Paderborn im EM-Fieber

Offen gestanden bin ich überhaupt kein Fußballfan. Und bis zur letzten WM, genauer gesagt bis zum letzten WM-Finale hatte ich noch nie ein ganzes Fußballspiel gesehen! Als ich in der Halbzeitpause eine Folge unserer 25-minütigen Lieblingsserie anmachen wollte, hätte mich meine fußballbegeisterte Freundin fast geköpft. Seitdem weiß ich, dass eine Halbzeitpause keine halbe Stunde dauert und sich die Spieler in dieser Zeit weder duschen, noch umziehen und nur in Ausnahmefällen mit ihren Müttern telefonieren.

Am Samstagabend hatten mich zwei andere, vielleicht sogar noch fußballverrücktere Freundinnen dazu überredet, mit ihnen zum „Rudelgucken“ zu gehen. „Als Stadtschreiberin muss man auch einmal über die Fußball-Kultur in Paderborn berichten“, hieß es. Und: „Wer weiß, ob es eine weitere Chance gibt, immerhin hat Deutschland noch nie in einem Pokalspiel gegen Italien gewonnen!“ Also habe ich mir das Viertelfinale der Fußball Europameisterschaft zusammen mit – gefühlt – halb Paderborn auf dem Franz-Stock-Platz angesehen. Der Platz war voll, für das leibliche Wohl war gesorgt und wer wollte, konnte es sich auch auf den Treppenstufen gemütlich machen. Die Stimmung schwankte zwischen ausgelassen und angespannt, einige Kinder sprangen umher, andere saßen auf den Schultern ihrer Eltern. Da es uns dreien allerdings zu kalt wurde, wechselten wir in der Halbzeit ins Warme. Ins Hemingways. Hier war es noch voller, sodass wir die gesamte zweite Halbzeit, inklusive Verlängerung und Elfmeterschießen, stehen mussten. Allerdings tat dies der Stimmung keinen Abbruch: Es wurde immer spannender und meine Begleiterinnen erlitten einen Herzinfarkt nach dem anderen. Angesteckt von ihrer Euphorie habe ich schließlich beim Elfmeterschießen genauso mitgefiebert wie der Rest der Anwesenden. Mit dem Abpfiff und dem Sieg für Deutschland wurde es schlagartig leer und man pilgerte zum Westerntor, wo sich der ein- oder andere am Spielen einer Wuwusela versuchte und auch anderweitig getrötet und gegrölt wurde. Das Hupen der Autokorsos hat mich schließlich bis vor die Haustür begleitet. Nach diesen Erfahrungen spiele ich tatsächlich mit dem Gedanken, mir auch das Halbfinale anzusehen.