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Wissen, Können und Handeln – Eindrücke von der Wuppertaler Professionstagung 2022

Bildnachweis: (C) Englischdidaktik Universität Wuppertal

Es ist wieder conference season – und nach vielen digitalen Tagungen geht es auch endlich wieder so richtig in Präsenz los. Thomas machte die erste Reise von uns und fuhr nach Wuppertal auf die Professionstagung, die als eine Art Standortbestimmung der aktuellen Professionsforschung in der Fremdsprachendidaktik geplant war.

Was man über die Universität in Wuppertal wissen sollte ist, dass sie nicht umsonst den Titel der „Bergisch“ trägt – so wurde der geplante entspannte Spaziergang vom Hotel im Tal der Wupper zur Universität (laut Google Maps nur ca. 1 km) zu einer kleinen Wanderung, denn die Uni liegt natürlich auf der Spitze des Berges. Wenigstens war der Frühsport damit dann auch abgehakt und der Blick ist doch entschädigend gewesen.

Der Blick ins Tal (nach der Hälfte des Berges…)
Bildnachweis: (c) Thomas Janzen

Die Konferenz begann mit herzlichen Grußworten von der neuen Rektorin Prof. Dr. Birgitta Wolff. Wir haben uns sehr gefreut, dass wir in diesem Zusammenhang mit unseren Simulationen erwähnt wurden. Weiter ging es dann mit einer fesselnden Keynote von Prof. Dr. Hans Georg Neuweg, der als Wirtschafts- und Berufspädagoge neue Einblicke für die Fremdsprachenforschung bereit hielt. Mit seinen 12 Denkfiguren im Spannungsfeld zwischen Wissen und Können beschrieb er verschiedene Ansätze der Professionsforschung, um mit der Herausforderung der Theorie-Praxis-Verzahnung umzugehen. Es gab auch kritische Gedanken zu aktuellen Fragestellungen wie der Mehrphasigkeit oder dem Praxissemester.

Im anschließenden Vortragsslot ging es für Thomas dann auch schon mit seinem Vortrag weiter. Unter dem Titel „Between theory and practice: Rollenspielbasierte Simulationen als Prüfungsformat für handlungsnahe Feedbackkompetenzen angehender Englischlehrkräfte“ wurden erstmalig nicht nur der Test mit den Bewertungskategorien vorgestellt, sondern auch erste Ergebnisse hinsichtlich der Wahrnehmung von rollenspielbasierten Prüfungssimulationen von Studierenden präsentiert, die diese tatsächlich auch durchlaufen haben. Ein ganz besonderer dank geht nochmal an Jun. Professorin Caro Blume, die Thomas mit ihrem Laptop ausgeholfen hat, als der Adapter plötzlich keine Lust hatte zu funktionieren… thank you!! Im Anschluss – und auch bei weiteren Gelegenheiten während der Tagung – gab es einige Diskussionspunkte, wie die Rolle des Vorwissens der Studierenden, die berufliche Relevanz der schreibbezogenen Lernziele oder auch die Operationalisierung der Kategorien hin zu Bewertungskriterien. Wir sind sehr dankbar für diesen Austausch, der noch offene Punkte im Design angesprochen hat, die es jetzt anzugehen gilt!

In der zweiten Keynote von Prof. Dr. Daniela Caspari und Prof. Dr. Andreas Grünewald ging es um das Basiswissen der Fremdsprachendidaktik. Sie berichteten von Ergebnissen aus einer Befragung unter Lehrenden von Einführungsveranstaltungen zur Fremdsprachendidaktik und leiteten daraus ab, welche Inhalte besonders oft behandelt werden, z.B. die Kompetenzorientierung oder die bildungspolitischen Vorgaben. So ziemlich direkt danach ging es dann zum Conference Dinner – also wieder den Berg runter! Eigentlich wollten Dominik (Rumlich, Anm. d. Redaktion), der sich für den Vortrag mitverantwortlich zeigte, und Thomas dann mit der Wuppertaler Schwebebahn zum Lokal fahren – doch diese hatte leider technische Probleme. Während und nach dem Essen gab es dann genug Gelegenheiten, sich bei kühlen Getränken in der lauen Spätsommernacht weiter auszutauschen und zu vernetzen.

Der nächste Morgen wurde dann um Punkt 6 lautstark von den Wuppertaler Stadtwerken eingeläutet. Nach dem Frühstück ging es dann (diesmal sogar mit Koffer!!) den Berg wieder rauf, weniger anstrengend als am Vortag war es nicht. Die Keynote von Prof. Dr. Andreas Bonnet bot einen Überblick über rekonstruktive Professionsforschung der letzten Jahrzehnte. Beispielsweise wurde die Frage nach der agency von Lehrkräften in schulischen Strukturen wurde aufgegriffen – wie können Lehrkräfte innovieren, wenn von es eine ebenso große Erwartungssicherheit von Lernenden und Eltern gibt? Im Anschluss gab es erneut spannende Einzelvorträge z.B. von unserem Nachwuchsgruppenkollegen Alfred Lindl aus Regensburg, der Ergebnisse aus der FALKO Studie präsentiert hat oder von Benjamin Kremmel, der ein mögliches Konzept für Language Assessment Literacy diskutiert und für eine stärkere Verankerung von Bewertungskompetenz in der Ausbildung von Lehrkräften plädoyiert hat – einem Punkt dem wir uns auch aus einer Perspektive des Feedbacks durchaus anschließen möchten!

Unser Dank geht an das gesamte Organisationsteam unter der Leitung von Prof. Dr. David Gerlach für die tolle Ausrichtung der Tagung!

Vorträge:

  • Bonnet, A. (2022). Erfahrungswissen, berufliches Selbstverständnis, Habitus – Rekonstruktive Professionsforschung in der Fremdsprachendidaktik. Professionstagung 2022. Bergische Universität Wuppertal. 13.09.2022.
  • Caspari, D.; Grünewald, A. (2022) Fachdidaktisches Basiswissen – ein relevantes Konstrukt für die fremdsprachendidaktische Lehrkräftebildung? Professionstagung 2022. Bergische Universität Wuppertal. 12.09.2022.
  • Janzen, T.; Vogelsang, C.; Rumlich, D. (2022). Between theory and practice: Rollenspielbasierte Simulationen als Prüfungsformat für handlungsnahe Feedbackkompetenzen angehender Englischlehrkräfte. Professionstagung 2022. Bergische Universität Wuppertal. 12.09.2022.
  • Kremmel, B. (2022). Bewertungskompetenz von Fremdsprachenlehrpersonen professionalisieren. Professionstagung 2022. Bergische Universität Wuppertal. 13.09.2022.
  • Lindl, A.; Kirchhoff, P. (2022). Das Professionswissen von Fremdsprachenlehrkräften für Englisch und Latein – Ergebnisse aus dem FALKO-Projekt. Professionstagung 2022. Bergische Universität Wuppertal. 13.09.2022.
  • Neuweg, H. G. (2022). „Theorie“ und „Praxis“ in der Lehrerbildung: Zwölf Denkfiguren im Spannungsfeld von Wissen und Können. Professionstagung 2022. Bergische Universität Wuppertal. 12.09.2022.

Simulationen in anderen Ausbildungskontexten: Pilot*innen

Copy that!

In diesem Blogbeitrag (evtl. einer kleinen Reihe) wollen wir schauen, wie in einem anderen Beruf bzw. einer anderen Professionen performanzorienterte Lehr- und Prüfungssituationen in Ausbildungen eingesetzt und erforscht werden. Wir haben schon öfter in Vorträgen oder Blogbeiträgen die Medizin als Beispiel für ihre rollenspielbasierten Prüfungen herangezogen und auch schon Blogbeiträge dazu verfasst (z.B. hier). Starten möchten wir mit einem Berufszweig der auch von Mediziner*innen gerne als Vorbild genommen wird (z.B. Münzberg et al., 2019): Pilot*innen. Ein zentrales Werkzeug von Lehren und Prüfen sind hier Flugsimulatoren!

(c) Pixabay

Infos zur Pilot*innenausbildung

Die Pilot*innenausbildung kann nach Informationen der Vereinigung Cockpit (Vereinigung Cockpit e.V., 2022) auf verschiedenen Wegen ablaufen, aber ist eigentlich immer mit finanziellen Eigenanteilen verbunden – man muss also entweder die Ausbildung vollständig direkt selbst bezahlen, oder durch Gehaltskürzungen an eine Fluggesellschaft im Rahmen seiner Tätigkeit zurückzahlen – die Kosten liegen im Durchschnitt mindestens zwischen 70.000 von 100.000€. Die schulische Ausbildung umfasst 750 Stunden Unterricht mit Fokus auf theoretische Grundlagen und ca. 240 Flugstunden, wobei hier auch manche Ausbildungsmodelle verstärkt auf Simulatoren zurückgreifen (Vereinigung Cockpit e.V., 2022). Doch auch nach Berufseintritt spielen Simulationen eine wichtige Rolle, da Pilot*innen mehrmals im Jahr an Simulationen teilnehmen, um bestimmte Situationen zu üben (von Kopp, 2015).

Eine kurze Geschichte der Flugsimulation

Die Notwendigkeit der Entwicklung von Flugsimulatoren liegt darin begründet, dass das Auftreten von Fehlern während der Tätigkeit als Pilot*in schwerwiegende und unmittelbare Folgen für Leib und Leben der Flugzeuginsassen haben kann (Myers et al., 2018). Die ersten computerbasierten Simulatoren scheinen wohl auf das Jahr 1929 und Edwin Link zurückzugehen, jedoch erst nach Ende des zweiten Weltkriegs und den damit einhergehenden technischen Innovationen etablierten sie sich auch in der kommerziellen Luftfahrt (Page, 2000). Solche Simulatoren basierten auf realen Flugzeugen, die mit Hilfe von anderem technischen Gerät bewegt wurden oder durch Manipulation der Instrumente verschiedene Situationen nachstellten. Die Reliabilität und fidelity (=Realitätsnähe) dieser analogen Simulatoren schwankte aber aufgrund des hohen Wartungsaufwands stark, was den Weg für digitale Simulatoren ebnete. Durch weitere Neuerungen durch Bewegungs- und visuelle Systeme wurden die Simulationen immer ausgefeilter (Page, 2000), wodurch man heute sogar von virtual reality sprechen könnte.

Fidelity  vs. authenticity

Ein sehr interessanter Gesichtspunkt unter dem Flugsimulatoren erforscht werden, ist eben schon angeklungen – fidelity. Im Deutschen beschreibt der Begriff die Replikation der Realität einer Situation. Myers et al. (2018) nennen drei Elemente von fidelity:

  • Physical fidelity – Die physische Replikation der Realität, z.B. Bewegung und Geräusche beim Fliegen, aber auch die Geräte, Knöpfe, Lampen etc. im Cockpit.
  • Cognitive fidelity – Werden die gleichen kognitiven Fähigkeiten in der Simulation verlangt wie unter realen Bedingungen?
  • Functional fidelity – Inwieweit verhält sich die Simulation wie reales Equipment?

Dagegen ist authenticity nicht zwingend die objektive realitätsnahe Replikation, sondern beschreibt den Effekt, den diese auf die individuelle Wahrnehmung einer Situation der einzelnen Personen hat (Bland et al., 2014).

Es gibt interessante Ergebnisse über den Effekt von high-fidelity Simulationen, da oftmals davon ausgegangen wird, dass fidelity ausschlaggebend für den Lernerfolg ist (Myers et al. 2018). Schaut man sich aber mal ein Beispiel von lower-fidelity Simulationen an, z.B. von Dahlstrom et al. (2009), so werden auch diese von den Teilnehmenden als durchaus positiv bewertet. In der dortigen Studie sollten die Teilnehmenden auf einer Schiffsbrücke – dargestellt von nur durch Laptop, Drucker und Schreibtisch -verschiedene Situationen kommunikativ bewältigen. Gerade der Fokus darauf und das Außerachtlassen der realitätstreuen Ausstattung ist von den Teilnehmenden als positiv aufgenommen worden, da sie so weniger Ablenkung erführen würden und Dinge trainierten, denen sie sonst nicht begegnen würden (Dahlstrom et al., 2009).

Konsequenzen für uns?

Was können wir nun aus diesem kleinen AusFLUG mitnehmen? Die Unterscheidung von authenticity und fidelity ist sicher etwas, was auch in unseren rollenspielbasierten Simulationen wichtig sein wird, da wir die Prüfungen auch im Sinne einer approximation of practice (Grossman et al., 2009) gestalten und nicht die volle Komplexität des Klassenraums replizieren wollen. Außerdem bleibt natürlich der Gedanke, dass es schon fast seit 100 Jahren Simulationen für Pilot*innen gibt – aber wir in der Lehramtsausbildung, was diesbezügliche Lern- aber auch Prüfungsformate betrifft, noch recht weit am Anfang stehen.

Literatur:

  • Bland, A. J., Topping, A., & Tobbell, J. (2014). Time to unravel the conceptual confusion of authenticity and fidelity and their contribution to learning within simulation-based nurse education. A discussion paper. Nurse education today, 34(7), 1112–1118. (Online)
  • Dahlstrom, N., Dekker, S., van Winsen, R., & Nyce, J. (2009). Fidelity and validity of simulator training. Theoretical Issues in Ergonomics Science, 10(4), 305–314. (Online)
  • Grossman, P., Compton, C., Igra, D., Ronfeldt, M., Shahan, E., & Williamson, P. W. (2009). Teaching Practie: A Cross-Professional Perspective. Teachers College Record, 111(9), 2055–2100. (Online)
  • Münzberg, M., Grützner, A., Seifert, J., & Ekkernkamp, A. (2019). Weiterbildung 3.0: Der „Flugsimulator“ für Chirurgen. kma – Klinik Management aktuell, 24(01/02), 84–87. (Online)
  • Myers, P., Starr, A., & Mullins, K. (2018). Flight Simulator Fidelity, Training Transfer, and the Role of Instructors in Optimizing Learning. International Journal of Aviation, Aeronautics, and Aerospace. 5(1) (Online)
  • Page, R. (2000). Brief history of flight simulation. SimTecT 2000 proceedings, 11-17.
  • Vereinigung Cockpit e.V. (Hrsg.) (2022). Der Weg ins Cockpit. Vereinigung Cockpit e.V. (Online)
  • von Kopp, D. (Hrsg.). (2015). Warum Piloten glückliche(re) Menschen sind. Springer. (Online)

Was Lehrkräfte bzw. diejenigen, die sie ausbilden, von Ärzten lernen können

Analogien zwischen Lehrer*innen- und Mediziner*innenausbildung

Einer der Anstöße bzw. Ideenkatalysatoren für unsere Nachwuchsforschungsgruppe war auch ein Gastbeitrag von Prof. Dr. Martin Prenzel (2017) im Blog des Bildungsjournalisten Dr. Jan-Martin Wiarda, der immer wieder sehr lesenswert ist. In diesem Artikel rief Martin Prenzel dazu auf, sich bei der Weiterentwicklung der Lehramtsausbildung stärker an Ansätzen aus der Ausbildung angehender Mediziner*innen zur orientieren.

Prenzel nennt dabei einige Merkmale der Medizinausbildung, die er sich in ähnlicher Weise auch für die Lehramtsausbildung wünschen würde: Deutschlandweite Abstimmung der Ausbildung; Erprobungen von Reformstudiengängen, deren Elemente auch teilweise in den Regelbetrieb einfließen; Einbezug aktueller Forschungsergebnisse in die Ausbildung. Dabei bezieht er sich vor allem auf die strukturelle Verankerung der Lehramtsausbildung an Hochschulen, erkennt bisherige Bemühungen und Erfolge an, sieht aber noch einiges Potential für bessere Abstimmung über Bundeslandgrenzen hinweg. Eine konkrete Forderung wäre die nach der Entwicklung eines Masterplans für das Lehramtsstudium, analog zu vergleichbaren Plänen für das Medizinstudium, um einheitlichere Qualitätsstandards zu etablieren bzw. eine Verständigung darüber einzuleiten. Als konkretes Beispiel für eine Veränderung des Lehramtsstudiums schlägt Prenzel ein Ein-Fach-Lehramtsstudium vor, wobei er diesen Vorschlag auch nur als eine von verschiedenen Möglichkeiten sieht. Deutlich wird, wie wichtig ihm eine Diskussion über die Weiterentwicklung der Ausbildung ist, weshalb er eine Orientierung an der Mediziner*innenausbildung auch schon an anderen Stellen vorgeschlagen hat (z.B. Prenzel, 2019).

Was Lehrkräfte mit Ärzten gemeinsam haben (sollten)

Man muss Prenzel in diesem konkreten Vorschlag und auch in dieser Betonung struktureller Bedingungen des Lehramtsstudiums nicht zu hundert Prozent folgen, aber sich an Ansätzen der Mediziner*innenausbildung zu orientieren, ist ein lohnenswerter und sinnvoller Vorschlag, denn:

„Selbstverständlich muss man die unterschiedlichen föderalen Zuständigkeiten anführen, die es bei der Medizin – anders als beim Lehramt – dem Bund ermöglichen, eine koordinierende Rolle einzunehmen. Doch abgesehen von den verfassungspolitischen Gegebenheiten leuchtet es nicht ein, warum wir uns zwar einig sind, dass die Gesundheitsversorgung in Schleswig-Holstein dasselbe bedeuten sollte wie in Bayern, aber bei der Bildung unserer Kinder anscheinend an einen regionalen Qualitätsbegriff glauben.“

Prenzel (2017)

Diesem Urteil schließe ich mich an. Warum sollten wir an die Ausbildung von Lehrkräften nicht die gleichen Ansprüche haben, wie an die der Ausbildung von Mediziner*innen? Ich vermute, dass in der Lehramtsausbildung mehr Varianz und Uneinheitlichkeit akzeptiert wird, was auch darin begründet liegt, dass bspw. in der Medizin die Folgen einer schlechten Ausbildung sich viel unmittelbarer zeigen, als in der Lehramtsausbildung. Wenn eine Wunde falsch behandelt wird, sieht man es direkt und es schmerzt. Werden Schüler*innen schlecht unterrichtet, sieht man die Folgen erst viel später. Insofern stimme ich Prenzel zu, wenn er zumindest ein Bemühen darum fordert, die bestmögliche Ausbildungsqualität – und zwar bundesweit – zu sichern, wenn Bildung ein ebenso hohes gesellschaftliches Ziel sein soll wie Gesundheit.

Bildnachweis: Leo Jeong Soo, Pixabay-Lizenz, Link

Diese Analogie zwischen Lehrkräfte- und Medizinausbildung lässt sich aber nicht nur auf die Entwicklung von Standards beziehen. Beide Studienbereiche sind professionsbezogen, sie existieren also deshalb, weil sie Personen zur Ausübung einer bestimmten Profession befähigen sollen, die eine gesellschaftlich wichtige Funktion erfüllen. In beiden Studiengängen stehen Ausbilder*innen vor der Herausforderung, ein notwendiges, aber stark theorieorientiertes Studium mit einer zielführenden Befähigung zur Bewältigung der Berufspraxis zu kombinieren. Ähnlich wie im Lehramt kommt es auch in der Medizin immer wieder zu Situationen, in denen zu wenig Personen ausgebildet (z.B. der so genannte „Ärztemangel“) oder regional nicht gut verteilt sind (z.B. Kaduszkiewicz, 2018). In beiden Feldern wird daher versucht, Absolvent*innen zu motivieren bspw. auch an vermeintlich unattraktiven Orten zu arbeiten (z.B. Steinhäuser et al., 2013; Anders, 2020). In der Medizin würde aber sicherlich ein so hoher Anteil Quereinsteigender in den Beruf nicht akzeptiert werden wie es im Lehramt geschieht (vgl. hierzu auch unsere Artikelreihe hier im Blog).

Performanzorientiertes Prüfen im Lehramt

Im Detail gibt es natürlich immer noch beträchtliche Unterschiede und beide Studienbereiche sind nicht genau vergleichbar, aber grundsätzlich weist die Medizinausbildung ähnliche Herausforderungen auf wie die Lehramtsausbildung, weshalb es sich lohnt, von möglichen Lösungsansätzen der jeweils anderen Disziplin zu lernen. Innerhalb unserer Nachwuchsforschungsgruppe machen wir genau dies, indem wir versuchen, Assessment-Konzepte aus der Medizin (z.B. Harden, 1988) in die Lehramtsausbildung zu übertragen. Dabei werden professionstypische Handlungsanforderungen in einem standardisierten Setting mit Schauspielenden simuliert (wie z.B. Anamnese-Gespräche). Diese Szenarien können bzw. werden sogar als Prüfungsverfahren im Medizinstudium eingesetzt.

Unser Ziel ist es, solche Prüfungsszenarien auch für das Lehramtsstudium (bei uns: im Fach Englisch, im Fach Physik und in den Bildungswissenschaften) zu entwickeln und zu erproben. Dabei arbeiten wir natürlich nicht im „luftleeren“ Raum, sondern orientieren uns an ähnlichen Vorarbeiten (vgl. Dotger et al., 2010), die wir in diesem Blog auch noch näher vorstellen werden. Damit unsere Verfahren als Prüfungsformate auch wirklich implementiert werden können, müssen die Besonderheiten des Lehrer*innenberufs berücksichtigt und die Szenarien erprobt und hinreichend validiert werden. Folgend werden sie dann (hoffentlich) auch von Studierenden und Lehrenden akzeptiert werden können. Wir sind aber optimistisch und werden hier immer wieder von unserer Forschungsarbeit berichten.

Literatur

  • Anders, F. (2020). Anreize für Lehrkräfte in unbeliebten Regionen. Das Deutsche Schulportal, 29. Januar 2020. (Online)
  • Dotger, B. H., Dotger, S. C., & Maher, M. J. (2010). From medicine to teaching: The evolution of the simulated interaction model. Innovative Higher Education35(3), 129-141. (Online)
  • Harden, R. M. (1988). What is an OSCE?. Medical teacher10(1), 19-22. (Online)
  • Kaduszkiewicz, H., Teichert, U., & van den Bussche, H. (2018). Ärztemangel in der hausärztlichen Versorgung auf dem Lande und im Öffentlichen Gesundheitsdienst. Bundesgesundheitsblatt-Gesundheitsforschung-Gesundheitsschutz, 61(2), 187-194. (Online)
  • Prenzel, M. (2019). Die Lehrerbildung in Deutschland – und was die Qualitätsoffensive zu ihrer Weiterentwicklung beitragen kann. Vortrag am Bayerischen Staatsinstitut für Hochschulforschung und Hochschulplanung München, 8. Juli 2019. (Online)
  • Prenzel, M. (2017). „Nehmen wir die Medizin als Ansporn!“. jmwiarda.de ,04. November 2017. (Online)
  • Steinhäuser, J., Joos, S., Szecsenyi, J., & Götz, K. (2013). Welche Faktoren fördern die Vorstellung sich im ländlichen Raum niederzulassen. Zeitschrift für Allgemeinmedizin, 89(1), 10-15. (Online)