformen, also dass z.B. an bestimmten Gesamtschulen durchschnittlich höhere Leistungen erzielt wurden, als an bestimmten Realschulen oder Gymnasien). Unterschiede in den Curricula und Lerngelegenheiten erschweren zudem einen guten Vergleich. Im letztgenannten Zitat deutet sich eine Schwierigkeit an, die beim Vergleich verschiedener Schulsysteme immer wieder eine Rolle spielt: Es kommt immer darauf an, mit welchen Voraussetzungen Schüler*innen in verschiedene Schulformen übergehen. Um Gesamtschulen und gegliederte Schulsysteme gut vergleichen zu können, wäre es notwendig, dass sich Schüler*innen in den Voraussetzungen möglichst stark ähneln, weil dann Unterschiede in Lernzuwächsen auch deutlich auf das Schulsystem zurückgeführt werden können (wenn man mal davon absieht, dass es noch andere Einflüsse wie die Ausbildung von Lehrkräften etc. gibt).

Das Problem der Eingangsselektivität

Man spricht hierbei auch von der Eingangsselektivität (vgl. Pfost et al., 2010; Ditton & Krüsken, 2006), was meint, dass Schüler*innen sich schon beim Übergang von der Grundschule auf die weiterführende Schulform stark in für das Lernen relevanten Merkmalen unterscheiden. Es ist ein gut belegter Befund der empirischen Bildungsforschung, dass die schulische Leistung von Schüler*innen stark mit den von ihnen ‚mitgebrachten‘ Voraussetzungen zusammenhängen (vgl. Renkl, 2020; vgl. Maaz et al., 2007). Dies meint nicht nur die kognitiven Fähigkeiten oder das Vorwissen aus der Grundschule, sondern auch Aspekte wie den sozio-ökonomischen Status der Familie (z.B. über wieviel Geld eine Familie für weitere Bildungsausgaben verfügt, Berufstätigkeit der Eltern), das Bildungsniveau der Familie (z.B. Abschlüsse der Eltern, Zugang zu Bildungsmedien), oder der Migrationsstatus der Familie (z.B. Kenntnis der Unterrichtssprache) (vgl. Watermann & Baumert, 2006).

Die Eingangsselektivität ist im deutschen Schulsystem relativ groß und es bestehen große Unterschiede zwischen den Voraussetzungen von Schüler*innen der verschiedenen Schulformen. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von der Komposition der Schülerschaft einer Schule oder Schulform (vgl. Baumert et al., 2006). Im IQB-Bildungstrend 2018, der aktuellsten veröffentlichten, auf deutschlandweit repräsentativen Daten für die Sekundarstufe I (bezogen auf die 9. Klasse) beruhenden Untersuchung, wurde bspw. beobachtet, dass sich die Zusammensetzung der Schülerschaft an Gymnasien und nicht-gymnasialen Schulformen stark unterscheidet. So hatte an Gymnasien im Jahr 2018 ein Anteil von MW = 27,7% (SD = 19,7%) der Schüler*innen einen Zuwanderungshintergrund (mindestens ein im Ausland geborener Elternteil), an nicht-gymnasialen Schulformen demgegenüber MW = 34,4% (SD = 25,6%) (Schipolowski et al., 2019, 148). Ebenso hatten an Gymnasien MW = 60,8% (SD = 7,4%) der Schüler*innen einen mittleren sozio-ökonomischen Status (erfasst mit dem HISEI (Highest International Socio-Economic Index of Occupational Status), vgl. Ganzeboom et al., 1992). An nicht-gymnasialen Schulformen betrug dieser Anteil MW = 42,3% (SD = 7,5%).

Seit den ersten Studien zur integrierten Gesamtschule hat sich im deutschen Schulsystem viel verändert. Ihr Anteil ist gestiegen und es wurden eine Reihe größere large-scale-assessments durchgeführt, die es ermöglichen, Unterschiede in Leistungsständen und Lernverläufen zwischen verschiedenen weiterführenden Schulformen zu betrachten. Auf Basis von Daten der BIJU-Studie (Bildungsprozesse und psychosoziale Entwicklung im Jugendalter), in der von N = 2964 Schüler*innen in der 7. und 10. Klasse mit standardisierten Tests Leistungen im Fach Mathematik und Englisch erfasst wurden, konnten bspw. Köller & Baumert (2001) feststellen, dass sich die Leistungen der Schüler*innen je nach Schulform unterschiedlich entwickeln. Am Gymnasium erreichten Lernende in Klasse 10 die höchsten Werte, lagen aber auch in Klasse 7 schon über den anderen Schulformen. Die Leistungen von Schüler*innen an integrierten Gesamtschulen lagen zwischen denen an Haupt- und Realschulen. Zugleich ergaben sich Unterschiede dahingehend, dass sich auch die Zuwächse an den Schulformen unterschieden, bspw. nahmen die Leistungen im Fach Englisch an Gymnasien auch stärker zu, als an den anderen Schulformen (Baumert et al., 2006). Ähnliche Muster konnten auch in den verschiedenen PISA-Studien beobachtet werden. Bspw. erreichten Schüler*innen an Gymnasien in der PISA-Untersuchung 2012 (N = 5001 15-jährige Schüler*innen, davon ca. 24,3% an einer Form der Gesamtschule) durchschnittlich den höchsten Wert in allen Kompetenzbereichen. Die durchschnittlichen Leistungen von Schüler*innen an Gesamtschulen lagen zwischen den Mittelwerten der Haupt- und der Realschule (z.B. Mathematik: Sälzer et al., 2013b, Naturwissenschaften: Schiepe-Tiska et al., 2013). Auch hier lag – wie schon aus älteren Untersuchungen bekannt – eine starke Varianz der Werte zwischen einzelnen Schüler*innen vor, so dass sich größere Überlappungsbereiche auch zwischen den Schulformen ergaben. In den IQB-Ländervergleichen bzw. Bildungstrends sowie in den PISA-Studien 2015 und 2018 wurden nur das Gymnasium und nicht-gymnasiale Schulformen unterschieden (vgl. hierzu auch Hurrelmann, 2013), wobei Schüler*innen an Gymnasien insgesamt häufiger höhere Kompetenzstufen erreichten (vgl. Reiss et al., 2019; vgl. Reiss et al., 2016; Kölm & Mahler, 2019; Pant et al., 2013). Der von Heinz-Peter Meidinger formulierte „beispiellose Absturz“ (Meidinger, 2021, 39) Baden-Württembergs in nationalen Schulleistungsvergleichen ab 2016 zeigt sich im IQB-Bildungstrend bspw. wie folgt. Der Anteil von Schüler*innen, die den Mindeststandard in Mathematik nicht erreicht hat, sank zwischen den Bildungstrends 2012 und 2018 um ca. 1% und der Anteil, der den Regelstandard erreichte oder übertraf stieg um ca. 2,8% (Kölm & Mahler, 2019, 163f.). Wohl sank aber der Anteil von Schüler*innen an Gymnasien, die den Optimalstandard erreichten (um ca. 5,5%, Kölm & Mahler, 2019, 166). Eine genauere Unterscheidung zwischen Schulformen ist auf Basis der veröffentlichten Daten allerdings nicht möglich.

In allen diesen Untersuchungen wird aber auch ein starker Zusammenhang zwischen Schüler*innenleistungen und dem sozio-ökonomischen, familiären Hintergrund festgestellt, wobei ein ’schwächerer‘ Hintergrund mit schwächeren Leistungen einhergeht (z.B. Mahler & Kölm, 2019; Müller & Ehmke, 2013; vgl. Maaz et al., 2007). Dieser starke Zusammenhang zwischen Voraussetzungen und Lernleistungen erschwert und der stark unterschiedliche Anteil von Schüler*innen bzgl. dieser Voraussetzungen auf unterschiedliche Schulformen erschwert den Vergleich der Wirkungen von Gesamtschulen und einem gegliederten Schulsystem. Inwiefern können Unterschiede in Lernleistungen nun hauptsächlich auf die Schulform (und bspw. damit die Zusammensetzung der Schüler*innenschaft nach Fähigkeiten) zurückgeführt werden, wenn andere Einflussfaktoren so ungleich verteilt sind? Baumert et al. (2006) haben bspw. anhand von Querschnitts-Daten der nationalen Erweiterung der ersten PISA-Studie 2000 untersucht, zu welchem Anteil Unterschiede in den Testergebnissen zur Lesekompetenz zwischen Schulen durch Unterschiede auf der individuellen (z.B. kognitive Fähigkeit, sozio-ökonomischer Status) oder auf institutionellen Ebene (z.B. Schulform, mittleres Leistungsniveau einer Klasse) erklärt werden können. Hierfür berechneten sie komplexe Mehrebenen-Regressionsmodelle. Den größten Einfluss auf individueller Ebene hatten dabei die kognitive Grundfähigkeit (positiv), falls in Deutsch nicht Familiensprache war (negativ) und wenn die Eltern über keine Berufsausbildung verfügten (negativ). Auf institutioneller Ebene hatte die mittlere kognitive Grundfähigkeit einer Klasse, aber auch sie Schulform einen signifikanten Einfluss. Unterschiede zwischen Schulen konnten dabei zum größten Teil durch konfundierte Faktoren erklärt werden, also Faktoren, die das Zusammenwirken mehrerer einzelner Variablen betrachtet (z.B. mittleres Fähigkeitsniveau, Schulform, mittleres Bildungsniveau der Eltern). Der ‚reine‘ Anteil der Schulform war eher gering (Baumert et al., 2006, S. 132). Auch hier zeigt sich, dass die Eingangsselektivität von Schulformen einen großen Einfluss darauf hat, wie Ergebnisse von Leistungsvergleichen zwischen Schulen ausfallen.

Ein Blick in noch aktuellere Analysen

Die Frage danach, ob ein gegliedertes Schulsystem gegenüber einem System aus Gesamtschulen bessere Lernleistungen erzeugt, wurde auch in noch aktuelleren Untersuchungen erneut betrachtet. Esser & Seuring (2020) analysierten, ob innerhalb der deutschen Bundesländer Schulsysteme nach ‚Schärfe‘ der Verteilung von Schüler*innen nach Leistungen bzw. Leistungsfähigkeit nach der Grundschule auf weiterführende Schulformen (operationalisiert nach der Verbindlichkeit der Übergangsempfehlung) Unterschiede hinsichtlich der Lernleistungen bestehen. Vermutet wurde auf Grundlage des komplexen MoAbiT (Model of Ability Tracking, Esser, 2016), dass innerhalb der Schulformen im Vergleich insgesamt höhere Leistungen erzielt werden und dass die Unterschiede zwischen Schüler*innen aufgrund der Voraussetzungen (z.B. sozio-ökonomischer Hintergrund) durch die Differenzierung nicht zunehmen. Grundlage bildeten Daten einer (nicht-repräsentativen) Kohorte Schüler*innen (N = 2662, 13 Bundesländer) in der National Educational Panel Study (NEPS, Blossfeld et al., 2011), deren Leistungen im Lesen und in Mathematik erfasst wurden. Grob zusammengefasst berichten die Autoren auf Basis komplexer hierarchischer Regressionsmodelle, dass ihre Annahmen zutreffen, und kognitive homogenere Schulformen einen Vorteil für die Leistungsentwicklung bilden.

Wurde nun gezeigt, dass gegliederte Schulsysteme vorteilhafter sind als Gesamtschulsysteme? Heisig & Matthewes (2022) argumentieren, dass dies nicht geschlossen werden kann, da kein Schulsystem mit Gesamtschulen mit gegliederten Systemen verglichen wurde, sondern verschiedene gegliederte Schulsysteme untereinander. Sie können allerdings auf Basis desselben Datensatzes und denselben Analysemethoden die Ergebnisse von Esser & Seuring (2020) nicht replizieren. Der Grund hierfür ist auch hier (unter anderem) wieder die Eingangsselektivität verschiedener Schulformen, deren Kontrolle in der Erststudie auch Heisig & Matthewes (2022) kritisieren. Als zentrales Maß der Fähigkeit wurden Maße der kognitiven Fähigkeit zu Beginn von Klasse 5 verwendet. Wurde aber zusätzlich kontrolliert, dass sich Grundschüler*innen in Bundesländern mit unterschiedlich ’strikten‘ Verteilungen nach Fähigkeiten auf weiterführende Schulformen schon vor dem Übergang unterscheiden, dann ließen sich die Ergebnisse von Esser & Seuring (2020) nicht mehr replizieren. Grundschüler*innen unterscheiden sich zwischen den Bundesländern stark bzgl. ihrer Kompetenzen im Lesen und in Mathematik, was auch wiederum mit dem sozio-ökonomischen Hintergrund zusammenhängt (Stanat et al., 2022). Lorenz & Lenz (2022) nutzten die repräsentativen Daten der IQB-Bildungstrends 2015 und 2018 (N = 28.625 Schüler*innen (Deutsch) bzw. 20.772 Schüler*innen (Mathematik)) und versuchten die Ergebnisse von Esser & Seuring (2020) ebenfalls zu replizieren. Sie kamen zu folgendem Ergebnis: „Allerdings unterschied sich die kognitive Homogenität nur in der Stichprobe aus dem Jahr 2015 signifikant zwischen den Systemen. Ein (scheinbar systembedingter) Leistungsvorteil in den Bundesländern mit einer strikten Leistungsdifferenzierung konnte wiederum nur für die Stichprobe aus dem Jahr 2018 und den Kompetenzbereich Mathematik festgestellt werden.“ (Lorenz & Lenz, 2022). Effekte ließen sich also nur teilweise zeigen, wobei die Mechanismen des MoAbiT nicht bestätigt werden konnten. Zusätzlich sehen Lorenz & Lenz (2022) die Tendenz, dass leistungsschwächere Schüler*innen in ’strikt‘ differenzierenden Systemen weniger von einer kognitiven Homogenisierung profitieren, und sie weisen auf die Unterschiede zwischen den Voraussetzungen in den Bundesländern hin.

Fazit

Was kann die empirische Bildungsforschung nun zur Gesamtschule sagen? Ist ein Schulsystem aus Gesamtschulen, also einer Schulform nach der Grundschule für alle Schüler*innen, einem gegliederten System überlegen? Oder ist sie in den Worten von Heinz-Peter Meidinger „umfassend und klar gescheitert“ (Meidinger, 2021, 38). Trotz vieler komplexer Analysen und umfangreicher Untersuchungenn lässt sich dies nicht pauschal mit ‚Nein‘ oder ‚Ja‘ beantworten.

Ein Grund hierfür ist eher forschungsmethodischer Natur. Um Unterschiede zwischen Schulsystemen eindeutig auf die Schulformorganisation zurückführen zu können, müssten im idealen Fall zwei Gruppen von Schüler*innen unterschieden werden, die in der Verteilung möglichst aller lernrelevanten Einflussfaktoren (z.B. kognitive Fähigkeiten, sozio-ökonomischer Hintergrund, Familiensprache) hinreichend gleich sind, sich aber nur darin unterscheiden, in was für einem schulischen System sie in ihrer Schullaufbahn unterwegs sind (und auch dann müssten die zur Verfügung stehenden Lerngelegenheiten, Ausbildung der Lehrkräfte u.v.a hinreichend ähnlich sein). Eine solche Studie bzw. eine solche Ausgangslage wird sich aber unter Realbedingungen kaum herstellen lassen. Solange Gesamtschulen neben den traditionellen Schulen des dreigliedrigen Schulsystems bestehen, wird es aufgrund vieler Gründe so gut wie immer dazu kommen, dass sich bzgl. der Voraussetzungen der Schüler*innen unterschiedliche Verteilungen in verschiedenen Schulformen ergeben und daher eine gewisse Eingangsselektivität bestehen bleiben. Das hat auch damit zu tun, dass mit unterschiedlichen Schulabschlüssen auch bei sonst vergleichbaren Lernleistungen der Schüler*innen stark unterschiedliche weitere Lebenschancen einhergehen (z.B. Schuchart, 2007) und dies den Beteiligten auch bewusst ist.

Ein anderer Grund liegt darin, dass die vorliegenden Forschungsergebnisse auch darauf hindeuten, dass es für die Förderung inhaltsbezogener Kompetenzen weniger auf die äußere strukturelle Gestaltung von Schule ankommt, sondern auf die innere Gestaltung, also darauf, was konkret mit den Schüler*innen im Unterricht gemacht wird. Anders gesagt, es hat einen größeren Effekt, wenn die konkreten Lerngelegenheiten einer konkreten Klasse möglichst qualitätsvoll sind (vgl. Gräsel & Göbel, 2022), als wenn das gesamte System einer bestimmten Struktur folgt. Das soll nicht bedeuten, dass das Schulsystem keine Rolle spielt, es existieren nur eine Menge anderer Stellschrauben, an denen ebenfalls gedreht werden könnte, um Lernleistungen zu verbessern, die nicht auf der obersten Strukturebene liegen. Oder wie Hattie (2002) es formuliert: „Good teaching can occur independently of the class configuration or homogeneity of the students within the class.“ (Hattie, 2002, 449)

Einen bestimmten, positiven Effekt hat die Einführung von Gesamtschulen bzw. die damit verbundenen Untersuchungen und Diskussionen allerdings auf jeden Fall ergeben. Durch sie wurden auch affektiv-emotionale Aspekte der Schule (z.B. Leistungsangst, Schulstress) in der empirischen Bildungsforschung stärker untersucht und insbesondere auch in anderen Schulformen in den Fokus genommen (vgl. Mattes, 2017). Die dritte Todsünde der Bildungspolitik wird Gegenstand des nächsten Beitrags in dieser Artikelreihe sein. Er wird an dieser Stelle verlinkt, sobald er online zugänglich ist.

Literatur:

  • Baumert, J., Stanat, P., & Watermann, R. (2006). Schulstruktur und die Entstehung differenzieller Lern- und Entwicklungsmilieus. In J. Baumert, P. Stanat, & R. Watermann, (Hrsg.), Herkunftsbedingte Disparitäten im Bildungswesen: Differenzielle Bildungsprozesse und Probleme der Verteilungsgerechtigkeit (S. 95-188). VS Verlag für Sozialwissenschaften. (Online)
  • Blossfeld, H.P., & H.G. Roßbach (Hrsg.) (2011). Education as a Lifelong Process – The German National Educational Panel Study (NEPS). Springer VS. (Online)
  • Ditton, H., & Krüsken, J. (2006). Der Übergang von der Grundschule in die Sekundarstufe I. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 9, 348-372. (Online)
  • Esser, H. (2016). Bildungssysteme und ethnische Bildungsungleichheit. In C. Diehl, C. Hunkler, & C. Kristen (Hrsg.), Ethnische Ungleichheiten im Bildungsverlauf. Mechanismen, Befunde, Debatten (S. 331-396). Springer VS. (Online)
  • Esser, H., & Seuring, J. (2020). Kognitive Homogenisierung, schulische Leistungen und soziale Bildungsungleichheit. Zeitschrift für Soziologie, 49(5-6), 277-301. (Online)
  • Fend, H., Knörzer, W., Nagl, W., Specht, W., & Väth-Szusdziara, R. (1976). Gesamtschule und dreigliedriges Schulsystem. Eine Vergleichsstudie über Chancengleichheit und Durchlässigkeit. Klett Verlag.
  • Fend, H. (1982). Gesamtschule im Vergleich. Bilanz der Ergebnisse des Gesamtschulversuchs. Beltz.
  • Ganzeboom, H. B., De Graaf, P. M., & Treiman, D. J. (1992). A standard international socio-economic index of occupational status. Social Science Research, 21(1), 1-56. (Online)
  • Gräsel, C., & Göbel, K. (2022). Unterrichtsqualität. In H. Reinders, D. Bergs-Winkels, A. Prochnow, & I. Post (Hrsg.), Empirische Bildungsforschung (S.663-674). Springer VS. (Online)
  • Hattie, J. A. (2002). Classroom composition and peer effects. International Journal of Educational Research, 37(5), 449-481. (Online)
  • Heisig, J. P., Elbers, B., & Solga, H. (2020). Cross-national differences in social background effects on educational attainment and achievement: absolute vs. relative inequalities and the role of education systems. Compare: A Journal of Comparative and International Education, 50(2), 165-184. (Online)
  • Heisig, J. P., & Matthewes, S. H. (2022). No Evidence that Strict Educational Tracking Improves Student Performance through Classroom Homogeneity: A Critical Reanalysis of Esser and Seuring (2020). Zeitschrift für Soziologie, 51(1), 99-111. (Online)
  • Köller, O., & Baumert, J. (2001). Leistungsgruppierungen in der Sekundarstufe I. Ihre Konsequenzen für die Mathematikleistung und das mathematische Selbstkonzept der Begabung. Zeitschrift für Pädagogische Psychologie, 15(2), 99-110. (Online)
  • Kölm, J., & Mahler, N. (2019). Kompetenzstufenbesetzungen im Ländervergleich. In P. Stanat, S. Schipolowski, N. Mahler, S. Weirich, & S. Henschel. (Hrsg.), (2019). IQB-Bildungstrend 2018. Mathematische und naturwissenschaftliche Kompetenzen am Ende der Sekundarstufe I im zweiten Ländervergleich (S. 157-200). Waxmann. (Online)
  • Kultusminister des Landes NRW (Hrsg.) (1979). Gesamtschule in Nordrhein-Westfalen – Ergebnisberichte. Grevenverlag.
  • Lorenz, G., & Lenz, S. (2022). Vorteile Kognitiver Homogenisierung? Replikation einer Studie von Hartmut Esser und Julian Seuring zu den Auswirkungen von atrikter Leistungsdifferenzierung auf Schulleistungen und Bildungsungleichheit. Preprint. (Online)
  • Maaz, K., Watermann, R., & Baumert, J. (2007). Familiärer Hintergrund, Kompetenzentwicklung und Selektionsentscheidungen in gegliederten Schulsystemen im internationalen Vergleich. Eine vertiefende Analyse von PISA Daten. Zeitschrift für Pädagogik, 53(4), 444-461. (Online)
  • Mahler, N., & Kölm, J. (2019). Soziale Disparitäten. In P. Stanat, S. Schipolowski, N. Mahler, S. Weirich, & S. Henschel. (Hrsg.), (2019). IQB-Bildungstrend 2018. Mathematische und naturwissenschaftliche Kompetenzen am Ende der Sekundarstufe I im zweiten Ländervergleich (S. 265-294). Waxmann. (Online)
  • Mattes, M. (2017). Von der Leistungs- zur Wohlfühlschule? Die Gesamtschule als Gegenstand gesellschaftlicher Debatten und pädagogischer Wissensproduktion in der Bundesrepublik Deutschland in den 1970er und 1980er Jahren. In S., Rehm E. Glaser, B. Behm, & T. Drope (Hrsg.), Wissen machen. Beiträge zu einer Geschichte erziehungswissenschaftlichen Wissens in Deutschland zwischen 1945 und 1990. Zeitschrift für Pädagogik – 63. Beiheft (S. 187-206). Beltz Juventa. (Online)
  • Meidinger, H.-P. (2021). Die 10 Todsünden der Schulpolitik – Eine Streitschrift. Claudius Verlag.
  • Müller, K., & Ehmke, T. (2013). Soziale Herkunft als Bedingung der Kompetenzentwicklung. In M. Prenzel, C. Sälzer, E. Klieme, & O. Köller (Hrsg.), PISA 2012 – Fortschritte und Herausforderungen in Deutschland (S. 245-274). Waxmann. (Online)
  • Pand, H-A., Stanat, P., Pöhlmann, C., Hecht, M., […], & Ziemke, A. (2013). Der Blick in die Länder. In H-A. Pand, P. Stanat, U. Schroeders, A. Roppelt, T. Siegle, & C. Pöhlmann (Hrsg.), IQB-Ländervergleich 2012 – Mathematische und naturwissenschaftliche Kompetenzen am Ende der Sekundarstufe I (S. 159-247). Waxmann.
  • Pfost, M., Karing, C., Lorenz, C., & Artelt, C. (2010). Schereneffekte im ein-und mehrgliedrigen Schulsystem. Zeitschrift für Pädagogische Psychologie, 24, 258-272. (Online)
  • Reiss, K., Sälzer, C., Schiepe-Tiska, Klieme, E., & Köller, O. (Hrsg.) (2016). PISA 2015 – Eine Studie zwischen Kontinuität und Innovation. Waxmann. (Online)
  • Reiss, K., Weis, M., Klieme, E., & Köller, O. (Hrsg.) (2019). PISA 2018 – Grundbildung im internationalen Vergleich. Waxmann. (Online)
  • Renkl, A. (2020). Wissenserwerb. In E. Wild, & J. Möller (Hrsg.), Pädagogische Psychologie (S. 3-24). Springer. (Online)
  • Roller, M., & Steinberg, D. (2020). The distributional effects of early school stratification-non-parametric evidence from Germany. European Economic Review, 125, 103422. (Online)
  • Sälzer, C., Reiss, K., Schiepe-Tiska, Prezel, M., & Heinze, A. (2013b). Zwischen Grundlagenwissen und Anwendungsbezug: Mathematische Kompetenz im internationalen Vergleich. In M. Prenzel, C. Sälzer, E. Klieme, & O. Köller (Hrsg.), PISA 2012 – Fortschritte und Herausforderungen in Deutschland (S. 47-98). Waxmann. (Online)
  • Schiepe-Tiska, A., Schöps, K., Rönnebeck, S., Köller, O., & Prenzel, M. (2013). Naturwissenschaftliche Kompetenz in PISA 2012: Ergebnisse und Herausforderungen. In M. Prenzel, C. Sälzer, E. Klieme, & O. Köller (Hrsg.), PISA 2012 – Fortschritte und Herausforderungen in Deutschland (S. 189-216). Waxmann. (Online)
  • Schipolowski, S., Stanat, P., Mahler, N., & Lenz, S. (2019). Kontextinformationen zu den Schulsystemen der Länder in der Sekundarstufe I. In P. Stanat, S. Schipolowski, N. Mahler, S. Weirich, & S. Henschel. (Hrsg.), (2019). IQB-Bildungstrend 2018. Mathematische und naturwissenschaftliche Kompetenzen am Ende der Sekundarstufe I im zweiten Ländervergleich (S. 131-156). Waxmann. (Online)
  • Schuchart, C. (2007). Schulabschluss und Ausbildungsberuf: Zur Bedeutung der schulartbezogenen Bildungsbiografie. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 10, 381-398. (Online)
  • Stanat, P., Schipolowski, S., Schneider, R., Sachse, K-A., Weirich, S., & Henschel, S. (Hrsg.) IQB-Bildungstrend 2021. Kompetenzen in den Fächern Deutsch und Mathematik am Ende der 4. Jahrgangsstufe im dritten Ländervergeleich. Waxmann. (Online)
  • Tillmann, K.-J. (2012). Das Sekundarschulsystem auf dem Weg in die Zweigliedrigkeit. Pädagogik, 64(5), 8-12. (Online)
  • Watermann, R., & Baumert, J. (2006). Entwicklung eines Strukturmodells zum Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und fachlichen und überfachlichen Kompetenzen: Befunde national und international vergleichender Analysen. In J. Baumert, P. Stanat, & R. Watermann, (Hrsg.), Herkunftsbedingte Disparitäten im Bildungswesen: Differenzielle Bildungsprozesse und Probleme der Verteilungsgerechtigkeit (S. 61-94). VS Verlag für Sozialwissenschaften. (Online)

Podcast: Fachgespräche Lehrerinnen- und Lehrerbildung – Nachtrag

Lehrerbildung und Fachdidaktik

Quellennachweis: Tübingen School of Education

In einem Blogbeitrag im November haben wir schon auf die Veranstaltungsreihe „Fachgespräche Lehrerinnen- und Lehrerbildung. Forschung. Diskurs.Perspektiven“ hingewiesen, in der verschiedene Fragen und Herausforderungen der Lehrkräftebildung von eingeladenen Expert*innen diskutiert werden.

Zum Thema „Herausforderungen institutionalisierter Lehrkräftebildung“ war ich (Christoph) als Vertreter der next generation, also als Forscher, dessen akademische Karriere eher noch am Anfang steht, eingeladen einen kurzen Vortrag zu halten; nach Beiträgen von Prof. Dr. Michael Hemmer (Universität Münster, Didaktik der Geographie), critical friend ist Prof. Dr. Sabine Doff (Universität Bremen, Fremdsprachendidaktik Englisch).

Die Aufzeichnung zu diesem Abend ist schon länger auf dem YouTube-Kanal der „Tübingen School of Education“ erschienen und kann dort (allerdings ohne die nachfolgende Diskussionsrunde) gesehen und gehört werden (bei Beitrag beginnt bei Minute 56:12 ;)). Es war ein sehr gelungener Abend und ich möchte mich auch an dieser Stelle noch einmal bei den Organisator*innen und Michael Hemmer und Sabine Doff bedanken.

Es war ein höchst interessanter Austausch zur fachdidaktischen Sicht auf eine Frage bzgl. der Lehrkräftebildung (z.B. das Verhältnis von Theorie und Praxis). Generell wird der Status der Fachdidaktik als Wissenschaftsdisziplin und welche spezifischen Perspektiven sie zur Ausbildung von Lehrer*innen beiträgt bzw. beitragen soll immer mal wieder diskutiert (z.B. Rothland, 2022). Ich hoffe, dass unsere Vorträge hier zur Klärung etwas beitragen konnten.

Die gesamte Veranstaltungsreihe ist sehr empfehlenswert! Der Flyer zur zweiten Staffel ist weiterhin online hier zu finden.

Literatur:

  • Doff, S. (2022, 23. November). RESPONSE zu: Prof. Dr. M. Hemmer – Herausforderungen institutionalisierter Lehrkräftebildung aus Perspektive der Fachdidaktiken. Vortrag im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Fachgespräche Lehrerinnen- und Lehrerbildung. Forschung. Diskurs. Perspektiven“, Staffel 2. Virtuell/Tübingen.
  • Hemmer, M. (2022, 23. November). Herausforderungen institutionalisierter Lehrkräftebildung aus Perspektive der Fachdidaktiken. Vortrag im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Fachgespräche Lehrerinnen- und Lehrerbildung. Forschung. Diskurs. Perspektiven“, Staffel 2. Virtuell/Tübingen.
  • Rothland, M. (2022). „Theorie“ und „Praxis“ in der Lehrer:innenbildung: Auf der Suche nach fachspezifischen Verhältnisbestimmungen in den Fachdidaktiken. Zeitschrift für Bildungsforschung,
  • Vogelsang, C. (2022, 23. November). Herausforderungen institutionalisierter Lehrkräftebildung aus Perspektive der Fachdidaktiken. Vortrag im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Fachgespräche Lehrerinnen- und Lehrerbildung. Forschung. Diskurs. Perspektiven“, Staffel 2. Virtuell/Tübingen.

Meidingers 10 Todsünden der Schulpolitik im Licht der Bildungsforschung 3/12 – Teil 1

Todsünde Nr. 2: Ideologien und Visionen bestimmen schulische Reformen

In einer Artikelreihe beschäftigen wir uns mit dem Buch „Die 10 Todsünden der Schulpolitik – Eine Streitschrift“ von Heinz-Peter Meidinger (2021) aus der Perspektive der empirischen Bildungsforschung. Dabei betrachten wir, wie Prämissen und Argumentationen im Buch vor dem Hintergrund von Ergebnissen der Bildungsforschung eingeschätzt werden können. Nachdem wir im vorherigen Beitrag die erste der vom Autoren so bezeichneten „zehn Todsünden der Schulpolitik“ betrachtet haben, folgt in diesen Beitrag die zweite. Für die weiteren Ausführungen ist eine Kenntnis des entsprechen Buchkapitels hilfreich, weshalb es empfehlenswert ist, es zuvor zu lesen. Thesen aus dem Buch werden im Konjunktiv als indirekte Rede wiedergegeben, was keine Zustimmung oder Ablehnung implizieren soll. Es ist ein relativ langer Text geworden, was im Wesentlichen an der Komplexität des im Kapitel behandelten Themas liegt. Daher wurde er für das Blog in zwei Beiträge aufgeteilt.

Ideolog*innen bestimmen bildungspolitische Entscheidungen?

Todsünde Nr. 2 bzw. die Kernthese dieses Kapitels lässt sich dahingehend zusammenfassen, dass viele bildungspolitische Entscheidungen nicht zur Lösung konkreter Sachfragen oder Probleme, sondern aufgrund von, aus Sicht des Autoren, fragwürdiger ideologischer Zielvorstellungen getroffen würden. Er kritisiert, dass aus dieser Perspektive „Schulpolitik der Realisierung einer Utopie zu dienen hat, in erster Linie also Mittel zum Zweck ist, […] um eine vermeintlich bessere Gesellschaft durchzusetzen“ (Meidinger, 2021, 34). Aus diesem ideologisch geprägten Umgang mit bildungspolitischen Fragen, folgen aus Sicht des Autors vier negative Konsequenzen.

  1. Bei Bildungsfragen ginge es nicht um korrekte oder falsche Sachentscheidungen, sondern darum, „[…] ob man auf der Seite des Guten […] steht oder nicht.“ (Meidinger, 2021, 35)
  2. Diskussionen über Schulthemen verliefen zunehmend emotionalisiert und in Freund-Feind-Schemata.
  3. Es bestünde zwischen verschiedenen Beteiligten keine für die Arbeit in und an Schule wichtige Kompromissfähigkeit mehr.
  4. Alle Beteiligten interpretierten die Ergebnisse von Bildungsstudien so, dass es die eigene Sicht auf bildungspolitische Entscheidungen stützte.

„Eine Schule für alle“ als Beispiel ideologischer Bildungsreformen

Heinz-Peter Meidinger erläutert seine Kernthese aus diesem Abschnitt an der Frage nach der strukturellen Organisation von Schule, noch konkreter an „[…] einem heftigen bis heute andauernden Kampf um Schulstrukturen, insbesondere die Ersetzung des gegliederten Schulwesens durch Gesamtschulen“ (Meidinger, 2021, 34). Er bezieht sich auf die Diskussionen zur Einführung von Gesamtschulen in den 1970er Jahren und beschreibt anschließend die Einführung von Gemeinschaftsschulen (grob: Zusammenführung von Haupt- und Realschulen) in Baden-Württemberg im Jahr 2011 als ideologisch motiviert. Diese Einführung (in Verbindung mit z.B. dem Wegfall verbindlicher Übergangsempfehlungen) habe zu einer Verschlechterung von Lernerfolgen in nationalen Schulleistungsvergleichen ab dem Jahr 2016 geführt. Als positiv wird beurteilt, dass die im selben Zeitraum in Hamburg diskutierte Verlängerung der Grundschulzeit um zwei Jahre, eingeordnet als ebenfalls ideologisch motivierte Einführung einer Art Einheitsschule, nicht umgesetzt wurde. Danach habe man in Hamburg die „wirklichen Problemfelder“ (Meidinger, 2021, 42) angegangen (z.B. mangelnde Lernerfolge). Als ähnlich ideologisch motivierte Überlegungen wird in diesem Kapitel ebenfalls die Inklusion von Schüler*innen mit Förderbedarfen in Regelschulen (verbunden mit Schließungen von Förderschulen) beschrieben. Demgegenüber wird an mehreren Stellen des Kapitels mehr oder weniger explizit gefordert, sich bei Änderungen an der Schulstruktur stärker an empirischer Evidenz zu orientieren (z.B. Meidinger, 2021, 34 oder 49).

Zusammengefasst lässt sich festhalten, dass Heinz-Peter Meidinger sich für ein Beibehalten einer mehrgliedrigen Schulstruktur ausspricht bzw. diese nicht durch ein System aus Gesamtschulen zu ersetzen. Zentrale Prämisse hierfür ist die im folgenden Zitat ausgedrückte Bewertung der Gesamtschule:

„Gemessen am eigenen Anspruch ist in Deutschland kaum ein Schulmodell so umfassend und klar gescheitert wie die Gesamt- oder Gemeinschaftsschule. Sie hat weder zu besseren Leistungen, noch zu mehr Bildungsgerechtigkeit, noch zu den erhofften höheren sozialen Kompetenzen geführt.“

(Meidinger, 2021, 38)

Umgekehrt folgt aus diesem Urteil, dass das bestehende Schulsystem mit mehreren Schularten bessere Wirkungen als ein System bestehend aus Gesamtschulen hat bzw. zumindest keine schlechteren. Wobei dies eine Interpretation meinerseits ist und von Heinz-Peter Meidinger im Kapitel nicht so explizit formuliert wird.

Aufbau von Schulsystemen

Die Auswirkung verschieden strukturierter Schulsysteme zu untersuchen, erfordert Forschungsprojekte, die – bezogen auf das Forschungsdesign, die notwendigen Datenerhebungen und die Auswertemethoden – sehr komplex und aufwendig sind. In diesem Blogbeitrag kann daher kein umfassender Einblick gegeben werden, aber ich werde versuchen, einen hinreichenden Überblick zu geben, sodass die oben formulierte Prämisse im Licht der empirischen Bildungsforschung zumindest grob eingeschätzt werden kann. Die Inklusion von Schüler*innen mit Förderbedarfen in Regelschulen wird dabei ausgeklammert (auch weil hierzu die vorliegende Datenlage im Vergleich weniger umfangreich ist).

Es geht im Kern um die Frage, wie ein Schulsystem gestaltet werden sollte, damit die mit der Schule verbundenen Ziele (insbesondere der Aufbau fachlicher oder sozialer Kompetenzen von Schüler*innen) möglichst optimal erreicht werden. In der englischsprachigen Literatur wird in diesem Zusammenhang von explicit tracking oder between-school tracking (vgl. Chmielewski, 2014) gesprochen, also der Aufteilung von Schüler*innen auf verschiedene Schulformen nach bestimmten Kriterien (z.B. nach Fähigkeiten, ability tracking). Implicit tracking oder within-school tracking bezeichnet hingegen die Aufteilung auf z.B. Kurse unterschiedlicher Fähigkeitsniveaus innerhalb einer Schulform, in Deutschland bspw. die Unterscheidung zwischen Grund- und Leistungskursen in der Oberstufe. Die Unterscheidung zwischen Gesamtschulsystemen und differenzierenden Schulsystemen ist allerdings etwas pauschal, da in den meisten Ländern das System in verschiedene Schularten gegliedert ist (Eurydice, 2022; vgl. Klieme et al., 2007). Wesentliche Unterschiede bestehen aber darin, ab welchem Alter sich Schüler*innen auf leistungsdifferenzierende Schulformen aufteilen (vgl. Sälzer et al., 2013a). In Deutschland erfolgt dies im Alter von zehn Jahren und damit im internationalen Vergleich eher früh (vgl. Klieme et al., 2007). Die Grundschule ist in allen Ländern eine Form der Gesamtschule, die von den meisten Schüler*innen besucht wird. Insofern geht es bei der Unterscheidung zwischen Gesamtschul- und gegliederten Systemen primär um weiterführende Schulen.

In Deutschland existieren neben den klassischen Schulformen des dreigliedrigen Schulsystems (Hauptschule, Realschule, Gymmasium) verschiedene Formen der Gesamtschule. Zum einen die integrierte Gesamtschule, die einem integrierten Stufenaufbau folgt, also einer nicht differenzierenden Sekundarstufe I und einer angeschlossenen Oberstufe bzw. Sekundarstufe II innerhalb einer Schule. Diese Form der Gesamtschule ist es, die wie oben erwähnt in den 1970er Jahren diskutiert wurde. Zum anderen existieren auch – in der Sprache des Statistischen Bundesamts (Destatis, 2022) – Schulen mit mehreren Bildungsgängen. Dabei handelt es sich um Schulen der Sekundarstufe I mit innerer Differenzierung, in der Schüler*innen verschiedene Abschlüsse erwerben können. Es sind also Schulen, die grob beschrieben aus einer Zusammenführung von Haupt- und Realschulen gebildet wurden (in Nordrhein-Westfalen bspw. Sekundarschulen genannt) und zusammen mit dem Gymnasium eine Art Schulsystem mit zwei Wegen bilden (vgl. Hurrelmann, 2013). Heinz-Peter Meidinger bezieht sich in seinem Kapitel auf beide Arten, wobei er beide in seine negative Beurteilung der Gesamtschule einschließt. Die von ihm auch beschriebene Verlängerung der Grundschule wird als schulartunabhängige Orientierungsstufe bezeichnet und ist keine Gesamtschule im Sinne der anderen beiden Schularten.

Wie groß ist der Anteil von Gesamtschulen im deutschen Bildungssystem? Im Schuljahr 2021/2022 gab es in Deutschland insgesamt 4058 Gesamtschulen (2156 integrierte Gesamtschulen, 1902 Schularten mit mehreren Bildungsgängen) (Destatis, 2022). Bezogen auf alle allgemeinbildenden, weiterführenden Schulen entspricht das ca. 28% , wobei die meisten von ihnen in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg, die wenigsten in Bayern liegen.

Was lässt sich theoretisch erwarten?

Warum sollte man in einem eingliedrigen oder mehrgliedrigen Schulsystem eigentlich höhere Lernzuwächse im Vergleich zum jeweils anderen System erwarten? Fokussiert man sich rein auf die Entwicklung inhaltsbezogener Kompetenzen (z.B. Lesekompetenz, mathematische Kompetenz), dann werden auf theoretischer Basis grundsätzlich die folgenden Begründungsmuster für Vorteile des jeweiligen Systems formuliert.

Befürworter*innen eines Schulsystems, in dem die Schüler*innen nach der Grundschule nach ihrer Leistung bzw. (kognitiven) Leistungsfähigkeit auf verschiedene Schulformen verteilt werden, argumentieren meist dahingehend, dass eine möglichst homogene Zusammensetzung nach Fähigkeiten Vorteile für die Gestaltung des Unterrichts bietet (vgl. Hallinan, 1994). Sind diese auf einem möglichst ähnlichen Niveau, könnten Lehrkräfte ihren Unterricht einfacher und kohärenter an deren Lernvoraussetzungen anpassen und besser an die Voraussetzungen angepasster Unterricht führt zu besseren Lernzuwächsen. In einem so differenzierten System sollte es also dazu kommen, dass Schüler*innen in verschiedenen, nach Leistungsfähigkeit homogenen Schulformen insgesamt besser gefördert würden, was insgesamt zu höheren Zuwächsen führen sollte (z.B. Esser, 2016). Befürworter*innen von einem Gesamtschulsystem argumentieren demgegenüber meist dahingehend, dass sich ein gegliedertes Schulsystem auf Schüler*innen mit geringeren Fähigkeitsvoraussetzungen besonders nachteilig auswirkt, weil bspw. eine Klassenzusammensetzung nur aus Schüler*innen mit schwächeren Voraussetzungen generell effektiven Unterricht erschwert, in solchen Klassen weniger kognitiv anspruchsvoll unterrichtet wird, sodass Zuwächse geringer ausfallen, und es in solchen Klassen an Unterstützung und positiven Leistungsvorbildern von Mitschüler*innen mit besseren Voraussetzungen fehlt (vgl. Heisig & Matthewes, 2022; vgl. Pfeffer, 2015). Außerdem kann das Stigma, auf einer „schlechteren“ Schulform zu sein, das Selbstkonzept (Möller & Köller, 2004) der Schüler*innen negativ formen, was Lernprozesse ebenfalls negativ beeinflusst. Diese Effekte sollten insgesamt sogar dazu führen, dass Unterschiede zwischen den Schüler*innen zunehmen (vgl. Roller & Steinberg, 2020). Dies führe zu einer größeren Bildungsungleichheit zwischen den Schüler*innen.

Je nachdem, welcher theoretischen Argumentation man eher folgt, desto eher befürwortet man die Gestaltung eines Schulsystems mit oder ohne starker externer Differenzierung in Schulformen nach Fähigkeiten. Anzumerken ist allerdings, dass mit Gesamtschulen auch noch weitere Ziele verfolgt werden bzw. bei ihrer Einführung verfolgt wurden, als die Förderung von inhaltsbezogenen Kompetenzen. Diese wurden teilweise auch als bedeutender eingeschätzt, bspw. eine bessere Einbindung von Schüler*innen bei schulischen Belangen (im Sinne von Demokratieförderung, vgl. Klafki, 2021) oder das Ermöglichen höherer Schulabschlüsse für mehr Schüler*innen mit schwächeren sozio-ökonomischen Hintergründen im Sinne von Chancengleichheit (vgl. Wulf, 2014; Hurrelmann, 2013; Fend et al., 1976).

Aller Anfang ist schwierig…

Wie lässt sich nun die Frage klären, welche Gestaltung der Schulstruktur zu positiveren Auswirkungen führt? Dies erfordert einen empirischen Vergleich zwischen Lernverläufen von Schüler*innen in Schulen unterschiedlicher Struktur bzw. aus unterschiedlichen Systemen, und das über längere Zeiträume hinweg; alles unter Berücksichtigung des gesamten jeweiligen nationalen Kontextes. Dies ist zunächst schwierig ist, da sich in Deutschland weiterführende Schulen relativ von Beginn an zu einem dreigliedrigen System entwickelt haben (vgl. Tillmann, 2012). Gesamtschulen wurden daher in den 1970er Jahren zunächst als einzelne Versuchsschulen „geschaffen“, die parallel zum laufenden Betrieb des mehrgliedrigen Systems ihre Arbeit aufnahmen. Nun geschah dies alles schon vor meiner Geburt, sodass ich mich selbst nur auf vorliegende, schriftliche Quellen stützen kann.

Die (mögliche) Einführung dieser ersten integrierten Gesamtschulen war aber auch in den Augen der damals Beteiligten schon stark durch emotionalisierte Freund-Feind-Debatten zwischen Vertreter*innen verschiedener politischer Positionen begleitet (vgl. Mattes, 2017; Hurrelmann, 2013; vgl. Tillmann, 2012). Ebenfalls wurden für die ersten Gesamtschulen schon früh umfangreiche empirische Ergebnisse (gemessen am damaligen Stand der Technik) vorgelegt (z.B. Fend, 1982). Lukesch (1985) konstatierte aber ebenfalls schon damals: „Daß [sic!] darüber hinausgehend die parteipolitische Vermarktung dieser Ergebnisse zu einer einseitigen und bisweilen verzerrenden Karikatur ausartete, war eine weitere leidvolle Erfahrung für die solchermaßen instrumentalisierten Forscher“ (Lukesch, 1985, 525). Die Sicht von Heinz-Peter Meidinger auf diese Zeit entspricht also auch der Sicht der damaligen Protagonist*innen (vgl. Meidinger, 2021, 34ff.).

Welche Ergebnisse diese ersten Untersuchungen erbrachten, ist Gegenstand des zweiten Teils dieses Beitrags. In diesem werden auch die Ergebnisse aktueller Studien zur Frage der Differenzierung im Schulsystem berichtet. Er findet sich hier.

Literatur:

  • Chmielewski, A. K. (2014). An international comparison of achievement inequality in within-and between-school tracking systems. American Journal of Education, 120(3), 293-324. (Online)
  • Destatis (Deutsches Statistik-Informationssystem) (2022). Statistischer Bericht – Allgemeinbildende Schulen – Schuljahr 2021/2022. Statistisches Bundesamt. (Online)
  • Esser, H. (2016). Bildungssysteme und ethnische Bildungsungleichheit. In C. Diehl, C. Hunkler, & C. Kristen (Hrsg.), Ethnische Ungleichheiten im Bildungsverlauf. Mechanismen, Befunde, Debatten (S. 331-396). Springer VS. (Online)
  • European Commission/EACEA/Eurydice (2022). The structure of the European education systems 2022/2023: schematic diagrams. Eurydice Facts and Figures. Publications Office of the European Union. (Online)
  • Fend, H., Knörzer, W., Nagl, W., Specht, W., & Väth-Szusdziara, R. (1976). Gesamtschule und dreigliedriges Schulsystem. Eine Vergleichsstudie über Chancengleichheit und Durchlässigkeit. Klett Verlag.
  • Fend, H. (1982). Gesamtschule im Vergleich. Bilanz der Ergebnisse des Gesamtschulversuchs. Beltz.
  • Hallinan, M.T. (1994). Tracking: From theory to practice. Sociology of Education, 67, 79–84. (Online)
  • Heisig, J. P., & Matthewes, S. H. (2022). No Evidence that Strict Educational Tracking Improves Student Performance through Classroom Homogeneity: A Critical Reanalysis of Esser and Seuring (2020). Zeitschrift für Soziologie, 51(1), 99-111. (Online)
  • Klafki, W. (2021). Integrierte Gesamtschule – Ein notwendiger Schulversuch. In W. Klafki W. (Herausgegeben von K-H. Braun, F. Stübig, & H. Stübig), Schulreformen und Bildungspolitik in der Bundesrepublik Deutschland (S. 127-186). Springer. (Online)
  • Klieme, E., Döbert, H., van Ackeren, I., Bos, W., Klemm, K., […] & Weiß, M. (2007). Vertiefender Vergleich der Schulsysteme ausgewählter PISA-Teilnehmerstaaten: Kanada, England, Finnland, Frankreich, Niederlande, Schweden. Bundesministerium für Bildung und Forschung. (Online)
  • Mattes, M. (2017). Von der Leistungs- zur Wohlfühlschule? Die Gesamtschule als Gegenstand gesellschaftlicher Debatten und pädagogischer Wissensproduktion in der Bundesrepublik Deutschland in den 1970er und 1980er Jahren. In S., Rehm E. Glaser, B. Behm, & T. Drope (Hrsg.), Wissen machen. Beiträge zu einer Geschichte erziehungswissenschaftlichen Wissens in Deutschland zwischen 1945 und 1990. Zeitschrift für Pädagogik – 63. Beiheft (S. 187-206). Beltz Juventa. (Online)
  • Meidinger, H.-P. (2021). Die 10 Todsünden der Schulpolitik – Eine Streitschrift. Claudius Verlag.
  • Möller, J. & Köller, O. (2004). Die Genese akademischer Selbstkonzepte: Effekte dimensionaler und sozialer Vergleiche. Psychologische Rundschau, 55, 19–27. (Online)
  • Pfeffer, F. T. (2015). Equality and quality in education. A comparative study of 19 countries. Social Science Research, 51, 350-368. (Online)
  • Roller, M., & Steinberg, D. (2020). The distributional effects of early school stratification-non-parametric evidence from Germany. European Economic Review, 125, 103422. (Online)
  • Sälzer, C., Prenzel, M., & Klieme, E. (2013a). Schulische Rahmenbedingungen der Kompetenzentwicklung. In M. Prenzel, C. Sälzer, E. Klieme, & O. Köller (Hrsg.), PISA 2012 – Fortschritte und Herausforderungen in Deutschland (S. 155-188). Waxmann. (Online)
  • Tillmann, K.-J. (2012). Das Sekundarschulsystem auf dem Weg in die Zweigliedrigkeit. Pädagogik, 64(5), 8-12. (Online)
  • Wulf, K. (2014). Integrierte Gesamtschule: Geschichte-Konzept-Vergleich. disserta Verlag.

Täuschen, Schummeln und Betrügen an der Hochschule im Licht der Bildungsforschung 6/7

Gegen Korruption gibt es nur ein Mittel: Geld, viel Geld.

In einer Beitragsreihe beschäftigen wir uns mit dem Täuschen und Betrügen im Studium, also allgemeiner gesprochen mit akademischem Fehlverhalten von Studierenden. Dabei schauen wir insbesondere, welche Ergebnisse aus Untersuchungen der empirischen Bildungsforschung hierzu vorliegen. Im Detail ging es bisher darum wie man Fehlverhalten erfassen kann (Teil 2), in welchem Ausmaß es auftritt (Teil 3), welche möglichen Ursachen es gibt (Teil 4) und mit welchen Maßnahmen man ihm begegnen kann (Teil 5). In diesem vorletzten Beitrag kehren wir ganz zurück an den Beginn (Teil 1) bzw. zu dem Fall, der der Auslöser dafür war, akademisches Fehlverhalten bei Prüfungen im Blog genauer unter die Lupe zu nehmen.

Bildnachweis: stevenpb, Pixabay-Lizenz

Noten gegen Geld

Im Oktober 2021 wurde berichtet, dass eine Mitarbeiterin des zentralen Prüfungsamtes an der Universität Duisburg-Essen von Studierenden Geld angenommen habe und dafür deren Noten in der in der zentralen Prüfungsdatenbank verändert habe, auf der die Abschlusszeugnisse basieren (Olbrisch, 2021). Dabei wurden als Beispielpreise 50 Euro für die Erhöhung einer Notenstufe um 0,3 oder 800 Euro für das Eintragen einer bestandenen Klausur verlangt. Auch wenn dieser Fall natürlich in Zusammenhang mit Prüfungen steht, unterscheidet er sich doch stärker von den Formen des akademischen Fehlverhaltens, die wir bisher thematisiert haben (z.B. das „Spicken“ in Klausuren, Plagiate etc.). Hier wurde nicht in der Prüfung selbst getäuscht, sondern erst im Nachgang und zudem agieren zwei Personen gemeinsam. Sowohl die*der jeweilige Studierende, als auch die Mitarbeiterin. Dabei fand eine Geldtransaktion statt, also eine Bestechung. Auch wenn dies natürlich eine Form akademischen Fehlverhaltens ist, können solche Fälle eher unter dem Begriff der akademischen Korruption beschrieben werden.

Korrupt ist, wer Korruptes tut

Zur Frage, was genau alles unter Korruption zu fassen ist, können verschiedene Definitionen herangezogen werden, die sich je nach Kontext auch unterscheiden können (vgl. Farrales, 2005). Die Definition des BKA bezieht sich bspw. „nur“ auf das Verhalten von Personen mit öffentlichen Ämtern, mit politischen Mandaten oder Funktionsträger*innen in der Wirtschaft (Quelle). Die Organisation Transparency International arbeitet mit folgender allgemeiner Definition:

„Korruption ist der Missbrauch anvertrauter Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil.“

(Transparency International, 2022)

Rumyantseva (2005) unterscheidet für den Kontext von Hochschulen zwei grundsätzliche Typen von Korruption: „corruption that involves students as agents and has direct affect on their values, beliefs, and life chances, and corruption that does not involve students as agents and has limited direct affect on them.“ (Rumyantseva, 2005, 86). Das obige Fallbeispiel ist dabei ein Prototyp für ersteres (also: Geld gegen Note). Zweiteres meint z.B. das Veruntreuen von Geldern, die einer Hochschule zur Verfügung gestellt werden. Dies hat natürlich auch mittelbar negative Auswirkungen auf Studierende (z.B. wenn deshalb weniger Lehrveranstaltungen angeboten werden können), aber die Studierenden selbst müssen keine bzw. müssen sich nicht entscheiden eine korrupte Handlung zu begehen. Nur Korruptionshandlungen, in denen Studierende selbst handeln, werden von Rumyantseva (2005) als „education-specific corruption“ (Rumyantseva, 2005, 88) bezeichnet. Sie formuliert in einer Taxonomie drei Formen der Korruption, die davon abhängen, mit wem die Studierenden dabei interagieren

  • Studierenden-Dozierenden-Interaktion: Dies beinhaltet Fälle, in denen Lehrende involviert sind, also z.B. das Geben guter Noten gegen Geld durch Professor*innen oder den Verkauf von Klausurlösungen durch Dozierende
  • Studierenden-Verwaltung-Interaktion: Dies meint Fälle, in denen Mitarbeitende der Hochschulverwaltung in der Korruption in involviert sind, also z.B. die Annahme von Geld, damit eine Person garantiert einen Studienplatz bekommt, das Verlangen von Geld, vom Verwaltungsvorgänge überhaupt durchzuführen, oder das Ändern von Noten durch Mitarbeitende in der Prüfungsverwaltung (wie im obigen Beispiel).
  • Studierenden-Service-Interaktion: Dies umfasst Fälle, in denen Mitarbeitende von zentralen Serviceeinrichtungen einer Hochschule die Korruptionspartner*innen sind, also z.B. wenn Bibliotheksmitarbeitende Gebühren für Bücher erheben, die eigentlich kostenfrei zugänglich sind.

Konkrete Fälle können nicht immer trennscharf einer der Kategorien zugeordnet werden, aber sie sind eine gute Heuristik, um mögliche Korruptionshandlungen zu beschreiben. Viele Korruptionshandlungen haben dabei einen (un-)mittelbaren Bezug zu Prüfungen. Anzumerken ist auch, dass Bestechung nicht immer monetär, also mit direkten Geldzahlungen, erfolgen muss, sondern damit auch das Annehmen von Geschenken oder sonstigen Diensten gemeint ist.

Bereitschaften zur Korruption

Empirische Untersuchungen zur Erfassung akademischer Korruption unterliegen dabei ähnlichen Schwierigkeiten wie Untersuchungen zu anderen Formen akademischen Fehlverhaltens (siehe hierzu unseren zweiten Teil). Es kann sogar vermutet werden, dass es für Korruptionshandlungen noch schwieriger ist, valide Daten zu erhalten, weil es für alle Beteiligten natürlich noch riskanter ist, wenn derartiges Verhalten aufgedeckt oder zugegeben wird. Dies könnte auch ein Grund sein, warum zur akademischen Korruption im Vergleich zu anderen Formen akademischen Fehlverhaltens weniger empirische Untersuchungen vorliegen. Ergebnisse sind zudem um stark abhängig vom jeweiligen nationalen Hochschulkontext, in dem diese durchgeführt wurden (vgl. Osipian, 2008). Viele Untersuchungen beziehen sich dabei auf Staaten der ehemaligen Sowjetunion (z.B. Karimli, 2022; Temple & Petrov, 2004), wenige Studien auf den anglo-amerikanischen Raum (z.B. Kresse, 2017). Analysen aus dem deutschsprachigen Raum hingegen sind selten. Nichtdestotrotz kann an dieser Stelle eine kleine Übersicht zu verschiedenen untersuchten Aspekten von akademischer Korruption gegeben werden.

Generell ist es schwierig, dass Ausmaß akademischer Korruption abzuschätzen. In einer Befragung von N = 260 (wobei hier im Artikel die Zahl nicht ganz klar wird) Studierenden aus Aserbaidschan bspw. gaben 67,3% in direkter Befragung an, schon einmal eine*n Dozierenden oder die Verwaltung bestochen zu haben (Sandigov, 2014). Dabei gaben zudem 70% der Studierenden an, in den letzten zwölf Monaten „demands for bribes from professors/educators at least once“ (Sandigov, 2014, 51) erlebt zu haben, und 81.5% wie Mitstudierende Dozierenden mindestens einmal eine Bestechung angeboten haben (47,3% berichten, dass sie es ständig beobachteten). Shaw et al. (2015) berichten auf Basis einer Befragung von N = 1558 Studierenden aus der Ukraine ebenfalls selbst berichtete Bestechungshandlungen: 56% nannten Bestechungen für den Zugang zu einem Studiengang, 22% bei Klausuren, 18% für weitere Studienleistungen und 5% für Hausarbeiten. In einer Befragung im Kosovo gaben 20% der befragten Studierenden (N = 890) direkt an, dass sie Korruptionshandlungen durchführen würden, um einen Job zu erhalten (Llulaku & Bërxulli, 2017). Für Hochschulen in Ghana berichten Studierende auch ebenfalls relativ häufiges, wahrgenommenes Korruptionsverhalten von Universitätsmitarbeitenden (Nnodum, 2008). Für Spanien zeigen sich niedrigere bis mittlere Bereitschaften für korruptives Handeln bzw. subjektive Wahrnehmung solcher Handlungen (z.B. Julián & Bonavia, 2020; 2021; 2022), wobei Ergebnisse verschiedener Untersuchungen aufgrund der stark unterschiedlichen Erhebungsmethoden nicht direkt vergleichbar sind.

Für Hochschulen in Deutschland liegen ähnliche Untersuchungen allerdings nur wenig vor (oder ich habe sie nicht gefunden, vgl. zu Korruption im öffentlichen Dienst generell Stark, 2019). Weißmüller & De Waele (2022) untersuchten in einem quasi-experimentellen Befragungsdesign (N = 624), wie Studierende aus Deutschland, Belgien und den Niederlanden sind, verschiedene Arten von Bestechungshandlungen beurteilen. Sie nutzten dazu narrative Vignetten, die beschreiben, wie ein*e Studierende*r einer*m Lehrenden verschiedene Bestechungsformen „anbietet“, damit diese*r sie in einer eigentlich nicht-bestandenen Prüfung doch bestehen lässt. In der Befragung wurden die Befragten in die Position dieser Studierenden versetzt und sollten angeben, wie akzeptabel sie dieses Verhalten beurteilen. Die Vignetten repräsentierten dabei verschiedene Formen der Bestechung: zum ersten white bribery, in dem die fiktiven Studierende Versuchen ihre Lehrenden emotional zu beeinflussen (z.B. Weinen, Betteln), zum zweiten grey bribery, bei dem Studierende nicht-monetäre Dienste anbieten (z.B. eine helfende Hand) und zum dritten black bribery, was dem Angebot von Geld entspricht (konkret: 500€). In der Befragung wurden jeder Person zwei verschiedene Vignetten randomisiert zugeordnet. Generell zeigte sich dabei, dass je „dunkler“ eine Korruptionshandlung ist, Studierende eine geringere Bereitschaft zur Umsetzung angaben.

In einer quasi-experimentellen Befragung (N = 2287) konfrontierten Graeff et al. (2014) Studierende an ebenfalls mit narrativen Vignetten, in denen sie in eine Position als studentischer Tutor versetzt wurden, der ein Korruptionsangebot von Mitstudierenden erhält, um eine Prüfungsnote anzupassen. Sie mussten dann auf einer 10-stufigen Skala angeben, wie stark sie das Angebot annehmen würden bzw. in anderen Worten, inwiefern sie ihre Position als studentische Hilfskraft ausnutzen, um persönliche Vorteile zu erhalten. Dabei wurden in den Vignetten die Entdeckungswahrscheinlichkeit (operationalisiert durch die Vertrauenswürdigkeit der*des Mitstudierenden und Entdeckung durch eine Überprüfung der Arbeit der Tutorenarbeit), die Schwere von Sanktionen als Folge (Höhe einer Geldstrafe) und Vorteile der Korruptionshandlung (Höhe des Geldbetrags) variiert. Zusätzlich wurden sozialen Normen zur Korruption als weitere Variable erfasst. Zusammengefasst gaben dabei 73,5% der Befragten an, das Angebot definitiv nicht anzunehmen. Je höher der Vorteil, geringer die Kosten und geringer die Entdeckungswahrscheinlichkeit, desto bereiter waren die Studierenden.

Einflussfaktoren & Abhilfen

Ein wichtiger Einflussfaktor auf korruptes Verhalten von Studierenden ist dabei, inwiefern selbst das akademische bzw. das gesellschaftliche Gesamtumfeld als insgesamt korrupt wahrnehmen. Je stärker Studierende dies als korrupt wahrnehmen, desto eher berichten sie auch selbst, solche Handlungen durchzuführen oder dazu bereit zu sein, da es ja prinzipiell dazugehöre (Shaw et al., 2015; Sandigov, 2014). Dies ist dabei nicht auf Länder der ehemaligen Sowjetunion beschränkt, sondern zeigt sich z.B. auch in einer Untersuchung in Italien (Tomo et al., 2018), und wird auch in qualitativen Analysen im Rahmen von Interviewstudien deutlich (Zaloznaya, 2012). Dabei bleit natürlich die Frage, inwieweit die Entscheidung zu Korruptionshandlung auf rein individuellen Entscheidungen basiert, oder ob sich die Involvierten eher den „Regeln eines Systems“ folgen. Andere Einflussfaktoren auf individueller Ebene sind die Einstellungen und Orientierungen von Studierenden (z.B. ob sie Bestechung als kriminelle Handlung verstehen, Shaw et al., 2015; wie stark sie selbst Bestechung als soziale Norm ablehnen, vgl. Graeff et al., 2014; wie riskant sie ein Aufdecken empfinden oder inwiefern sie das Verhalten rechtfertigen können, Julián & Bonavia, 2021; ). Weißmüller & De Waele (2022) beobachteten auch einen Interaktionseffekt zwischen studiumsbezogenem Burnout und der Akzeptanz von „grauer“ Bestechung, der sich allerdings nicht in der Sub-Stichprobe für Deutschland zeigte. Eine höhere Bereitschaft zu eigenen Korruptionshandlungen steht dabei mit einer niedrigeren Bereitschaft in Zusammenhang, beobachtetes Korruptionshandeln Anderer zu melden (Julián & Bonavia, 2022).

Zu möglichen Maßnahmen akademische Korruption von Studierenden zu verringern bzw. zu verhindern (siehe hierzu auch unseren fünften Teil der Beitragsreihe) liegen hingegen wenig Erkenntnisse vor. Bspw. untersuchten Denisova-Schmidt et al. (2021) in einer experimentellen Befragung den kurzfristigen Einfluss verschiedener Informationsmaterialien zur Korruption und damit verbundener negativer Folgen auf die Einstellungen und Orientierungen Studierender in Russland zur Korruption (N = 2003). Dabei wurden die folgenden Materialien unterschieden: eine offizielle Broschüre zur Korruptions-awareness, eine Broschüre auf Basis von Materialien von Transparency International Russia und zwei verschiedene Videos von Transparency International Russia. Diese Materialien wurden den Studierenden im Rahmen eines Interviews gezeigt, bevor sie nach ihren Einstellungen zur Korruption befragt wurden. Eine weitere Gruppe Studierender erhielt als Kontrollgruppe kein Treatment. Die Befragten wurden zufällig den einzelnen Maßnahmen zugeordnet (Würfelwurf). Die Autor*innen fassen ihre Ergebnisse folgendermaßen zusammen: „Concerning the effectiveness of the interventions, we do not find any important impacts in the full sample, but some indication of heterogeneous effects across sub-samples defined by students’ inclination to plagiarize when writing papers. One result is that some of the brochures or videos might promote awareness of the negative consequences of corruption among students who frequently plagiarize, but at the same time appear to induce more tolerant views on corruption among students who plagiarize less often“ (Denisova-Schmidt et al., 2021, 1663).

Das wird Folgen haben…

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass bisher relativ wenig Ergebnisse empirischer Untersuchungen zur akademischen Korruption von Studierenden vorliegen und die vorliegenden Analysen nur eingeschränkt vergleichbar sind. Dies ist insofern etwas problematisch, da akademische Korruption natürlich eine Reihe negativer Folgen mit sich bringt. Neben generellen gesellschaftlichen Folgen (z.B. gerechter Zugang zu Abschlüssen, z.B. Rumyantseva, 2005) hängt die Akzeptanz von Korruption im Beruf auch mit der Bereitschaft zusammen, im Studium selbst akademisches Fehlverhalten zu zeigen (Alva et al., 2020; Teixeira, 2013). Die Folgen akademischen Fehlverhaltens (und dann wieder mit einem stärkeren Fokus auf das Täuschen, Schummeln und Betrügen) werden wir aber in unserem letzten Beitrag zu dieser Reihe genauer betrachten. Er wird an dieser Stelle verlinkt, sobald er online ist.

Literatur:

  • Alva, E., Vivas, V., & Urcia, M. (2021). Tolerance of Future Professionals Towards Corruption. Analysis Through the Attitudes of Students of Lima’s Universities Regarding Situations Related to Ethics and Morals. Journal of Academic Ethics19(2), 211-227. (Online)
  • BKA (Bundeskriminalamt) (Hrsg.). Korruption. URL: https://www.bka.de/DE/UnsereAufgaben/Deliktsbereiche/Korruption/korruption_node.html (16.11.2022). (Online)
  • Denisova-Schmidt, E., Huber, M., Leontyeva, E., & Solovyeva, A. (2021). Combining experimental evidence with machine learning to assess anti-corruption educational campaigns among Russian university students. Empirical Economics60(4), 1661-1684. (Online)
  • Farrales, M. J. (2005). What is corruption?: A history of corruption studies and the great definitions debate. A History of Corruption Studies and the Great Definitions Debate (June 2005). Verfügbar auf SSRN. (Online)
  • Graeff, P., Sattler, S., Mehlkop, G., & Sauer, C. (2014). Incentives and inhibitors of abusing academic positions: Analysing university students’ decisions about bribing academic staff. European Sociological Review30(2), 230-241. (Online)
  • Julián, M., & Bonavia, T. (2022). Students‘ Perceptions of University Corruption in a Spanish Public University: A Path Analysis. Frontiers in psychology13, 842345-842345. (Online)
  • Julián, M., & Bonavia, T. (2021). Understanding unethical behaviors at the university level: A multiple regression analysis. Ethics & Behavior31(4), 257-269. (Online)
  • Julián, M., & Bonavia, T. (2020). Determinants of Students’ Willingness to Engage in Corruption in an Academic Setting: an Empirical Study. Journal of Academic Ethics18(4), 363-375. (Online)
  • Karimli, R. (2022). Bribery in Higher Education in Former Soviet Countries: A Systematic Review. The University of Western Ontario (Dissertation). (Online)
  • Kresse, W. J. (2017). Institutional Corruption in Higher Education: Analysis of Causes and Reforms at the Second-Largest Institution of Higher Education in Illinois. Journal of Academic Administration in Higher Education13(1), 35-40. (Online)
  • Llullaku, N., & Bërxulli, D. (2017). Student perceptions of workplace corruption and its effect on their academic motivation. EJSBS ISSN, 2301-2218. (Online)
  • Nnodum, B. I. (2008). Corrupt practices among academics as perceived by undergraduates: Implication for counselling and national development. International Journal of Educational Research4(1), 141-150. (Online)
  • Olbrisch, M. (2021, 06. Oktober). Notenmanipulation an der Uni Duisburg-Essen – Markt der Möglichkeiten. spiegel.de (Online)
  • Osipian, A. L. (2008). Corruption in higher education: does it differ across the nations and why?. Research in comparative and international education3(4), 345-365. (Online)
  • Temple, P., & Petrov, G. (2004). Corruption in higher education: Some findings from the states of the former Soviet Union. Higher education management and policy16(1), 83-99. (Online)
  • Rumyantseva, N. L. (2005). Taxonomy of corruption in higher education. Peabody Journal of Education80(1), 81-92. (Online)
  • Sadigov, T. (2014). Students as initiators of bribes: specifics of corruption in Azerbaijani higher education. problems of Post-communism61(5), 46-59. (Online)
  • Shaw, P., Katsaiti, M. S., & Pecoraro, B. (2015). On the determinants of educational corruption: The case of Ukraine. Contemporary Economic Policy33(4), 698-713. (Online)
  • Stark, C. (2019). Korruption im deutschen öffentlichen Dienst: Spannungsfelder und Problembereiche. In K. Möltgen-Sicking, H. Otten, M. Schophaus, & S. M., Vargas Côrtes (Hrsg.), Öffentliche Verwaltung in Brasilien und Deutschland (S. 267-285). Springer VS. (Online)
  • Teixeira, A. A. (2013). Sanding the wheels of growth: Cheating by economics and business students and ‘real world’corruption. Journal of Academic Ethics11(4), 269-274. (Online)
  • Tomo, A., Todisco, L., & Mangia, G. (2018). Contextual and individual characteristics effects on students’ corruption perception and behaviours in higher education. Journal of Economic and Administrative Sciences, 35(1), 28-43. (Online)
  • Transparency International e.V. (Hrsg.( (2022). Was ist Korruption?. URL: https://www.transparency.de/ueber-uns/was-ist-korruption/ (Online)
  • Weißmüller, K. S., & De Waele, L. (2022). Would you Bribe your Lecturer? A Quasi-experimental Study on Burnout and Bribery in Higher Education. Research in higher education63(5), 768-796. (Online)
  • Zaloznaya, M. (2012). Organizational cultures as agents of differential association: explaining the variation in bribery practices in Ukrainian universities. Crime, law and social change58(3), 295-320. (Online)

Täuschen, Schummeln und Betrügen an der Hochschule im Licht der Bildungsforschung 5/7

Was tun, sprach Zeus!

In unserer Artikelreihe zum Täuschen und Betrügen bei Prüfungen im Studium haben wir schon mehrfach feststellen können: auch die Hochschule ist von Schummelei und Betrug nicht frei (nur, falls das jemand ernstlich erwartet hätte…). In dieser Reihe schauen wir etwas genauer auf empirische Forschungsergebnisse zu akademischem Fehlverhalten. Im ersten Beitrag lag der Fokus auf verschiedenen Arten des Fehlverhaltens im Studium. Der zweite Beitrag behandelte Methoden, dieses Verhalten auch empirisch zu erfassen. Der dritte Beitrag drehte sich darum, wie verbreitet verschiedene Formen akademischen Fehlverhaltens eigentlich sind, während wir im zweigeteilten vierten Beitrag (Teil1, Teil 2) die vielfältigen Forschungsergebnisse zu möglichen Gründen und Ursachen dargestellt haben. In diesem Beitrag geht es nun um mögliche Maßnahmen, die ergriffen werden können, um akademischem Fehlverhalten zu begegnen. Dabei gehen wir auch der Frage nach, als wie wirksam bzw. erfolgreich sich verschiedene Maßnahmen erwiesen haben.

Bildnachweis: © paulabassi2, Pixabay-Lizenz

Was könnte man tun?

Zum Umgang mit Täuschungen bei Prüfungen in der Hochschule existieren verschiedene Ansätze und Maßnahmen. Einige beziehen sich übergreifend auf akademisches Fehlverhalten generell, während zugleich auch Maßnahmen vorgeschlagen werden, die auf spezifische Arten des Fehlverhaltens zielen. Grundsätzlich lassen sich Maßnahmen aber danach unterscheiden, ob sie eher dabei unterstützen, akademisches Fehlverhalten zu erkennen, um entsprechend darauf reagieren zu können. Oder, ob sie helfen sollen, das Aufkommen akademischen Fehlverhaltens präventiv zu verhindern (vgl. Sattler et al., 2017).

  • Detektion: Dies umfasst Maßnahmen, um bestehende Täuschungsversuche aufzudecken, bspw. die Nutzung von Plagiatserkennungssoftware bei Hausarbeiten (vgl. Awasthi, 2019), das Prüfen bzw. Nachrechnen, ob Datensätze evtl. erfunden wurden (Sattler et al., 2017) oder auch einfach das Beaufsichtigen bei Klausuren (Cizek, 1999). In Online-Prüfungen, die auch im Zuge der Distanzlehre während der COVID-19-Pandemie vermehrt durchgeführt wurden, kamen auch weitere Maßnahmen zur Detektion von Täuschungsversuchen hinzu (z.B. Videoüberwachung bei der Bearbeitung von Online-Klausuren, Holden et al., 2021). Das Aufdecken eines Täuschungsversuchs, mit welcher Maßnahme auch immer, ist meistens damit verbunden, dass auch eine Konsequenz für die täuschende Person folgt (in vielen Prüfungsordnungen als minimale Folge das automatische Nicht-Bestehen einer Prüfung).
  • Prävention: Dies meint Maßnahmen, die ergriffen werden, damit mögliche Täuschungs- und Betrugsversuche gar nicht erst auftauchen. Hierbei lassen sich zum einen Maßnahmen unterscheiden, die auf eine Gestaltung der Prüfungsbedingungen fokussieren. Hierunter fallen bspw. das Herstellen von großen Abständen zwischen Prüflingen in Klausuren, um Abschreiben zu erschweren (Yee & MacKown, 2009; Cizek, 1999) oder das Einschränken von möglichen Hilfsmitteln (z.B. nur einen Stift in Klausuren). Zum anderen finden sich Maßnahmen, die eher die Studierenden selbst in den Blick nehmen, so dass diese von sich aus keine Täuschungsversuche unternehmen. Dies reicht z.B. von Veränderungen im Studienplan, um Prüfungsdruck zu verringern (vgl. Parthner, 2020), über Schulungen zum wissenschaftlichen Arbeiten (Johannes et al., 2014) bis hin zu Honor Codes (McCabe et al., 1999). Bei Letzteren handelt es sich um „a community code of conduct guided by ethical principles defining the expecations for students tot act with honesty and integrity and acknowleding the sharde responsibilty of all members.“ (Tatum, 2022, 33). Ein solcher Verhaltenskodex ist mit einer expliziten Selbstverpflichtung verbunden und kann mit weiteren Maßnahmen (z.B. Veranstaltungen zur Einführung in wissenschaftliches Arbeiten) einhergehen kann, muss es aber nicht. Seinen Ausdruck findet solch ein Kodex bspw. häufig darin, dass Studierende bei Abgaben schriftlicher Prüfungsleistungen mit einer Unterschrift erklären müssen, eine Arbeit nach Standards akademischen Arbeitens angefertigt zu haben (in Deutschland oft so genannte Selbstständigkeitserklärungen).

Die Zuordnung der einzelnen Maßnahmen zu den beiden Kategorien ist nicht trennscharf, da Detektionsmaßnahmen natürlich auch präventiv wirken sollen. Sie erhöhen die Entdeckungswahrscheinlichkeit von Täuschungsversuchen, womit die Hoffnung verbunden ist, dass Studierende aufgrund der erwarteten negativen Folgen nicht versuchen, zu betrügen. Grundsätzlich fokussiert aber jede Maßnahme mehr oder weniger stark auf bestimmte Ursachen akademischen Fehlverhaltens bzw. steht mit verschiedenen Merkmalen der zu Prüfenden in Verbindung (siehe hierzu auch unseren vierten Beitrag in der Reihe). Während Detektionsmaßnahmen versuchen, negative Folgeerwartungen herzustellen, zielt die Herstellung bestimmter Testbedingungen darauf, keine Gelegenheiten für Fehlverhalten zuzulassen, damit Prüflinge gar nicht erst in Versuchung kommen. Der Ansatz solcher Maßnahmen beruht dabei eher auf einer negativen Fokussierung auf das falsche Verhalten (vgl. Lancaster, 2021). Maßnahmen mit dem Ziel, Kompetenzen, Selbstwirksamkeitserwartungen und positive Einstellungen Studierender zu verändern, werfen eher einen positiven Blick auf das richtige akademische Verhalten. Ihr Ziel ist daher die Förderung einer akademischen Integrität (Bretag, 2016), also, dass Studierende für sich selbst die Standards guter akademischer Praxis als Norm übernehmen und sich auch in der Lage fühlen diese umzusetzen. Sie haben daher auch eine moralische Komponente, die sich insbesondere in den schon erwähnten Honor Codes ausdrückt (vgl. Tatum, 2022).

Was wird wirklich getan?

Generell sind also eine Vielzahl von Maßnahmen zum Umgang mit akademischem Fehlverhalten möglich. Ob diese auch ihr Ziel erreichen, hängt neben der Frage, welche Maßnahmen eine Hochschule wählt, auch davon ab, wie diese genau implementiert werden und ob sie von Prüfenden selbst auch wirklich umgesetzt werden (vgl. Parthner, 2020). Dies bezieht sich bspw. darauf, welche Sanktionen für Fehlverhalten durchgesetzt werden, ob überhaupt systematisch Maßnahmen in Studiengängen verankert sind oder welche Personen für den Umgang mit akademischem Fehlverhalten zuständig sind. Zur Frage, welche Maßnahmen wie an Hochschulen implementiert werden, liegen ein paar Untersuchungen vor, die sich neben dem jeweiligen nationalen Hochschulkontext aber auch darin unterscheiden, welche Aspekte in den Fokus gerückt werden (z.B. Organisation von Angeboten, Zuständigkeiten, Maßnahmen).

Miron et al. (2021) analysierten bspw. auf Grundlage einer Befragung von N = 74 kanadischen Hochschulen, inwiefern diese Tutorials bzw. Kurse zur akademischen Integrität implementieren. Kurse zur akademischen Integrität werden dabei an 45 der befragten Hochschulen (60,8 %) angeboten, meist im Rahmen eines Moduls im ersten Semester, die aber meist nur einem Drittel der Studierenden zugänglich sind (also im Studienplan). Sie umfassen Tutorials mit Gesamtumfang von unter einer Stunde bis zu vier Stunden. Diese werden von Dozierenden, aber auch oft von Mitarbeiter*innen der Bibliotheken durchgeführt. In den Kursen waren die am drei am häufigsten thematisierten Inhalte das Plagiieren, Paraphrasieren und richtige Zitieren.

Für den deutschen Kontext berichten Sattler et al. (2017), wie häufig zehn ausgewählte Maßnahmen zur Detektion und Prävention akademischen Fehlverhaltens von Hochschullehrenden eingesetzt werden und welche Faktoren die Einsatzhäufigkeit beeinflussen. Basis ist eine Online-Befragung mit Selbstberichten von insgesamt N = 3655 Personen an vier deutschen Universitäten. Dabei mussten die Befragten für jede Maßnahme auf einer sieben-stufigen Skala einschätzen, wie häufig sie sie einsetzten (von 0 = nie bis 6 = immer). Zusammengefasst ergab sich dabei die folgende Reihung der am häufigsten genutzten Maßnahmen (in Klammern sind MW und SD der Skalenwerte angegeben, Sattler et al., 2017, 1131):

  1. Dafür Sorge tragen, das Studierende bei Klausuren ausreichen Abstand voneinander haben (MW = 5,16 ; SD = 1,26).
  2. Sicherstellen, dass bei Klausuren verbotene Hilfsmittel nicht genutzt werden(MW = 5,04 ; SD = 1,26).
  3. Bei Klausuren ausreichend Aufsichtspersonal bereitstellen (MW = 4,94 ; SD = 1,47).
  4. Sicherstellen, dass niemand Daten fälscht/fabriziert (MW = 4,49 ; SD = 1,41).
  5. Vertieftes Lesen von Hausarbeiten zur Plagiatskontrolle (MW = 4,45 ; SD = 1,70).
  6. Neuberechnung/Kontrolle von Ergebnissen, die auf Daten basieren (MW = 4,21 ; SD = 1,50).
  7. Einfordern einer Selbständigkeitserklärung bei der Abgabe von Hausarbeiten (MW = 3,23 ; SD = 2,71).
  8. Nutzung verschiedener Versionen einer Klausur (MW = 2,45 ; SD = 2,46).
  9. Nutzung von Suchmaschinen zur Plagiatskontrolle (MW = 2,44 ; SD = 1,89).
  10. Nutzung von Software zur Plagiatserkennung (MW = 1,38 ; SD = 1,99).

In dieser Liste zeigt sich natürlich auch, dass bestimmte Prüfungsformate von den Befragten häufiger selbst durchgeführt werden als andere. Als wichtige Einflussfaktoren ergaben sich in Regressionsanalysen bspw. die von den Dozierenden eingeschätzte Effektivität von Maßnahmen, der eingeschätzte Aufwand und inwiefern ein Einsatz von der Hochschuladministration erwartet wird. Moralische Orientierungen oder das Gefühl durch Täuschungen persönlich beleidigt zu sein, erwiesen sich als weniger wichtig. Generell ist die Haltung von Hochschullehrenden zum Umgang mit akademischem Fehlverhalten ein relevanter Faktor, der die Implementation von Maßnahmen positiv oder negativ beeinflussen kann (vgl. De Maio & Dixon, 2022; Lynch et al., 2021). Dies betrifft insbesondere die Einstellungen und Motive, akademisches Fehlverhalten zu melden bzw. zu sanktionieren.

Was davon bringt etwas?

Zur Frage, wie wirksam bestimmte Maßnahmen sind, also inwiefern sie dazu beitragen, dass akademisches Fehlverhalten reduziert wird, liegen vergleichsweise wenig Untersuchungen vor, die sich zudem im Forschungsansatz und im Fokus auf bestimmte Maßnahmen unterscheiden. Meist wird das Plagiieren betrachtet. Die Vergleichbarkeit von Forschungsergebnissen wird zudem dadurch erschwert, dass meist nicht die Wirkung einer spezifischen Maßnahme an sich untersucht werden kann, sondern eher die Wirkung einer konkreten Implementation in einem ganzen Programm (vgl. MacFarlane et al., 2014). Auch sind Studien, die ein experimentelles Kontrollgruppendesign verwenden (vgl. Bortz & Döring, 2016) aus ethischen Gründen schwierig, da man bei einer Kontrollgruppe, die keiner Maßnahme ausgesetzt wird, natürlich absichtsvoll ein Verhalten mit potentiell negativen Folgen (z.B. Nicht-Bestehen) zulässt. Nichtsdestotrotz können natürlich einige Ergebnisse zur Wirkung von Maßnahmen herangezogen werden. Trivial sind Erkenntnisse, dass der Einsatz von Detektionsmaßnahmen das Aufdecken von Fehlverhalten erhöht (z.B. Awasthi, 2019 für Plagiatssoftware). Fehlverhalten, dass sonst nicht bekannt wäre, kann dann natürlich entsprechend sanktioniert werden. Interessanter sind daher Untersuchungen zur Wirksamkeit von Präventionsmaßnahmen.

Relative gute Evidenz liegt dafür vor, dass Honor Codes akademisches Fehlverhalten reduzieren. „Overall, multiple studies spanning three decades have established that the presence of an honor code reduces academic misconduct and self-reported cheating and improves academic integrity in college students […]“ (Tatum, 2022, 34), wobei es nicht auf die reine Existenz ankommt, sondern dass diese auch an verschiedenen Stellen während Studiums eingesetzt bzw. angewendet werden (z.B. bei Selbständigkeitserklärungen) (vgl. McCabe et al., 1999). Insbesondere tragen Honor Codes dazu bei, dass Studierende selbst ein genaueres und korrektes Verständnis akademischen Fehlverhaltens erhalten und sich entsprechende soziale Normen innerhalb einer Hochschule entwickeln (Tatum, 2022). Explizite Kurse zu korrektem akademischen Verhalten bzw. zum korrektem wissenschaftlichen Arbeiten wirken sich ebenfalls positiv aus (z.B. Djokovic et al., 2022; Perkins et al., 2020). Niedrigschwellige Maßnahmen wie freiwillige Plagiatskontrollen bei studentischen Texten scheinen auch einen positiven Einfluss zu haben, allerdings die Einstellung zu akademischer Integrität nicht stark zu beeinflussen (Kohl, 2011).

Bildnachweis: © MarandaP, Pixabay-Lizenz

A new hope…

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass zur Reduktion akademischen Fehlverhaltens integrierte Ansätze vielversprechend sind, die sowohl Studierenden wie Prüfenden die Bedeutung akademischer Integrität deutlich machen und zugleich alle beteiligen Gruppen auf verschiedenen Ebenen fortbilden (vgl. De Maio & Dixon, 2020; Schuh, 2014). Für die Wirksamkeit spezifischer anderer Maßnahmen liegen allerdings erstaunlich wenig empirische Untersuchungen vor (oder ich habe sie einfach nicht gefunden). Mit Bezug auf die Arbeit in unserer Nachwuchsforschungsgruppe ist zudem wichtig, dass auch bei performanzorientierten Prüfungsverfahren Täuschungsversuche vorkommen können, die sich negativ auf die Validität der Ergebnisse auswirken (Gortzmann et al., 2017). Dabei ist als zentrale Maßnahme zu vermeiden, dass Testinhalte und -materialien im Vorfeld bekannt werden.

Neben Täuschungen bei Prüfungen existieren allerdings noch weitere Arten akademischen Fehlverhaltens, die sich nicht unmittelbar, aber indirekt auf Prüfungen beziehen und andere Maßnahmen zur Prävention erfordern. Diese betrachten wir in unserem vorletzten Beitrag zu dieser Reihe. Er wird hier verlinkt, sobald er online ist.

Literatur:

  • Ali, I., Sultan, P., & Aboelmaged, M. (2021). A bibliometric analysis of academic misconduct research in higher education: Current status and future research opportunities. Accountability in research, 1-22. (Online)
  • Awasthi, S. (2019). Plagiarism and academic misconduct: A systematic review. DESIDOC Journal of Library & Information Technology39(2). (Online)
  • Bertram Gallant, T., & Rettinger, D. (2022). An introduction to 30 years of research on academic integrity. Journal of College and Character, 23(1), 1-5. (Online)
  • Bortz, J., & Döring, N. (2016). Forschungsmethoden und Evaluation für Human-und Sozialwissenschaftler: Limitierte Sonderausgabe (5. Aufl.). Springer. (Online)
  • Bretag, T. (2016). Defining Academic Integrity: International Perspectives – Introduction. In T. Bretag (Ed.), Handbook of Academic Integrity (pp. 3-6). Springer Nature. (Online)
  • Cizek, G. J. (1999). Cheating on tests: How to do it, detect it, and prevent it. Routledge.
  • De Maio, C., & Dixon, K. (2022). Promoting academic integrity in institutions of higher learning: What 30 years of research (1990-2020) in Australasia has taught us. Journal of College and Character, 23(1), 6-20. (Online)
  • Djokovic, R., Janinovic, J., Pekovic, S., Vuckovic, D., & Blecic, M. (2022). Relying on Technology for Countering Academic Dishonesty: The Impact of Online Tutorial on Students’ Perception of Academic Misconduct. Sustainability, 14(3), 1756. (Online)
  • Gotzmann, A., De Champlain, A., Homayra, F., Fotheringham, A., de Vries, I., Forgie, M., & Pugh, D. (2017). Cheating in OSCEs: The impact of simulated security breaches on OSCE performance. Teaching and Learning in Medicine, 29(1), 52-58. (Online)
  • Holden, O. L., Norris, M. E., & Kuhlmeier, V. A. (2021). Academic integrity in online assessment: A research review. Frontiers in Education, 6, 639814. (Online)
  • Johannes, D., Moritz, M. T., & Oestreicher, W. (2014). Gute Begleitung wissenschaftlicher Arbeiten als Ansatz zur Prävention akademischen Fehlverhaltens. Information-Wissenschaft & Praxis, 65(1), 3-8. (Online)
  • Kohl, K. E. (2011). Geschummelt wird selten: Erfahrungen mit der“ Freiwilligen Plagiatskontrolle“ für Studierende. Zeitschrift für Hochschulentwicklung, 6(2), 159-171. (Online)
  • Lancaster, T. (2021). Academic Dishonesty or Academic Integrity? Using Natural Language Processing (NLP) Techniques to Investigate Positive Integrity in Academic Integrity Research. Journal of Academic Ethics, 19, 364-383. (Online)
  • Lynch, J., Salamonson, Y., Glew, P., & Ramjan, L. M. (2021). “I’m not an investigator and I’m not a police officer“-a faculty’s view on academic integrity in an undergraduate nursing degree. International Journal for Educational Integrity, 17(1), 1-14. (Online)
  • MacFarlane, B., Zhang, J., & Pun, A. (2014). Academic integrity: a review of the literature. Studies in higher education, 39(2), 339-358. (Online)
  • McCabe, D. L., Trevino, L. K., & Butterfield, K. D. (1999). Academic integrity in honor code and non-honor code environments: A qualitative investigation. The Journal of Higher Education, 70(2), 211-234. (Online)
  • Miron, J., Eaton, S. E., McBreairty, L., & Baig, H. (2021). Academic integrity education across the Canadian higher education landscape. Journal of academic ethics, 19(4), 441-454. (Online)
  • Parnther, C. (2020). Academic misconduct in higher education: A comprehensive review. Journal of Higher Education Policy And Leadership Studies, 1(1), 25-45. (Online)
  • Perkins, M., Gezgin, U. B., & Roe, J. (2020). Reducing plagiarism through academic misconduct education. International Journal for Educational Integrity, 16(1), 1-15. (Online)
  • Sattler, S., Wiegel, C., & Veen, F. V. (2017). The use frequency of 10 different methods for preventing and detecting academic dishonesty and the factors influencing their use. Studies in Higher Education, 42(6), 1126-1144. (Online)
  • Schuh, D. (2014). Auf dem Weg zur akademischen Integrität–Ziele und Maßnahmen des Projekts „Akademische Integrität. Information-Wissenschaft & Praxis, 65(1), 41-50. (Online)
  • Tatum, H. E. (2022). Honor codes and academic integrity: Three decades of research. Journal of College and Character, 23(1), 32-47. (Online)
  • Yee, K., & MacKown, P. (2009). Detecting and preventing cheating during exams. In T. Twomey, H. White, & K. Sagendorf, Pedagogy, Not Policing – Positive Approaches to Academic Integrity a University (pp.141-147). The Graduate School Press.

Podcast: Fachgespräche Lehrerinnen- und Lehrerbildung. Forschung. Diskurs. Perspektiven

Am Puls der Forschung

Bildnachweis: (c) Tübingen School of Education

Unter Federführung der School of Education der Universität Tübingen veranstaltet eine Kooperation von Lehrerbildner*innen der Universitäten Dresden, Hannover, Münster und Tübingen im Wintersemester 2022/2023 die zweite Staffel der Online-Veranstaltungsreihe „Fachgespräche Lehrerinnen- und Lehrerbildung. Forschung. Diskurs.Perspektiven.“ Dabei werden verschiedene Fragen und Herausforderungen der Lehrkräftebildung von eingeladenen Expert*innen thematisiert und mit den Teilnehmenden diskutiert. Die Reihe richtet sich an interessierte und fachkundige Akteur*innen der Lehrkräftebildung. In der ersten Staffel ging es bspw. um Fragen der Lehrkräftegewinnung (die uns auch schon hier im Blog beschäftigt haben, z.B. in unserer Beitragsreihe zum Quereinstieg), den Einsatz von Videos in der Lehrkräftebildung oder die Ungewissheit pädagogischen Handelns.

Das besondere dieser Gesprächsreihe liegt im Format der einzelnen Termine. Nach einem zentralen Hauptvortrag werden jeweils kritische Impulse und weiterführende Gedanken durch eine*n critical friend ergänzt. Beides wird von erfahrenen und im jeweiligen Forschungsfeld etablierten Kolleg*innen gestaltet. Zum Abschluss wird aber auch bewusst eine Perspektive durch eine Person der next generation, also Forscher*innen, deren akademische Karriere eher noch am Anfang steht. Es handelt sich also insgesamt um keinen Podcast im eigentlichen Sinne: Die einzelnen Vorträge bzw. Themen wurden und werden allerdings aufgezeichnet und über den Youtube-Kanal der Tübingen School of Education (TüSE) zur Verfügung gestellt.

Der Flyer zur zweiten Staffel ist online hier zu finden. Wir weisen hier im Blog aber natürlich nicht ganz uneigennützig auf das Programm hin ;). Christoph hat nämlich die Ehre, die diesjährige Staffel mit eröffnen zu dürfen. Und zwar als Vertreter der next generation beim Thema „Herausforderungen institutionalisierter Lehrkräftebildung aus
der Perspektive der Fachdidaktiken“. Der Hauptvortrag wird gehalten von Prof. Dr. Michael Hemmer (Universität Münster, Didaktik der Geographie), critical friend ist Prof. Dr. Sabine Doff (Universität Bremen, Fremdsprachendidaktik Englisch). An dieser Stelle auch herzliche Grüße an die beiden!

Um an Veranstaltungen der Fachgespräche teilzunehmen ist eine Anmeldung notwendig (zu finden hier). Daher: eine herzliche Einladung und Empfehlung! Für einen ersten Einblick haben wir hier unten einen Beitrag aus der ersten Staffel eingebettet. Er behandelt auch insbesondere Fragen der Lehrkräftebildung, um die wir uns in unserer Nachwuchsforschungsgruppe kümmern: „Von den Basisdimensionen zu den handlungsnahen Kompetenzen“. Der Hauptvortrag ist/war von Prof. Dr. Mirjam Steffensky (Universität Hamburg, Didaktik der Chemie), critical friend ist/war Prof. Dr. Anna-Katharina Praetorius (Universität Zürich, Pädagogisch-psychologische Lehr-Lernforschung und Didaktik ) und aus der next generation Dr. Stefan Sorge (Leibniz-Institut für Pädagogik der Naturwissenschaften und Mathematik Kiel, Didaktik der Physik). Auch an euch sehr herzliche Grüße!


Quellennachweis: Tübingen School of Education

Täuschen, Schummeln und Betrügen an der Hochschule im Licht der Bildungsforschung 4/7 – Teil 2

Das ist kein guter Einfluss für dich, mein Kind…

Bildnachweis: (c) Wikipedia, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Cheating.JPG, CC-BY-SA 3.0

In unserer Artikelreihe zum Täuschen und Betrügen bei Prüfungen im Studium – auch als akademisches Fehlverhalten bezeichnet (zum Beginn der Reihe geht es hier) – setzen wir uns in diesem Beitrag weiter mit der Frage auseinander, aus welchen Gründen Studierende Täuschen bzw. welche Faktoren wissenschaftliches Fehlverhalten begünstigen. Auch mit dem Ziel, um in einem nächsten Schritt mögliche Maßnahmen zur Vermeidung von Fehlverhalten fundierter einschätzen zu können. Weil in der empirischen Bildungsforschung hierzu eine sehr große Anzahl an Untersuchungen und Erkenntnissen vorliegen, haben wir ihn in zwei Teile unterteilt. Im ersten Teil haben wir drei unterschiedliche Merkmalskategorien unterschieden und zunächst Ergebnisse zu Einflussfaktoren betrachtet, die sich auf Merkmale der Studierenden beziehen. In diesem Beitrag werden wir einen genaueren Blick auf Merkmale der Institution und Merkmale des sozialen Umfelds werfen, die in einem Zusammenhang mit dem Ausmaß akademischen Fehlverhaltens von Studierenden bezogen auf Prüfungsleistungen stehen.

Ein paar Hinweise

Wie auch für die dargestellten empirischen Untersuchungen im ersten Teil des Beitrags müssen auch hier die Unterschiede in der theoretischen und methodischen Ausrichtung der einzelnen Studien bei der Interpretation beachtet werden (Näheres haben wir im ersten Teil beschrieben). Wir stellen daher Ergebnisse auch hier eher überblicksartig dar. Auch in diesem zweiten Teil handelt es sich bei den meisten Untersuchungen um Querschnittsbefragungen, bei denen die Studierenden zu einem festen Zeitpunkt befragt wurden. Die gefundenen korrelativen Zusammenhänge liefern auch hier meist nur einen Hinweis auf mögliche Ursachen und können für sich allein keine Kausalität begründen. Hierzu wären bspw. Längsschnittstudien notwendig (vgl. Reinders, 2006).

2. Merkmale der Institution

Hiermit sind Faktoren gemeint, die sich auf die jeweilige Hochschule bzw. die konkrete Lernumgebung beziehen, in der Prüfungen stattfinden (müssen). Allerdings geht es weniger allein darum, über welche beobachtbaren, objektiven Merkmale ein Studium oder eine Lernumgebung an sich verfügt (z.B. den rein zeitlichen Umfang von Lehrveranstaltungen). Um den Einfluss auf akademisches Fehlverhalten zu betrachten, geht es eher darum, wie die Merkmale einer Institution von den in ihr studierenden Studierenden (ein Smiley 😉 für das Wortspiel) wahrgenommen werden (vgl. Sattler & Diewald, 2013). Erst die Interpretation dieser Merkmale durch die Studierenden kann dann einen Einfluss auf mögliches Verhalten der Studierenden haben. Daher wird in den meisten Untersuchungen auch meist erfragt, wie Studierende die Merkmale ihrer Institution einschätzen und weniger, welche Merkmale auch für Außenstehende beobachtbar vorliegen. Streng genommen könnte man also sagen, dass dies auch Merkmale der Studierenden sind (in diesem Fall ihre Einschätzungen zur Lernumgebung), wie wir sie schon im ersten Teil dieses Beitrags betrachtet haben. Eine genauere Unterscheidung ist aber dennoch hilfreich, um einzelne Einflussfaktoren besser betrachten zu können.

Konsequenzen von Fehlverhalten: Ein wichtiges Merkmal der Institution, dass sich auf die Häufigkeit akademischen Fehlverhaltens bzw. die Neigung Studierender zu akademischem Fehlverhalten auswirkt, sind die Folgen, die ein Aufdecken für die Studierenden haben. Dies wurde in einigen Untersuchungen mit Hilfe von Wert-Erwartungs-Theorien modelliert (vgl. Moss et al., 2018; Eccles & Whigfield, 2002). Im Prinzip kann Täuschen für Studierende als Kosten-Nutzen-Abwägung interpretiert werden. Sind die wahrgenommenen Kosten für Fehlverhalten im Vergleich zum Nutzen hoch, also die Konsequenzen eher schwer (z.B. Exmatrikulation im Gegensatz zu einem „einfachen“ Durchfallen durch eine Prüfung), dann ist die Häufigkeit von bzw. Bereitschaft zu Fehlverhalten geringer (z.B. Yu et al., 2017; Schuhmann et al., 2013; Teixeira & Rocha, 2010; Crown & Spiller, 1998; vgl. Gama et al., 2013). Dabei kommt es zusätzlich darauf an, wie die Studierenden die Wahrscheinlichkeit einschätzen, dass ein Fehlverhalten aufgedeckt wird, sie also beim „Schummeln“ erwischt werden (Sattler et al., 2013; Sattler & Diewald, 2013; Teixeira & Rocha, 2010; Grimes et al., 2004; Crown & Spiller, 1998; vgl. Davy et al., 2007). Es geht also darum, inwiefern Studierende die Möglichkeit sehen, sich überhaupt Vorteile durch Täuschungsverhalten in Prüfungen zu verschaffen. Wird diese Möglichkeit als höher eingeschätzt, ist Fehlverhalten häufiger (Sattler et al., 2013). Die Konsequenzen von Fehlverhalten unterscheiden sich an Hochschulen meist in Abhängigkeit von der Prüfungsform. Für den Umgang mit Plagiaten (bspw. in Abschlussarbeiten) gibt es an vielen Hochschulen festgelegte Sanktionen, die eher als schwere Konsequenz interpretiert werden können. Für das Abschreiben in Klausuren sind solche Sanktionen meist weniger festgelegt. Die Zusammenhänge von Fehlverhalten und Konsequenzen bzw. erwarteter Entdeckungswahrscheinlichkeit unterscheiden sich daher in Untersuchungen auch ein wenig in Abhängigkeit davon, welche Prüfungsformate betrachtet werden. So werden bspw. Konsequenzen für das Plagiieren in Haus- oder Abschlussarbeiten von Studierenden höher bzw. schlimmer eingeschätzt als für das Betrügen in Klausuren (vgl. Sattler & Diewald, 2013).

Druck und Studienbelastung: Ein weiterer Faktor, der sich auf die Häufigkeit akademischen Fehlverhaltens bei Studierenden auswirken kann, ist, wie belastend der Umfang des Studiums wahrgenommen wird. Haben Studierende das Gefühl im Studium stärker unter Zeitdruck und Stress zu stehen, geben sie auch eher Fehlverhalten an (z.B. Waltzer & Dahl, 2022; Brimble, 2016; Sattler & Diewald, 2013; Whitley, 1998). Ebenso hängt eine hohe wahrgenommene Workload, also ein hoher zeitlicher Umfang für das Studieren, mit akademischem Fehlverhalten zusammen (Gama et al., 2013; Devlin & Gray, 2007; vgl. Peters et al., 2022). Diese Gründe für Fehlverhalten werden auch insbesondere von Lehramtsstudierenden angegeben (Erek & Ok, 2014). Hierbei geht es primär um die empfundene Workload bzw. die damit verbundene Belastung. Studierende, die zum Prokrastinieren neigen (vgl. Patrzek et al., 2015, siehe auch den ersten Teil dieses Beitrags), können auch dazu neigen, den zeitlichem Umfang als höher einzuschätzen. Welcher Faktor die Ursache für den jeweils anderen ist, sei einmal dahin gestellt. Auch wenn Studierende sich selbst stärker unter Druck setzen oder von ihrem Umfeld (z.B. den Eltern) unter Druck gesetzt werden, akademisch erfolgreich sein zu müssen, kann dies mit einer höher wahrgenommenen Belastung zusammenhängen, was wiederum Fehlverhalten wahrscheinlicher machen kann (Tremayne & Curtis, 2021; Fatima et al., 2020; vgl. Brimble, 2016; vgl. Eret & Ok, 2014). Es bietet dann einen (vermeintlich) leichteren Ausweg. Lehrorganisatorische Entscheidungen können ebenfalls einen ungünstigen Einfluss auf diese Prozesse haben und dabei ungewollt Fehlverhalten fördern. Ist z.B. eine bestimmte Leistung im Studium notwendig, damit Studierende überhaupt zu der eigentlichen (benoteten) Prüfung zugelassen werden, dann steigt natürlich der Erfolgsdruck für Studierende, was wiederum wie oben beschrieben Fehlverhalten begünstigen kann. Dieser Effekt zeigt sich z.B. sehr deutlich beim Abschreiben von Übungszetteln im Mathematikstudium (Liebendörfer & Göller, 2014).

Merkmale der konkreten Lernumgebung: Weitere Einflussfaktoren beziehen sich darauf, wie konkrete Lernumgebungen im Studium von den Studierenden wahrgenommen werden, in denen eine Prüfung zu erbringen ist. Lag der Fokus im vorherigen Merkmalsbereich, Konsequenzen von Fehlverhalten, also eher auf der Ebene der Gesamtinstitution, die Sanktionen ausspricht, liegt er nun eher auf einzelnen Lehrveranstaltungen. Hierzu liegen ebenfalls Ergebnisse aus unterschiedlichsten Untersuchungen vor. Generell ist es in der Tendenz so, dass Studierende, die die Qualität einer oder mehrerer Lehrveranstaltungen eher schlecht bewerten (z.B. als langweilig), auch eher akademisches Fehlverhalten angeben (Chow et al., 2021; Whitley, 1998; vgl. Sattler & Diewald, 2013). Dieser Zusammenhang gilt in ähnlicher Weise auch für die wahrgenommene Breite des Lehrangebots (Sattler & Diewald, 2013) und für die von Studierenden angegebene Studienzufriedenheit insgesamt (vgl. Brimble, 2016; Sattler & Diewald, 2013). Ob ein Faktor hierbei die Ursache des jeweils anderen ist, ist empirisch bisher nicht geklärt; also, ob bspw. eine hohe Studienzufriedenheit Fehlverhalten verhindert oder eine geringe Zufriedenheit und Fehlverhalten evtl. auf eine gemeinsame Ursache zurückgeführt werden könnten. Es zeigt sich auch ein Zusammenhang zur Gestaltung von Lehrveranstaltungen. Liegt der Fokus in der Gestaltung stärker auf Aktivitäten wie Auswendiglernen, geben Studierende eine höhere Fehlverhaltensbereitschaft an, im Vergleich zu Veranstaltungen, in denen der Fokus eher auf Lernprozessen mit dem Ziel des Verstehens liegt (Sattler & Diewald, 2013). Nehmen Studierende Lehrinhalte und Inhalte von Prüfungen als weniger relevant für ihre spätere berufliche Praxis wahr (z.B. in Ingenieursstudiengängen), scheint dies allerdings nicht zwingend mit einer niedrigeren Täuschungsakzeptanz zusammenzuhängen (Gama et al., 2013; vgl. Eret & Ok, 2014). Auch die Einschätzungen des Dozierendenverhaltens hängen mit dem Ausmaß von angegebenem Fehlverhalten zusammen. Geben Studierende an, dass sie von Dozierenden ausreichend unterstützt werden, geben sie auch weniger Fehlverhalten an (Brimble, 2016; Sattler & Diewald, 2013; vgl. Gama et al., 2013). Dieser Zusammenhang gilt analog auch dafür, wie fair die Bewertungsmaßstäbe bzw. die Bewertung generell wahrgenommen werden (Brimble, 2016; Sattler & Diewald, 2013). Beobachten Studierende, dass Dozierende eine hohe akademische Integrität zeigen und diese vorleben, dass akademisches Fehlverhalten von ihnen negativ gesehen wird, dann geben Studierende auch weniger Fehlverhalten an, wobei die Ergebnisse hier nicht eindeutig sind (vgl. Moss et al, 2018; Whitley, 1998).

3. Merkmale des sozialen Umfelds

Hiermit sind Faktoren gemeint, die sich auf den weiteren sozialen Kontext beziehen, in dem akademisches Fehlverhalten an Hochschulen auftreten kann. Ähnlich wie bei den Merkmalen zur Institution ist aber auch hier eher entscheidend, wie diese von Studierenden subjektiv wahrgenommen werden, und nicht wie es vielleicht objektiv beobachtbar ist.

Täuschungsverhalten der Mitstudierenden: Ein wichtiger Einflussfaktor auf die Bereitschaft für akademisches Fehlverhalten besteht darin, wie das Täuschungsverhalten der Peers, wahrgenommen bzw. eingeschätzt wird. Erleben Studierende vermehrt erfolgreiche Täuschungshandlungen von Mitstudierenden, geben Sie auch eher eine höhere Bereitschaft für eigene Täuschungen an (Peters et al., 2022; Chow et al., 2021; Kroher et al., 2020; Moss et al., 2018; Brimble, 2016; Teixeira & Rocha, 2010; vgl. Warr & Stafford, 1991). Dabei müssen sie nicht unbedingt eine hohe Anzahl von Täuschungshandlungen tatsächlich mitbekommen haben, sondern die Einschätzung über das Ausmaß des Täuschungshandelns Anderer ist der entscheidende Einflussfaktor (DiPaulo, 2022; vgl. Hard et al., 2006). Generell hängt eine sozial geteilte Norm, dass bspw. bestimmte Täuschungshandlungen (z.B. Abschreiben) akzeptabel – und in diesem Sinne sogar sozial erwünscht – sind, mit eine höheren Akzeptanz und höheren Bereitschaft für eigenes Täuschungshandeln zusammen (Peters et al., 2022; Eret & Ok, 2014; Whitley, 1998). Hierbei zeigen sich leichte Unterschiede zwischen bestimmten Prüfungsformen. So scheint die wahrgenommene Täuschungshäufigkeit von Mitstudierenden einen etwas größeren Effekt auf eigene Absichten zum Täuschen in Klausuren zu haben, im Vergleich zum Täuschen bei Hausarbeiten (Kroher et al., 2020; vgl. Tremayne & Curtis, 2021). Ein Rückgriff auf eine solche geteilte Norm kann auch ein Mechanismus sein, wie Studierende ihr eigenes Verhalten vor sich selbst rechtfertigen, also es für sich rationalisieren, wenn sie aus individuellen moralischen Gründen dieses Verhalten eigentlich ablehnen (z.B. Waltzer & Dahl, 2022; Grimes et al., 2004). Dabei wird in Untersuchungen ebenfalls festgestellt, dass Studierende das Täuschungsverhalten Anderer selbst nicht bei der Institution anzeigen, wenn sie davon Kenntnis erhalten (Waltzer et al., 2022; Yachison et al., 2018). Es gibt unter Studierenden daher eine Art geteilte „Nicht-Petzen-Norm“, wobei auch hier Unterschiede je nach wahrgenommener Schwere des Fehlverhaltens beobachtet werden können (Waltzer et al., 2022).

Weitere soziale Kontextfaktoren: Neben dem Täuschungsverhalten der Mitstudierenden wurden auch noch einige wenige weitere Kontextmerkmale des sozialen Umfelds untersucht. Schätzen Studierenden bspw. ein, dass unter den Studierenden ihres Studiengangs eine hohe kompetetive Konkurrenz um gute Prüfungsleistungen herrscht (z.B. in Jura-Studiengängen, bei denen die Abschlussnoten sehr entscheidend für die weitere Laufbahn sind), dann geben sie auch eher Fehlverhalten an (Sattler & Diewald, 2013; McCabe et al., 2001; vgl. Moss et al., 2018). Teilweise wurde vermutet, dass Gefühle der sozialen Isolation von den Peers (alienation, Seeman, 2001), ähnlich wie bei anderem nicht normgerechten Verhalten, auch mit häufigerem akademischen Fehlverhalten zusammenhängt. Die Forschungslage ist für Studierende allerdings bisher uneindeutig (Davy et al., 2007; Whitley, 1998).

Und was kann man jetzt damit anfangen?

Blickt man auf beide Teile des Beitrags zurück, dann ist auf den ersten Blick überwältigend, zu wie vielen möglichen Gründen für Täuschungen bei Prüfungen an der Hochschule empirische Erkenntnisse vorliegen. Das zeigt sich auch an der sehr langen Literaturliste für diese Blogbeiträge ;). Was lässt sich daraus nun lernen? Zum einen: Es ist wie immer kompliziert. Die meisten Ergebnisse beziehen sich auf große Gruppen von Studierenden. Für individuelle Studierende wirken natürlich immer mehrere Faktoren zusammen, die sich je nach Situation auch unterschiedlich auswirken können. Dies wurde zwar in einigen Studien versucht in komplexen Modellen abzuschätzen (z.B. Yu et al., 2017), ist aber nicht vollständig mit den gewählten Methoden abbildbar. Zum anderen: Was sich auf jeden Fall festhalten lässt, ist, dass Studierende des Lehramts sich auch in ihren Gründen für Täuschungen bei Prüfungen im Studium nicht von Studierenden anderer Studiengänge unterscheiden (z.B. DiPaulo, 2022; Peters et al., 2022; Sattler & Diewald, 2013). Dies ist vor dem Hintergrund, dass gerade sie es sind, die die nächste Schüler*innengeneration auf korrektes akademisches Verhalten vorbereiten müssen, natürlich etwas ernüchternd. Wir kommen auf diese spezifische Herausforderung aber noch im letzten Beitrag zu dieser Artikelreihe zurück. Der nächste Beitrag wird sich um die Frage drehen, was man denn nun tun kann, um akademischem Fehlverhalten im Studium zu begegnen, es zu verringern und welche Maßnahmen wie wirksam sind. Auch hierzu liegt eine Reihe empirischer Untersuchungen vor. Der Beitrag wird an dieser Stelle verlinkt, sobald er online ist.

Literatur:

  • Brimble, M. (2016). Why Students Cheat: An Exploration of the Motivators of Student Academic Dishonesty in Higher Education. In T. Betrag (Ed.), Handbook of Academic Integrity (pp. 365-384). Springer Reference. (Online)
  • Chow, H. P. H., Jurdi-Hage, R., & Hage, H. S. (2021). Justifying academic dishonesty: A survey of Canadian university students. International Journal of Academic Research in Education, 7(1), 16-28. (Online)
  • Crown, D. F., & Spiller, M. S. (1998). Learning from the literature on collegiate cheating: A review of empirical research. Journal of Business Ethics, 17(6), 683-700. (Online)
  • Davy, J. A., Kincaid, J. F., Smith, K. J., & Trawick, M. A. (2007). An examination of the role of attitudinal characteristics and motivation on the cheating behavior of business students. Ethics & Behavior17(3), 281-302. (Online)
  • Devlin, M., & Gray, K. (2007). In their own words: A qualitative study of the reasons Australian university students plagiarize. High Education Research & Development, 26(2), 181-198. (Online)
  • DiPaulo, D. (2022). Do preservice teachers cheat in college, too? A quantitative study of academic integrity among preservice teachers. International Journal for Educational Integrity, 18(1), 1-14. (Online)
  • Eccles, J. S., & Wigfield, A. (2002). Motivational beliefs, values, and goals. Annual review of psychology53(1), 109-132. (Online)
  • Eret, E., & Ok, A. (2014). Internet plagiarism in higher education: tendencies, triggering factors and reasons among teacher candidates. Assessment & Evaluation in Higher Education, 39(8), 1002-1016. (Online)
  • Fatima, A., Sunguh, K. K., Abbas, A., Mannan, A., & Hosseini, S. (2020). Impact of pressure, self-efficacy, and self-competency on students’ plagiarism in higher education. Accountability in Research27(1), 32-48. (Online)
  • Gama, P., Almeida, F., Seixas, A., Peixoto, P., & Esteves, D. (2013, October). Ethics and academic fraud among higher education engineering students in Portugal. In CISPEE (Ed.), 2013 1st International Conference of the Portuguese Society for Engineering Education (CISPEE) (pp. 1-7). IEEE. (Online)
  • Grimes, P. W. (2004). Dishonesty in academics and business: A cross-cultural evaluation of student attitudes. Journal of Business Ethics, 49(3), 273-290. (Online)
  • Hard, S. F., Conway, J. M., & Moran, A. C. (2006). Faculty and college student beliefs about the frequency of student academic misconduct. The Journal of Higher Education, 77(6), 1058-1080. (Online)
  • Kroher, M. (2020). Akademisches Fehlverhalten: Wie ehrlich berichten Studierende über Täuschungen?. In I. Krumpal, & R. Berger (Hrsg.), Devianz und Subkulturen – Theorien, Methoden und empirische Befunde (S. 207-240). Springer VS. (Online)
  • Liebendörfer, M., & Göller, R. (2016). Abschreiben – ein Problem in mathematischen Lehrveranstaltungen? In W. Paravicini & J. Schnieder (Hrsg.), Hanse-Kolloquium zur Hochschuldidaktik der Mathematik 2014 – Beiträge zum gleichnamigen Symposium am 7. & 8. November 2014 an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (S. 119–141). WTM-Verlag.
  • Marsden, H., Carroll, M., & Neill, J. T. (2005). Who cheats at university? A self‐report study of dishonest academic behaviours in a sample of Australian university students. Australian Journal of Psychology, 57(1), 1-10. (Online)
  • McCabe, D. L., Treviño, L. K., & Butterfield, K. D. (2001). Cheating in academic institutions: A decade of research. Ethics &Behavior, 11(3), 219-232. (Online)
  • Moss, S. A., White, B., & Lee, J. (2018). A systematic review into the psychological causes and correlates of plagiarism. Ethics & Behavior28(4), 261-283. (Online)
  • Nitsche, I., Rittmann, A., & Döpke, J. (2014). „Wirtschaftsethik “praktisch: Wie oft schummeln Studierende an der Hochschule Merseburg?. In A. Frei, & G. Marx (Hrsg.), Fahrrad – Vesper – Finanzwirtschaft Untersuchungen zu Wirtschaft und Gesellschaft. Festschrift für Eckhard Freyer (S. 11-29). Hochschule Merseburg. (Online)
  • Parnther, C. (2020). Academic misconduct in higher education: A comprehensive review. Journal of Higher Education Policy And Leadership Studies, 1(1), 25-45. (Online)
  • Patrzek, J., Sattler, S., van Veen, F., Grunschel, C., & Fries, S. (2015). Investigating the effect of academic procrastination on the frequency and variety of academic misconduct: a panel study. Studies in Higher Education, 40(6), 1014-1029. (Online)
  • Perry, B. (2010). Exploring academic misconduct: Some insights into student behaviour. Active Learning in Higher Education, 11(2), 97-108. (Online)
  • Peters, M., Fontaine, S., & Frenette, E. (2022). Teaching the Teachers: To What Extent Do Pre-service Teachers Cheat on Exams and Plagiarise in Their Written Work?. In S. E. Eaton, & J. Christensen Hughes (Eds.), Academic Integrity in Canada – An Enduring and Essential Challenge (pp. 307-332). Springer
  • Reinders, H. (2006). Kausalanalysen in der Längsschnittforschung. Das Crossed-Lagged-Panel Design. Diskurs Kindheits-und Jugendforschung, 1(4), 569-587. (Online)
  • Sattler, S., Graeff, P., & Willen, S. (2013). Explaining the decision to plagiarize: An empirical test of the interplay between rationality, norms, and opportunity. Deviant Behavior34(6), 444-463. (Online)
  • Sattler, S., & Diewald, M. (2013). FAIRUSE – Fehlverhalten und Betrug bei der Erbringung von Studienleistungen: Individuelle und organisatorisch-strukturelle Bedingungen – Schlussbericht zum Projekt. Universität Bielefeld. (Online)
  • Schuhmann, P. W., Burrus, R. T., Barber, P. D., Graham, J. E., & Elikai, M. (2013). Using the scenario method to analyze cheating behaviors. Journal of Academic Ethics, 11(1), 17-33. (Online)
  • Seeman, M. (1991) Alienation and anomie. In J. P. Robinson, P. R. Shaver, & L. S. Wrightsman (Eds.), Measures of personality and social psychological attitudes (pp. 291–372). Academic.
  • Teixeira, A. A., & Rocha, M. F. (2010). Cheating by economics and business undergraduate students: an exploratory international assessment. Higher Education, 59(6), 663-701. (Online)
  • Tremayne, K., & Curtis, G. J. (2021). Attitudes and understanding are only part of the story: self-control, age and self-imposed pressure predict plagiarism over and above perceptions of seriousness and understanding. Assessment & Evaluation in Higher Education, 46(2), 208-219. (Online)
  • Waltzer, T., & Dahl, A. (2022). Why do students cheat? Perceptions, evaluations, and motivations. Ethics & Behavior, 1-21. (Online)
  • Waltzer, T., Samuelson, A., & Dahl, A. (2022). Students’ reasoning about whether to report when others cheat: Conflict, confusion, and consequences. Journal of Academic Ethics, 20(2), 265-287. (Online)
  • Warr, M., & Stafford, M. (1991). The influence of delinquent peers: What they think or what they do?. Criminology, 29(4), 851-866. (Online)
  • Whitley, B. E. (1998). Factors associated with cheating among college students: A review. Research in higher education, 39(3), 235-274. (Online)
  • Yachison, S., Okoshken, J., & Talwar, V. (2018). Students’ reactions to a peer’s cheating behavior. Journal of Educational Psychology, 110(6), 747. (Online)
  • Yu, H., Glanzer, P. L., Sriram, R., Johnson, B. R., & Moore, B. (2017). What contributes to college students’ cheating? A study of individual factors. Ethics & Behavior27(5), 401-422. (Online)

Podcast: „Inside Empirische Bildungsforschung“

Back in 2021

Bildnachweis: (c) GEBF

Im Rahmen der digitalen Jahrestagung der Gesellschaft für Empirische Bildungsforschung (GEBF) 2021, von der wir auch schon im Blog berichtet hatten (hier und hier) wurde am 29.10.2021 auch ein virtueller Tag der offenen Türen unter dem Motto „Inside Empirische Bildungsforschung“ veranstaltet.

Im Rahmen dieses Tages haben viele Institute an verschiedenen deutschsprachigen Universitäten ihre Lehr- und Forschungsaktivitäten für eine interessierte Öffentlichkeit vorgestellt. Entsprechende Vorstellungsvideos finden sich auf dem YouTube-Kanal zur DigiGEBF2021 (und auch viele Videos einzelner Vorträge, von denen einige in Zukunft hier auch noch im Blog auftauchen werden ;)).

Im Rahmen des Tages hielt Prof. Dr. Manfred Prenzel einen Vortrag, in der er einen großen Überblick über Themen, Ziele und Geschichte der empirischen Bildungsforschung in Deutschland gibt. Auch wenn Fragen der Lehrerbildung eher am Rande vorkamen, ist der Vortrag doch für alle lohnenswert, die einen tieferen Einblick erhalten möchten, womit sich Leute wie wir so beschäftigen. Also: jetzt in den Sommermonaten ein kaltes Getränk holen, den Liegestuhl in WLAN-Reichweite stellen und sich entspannt weiterbilden ;).

Vortrag:

  • Prenzel, M. (2022). Empirische Bildungsforschung: Gestern, heute und (vielleicht) morgen. Keynote-Vortrag im digitalen Konferenzjahr der Gesellschaft für Empirische Bildungsforschung (GEBF) (online), 29.10.2021.

Täuschen, Schummeln und Betrügen an der Hochschule im Licht der Bildungsforschung 4/7 – Teil 1

Der Sache auf den Grund gehen…

Bildnachweis: (c) Wikipedia, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Cheating.JPG, CC-BY-SA 3.0

Auch an Universitäten wird geschummelt! Nach einer etwas längeren Pause setzen wir daher hier im Blog heute unsere Artikelreihe zum Täuschen und Betrügen bei Prüfungen im Studium fort, also zu Aktivitäten, die auch als akademisches Fehlverhalten bezeichnet werden. In dieser Reihe werfen wir insbesondere einen Blick darauf, welche Ergebnisse empirischer Bildungsforschung vorliegen. Im ersten Beitrag ging es um verschieden Arten des akademischen Fehlverhaltens im Studium, im zweiten Beitrag um Methoden, dieses Verhalten auch empirisch zu erfassen (Wer gibt es schon gerne zu?) und im dritten Beitrag darum, wie verbreitet verschiedene Formen akademischen Fehlverhaltens eigentlich sind.

Warum täuschen Studierende denn nun?

Dieser Beitrag schaut genauer auf Gründe für Täuschungen bei Prüfungen im Studium. Es geht also um die Frage, welche Faktoren akademischen Fehlverhalten begünstigen bzw. mit welchen (Risiko-)Faktoren akademisches Fehlverhalten von Studierenden zusammenhängt. Mit der Beantwortung dieser Frage ist auch das Ziel verbunden, Ansatzpunkte für passende Maßnahmen zur Vermeidung von Fehlverhalten zu entwickeln und in Studiengänge zu implementieren. In der empirischen Bildungsforschung liegen hierzu Ergebnisse aus einer großen Menge unterschiedlicher Studien vor, die sich darin unterscheiden, welche Formen des akademischen Fehlverhaltens, welche Prüfungsformate und welche möglichen Einflussfaktoren betrachtet werden (Parnther, 2020; Awasthi, 2019; Moss et al., 2018). Viele dieser Studien wurden mit Bezug zu komplexen theoretischen Modellen geplant, durchgeführt und ausgewertet (z.B. Wert-Erwartungs-Theorie, vgl. Eccles & Wigfield, 2002; Theorie geplanten Verhaltens, vgl. Ajzen, 1991). Andere Studien haben Zusammenhänge eher explorativ untersucht (z.B. Gama et al., 2013). Dabei kamen jeweils auch unterschiedliche Methoden der (statistischen) Auswertung zum Einsatz. Der Erkenntnisstand zu (möglichen) Ursachen von bzw. Einflussfaktoren auf akademisches Fehlverhalten kann daher nicht umfassend in einem Blogbeitrag dargestellt werden (Was schon an der Länge der Literaturliste erkennbar ist 😉 ). Wir beschreiben ihn daher eher überblicksartig und geben an, wenn Ergebnisse aus internationalen Studien sich von Forschungen, die sich auf Studierende in Deutschland beziehen, unterscheiden (z.B. Kroher, 2020; Sattler & Diewald, 2013). Für eine angenehmere Lesbarkeit im Blog, haben wir den Beitrag zudem auf zwei Posts aufgeteilt.

Welche Faktoren haben einen Einfluss?

Wie oben erwähnt, betrachteten viele Untersuchungen unterschiedliche Aspekte, die sich zwischen einzelnen Studien mehr oder weniger stark unterscheiden (Parnther, 2020; Awasthi, 2019; Moss et al., 2018; Park, 2003). Häufig wurde auch eine Vielzahl solcher Faktoren gleichzeitig betrachtet, um abzuschätzen, welche Aspekte wesentliche Einflüsse auf akademisches Fehlverhalten haben und welche vielleicht eher vernachlässigbar sind (z.B. Kroher, 2020; Yu et al., 2017). Trotz dieser Unterschiede können diese Faktoren aber nach drei verschiedenen Merkmalskategorien unterschieden werden. Zwar ist die Zuordnung einzelner Faktoren nicht immer ganz trennscharf, sie ermöglichen es aber dennoch, eine gute Übersicht zu erstellen.

  1. Merkmale der Studierenden: Gemeint sind hiermit Faktoren, die sich auf die Studierenden als Individuum beziehen und unterschiedlich zwischen einzelnen Personen ausgeprägt sein können, wie z.B. das Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit oder auch demografische Merkmale wie das Geschlecht.
  2. Merkmale der Institution: Hiermit sind Faktoren gemeint, die sich auf die jeweilige Hochschule, die Studienorganisation oder die konkrete Lernumgebung beziehen, in denen Prüfungssituationen eingebettet sind. Dies meint z.B. festgelegte Sanktionen für Fehlverhalten, die Workload im Studium oder auch die Inhalte von Lehrveranstaltungen.
  3. Merkmale des sozialen Umfelds: Dies bezeichnet Faktoren des weiteren sozialen Kontextes, in dem akademisches Fehlverhalten auftreten kann, wie z.B. ob Mitstudierende häufig täuschen oder ob eine große Konkurrenz zwischen Studierenden herrscht.

Im Folgenden beschreiben wir Zusammenhänge von akademischem Fehlverhalten und verschiedenen Faktoren entlang dieser drei Ebenen. Bei der Interpretation der Ergebnisse sollte beachtet werden, dass sie meistens mit Formaten des direct response erhoben wurden, die Studierenden also direkt befragt wurden (siehe hierzu unseren zweiten Beitrag). Darüber hinaus handelt es sich bei den meisten Untersuchungen um Querschnittsbefragungen, bei denen die Studierenden also zu einem festen Zeitpunkt befragt wurden. Diese Ergebnisse werden zwar meist dahingehend interpretiert, dass die gefundenen korrelativen Zusammenhänge auch Ursachen für Fehlverhalten beschreiben. Streng genommen liefern sie allerdings nur einen Hinweis auf mögliche Ursachen und können keine Kausalität begründen. Hierzu wären bspw. Längsschnittstudien notwendig (vgl. Reinders, 2006).

1. Merkmale der Studierenden

Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit: Ein wesentlicher Faktor, von dem sich in vielen Studien gezeigt hat, dass er mit akademischem Fehlverhalten unterschiedlicher Formen zusammenhängt, ist das Vertrauen Studierender in die eigene Leistungsfähigkeit (Parthner, 2020; Moss et al., 2018). Nehmen Studierende sich selbst als weniger leistungsstark bzw. „gut“ wahr, dann geben sie eher an, im Studium schon (ein- oder mehrmals) getäuscht zu haben. Dies zeigt sich in Studien z.B. in Zusammenhängen zwischen Fehlverhalten und der eingeschätzten eigenen Kompetenz oder Selbstwirksamkeit (Fatima et al., 2020; Sattler & Diewald, 2013; Kaldo & Reiska, 2012; Marsden et al., 2005; Whitley, 1998), der von Studierenden eingeschätzten Wahrscheinlichkeit eine Prüfung zu bestehen (z.B. Fatima et al., 2020), der Angst vor Nicht-Bestehen und damit verbundenen Konsequenzen für die eigene Zukunft (z.B. Fatima et al., 2020), subjektiv wenig wahrgenommenen Erfolgserlebnissen im Studium (z.B. Liebendörfer & Göller, 2016) oder darin, dass sie ihre eigene Vorbereitung auf Prüfungen als unzureichend empfinden (z.B. Yu et al., 2017). Bei diesem Einflussfaktor stellt sich auf Basis der bestehenden Studien allerdings generell die Frage: „Was war zuerst da? – Misserfolgserlebnisse oder ein geringes Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit (vgl. Liebendörfer & Göller, 2016)?“ Ein klassisches Henne-Ei-Problem also.

Fehlende Fähigkeiten und Kenntnisse: Der Zusammenhang zwischen akademischen Fehlverhalten und geringer Leistungsfähigkeit zeigt sich nicht nur in der subjektiven Wahrnehmung, sondern auch im Zusammenhang zu etwas „objektiveren“ Maßen von Leistungsfähigkeit wie dem Notenschnitt im Studium (z.B. McCabe et al., 2012; Straw, 2002; vgl. Foster, 2016). Dies gilt allerdings nicht unbedingt für Untersuchungen, die Studierende in Deutschland betrachtet haben (z.B. Kroher, 2020). Auch konnten einige Studien beobachten, dass akademisches Fehlverhalten (hauptsächlich beim Plagiieren) auch mit fehlenden Kenntnissen korrekten Verhaltens zusammenhängt (Perry, 2010; Park, 2003; vgl. Moss et al., 2018; vgl. Sattler & Diewald, 2013).

Weitere motivationale Merkmale: Neben dem Vertrauen in die eigene Leistungsfähigkeit wurden auch Zusammenhänge zwischen der Häufigkeit akademischen Fehlverhaltens und weiteren motivationalen Merkmalen von Studierenden beobachtet. Studierende, die bzgl. ihres Studiums eher extrinsisch motiviert sind (z.B. durch die Aussicht auf eine externe Belohnung) tendieren eher dazu zu Täuschen, als Studierende, die eher intrinsisch motiviert sind (z.B. durch Interesse an ihrem Studienfach) (Sattler & Diewald, 2013; vgl. Davy et al., 2007; aber vgl. Nitsche et al., 2014;). Der Einfluss negativ ausgeprägter motivationaler Merkmale zeigt sich auch bei geringer Anstrengungsbereitschaft (Sattler & Diewald, 2013), bei geringer wahrgenommener eigener Konzentrationsfähigkeit (Sattler & Diewald, 2013) oder bei einer gering wahrgenommenen Kontrolle über eigenes Verhalten (Yu et al., 2018; Yu et al., 2017). Diese Merkmale werden auch häufig im Konzept der Prokrastination zusammengefasst untersucht, also einem generellen Aufschiebeverhalten im Studium. Ist dieses bei Studierenden (subjektiv) stärker ausgeprägt, berichten sie auch häufigeres akademisches Fehlverhalten in allen Formen (Patrzek et al., 2015; Sattler & Diewald, 2013). Da dieses Verhalten auch eher bei Studierenden auftritt, die ihr Studium mit einem starken Fokus auf sich selbst bestreiten (self-focused purpose, Yu et al., 2017), zeigen sich auch Zusammenhänge von Fehlverhalten und ausgeprägteren außercurricularen und Freizeitaktivitäten (Yu et al., 2017).

Einstellungen zu akademischem Fehlverhalten: Ein weiterer wichtiger Einflussfaktor bezieht sich darauf, wie akademisches Fehlverhalten von Studierenden selbst bewertet wird. Studierende, die akademisches Fehlverhalten selbst moralisch stärker verurteilen bzw. negativ betrachten, geben weniger häufig solches Verhalten an, als Studierende, die Fehlverhalten eher akzeptieren oder positiver bewerten (Yu et al., 2017; Nitsche et al., 2014; Sattler et al., 2013; Sattler & Diewald, 2013; Whitley, 1998). Es zeigt sich auch ein Zusammenhang dazu, wie bedeutsam Studierende Ehrlichkeit als Wert für sich selbst einschätzen (Kroher, 2020). Dabei unterscheiden sich die Einstellungen und Normen Studierender durchaus auch zwischen verschiedenen Prüfungsformen (z.B. Nitsche et al., 2014; Sattler & Diewald, 2013). Bspw. wird von Studierenden in der Untersuchung von (Kroher, 2020) die Regeltreue bei Klausuren als subjektiv bedeutsamer eingeschätzt, als bei Hausarbeiten. Ebenfalls wird die moralische Norm, kein akademisches Fehlverhalten zu zeigen, von Studierenden in Beziehung zu weiteren Bedingungsfaktoren gesetzt. So wird bspw. akademisches Fehlverhalten als akzeptabler betrachtet, wenn bestimmte Umstände vorliegen (z.B. kranke Familienmitglieder, um die man sich kümmern muss) (Davy et al., 2007; Granitz & Loewy, 2007). Dabei kann es sich allerdings auch um eine nachträgliche Rationalisierung eigentlich als unethisch betrachteten Verhaltens handeln (Sykes & Matza, 1957). Zum Schutz des eigenen Selbstbildes als moralische Person, wird dabei das eigene Fehlverhalten mit schlechten externen Bedingungen auch vor sich selbst entschuldigt (Roig & Caso, 2005). Die eigentliche Ursache für akademisches Fehlverhalten kann aber eigentlich in anderen Faktoren liegen (vgl. Moss et al., 2018).

Erfahrungen mit Täuschungshandlungen: Ein ebenfalls sehr relevanter Einflussfaktor für die Häufigkeit bzw. Wahrscheinlichkeit für akademisches Fehlverhalten ist das Täuschungsverhalten während der Schulzeit vor dem Studium (Kroher, 2020). Studierende, die Fehlverhalten zuvor als erfolgreiches Mittel für das Erreichen von Zielen erlebt haben (z.B. durch Spicken eine Klausur zu bestehen), tendieren auch dazu, dieses Mittel im Studium häufiger anzuwenden (Davy et al., 2007; Whitley, 1998).

Demografische Faktoren: In verschiedenen Studien wurden auch Zusammenhänge von akademischem Fehlverhalten und verschiedenen demografischen Merkmalen der Studierenden untersucht. In internationalen Studien deuten sich z.B. Tendenzen an, dass männliche Studierende häufiger Fehlverhalten als weibliche Studierende berichten (z.B. Yu et al., 2017; Crown & Spiller, 1998; Whitley, 1998), was allerdings in Untersuchungen, die sich auf Studierende in Deutschland beziehen nicht eindeutig beobachtet wurde (Kroher, 2020; Sattler & Diewald, 2013). Ebenfalls geben jüngere Studierende bzw. Studienanfänger*innen häufigeres Fehlverhalten an als ältere Studierende (vgl. Kroher, 2020; Sattler & Diewald, 2013; Whitley, 1998; Newstead et al., 1996). Zudem werden Unterschiede im Fehlverhalten zwischen Studierenden verschiedener Fächer (Bertram et al., 2014; Nitsche et al., 2014; Sattler & Diewald, 2013) und verschiedener Kulturen (Ison, 2018; vgl. Awasthi, 2019) berichtet. Die politische oder religiöse Orientierung von Studierenden scheint hingegen nicht mit akademischem Fehlverhalten zusammenzuhängen, wobei diese Faktoren allerdings auch eher im anglo-amerikanischen Forschungsraum untersucht wurden (Yu et al., 2017; vgl. Davy et al., 2007). Wohl aber geben Studierende mit einem vorteilhafteren soziökonomischem Hintergrund bzw. in einer vergleichsweise guten finanziellen Situation tendenziell eher weniger akademisches Fehlverhalten an (Yu et al., 2017; vgl. Park, 2003).

Alle diese Merkmale hängen natürlich ebenfalls miteinander zusammenhängen (z.B. Prokrastinationsverhalten und Leistungsangst), so dass es schwierig ist, die Größe des Einflusses eines bestimmten Faktors einzuordnen (vgl. Park, 2003) bzw. zu identifizieren, welche Faktoren auf der individuellen Ebene die zentralen Ursachen sind.

War das schon alles?

Neben individuellen Merkmalen, liegen – wie oben schon beschrieben – auch Erkenntnisse zu Einflüssen der Institution und des sozialen Kontextes auf akademisches Fehlverhalten im Studium vor. Diese werden im zweiten Teil dieses Beitrags näher erläutert. Er wird an dieser Stelle verlinkt. Sobald er online ist.

Literatur:

  • Ajzen, I. (1991). The theory of planned behavior. Organizational behavior and human decision processes50(2), 179-211. (Online)
  • Ali, I., Sultan, P., & Aboelmaged, M. (2021). A bibliometric analysis of academic misconduct research in higher education: Current status and future research opportunities. Accountability in research, 1-22. (Online)
  • Awasthi, S. (2019). Plagiarism and academic misconduct: A systematic review. DESIDOC Journal of Library & Information Technology39(2). (Online)
  • Bertram Gallant, T., Binkin, N., & Donohue, M. (2015). Students at risk for being reported for cheating. Journal of Academic Ethics, 13(3), 217-228. (Online)
  • Crown, D. F., & Spiller, M. S. (1998). Learning from the literature on collegiate cheating: A review of empirical research. Journal of Business Ethics, 17(6), 683-700. (Online)
  • Davy, J. A., Kincaid, J. F., Smith, K. J., & Trawick, M. A. (2007). An examination of the role of attitudinal characteristics and motivation on the cheating behavior of business students. Ethics & Behavior17(3), 281-302. (Online)
  • Dubljević, V., Sattler, S., & Racine, E. (2014). Cognitive enhancement and academic misconduct: a study exploring their frequency and relationship. Ethics & Behavior24(5), 408-420. (Online)
  • Eccles, J. S., & Wigfield, A. (2002). Motivational beliefs, values, and goals. Annual review of psychology53(1), 109-132. (Online)
  • Fatima, A., Sunguh, K. K., Abbas, A., Mannan, A., & Hosseini, S. (2020). Impact of pressure, self-efficacy, and self-competency on students’ plagiarism in higher education. Accountability in Research27(1), 32-48. (Online)
  • Foster, G. (2016). Grading standards in higher education: Trends, Context, and Prognosis. . In T. Betrag (Ed.), Handbook of Academic Integrity (pp. 307-324). Springer. (Online)
  • Gama, P., Almeida, F., Seixas, A., Peixoto, P., & Esteves, D. (2013, October). Ethics and academic fraud among higher education engineering students in Portugal. In CISPEE (Ed.), 2013 1st International Conference of the Portuguese Society for Engineering Education (CISPEE) (pp. 1-7). IEEE. (Online)
  • Granitz, N., & Loewy, D. (2007). Applying ethical theories: Interpreting and responding to student plagiarism. Journal of business ethics, 72(3), 293-306. (Online)
  • Ison, D. C. (2018). An empirical analysis of differences in plagiarism among world cultures. Journal of Higher Education Policy and Management, 40(4), 291-304. (Online)
  • Kaldo, I., & Reiska, P. (2012). Estonian science and non-science students‘ attitudes towards mathematics at university level. Teaching Mathematics and Its Applications, 31(2), 95-105. (Online)
  • Kroher, M. (2020). Akademisches Fehlverhalten: Wie ehrlich berichten Studierende über Täuschungen?. In I. Krumpal, & R. Berger (Hrsg.), Devianz und Subkulturen – Theorien, Methoden und empirische Befunde (S. 207-240). Springer VS. (Online)
  • Liebendörfer, M., & Göller, R. (2016). Abschreiben – ein Problem in mathematischen Lehrveranstaltungen? In W. Paravicini & J. Schnieder (Hrsg.), Hanse-Kolloquium zur Hochschuldidaktik der Mathematik 2014 – Beiträge zum gleichnamigen Symposium am 7. & 8. November 2014 an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (S. 119–141). WTM-Verlag.
  • Marsden, H., Carroll, M., & Neill, J. T. (2005). Who cheats at university? A self‐report study of dishonest academic behaviours in a sample of Australian university students. Australian Journal of Psychology, 57(1), 1-10. (Online)
  • McCabe, D. L., Butterfield, K. D., & Trevino, L. K. (2012). Cheating in college: Why students do it and what educators can do about it. JHU Press.
  • Moss, S. A., White, B., & Lee, J. (2018). A systematic review into the psychological causes and correlates of plagiarism. Ethics & Behavior28(4), 261-283. (Online)
  • Newstead, S. E., Franklyn-Stokes, A., & Armstead, P. (1996). Individual differences in student cheating. Journal of Educational Psychology, 88(2), 229. (Online)
  • Nitsche, I., Rittmann, A., & Döpke, J. (2014). „Wirtschaftsethik “praktisch: Wie oft schummeln Studierende an der Hochschule Merseburg?. In A. Frei, & G. Marx (Hrsg.), Fahrrad – Vesper – Finanzwirtschaft Untersuchungen zu Wirtschaft und Gesellschaft. Festschrift für Eckhard Freyer (S. 11-29). Hochschule Merseburg. (Online)
  • Park, C. (2003). In other (people’s) words: Plagiarism by university students–literature and lessons. Assessment & evaluation in higher education, 28(5), 471-488. (Online)
  • Parnther, C. (2020). Academic misconduct in higher education: A comprehensive review. Journal of Higher Education Policy And Leadership Studies, 1(1), 25-45. (Online)
  • Patrzek, J., Sattler, S., van Veen, F., Grunschel, C., & Fries, S. (2015). Investigating the effect of academic procrastination on the frequency and variety of academic misconduct: a panel study. Studies in Higher Education, 40(6), 1014-1029. (Online)
  • Perry, B. (2010). Exploring academic misconduct: Some insights into student behaviour. Active Learning in Higher Education, 11(2), 97-108. (Online)
  • Reinders, H. (2006). Kausalanalysen in der Längsschnittforschung. Das Crossed-Lagged-Panel Design. Diskurs Kindheits-und Jugendforschung, 1(4), 569-587. (Online)
  • Roig, M., & Caso, M. (2005). Lying and cheating: Fraudulent excuse making, cheating, and plagiarism. The Journal of Psychology, 139(6), 485-494. (Online)
  • Sattler, S., Graeff, P., & Willen, S. (2013). Explaining the decision to plagiarize: An empirical test of the interplay between rationality, norms, and opportunity. Deviant Behavior34(6), 444-463. (Online)
  • Sattler, S., & Diewald, M. (2013). FAIRUSE – Fehlverhalten und Betrug bei der Erbringung von Studienleistungen: Individuelle und organisatorisch-strukturelle Bedingungen – Schlussbericht zum Projekt. Universität Bielefeld. (Online)
  • Straw, D. (2002). The plagiarism of generation ‘why not?’. Community college week, 14(24), 4-7.
  • Sykes, G. M., & Matza, D. (1957). Techniques of neutralization: A theory of delinquency. American sociological review, 22(6), 664-670. (Online)
  • Teixeira, A. A., & Rocha, M. F. (2010). Cheating by economics and business undergraduate students: an exploratory international assessment. Higher Education, 59(6), 663-701. (Online)
  • Whitley, B. E. (1998). Factors associated with cheating among college students: A review. Research in higher education, 39(3), 235-274. (Online)
  • Yu, H., Glanzer, P. L., Sriram, R., Johnson, B. R., & Moore, B. (2017). What contributes to college students’ cheating? A study of individual factors. Ethics & Behavior27(5), 401-422. (Online)
  • Yu, H., Glanzer, P. L., Johnson, B. R., Sriram, R., & Moore, B. (2018). Why college students cheat: A conceptual model of five factors. The Review of Higher Education, 41(4), 549-576. (Online)

Meidingers 10 Todsünden der Schulpolitik im Licht der Bildungsforschung 2/12

Todsünde Nr. 1: Überforderung von Schule und Lehrkräften

In einer kleinen Artikelreihe beschäftigen wir uns mit dem Buch „Die 10 Todsünden der Schulpolitik – Eine Streitschrift“ von Heinz-Peter Meidinger (2021) aus der Perspektive der empirischen Bildungsforschung. Es geht uns dabei nicht um eine Rezension des Buches, sondern darum, zu schauen, wie Prämissen und Argumentationen vor dem Hintergrund von Ergebnissen der Bildungsforschung eingeschätzt werden können. Nachdem wir im ersten Beitrag Autor und Werk kurz vorgestellt und uns genauer mit der Einleitung beschäftigt haben, wenden wir uns in diesem Beitrag der ersten von zehn Todsünden der Schulpolitik zu; also, Todsünden aus Sicht des Autoren. Um den weiteren Ausführungen folgen zu können, sollte man natürlich das Buch kennen und gelesen haben. Ich möchte daher an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich eine Leseempfehlung aussprechen, auch, wenn man die Ansichten des Autors nicht immer teilt. Zu Beginn noch einmal der Hinweis: Im Folgenden formuliere ich viel im Konjunktiv. Das soll keine Zustimmung oder Ablehnung zu Thesen signalisieren, sondern folgt einfach den Regelungen zur indirekten Rede.

Ziele von Schule – Zu viele oder gerade richtig.?

Im Kapitel zur Todsünde Nr. 1 wird – grob zusammengefasst – dahingehend argumentiert, dass die Schule bzw. die tätigen Lehrkräfte zu viele Aufgaben bzw. Ziele verfolgen würden bzw. sollen. Dies wiederum führe zum einen dazu, dass nicht alle Ziele gleichermaßen erreicht werden können und zum anderen dazu, dass Lehrkräfte stark belastet werden, mit Folgen für die Gesundheit. Als Kernaufgaben der Schule werden „Unterricht, Wissens-, Kompetenz- und Wertevermittlung“ (Meidinger, 2021, 26) genannt, denen exemplarisch zehn weitere Zielerwartungen neben- bzw. gegenübergestellt werden. Darunter eher gesamtgesellschaftliche Zielerwartungen (z.B. Inklusion, Integration), aber auch konkretisierte Ziele eher auf Individualebene (z.B. Medienerziehung, Berufs- und Studienorientierung). Die Gegenüberstellung zu den definierten Kernaufgaben wird dabei leider nicht näher erläutert. Bspw. hat Schule natürlich auch eine Erziehungsfunktion und das Ziel „die Demokratie stärken“ (Meidinger, 2021, 26) kann auch als Teil der Wertevermittlung verstanden werden. Viele dieser genannten Ziele sind in allen Kernlehrplänen der Bundesländer verankert (einige auch schon sehr lange), häufig in den allgemeineren Teilen. Insgesamt wird bzgl. schulischer Ziele aber eine Überfrachtung konstatiert, die im weltweiten Vergleich in Deutschland einzigartig hoch sei. Sie werde insbesondere von zwei Akteur*innen an die Schule herangetragen: Bildungspolitiker*innen und Vertreter*innen der wissenschaftlichen Pädagogik. Gerade Letzteren wird polemisch – es ist ja auch eine Streitschrift – ein „Allmachtswahn“ (Meidinger, 2021, 28) als Motiv zugeordnet, der sich darin ausdrücke, neue Lehrkonzepte zu formulieren, die in der Realität nicht umsetzbar seien. Die empirisch ausgerichtete Erziehungswissenschaft hingegen könne die Umsetzbarkeit und Wirkung von Konzepten prüfen. Diese letzte Aussage ist eine Einschätzung, die ich natürlich teile (schon weil ich selbst in diesem Berufsfeld tätig bin ;)).

Grenzen der Individualisierung?

Als Beispiel für eine solche (positive) empirische Betrachtung von Bedingungen des Lernens, wird aus einer Studie – nach Autorenaussage zur Veränderbarkeit von Lernmotivation aufgrund genetischer Prägung – zitiert, in der geschlussfolgert werden würde, dass Schüler*innen aufgrund individueller Begabungen nicht zu gleichen Leistungen befähigt werden können.

„Schüler sind mit individuellen Begabungen ausgestattet, und es wird nicht möglich sein, sie durch Fördermaßnahmen auf breiter Basis zu gleichen Leistungen zu befähigen.“

(Spinath, Spinath & Borkenau, 2008, 114)

Leider ist im Text keine Quellenangabe zum Zitat enthalten. Die Möglichkeiten der Onlinesuche führen zu Spinath et al. (2008), einem Kapitel im als Lehrbuch angelegten Handbuch der Pädagogischen Psychologie. Um diese Aussage etwas genauer einordnen zu können, lohnt ein Blick in das gesamte Kapitel, aus dem das Zitat stammt. Dort werden Forschungen von sozialen und genetischen Determinanten zur Lernfähigkeit von Schüler*innen zusammengefasst. In solchen verhaltensgenetischen Studien wird analysiert, zu welchen Anteilen Unterschiede in der oben beschriebenen Lernfähigkeit von Menschen durch genetische (also feste Anlagen einer Person) oder soziale (also Erfahrungen und Einflüsse des Umfelds) Einflussfaktoren erklärt werden können. Methodisch werden Zwillings- oder Adoptionsstudien durchgeführt, bei der unter verschiedenen Annahmen genetische und soziale Einflüsse kontrolliert werden können. Dabei fassen Spinath et al. (2008) den Einfluss genetischer Determinanten aus Studien auf die allgemeine kognitive Fähigkeit mit ca. 50% zusammen. Die soziale Umwelt hat also einen vergleichbaren Einfluss. Die Bedeutung genetischer Determinanten nimmt über die Lebensspanne allerdings zu. Wichtig ist: mit solchen Anteilen von Varianzkomponenten können Aussagen über Unterschiede zwischen Personen gemacht werden, nicht über Fähigkeiten einer einzelnen Person. Zugleich sind diese Anteile nicht konstant. Spinath et al. (2008) nennen die Körpergröße als Beispiel, die stark genetisch bestimmt ist: „Obwohl die Körpergröße innerhalb einer Kohorte hochgradig genetisch determiniert ist, wurden die Menschen unter sich verbessernden Umweltbedingungen immer größer.“ (Spinath et al.,2008, 113), wobei irgendwann aufgrund der beschränkten Verbesserbarkeit der Umweltbedingungen eine bisher unbekannte Grenze vermutet werden kann. „Analog dazu gilt für die Lernfähigkeit, dass derzeit keine Aussagen darüber möglich sind, wo die Grenzen der Verbesserung durch geeignete Interventionen liegen.“ (Spinath et al.,2008, 113)

Im Kontext des Textes wird dieser Bezug zur Wissenschaft hergestellt, um „die eigenen Möglichkeiten realistisch einzuschätzen“ (Meidinger, 2021, 29), wobei nicht ganz deutlich wird, ob dies eher bezogen auf erzieherische oder lernunterstützende Tätigkeiten gemeint ist. Das obige Zitat wird weitergeführt mit: „Stattdessen gilt es, die vorhandenen Stärken durch individuell angemessene Maßnahmen so zu fördern, dass es allen Schüler möglich wird, ihre Potenziale bestmöglich auszuschöpfen. Ziel von schulischen […] Lernprozessen sollte demnach nicht die Egalisierung des Leistungsniveaus sein, sondern das Hervorbringen von durchaus unterschiedlichen Leistungen auf möglichst hohem Niveau“ (Spinath et al., 2008, 114). Diese individuell angemessenen Verfahren können sich natürlich auf unterschiedliche Kontexte beziehen (z.B. Maßnahmen im Unterricht, Maßnahmen auf Ebene des Schulsystems). Aus Verhaltensgenetischen Studien ergibt sich also nicht direkt eine bevorzugte Handlungsweise, sondern dort sind viele normative Entscheidungen zu treffen.

Welcher Schluss aus diesem Forschungsbeitrag für die Argumentation im Rahmen der Streitschrift gezogen werden soll, bleibt ein wenig unklar. Interpretieren lässt es sich als ein Argument gegen die Forderung eines gemeinsamen Unterrichts von Schüler*innen sehr unterschiedlicher Lernvoraussetzungen, als Gegenposition zum vorher benannten „Allmachtswahn“ von Pädagog*innen. Dies ist allerdings eine Interpretation meinerseits und wird im Text nicht explizit formuliert. Die Quelle bezieht sich jedenfalls weniger auf (eher affektive) Lernmotivation, sondern auf (kognitive) Lernfähigkeit.

Arbeitszeit von Lehrkräften

Als weiteres und das für die im Kapitel thematisierte Todsünde eigentlich bestimmende Beispiel empirischer Bildungsforschung wird im Beitrag auf die Arbeitsbelastung bzw. genauer die Arbeitszeit von Lehrkräften im deutschen Bildungssystem Bezug genommen. Wir fokussieren für diesen Blogbeitrag auch auf die Arbeitszeit, weil im Text zugleich angemerkt wird, dass gerade die Arbeitszeit von Lehrkräften von Seiten der Landesregierungen in Deutschland bisher nicht angemessen untersucht werde, weshalb dies von Lehrerverbänden angestoßen werden müsse. Ein aktuelles Beispiel sei die vom deutschen Philologenverband initiierte LaiW-Studie (Lehrerarbeit im Wandel), die wir später noch genauer betrachten werden.

Die Arbeitszeit von Lehrkräften und auch ihr Belastungserleben wurden schon häufiger empirisch untersucht. Schaarschmidt et al. (2007) berichten bspw. basierend auf Wochenstundenangaben von N = 4181 Lehrkräften verschiedener Schulformen aus Nordrhein-Westfalen eine durchschnittliche Gesamtarbeitszeit von 62,2 Stunden für Vollzeitlehrkräfte und 49,5 Stunden für Teilzeitlehrkräfte. Hardwig & Mußmann (2018) fassen umfangreich Zeiterfassungsstudien zusammen, die zwischen 1958 und 2016 in Deutschland durchgeführt wurden. Zugleich existieren auch aktuellere Ergebnisse aus dem Raum Frankfurt (Mußmann et al., 2020). Grob zusammengefasst, stellten alle diese Untersuchungen fest, dass Lehrkräfte im Mittel mehr Arbeitszeit aufwenden, als es gemäß ihrer Dienstaufgaben bzw. vertraglichen Situation vorgesehen ist, wobei natürlich Abweichungen zwischen einzelnen Untersuchungen und Gruppen von Lehrkräften bestehen.

Die LaiW-Studie ist aber insofern bemerkenswert, als bundesweit vergleichend Daten von insgesamt ca. N = 16.000 erhoben wurden (von Januar 2018 bis Mai 2018) und die Erfassung von Arbeitszeitdaten methodisch relativ präzise erfolgte. Dabei wurden zwei Erfassungsmethoden kombiniert, ein Onlinefragebogen zur Einschätzung der Gesamtarbeitszeit einer Woche (viermal) und ein tägliches Protokoll der Arbeitszeit nach vordefinierten Tätigkeiten über einen Zeitraum von vier Wochen (Kreuzfeld, Felsing & Seibt, 2022). Methodisch interessant ist ebenfalls, dass daneben auch eine app-basierte Erfassung erprobt wurde (Felsing et al., 2019). Für Vollzeitlehrkräfte ergab sich eine durchschnittliche Wochengesamtarbeitszeit von 45.2 Stunden, für Teilzeitlehrkräfte von 36,5 Stunden (für eine bereinigte Stichprobe von N = 6109; Kreuzfeld, Felsing & Seibt, 2022; DPhV, 2020). Die Daten beziehen sich, gemäß dem beauftragenden Verband, allerdings nur auf Gymnasiallehrkräfte.

Wichtig ist zu allen diesen Studien anzumerken, dass innerhalb der Gruppe der Lehrkräfte ebenfalls große Unterschiede existieren (in der LaiW-Studie gaben bspw. 45% der Befragten wöchentliche Arbeitszeiten von über 45 Stunden an, DPhV, 2020). Diese Arbeitszeiten sind im weltweiten Vergleich allerdings nicht unbedingt herausragend hoch. Für die Schweiz ergeben sich bspw. ähnliche durchschnittliche Gesamtwochenarbeitszeiten (Brägger & Schwendimann, 2022), in England etwas höhere (Walker et al., 2019). Hohe Arbeitszeiten gehen mit hohem Belastungserleben einher, welches in vielen der erwähnten Studien ebenfalls erhoben wurde. Es lohnt sich daher, auf diese einen näheren Blick zu werfen. Aus Gründen des Umfangs können wir die Ergebnisse hierzu allerdings nicht umfassend beschreiben, auch weil die Anzahl entsprechender Untersuchungen größer ist als vergleichbare Arbeitszeituntersuchungen (siehe z.B. Rothland, 2007).

Fazit

Was lässt sich hieraus nun bzgl. der Thesen aus dem Buch schließen? Insgesamt ist es empirisch gut belegt, dass Lehrkräfte in Deutschland häufig höhere wöchentliche Gesamtzeiten arbeiten, als vorgesehen, was zu hohen Belastungen führt. Insofern ist diese Prämisse für die formulierte Todsünde Nr. 1 der Überlastung von Lehrkräften auch empirisch gut fundiert und es stimmt, dass diese Untersuchungen fast nur von Lehrerverbänden angestoßen wurden. Die Aussage der zu großen Anzahl unterschiedlicher Zielerwartungen und -vorgaben an Lehrkräfte bzw. an die Schule ist aus der Perspektive der empirischen Bildungsforschung schwierig zu betrachten, da diese These im Text wenig mit Bezug zu empirischen Aussagen formuliert wird (es bleibt eher eine normative Einschätzung). Auch aus dem impliziten Bezug zu verhaltensgenetischen Studien wird keine konkretere Aussage abgeleitet. Die zweite Todsünde wird Gegenstand des nächsten Beitrags in dieser Artikelreihe sein. Er findet sich hier.

Literatur:

  • Brägger, M., & Schwendimann, B. A. (2022). Entwicklung der Arbeitszeitbelastung von Lehrpersonen in der Deutschschweiz in den letzten 10 Jahren. Prävention und Gesundheitsförderung17(1), 13-26. (Online)
  • Deutscher Philologenverband (Hrsg.) (2020). Arbeitsbelastung, Zufriedenheit und Gesundheit von Lehrkräften an Gymnasien. Presse-Konferenz in Berlin, 09.03.2020. (Online)
  • Felsing, C., Kreuzfeld, S., Stoll, R., & Seibt, R. (2019). App-basierte vs. geschätzte Ermittlung der Arbeitszeit von Gymnasiallehrkräften. Prävention und Gesundheitsförderung14(3), 281-289. (Online)
  • Hardwig, T., & Mußmann, F. (2018). Zeiterfassungsstudien zur Arbeitszeit von Lehrkräften in Deutschland. Konzepte, Methoden und Ergebnisse von Studien zu Arbeitszeiten und Arbeitsverteilung im historischen Vergleich. Expertise im Auftrag der Max-Träger-Stiftung. Georg-August-Universität Göttingen. (Online)
  • Kreuzfeld, S., Felsing, C., & Seibt, R. (2022). Teachers’ working time as a risk factor for their mental health-findings from a cross-sectional study at German upper-level secondary schools. BMC public health22(1), 1-12. (Online)
  • Meidinger, H.-P. (2021). Die 10 Todsünden der Schulpolitik – Eine Streitschrift. Claudius Verlag.
  • Mußmann, F., Hardwig, T., Riethmüller, M.m Klötzer, S., & Peters, S. (2020). Arbeitszeit und Arbeitsbelastung von Lehrkräften an Frankfurter Schulen 2020. Georg-August-Universität Göttingen. (Online)
  • Rothland, M. (2007). Belastung und Beanspruchung im Lehrerberuf. Springer VS. (Online)
  • Schaarschmidt, U., Fischer, A., Sieland, B., Rahm, T., & Tarnowski, T. (2007). Die Arbeitszeit der Lehrerinnen und Lehrer in Nordrhein-Westfalen – Ergebnisse und Vorschläge der Projektgruppe QuAGiS zur Entwicklung eines zukunftsfähigen Arbeitszeitmodells. Projektgruppe QuAGiS (Qualität, Arbeit und Gesundheit in Schulen) des VBE NRW. (Online)
  • Spinath, F. M., Spinath, B., & Borkenau, P. (2008). Soziale und genetische Determinanten der Lernfähigkeit. In W. Schneider, & M. Hasselhorn (Hrsg.), Handbuch der Pädagogischen Psychologie (S. 105-115). Hogrefe.
  • Walker, M., Worth, J., & Van den Brande, J. (2019). Teacher workload survey 2019. Research Brief. Department of Education. (Online)