Ein zentrales Ziel unserer Arbeit ist die Entwicklung performanzorientierter Prüfungsformate, also Formaten, in denen Personen möglichst handlungsnahe Anforderungen bewältigen müssen. Wir orientieren uns dabei an Konzepten der Ausbildung von Mediziner*innen (Miller, 1990). Dort werden bspw. typische Handlungsanforderungen (z.B. Anamnesegespräche) mit Schauspieler*innen simuliert (so genannte standardisierte Patient*innen) und teilweise auch zur Prüfung eingesetzt. Wir möchten das große Potential solcher Formate auch für die Lehramtsausbildung nutzbar machen. Sie könnten zum Beispiel im Master als Alternativen zu klassischen Prüfungsformaten im Praxissemester oder für Modulprüfungen verwendet werden. Damit diese aber auch in der Praxis verwendet werden können, müssen sie bestimmte Anforderungen erfüllen und natürlich auch von Studierenden akzeptiert werden.
Im Lehramtsstudium werden Studierende mit verschiedenen Prüfungsformaten konfrontiert. Uns interessiert daher insbesondere, wie performanzorientiertere Formate im Vergleich zu eher etablierten Formaten wahrgenommen und empfunden werden. In der Forschungsliteratur haben wir bisher keine empirischen Studien gefunden, aus denen für Lehramtsstudierende schon Hinweise abzulesen sind (zumindest bisher, Hinweise nehmen wir natürlich gerne entgegen). Was es aber gibt, sind Studien zur Wahrnehmung von Prüfungen in einem Studium generell. Dabei wurden Prüfungsformate aus Sicht der Studierenden hinsichtlich verschiedener Merkmale betrachtet, bspw. ob sie als fair oder auch authentisch für das Ziel des Studiums empfunden werden (z.B. Struyven, Dochy & Janssens, 2005). Prüfungsformen, die nur in der Lehramtsausbildung vorkommen, wie den benoteten Unterrichtsbesuch, wurden dabei bisher kaum betrachtet.
Aus diesem Grund haben wir eine eigene kleine Befragung initiiert und mit Hilfe von Likert-Items bei denen Studierende den Grad ihrer Zustimmung zu Aussagen angeben müssen, Einschätzungen zu verschiedenen Prüfungsformaten in den Dimensionen Fairness, Authentizität/Relevanz und Transparenz eingeholt. Hierzu haben wir N = 626 Lehramtsstudierende im Masterstudium rund ums Praxissemester befragt. Das Praxissemester ist dabei ein interessanter Kontext, weil es in NRW ja als bewertungsfreier Rahmen definiert wurde, viele Studierende sich aber dennoch auch eine Bewertung schulpraktischer Leistungen wünschen. Wir haben dabei die eher klassischen Formate Klausuren und mündliche Prüfungen sowie die eher performanznahen Formate Unterrichtsbesuch und – für unsere Ziele besonders interessant – Rollenspiele als Prüfungsformat betrachtet.
Wir sind gerade mitten in der Datenauswertung. Um zumindest schon einmal einen ersten kleinen Einblick zu geben, sind in der Abbildung die Verteilungen der Antworten der Befragten auf das Item „… können grundsätzlich objektiv und nachvollziehbar bewertet werden“, jeweils unterschieden für die vier Prüfungsformate dargestellt. Es geht also um eine grundsätzliche Einschätzung, ob eine faire Bewertung an sich möglich ist (was im konkreten Fall natürlich davon abhängt, wie eine Prüfung genau ausgestaltet wird). Deutlich wird, dass mündliche Prüfungen und Rollenspiele von der Mehrheit der Studierenden als weniger objektiv bewertbar eingeschätzt werden (jeweils über 60%, die der Aussage nicht zu stimmen, erste drei Kategorien). Uns selbst hat überrascht, dass der Unterrichtsbesuch, dessen Bewertung von vielen Referendar*innen im Vorbereitungsdienst eher als instransparent angesehen wird, zumindest bei den Befragten hinsichtlich der Beurteilbarkeit ähnlich wie Klausuren eingeschätzt wird.
Wir möchten allen Studierenden, die unsere Items bzw. Fragen beantwortet haben, herzlich danken. Vielen Dank für ihre Unterstützung, das hilft uns sehr in unserer Arbeit.
Literatur
Miller, G. E. (1990). The assessment of clinical skills/competence/performance. Academic medicine, 65(9), S63-7. (Online)
Struyven, K., Dochy, F., & Janssens, S. (2005). Students’ perceptions about evaluation and assessment in higher education: A review. Assessment & Evaluation in Higher Education, 30(4), 325-341. (Online)
Notwendiges Übel oder Rettung der Unterrichtsversorgung?
Die Lehramtsausbildung war Thema in der Sendung Campus & Karriere beim Deutschlandfunk, genauer gesagt ging es um das Thema Quereinstieg ins Lehramt (Sendung vom 15.09.2021). Am Fall einer promovierten Kollegin aus der Germanistik werden verschiedene Schwierigkeiten verdeutlicht, die auftreten können, wenn man quer in den Lehrer*innenberuf einsteigen möchte. Hierbei wird insbesondere auf die fehlende Anerkennung von Qualifizierungen eingegangen und die Intransparenz der Prüfungsverfahren kritisiert. Dabei wird im Beitrag angesichts des hohen Bedarfs an Lehrkräften deutlich gemacht, dass zumindest für den diskutierten Fall nicht nachvollziehbar ist, warum die Studien- und auch weiterbildenden Leistungen der Kollegin nicht anerkannt werden und sie als Aushilfslehrkraft eingestellt wird. Zumal diese an der Universität selbst Lehramtsstudierende in Praxisphasen betreut hat.
Insgesamt wird das Thema Quereinstieg auch an anderer Stelle immer wieder kontrovers und auch emotional diskutiert. Dabei steht der Radiobeitrag exemplarisch für einige Fragen oder Thesen, die bei diesem Themenkomplex immer wieder angesprochen werden. Unbestritten ist meist, dass der Bedarf an Lehrkräften nicht vollständig durch Absolvent*innen von Lehramtsstudiengängen gedeckt werden kann bzw. wird. Was allerdings strittig diskutiert wird, ist, ob Quereinsteigende ins Lehramt ausreichend für den Beruf qualifiziert sind und auch einen vergleichbar guten Unterricht gestalten können. Oder anders gefragt: Welche Voraussetzungen sollen und müssen Personen mitbringen, die in den Lehrer*innenberuf quer einsteigen wollen? Viele wissenschaftliche Fachgesellschaften haben hierzu Positionspapiere verabschiedet, wie z.B. die Gesellschaft für Fachdidaktik (GFD) im Positionspapier Ergänzende Wege der Professionalisierung von Lehrkräften, in dem als erste Leitlinie gefordert wird: „Die Standards einer akademischen Profession sind nicht verhandelbar. Sie gelten daher für alle Professionalisierungswege.“ (GFD, 2018, S. 1). Gemein sind nicht nur akademische Standards, also ein Studium eines Faches an sich, sondern die akademischen Standards der Profession Lehrer*in.
Wie bei allen bildungspolitischen Fragen argumentieren alle Beteiligten ausgehend von bestimmten Annahmen oder normativen Setzungen. Ob diese Annahmen, wie bspw. die genannte, dass Quereinsteigende weniger qualifiziert seien, zutreffen, kann mit Methoden der empirischen Bildungsforschung untersucht werden. Hierbei muss zunächst differenziert werden. In den meisten Bundesländern wird zwischen zwei alternativen Wegen unterschieden, ohne grundständiges Lehramtsstudium in den Beruf einzusteigen. Zum einen den eigentlichen Quereinstieg, bei dem Personen ein nicht lehramtsbezogenes Studium absolviert haben und anschließend im typischen Modus den Vorbereitungsdienst bzw. das Referendariat absolvieren. Sie haben also die erste Phase der Lehramtsausbildung nicht durchlaufen, absolvieren aber die zweite Phase. Je nach Bundesland noch verbunden mit weiteren Qualifizierungsmaßnahmen (weil Lehrkräfte bspw. zwei Fächer unterrichten müssen und nicht nur eines). Zum anderen existiert aber auch das Modell des Seiteneinstiegs, bei dem Personen ohne lehramtsbezogenes Studium direkt im Schuldienst eingestellt werden und meist berufsbegleitend weitere Qualifizierungen erwerben. In Diskussionen ist es meist der Seiteneinstieg, der kontroverser diskutiert wird, da dort Einsteigende direkt (auch mit relativ hohen Stundendeputaten) unterrichten. Im Radiobeitrag wird z.B. nicht klar, um welchen Weg es sich handelt, wobei es sich so anhört, als ginge es eigentlich um einen Seiteneinstieg, also die direkte Einstellung in den Beruf. Und grundsätzlich stellt sich die Frage: Ist das Ganze eher ein Einzelfall oder handelt es sich um eine größere Gruppe von Lehrkräften?
Um wie viele Personen geht es überhaupt?
Empirisch ist es dabei zunächst einmal nicht so einfach, Informationen über die Gruppe der Quer- und Seiteneinsteiger*innen zu erhalten. Die Kultusministerkonferenz veröffentlicht regelmäßig Statistiken zur Einstellung von Personen in den Lehrer*innenberuf, die eine grobe Übersicht über den Umfang von Einstellungen von Lehrkräften über alternative Zugangswege ins Lehramt bieten . In den Tabellen zur Einstellung im Jahr 2020 wird deutlich, dass der Anteil an Seiteneinsteiger*innen je nach Bundesland und auch Unterrichtsfächern stark variiert (KMK, 2021, S. 37ff.). Die KMK selbst spricht nicht mehr von Seiteneinsteiger*innen, sondern von sonstigen (unbefristeten) Lehrkräften. Bundesweit betrug der Anteil an Seiteneinsteiger*innen im Jahr 2020 bspw. 10,2%, einem Wert, der ungefähr dem Mittel über die letzten vier Jahre entspricht. Der Anteil variiert dabei zwischen den Bundesländern von 0,4% in Hessen bis zu 47,6% in Sachsen-Anhalt (unsere Heimat NRW liegt bei 9,6%). Die Anteile in den Fächern werden leider nicht direkt ausgewiesen, aber die größten Zahlen liegen in den beruflichen Fächern für berufsbildende Schulen und den Naturwissenschaften. Die Zahlen für den Quereinstieg finden sich im Bericht an anderer Stelle (KMK, 2021, S. 61ff.) unter dem Stichwort der Einstellungen in den Vorbereitungsdienst mit nicht-lehramtsbezogenem Studienabschluss. Auch hierbei schwanken die Anteile an Quereinsteigenden von 0,0% in NRW und im Saarland bis 20,5% in Schleswig-Holstein. Hier werden allerdings nicht die Fächer aufgeschlüsselt, sondern die Zielschulformen, wobei auch hier das Lehramt für Primarstufe mit 18,0% den größten Anteil stellt. Dabei handelt es sich allerdings um Neueinstellungen und es fällt auf, dass die Zahl der Seiteneinsteiger*innen absolut weit größer ist als die Zahl der Quereinsteiger*innen.
Den Anteil an Lehrkräften im Schuldienst mit alternativem Zugangsweg festzustellen, ist insgesamt schwieriger. Für das Fach Physik (mein Hintergrund in der Lehrer*innenbildung) wurden Daten aus einer bundesweiten Befragung der Kultusministerien in der Quereinsteigerstudie der Deutschen Physikalischen Gesellschaft zusammengetragen (Korneck et al., 2010). Fasst man die Jahre 2002 bis 2008 zusammen, dann haben in 12 von 16 Bundesländern ca. 45% der neu eingestellten Lehrkräfte im Fach Physik einen Quer- oder Seiteneinstieg absolviert und sind wahrscheinlich noch tätig. Im repräsentativen Bildungstrend des Instituts zur Qualitätssicherung im Bildungssystem (IQB) aus dem Jahr 2018 (Stanat el al., 2019, S. 394), war der Anteil an tätigen (!) Lehrkräften mit Quer- oder Seiteneinstieg bundesweit 17,0% im Fach Physik . In Mathematik betrug er bspw. 8,7%, in Chemie 14,5%. Wie man hier schon feststellen kann, liegen insbesondere zu MINT-Lehrkräften detailliertere Daten vor.
Und was bringen sie so mit?
In Befragungen an Studienseminaren (basierend auf N = 223 Referendar*innen im Jahr 2009) konnten Lamprecht, Oettinghaus & Korneck (2011) weitere Informationen zu den Hintergründen von Quereinsteiger*innen erhalten. Sie haben z.B. ein leicht besseres Abitur im Vergleich zu Lehramtsstudierenden (Durchschnittsnote: 1,7 im Vergleich zu 1,9), waren (erwartungsgemäß) älter und haben meist schon eigene Kinder. Sie verfügen (auch erwartungsgemäß) über mehr Berufserfahrungen, wobei der Anteil von 26% an Personen ohne jegliche Berufserfahrung relativ hoch ausfiel. Haben Sie vorher an Hochschulen gearbeitet, weisen sie auch meist Lehrerfahrungen an der Hochschule auf. Im Prinzip also ein sehr ähnlicher Fall wie im Radiobeitrag. Ähnliche Studien für andere Fächer sind mir nicht bekannt und ich bin für Hinweise auf solche sehr dankbar.
Es lässt sich feststellen, dass die Betrachtung von alternativen Wegen ins Lehramt aus Sicht der Bildungsforschung schon auf Ebene der Demografie von Quer- und Seiteneinsteiger*innen schwer zu beantworten ist. Der Frage, ob sie sich auch hinsichtlich ihrer Kompetenzen (z.B. ihres professionellen Wissens) oder ihrer Einstellungen zum Unterricht von grundständig ausgebildeten Lehrkräften unterscheiden bzw. welche Erkenntnisse aus der Bildungsforschung hierzu vorliegen, wird im zweiten Beitrag zu diesem Thema aufgegriffen.
P.S. Liebe Grüße an die Kolleg*innen aus der Physikdidaktik in Frankfurt, auf deren Arbeit viele Ergebnisse zu Quer- und Seiteneinsteiger*innen basieren. Ich werde euch auch im nächsten Beitrag noch zitieren ;).
Literatur
GFD (2018). Ergänzende Wege der Professionalisierung von Lehrkräften. Positionspapier der GFD zur Problematik des Quer- und Seiteneinstiegs. (Online)
Korneck, F., Lamprecht, J., Wodzinski, R., & Schecker, H. (2010). Quereinsteiger in das Lehramt Physik – Lage und Perspektiven der Physiklehrerausbildung in Deutschland. Eine Studie der Deutschen Physikalischen Gesellschaft. Deutsche Physikalische Gesellschaft. (Online)
KMK (2021). Einstellung von Lehrkräften 2020. (Online)
Oettinghaus, L., Lamprecht, J., & Korneck, F. (2011). Quereinsteiger und Lehramtsabsolventen im Fach Physik – Vergleich der Ausbildungswege und Berufsbiografien. In D. Höttecke (Hrsg.). Naturwissenschaftliche Bildung als Beitrag zur Gestaltung partizipativer Demokratie – Gesellschaft für Didaktik der Chemie und Physik – Jahrestagung 2010 in Potsdam (S. 75-78). Münster: LIT.
Stanat, P., Schipolowski, S., Mahler, N., Weirich, S., & Henschel, S. (2019). IQB-Bildungstrend 2018. Mathematische und naturwissenschaftliche Kompetenzen am Ende der Sekundarstufe I im zweiten Ländervergleich. Münster: Waxmann. (Online)
Wir sind mit einem kurzen Vorstellungsartikel vertreten in der aktuellen Ausgabe des Markt-PLAZ, dem einmal im Semester erscheinenden Magazin des Zentrums für Bildungsforschung & Lehrerbildung – PLAZ Professional School. Vielen Dank an Björn für die Zusammenarbeit. Wir sind als Gruppe an das Zentrum angegliedert. Es ist sozusagen unsere Homebase, auch wenn wir aufgrund der Pandemie gerade selten alle persönlich vor Ort sind ;).
Warum das kein gutes Feedback ist und wie Feedback mit Lernenden effektiv gestaltet werden kann
Was auch immer wir tun, nicht selten bekommen wir eine Rückmeldung – oder Feedback – darüber, wie wir es getan haben. Wenn wir kochen, wird gesagt wie es schmeckt, wenn wir eine (vermeintlich) lustige Anekdote erzählen, wird (hoffentlich) gelacht und wenn wir in der Schule eine Prüfung ablegen, wird uns gesagt, wie gut oder schlecht unsere Leistung war. Doch obwohl Leistungsrückmeldungen in der Schule zu den alltäglichen Aufgaben der Lehrkräfte zählen, ist dieser Aspekt in der universitären Lehramtsausbildung nicht adäquat repräsentiert. Um dem entgegenzuwirken, soll ein performanznahes Prüfungsformat entwickelt werden, welches genau diesen Kompetenzbereich bei angehenden Lehrkräften prüft und fördert. Um ein solches Prüfungsformat entwickeln zu können, muss allerdings das Konstrukt ‚Feedback‘ näher beleuchtet werden.
Was ist Feedback und brauchen wir es überhaupt?
Eine gängige Definition von Feedback ist bei Hattie & Timperley zu finden, welche dieses als „information provided by an agent (e.g., teacher, peer, book, parent, self, experience) regarding aspects of one’s performance or understanding” (2007, S. 81) verstehen. Grundsätzlich folgt diese Definition einer kognitivistischen Auffassung von Feedback, die es als eine unidirektionale Vermittlung von Wissen darstellt (Ajjawi & Boud, 2017, S. 252).
Aber sollten wir überhaupt Feedback geben? In der Forschung wird Feedback eine generelle Effektstärke zwischen d=0,79 und d=0,48 auf den Lernerfolg von Schüler*innen zugeschrieben was einen großen bis mittleren Effekt bedeutet (Wisniewski et al. 2020). Doch Feedback ist nicht gleich Feedback und auch nicht ausschließlich positiv zu betrachten. So hat ca. ein Drittel des gegebenen Feedbacks negative Auswirkungen und ist nicht lernförderlich (Narciss, 2014). Es ist daher wichtig dieses diverse Konstrukt detailliert zu betrachten. Ein zentrales Ergebnis aus der Studie von Hattie & Timperley (2007) ist, dass Feedback auf vier Ebenen gegeben werden kann:
Aufgabe,
Prozess,
Selbstregulation und
Selbst.
Außerdem kann Feedback in drei Perspektiven erfolgen:
Feed back: Wie hat es geklappt?
Feed up: Wo geht es hin?
Feed forward: Was muss getan werden, um dahin zukommen?
In der Studie stellte sich außerdem heraus, dass Feedback vor allem dann effektiv ist, wenn es auf die Aufgabe, den Prozess und die Selbstregulation bezogen ist (high-information Feedback), wohingegen Rückmeldungen auf der Ebene des Selbst, also z.B. Lob oder Kritik an der Person selbst, sogar hinderlich sein kann (Hattie & Timperley, 2007; Zierer, 2019). Schaut man sich also die Überschrift nochmal an, stellt man schnell fest, dass diese Art von Rückmeldung inhaltsleer ist, sich nur auf die Person bezieht und damit wenig effektiv ist. Weiterhin führen Hattie & Wollenschläger (2014) an, dass weniger bedeutsam ist, welches Feedback Lehrkräfte geben, sondern was bei den Lernenden ankommt – und diese interessiert vor allem, wie sie sich verbessern können (siehe auch Zierer, 2019, S. 7).
Feedback, doch nicht so einseitig?
Andere Ansätze sehen Feedback als wesentlich komplexeres Konstrukt, in welchem die Lernenden eine aktive Rolle spielen und nicht lediglich passiv Informationen empfangen, so wie es die Definition eingangs impliziert. So definieren Boud & Molloy (2012) Feedback als „ process whereby learners obtain information about their work in order to appreciate the similarities and differences between the appropriate standards for any given work, and the qualities of the work“. Den Lernenden wird somit eine größere Autonomie im eigenen Lernprozess zugeschrieben, was essenziell für eine höhere Lernmotivation und damit auch für höheren Lernerfolg ist (vgl. Deci & Ryan, 1985). Teil dieses Feedbackprozesses ist ein Dialog zwischen den Lernenden und der Feedbackquelle, in der das benötigte Feedback ausgehandelt wird (vgl. Boud & Molloy, 2012, S. 90). Ziel dieser Feedbackaushandlungen ist es herauszufinden, welche Informationen und Hilfestellungen die Lernenden benötigen, um sich zu verbessern. Aljaafreh & Lantolf (1994) bedienen sich in ihrer Studie Vygotskys soziokulturellem Ansatz (Vygotsky, 1978) und dem Modell der „Zone der nächsten Entwicklung“. Diese Zone beschreibt das Lernpotential von Lernenden, welches sie mit Unterstützung von Expert*innen ausschöpfen können. In ihrer Studie konnten sie zeigen, dass Feedback effektiv ist, wenn es im Dialog geführt wird und gestuft innerhalb Zone der nächsten Entwicklung ausgehandelt wird. So kann gezielt auf die Bedürfnisse der individuellen Lernenden eingegangen werden und das Feedback wird adaptiv gestaltet.
Für das Forschungsprojekt lassen sich so erste wesentliche Erkenntnisse und Kriterien ableiten, die für das im Performanztest angestrebte Konstrukt relevant sind. Feedback sollte…
sich auf Aufgabe, Prozess und Selbstregulation beziehen,
die drei Perspektiven feed back / feed up / feed forward berücksichtigen, wobei letzteres für Lernende am bedeutsamsten ist,
im Dialog stattfinden und
auf die individuellen Bedürfnisse eingehen, also adaptiv sein.
Neben dem ist es auch wichtig, fachspezifische Aspekte von Feedback zu beleuchten, was Thema eines nächsten Beitrags sein wird. Darin wird ein expliziter Fokus auf das Feedback im Kompetenzbereich Schreiben für Lernende einer Fremdsprache gelegt.
Literatur
Ajjawi, R. & Boud, D. (2017). Researching feedback dialogue: an interactional analysis approach. Assessment & Evaluation in Higher Education, 42(2), 252–265. (Online)
Aljaafreh, a. & Lantolf, J. P. (1994). Negative Feedback as Regulation and Second Language Learning in the Zone of Proximal Development. The Modern Language Journal, 78(4), 465-483.
D. Boud & E. Molloy (Hrsg.), Feedback in Higher and Professional Education. Routledge. (Online)
Deci, E. L. & Ryan, R. M. (1985). Intrinsic Motivation and Self-Determination in Human Behavior. Springer US. (Online)
Hattie, J. & Timperley, H. (2007). The Power of Feedback. Review of Educational Research, 77(1), 81-112. (Online)
Hattie, J. & Wollenschläger, M. (2014). A conceptualization of feedback. In H. Ditton & A. Müller (Hrsg.), Feedback und Rückmeldungen: Theoretische Grundlagen, empirische Befunde, praktische Anwendungsfelder (S. 135–149). Waxmann.
Narciss, S. (2014). Modelle zu den Bedingungen und Wirkungen von Feedback in Lehr-Lernsituationen. In H. Ditton & A. Müller (Hrsg.), Feedback und Rückmeldungen: Theoretische Grundlagen, empirische Befunde, praktische Anwendungsfelder (43-). Waxmann.
Vygotskij, L. S. (1978). Mind in society: The development of higher psychological processes (M. Cole, V. John-Steiner, S. Scribner & E. Souberman, Hg.). Harvard University Press.
Wisniewski, B., Zierer, K. & Hattie, J. (2020). The Power of Feedback Revisited: A Meta-Analysis of Educational Feedback Research. Frontiers in psychology, 10. (Online)
Zierer, K. (2019). Erfolgreiches Feedback ist nicht einfach, aber es ist wirkmächig. Friedrich Jahresheft, 6–9.
Am 7. Juli wurde das erste Mal ein Vortrag der PERFORM-LA Nachwuchsgruppe vor einem externen Publikum gehalten. Unter dem Titel „Development of performance-based assessment in EFL teacher education – Feedback on writing” hat Thomas Janzen (that’s me) den Mitarbeitenden der Paderborner Englischdidaktik und Kooperationspartner Prof. Dr. Dominik Rumlich erste Ergebnisse der Literaturrecherche präsentiert und samt weiterer Ideen zur Projektumsetzung zur Diskussion gestellt.
Der Vortrag begann mit einer Vorstellung der Nachwuchsforschungsgruppe. Die dem Projekt zugrundeliegenden Desiderata wurden kurz erläutert und die inhaltliche Umsetzung für den Bereich der Englischdidaktik – ‚Feedback on writing‘ – hergeleitet. Es folgte eine detaillierte Auflistung von Kriterien, die effektives Feedback im Allgemeinen, sowie bezogen auf die Kompetenz „Schreiben“, charakterisieren (siehe hierzu in Kürze den kommenden Blogbeitrag). Der Fokus lag auf der Adaption und Abstufung des Feedbacks an das individuelle Lernniveau der Lernenden, um so Lernpotentiale voll ausschöpfen zu können. Abschließend wurde ein erster Entwurf des Forschungsdesigns und ein Beispiel einer Textvignette vorgestellt.
In der anschließenden Diskussion wurden relevante Aspekte
besprochen, die die Komplexität des Vorhabens nochmal hervorhoben. So muss die
Authentizität des angedachten Rollenspiels multiperspektivisch fokussiert und im
Hinblick auf die verschiedenen Validitäts- und Reliabilitätskonstrukte hinreichend
zusammengeführt werden. Zudem muss auch der Aspekt der Fremdsprachigkeit ausreichend
Berücksichtigung finden, da Englisch für die angehenden Lehrkräfte (vermutlich)
nicht die Muttersprache ist und die Sprachkompetenz in der Fremdsprache daher ein
wesentlicher Faktor für die Performanz sein kann.
Nach fruchtvoller Diskussion und vielen neuen
Anregungen und Impulsen (für die ich sehr dankbar bin!) verabschiedete sich die
Runde. Für den kontinuierlichen Austausch wird es auch im kommenden Semester
wieder einen Vortrag geben.
Die Universität Paderborn ehrt jedes Jahr in einem kleinen Festakt herausragende Arbeiten von Nachwuchswissenschaftler*innen in der Forschung und Lehre. In diesem Sommersemester 2021 natürlich unter Corona-Bedingungen mit viel Abstand im Audimax und einigen Teilnehmenden und Geehrten, die digital in der Videokonferenz auf der großen Leinwand zugeschaltet wurden.
Dabei wurden auch dieses Jahr zwei Wissenschaftler*innen ausgezeichnet, die eine Nachwuchsforschungsgruppe an der Universität Paderborn leiten bzw. aufgebaut haben. Wie man oben im Bild sieht, freut es mich sehr, dass auch mir offiziell die Urkunde zur Nachwuchsgruppenleitung übergeben wurde ;).
Daher möchte ich an dieser Stelle noch einmal allen Unterstützer*innen unserer Nachwuchsgruppe danken. Ein ganz besonderer Dank geht dabei an Prof. Dr. Bardo Herzig und Dr. Annegret Hilligus aus dem PLAZ, die das Projekt immer mit Rat und Tat gefördert haben. Insbesondere möchte ich auch Prof. Dr. em. Peter Reinhold danken, der mich als Mentor auch weiterhin begleiten wird.
Bei der zweiten Nachwuchsforschungsgruppe handelt es sich um die Nachwuchsgruppe „DART: Datengetriebene Methoden in der Regelungstechnik“, in der Dr.-Ing. Julia Timmermann mit ihrem Team daran forscht, wie Methoden der künstlichen Intelligenz in der Regelungstechnik eingesetzt werden können. An dieser Stelle wünschen wir (weiterhin) viel Erfolg.
Weitere Informationen zu allen Preisträger*innen, Geförderten und ihren Projekten finden sich hier.
Wir als Nachwuchsforschungsgruppe werden gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Dabei sind wir Teil eines Netzwerks mehrerer Nachwuchsforschungsgruppen, die sich mit spannenden, aktuellen Fragestellungen der empirischen Bildungsforschung auseinandersetzen. Die thematische Spannbreite ist groß und umfasst bspw. Projekte zur Professionalisierung von angehenden Lehrkräften, zum Umgang mit Heterogenität im Bildungssystem oder zum Einfluss sozialer Ungleichheit auf den Zugang zum Studium. Wie es sich für Forschungsprojekte gehört, haben sie auch alle ein schönes Akronym ;).
ACCESS Institutionelle Hürden bei Studienentscheidungen – soziale Ungleichheit, Zulassungsverfahren und ihre Folgen (Dr. Florian R. Hertel, Universität Hamburg)
DigGaH Digitaler Schutz vor sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche mit Hörbehinderung (Jun.-Prof. Laura Kathrin Avemarie, PH Heidelberg)
EDIREG Bildungsintegration von Kindern und Jugendlichen mit Fluchthintergrund in Deutschland (Dr. Oliver Winkler, Universität Halle-Wittenberg)
FALKO-PV Fachspezifische Lehrkraftkompetenzen – Prädiktive Validierung von Professionswissenstests für Lehrkräfte in sechs Unterrichtsfächern (Dr. Alfred Lindl, Universität Regensburg)
FORMAT Formatives Assessment beim Schreiben: Automatisiertes Feedback unter Verwendung von künstlicher Intelligenz (Dr. Johanna Fleckenstein, Universität Kiel)
MARE Multiliteralität als Arbeitsmarktressource. Soziale Erwerbsbedingungen multiliteraler Kompetenzen und deren Transformierbarkeit in ökonomisches Kapital (Dr. Irina Usanova, Universität Hamburg)
…Was passiert eigentlich in
Elternsprechtagsgesprächen?
Menschen gleichen sich in mehr Eigenschaften als sie sich in diesen
unterscheiden. In vielerlei Hinsicht bezieht sich das auch auf die Erfahrungen,
die Personen im Zuge des Erwachsenwerdens und in ihrem späteren Alltags- und
Berufsleben machen. Ein Phänomen, das all jene Personen in diesen
unterschiedlichen Phasen verbinden (und trennen) kann, ist der Elternsprechtag.
Für die erste Arbeitsphase zur Entwicklung von fachübergreifende Beratungsgespräche
müssen berufstypische Beratungssituationen identifiziert werden. Dabei tritt
insbesondere der Elternsprechtag als ein institutionalisiertes und bemerkenswertes
Beratungsereignis hervor:
Die Zusammenkunft von Eltern, Lehrkräften und zum Teil Schülerinnen
und Schülern an Elternsprechtagen ist ein regelmäßiges Ereignis im Schulalltag,
das etwa in der Mitte eines jeden Schulhalbjahres stattfindet und ungefähr zehn
Minuten Raum gibt, um über die Leistungen und Verhaltensweisen der jeweiligen
Kinder und Jugendlichen zu beraten. Obwohl der Erwerb von Beratungskompetenzen
in der Lehramtsausbildung curricular verankert ist, scheinen sich insbesondere
angehende Lehrkräfte wenig auf solche Beratungsereignisse (hierzu zählen auch
Elterngespräche, Lernentwicklungsgespräche oder Elternabende) vorbereitet zu
fühlen. In der Ratgeberliteratur finden sich etliche Hinweise auf Planungs- und
Vorbereitungsmöglichkeiten sowie den Umgang mit „heiklen“ Situationen, welche
jedoch vornehmlich auf individuellen Erfahrungswerten und sekundärem Expertenwissen
basieren. Auf der Seite der Forschung wurden Elternsprechtage als
institutionelle und strukturelle Ereignisse mit eingebetteten Kommunikations-
und Handlungsräumen umfassend untersucht, während sich aber auch hier nur
wenige Untersuchungen identifizieren lassen, die das, was sich unmittelbar in
einem Elternsprechtagsgespräch ereignet, in den Fokus nehmen.
Zweifelsohne finden die Gespräche an Elternsprechtagen in einem
geschützten Rahmen statt, der eine wesentliche Grundlage für die
Vertrauensbildung in der Beratungskommunikation bildet. Die Gespräche selbst
aber können wichtige Erkenntnisse über den konkreten Kommunikationsvollzug und
die Art und Weise gelingender und misslingender Kommunikation in dieser
besonderen Situation liefern und sind daher für die Aus- und Fortbildung im
Lehrberuf äußerst relevant.
Lars Wegner hat sich mit seinem Dissertationsprojekt zur
„Lehrkraft-Eltern-Interaktionen am Elternsprechtag“ (2016) ebendieser
Herausforderung gestellt und für seine gesprächs- und gattungsanalytische
Untersuchung 142 Elternsprechtagsgespräche an verschiedenen Gymnasien, Grund-,
Haupt- und Gesamtschulen dokumentiert und analysiert.
„Lieber Herr Wegner, da haben Sie sich ja einen echten Hammer vorgenommen, indem Sie in einen der heikelsten Bereiche schulischer Kommunikation und Interaktion vorstoßen wollen“ (Wegner, 2016, 4)
Mit der exemplarischen Darstellung eines Antwortschreibens einer
Lehrkraft macht Wegner direkt zu Beginn seiner Dissertation deutlich, unter
welchen Voraussetzungen die Sammlung von Datenmaterial in diesem Zusammenhang
geschehen ist und welche letztlich durch persönliche Kontakte zu verschiedenen
Lehrkräften (und glückliche Zufälle) begünstigt wurde.
Minutiös legt Wegner im Folgenden dar, was ein Elternsprechtagsgespräch
in diesem spezifischen Kontext charakterisiert, indem er die konstitutiven
Gattungsmerkmale dieser Gespräche herausarbeitet und dabei unter anderem
beleuchtet, wie Lehrkräfte, Eltern und Schülerinnen und Schüler, ihre Rollen,
Erwartungen, Arbeits- und Lebenswelten und die Institutionalität in einem
asymmetrischen Verhältnis im Rahmen einer zeitlich limitierten
Gesprächssituation aushandeln.
Wegner identifiziert das Informieren, das Beraten und das Zuschreiben
von Verantwortung als die drei wesentlichen konversationellen Aktivitäten eines
Elternsprechtagsgespräches und nimmt in diesem Zusammenhang auch die
linguistischen Gesprächsmerkmale und ihre spezifischen Funktionen in den Fokus.
So kommt Wegner unter anderem zu dem Ergebnis, dass die von ihm identifizierten
und analysierten sprachlichen Strukturen und interaktiven Verfahren (z.B.
Litotes-, Aposiopese-, DASS-Konstruktionen) als adäquate Lösungen für bestimmte
kommunikative Aufgaben in einem Elterngespräch funktionieren.Mit Hinblick auf die
in den Gesprächen untersuchten Themen zeichnet sich an vielen Stellen ab, dass
die Beteiligten zur Wahrung eines positiven Selbstbildes vorwurfsähnliche
Handlungen realisieren, anstatt kooperativ Lösungswege für defizitäre Bildungs-
und Erziehungsprozesse zu erarbeiten. Nur sehr vage werden Vereinbarungen über
zukünftige Vorgehensweisen getroffen und die ohnehin kurzen Gespräche enden
oftmals mit optimistisch anmutenden Floskeln. Daneben ist für manche Gespräche
kritisch festzuhalten, dass ihnen durch die Lehrkräfte eine feste Struktur
zugrunde gelegt wird, die nur wenig Raum für Abweichungen bietet. Dies wird von
Wegner exemplarisch anhand einer Interaktion skizziert, in der ein von einer
Schülerin eingebrachtes Problem erst im späteren Verlauf, durch das erneute
Aufgreifen der Mutter, zum zentralen Gesprächsthema wird.
Wie Wegner selbst anführt bezieht sich die Anschlussfähigkeit seiner
Untersuchungsergebnisse nicht nur auf den Bereich der angewandten Linguistik,
sondern kann für die Reflexion, Sensibilisierung und Veränderungen dieser
spezifischen kommunikativen Praxis auch im Bereich der Pädagogik seine Relevanz
entfalten. Vor diesem Hintergrund ist Wegners Dissertationsschrift eine
wertvolle Studie für das Forschungsprojekt PERFORM-LA. Für die Entwicklung und
Ausgestaltung handlungsnaher Prüfungsformate liefert die Arbeit einen Überblick
über authentische Charakteristika in der Unterscheidung zwischen gelingender
und misslingender Beratungskommunikation. Somit empfiehlt sich die Arbeit für
alle, die immer schon wissen wollten, was eigentlich in
Elternsprechtagsgesprächen passiert.
Literatur Wegner, L. (2016). Lehrkraft-Eltern-Interaktionen am Elternsprechtag. De Gruyter.