Archiv der Kategorie: Beiträge

„Das hast du aber gut gemacht!“

Warum das kein gutes Feedback ist
und wie Feedback mit Lernenden effektiv gestaltet werden kann

Was auch immer wir tun, nicht selten bekommen wir eine Rückmeldung – oder Feedback – darüber, wie wir es getan haben. Wenn wir kochen, wird gesagt wie es schmeckt, wenn wir eine (vermeintlich) lustige Anekdote erzählen, wird (hoffentlich) gelacht und wenn wir in der Schule eine Prüfung ablegen, wird uns gesagt, wie gut oder schlecht unsere Leistung war. Doch obwohl Leistungsrückmeldungen in der Schule zu den alltäglichen Aufgaben der Lehrkräfte zählen, ist dieser Aspekt in der universitären Lehramtsausbildung nicht adäquat repräsentiert. Um dem entgegenzuwirken, soll ein performanznahes Prüfungsformat entwickelt werden, welches genau diesen Kompetenzbereich bei angehenden Lehrkräften prüft und fördert. Um ein solches Prüfungsformat entwickeln zu können, muss allerdings das Konstrukt ‚Feedback‘ näher beleuchtet werden.

Was ist Feedback und brauchen wir es überhaupt?

Eine gängige Definition von Feedback ist bei Hattie & Timperley zu finden, welche dieses als „information provided by an agent (e.g., teacher, peer, book, parent, self, experience) regarding aspects of one’s performance or understanding” (2007, S. 81) verstehen. Grundsätzlich folgt diese Definition einer kognitivistischen Auffassung von Feedback, die es als eine unidirektionale Vermittlung von Wissen darstellt (Ajjawi & Boud, 2017, S. 252).

Aber sollten wir überhaupt Feedback geben? In der Forschung wird Feedback eine generelle Effektstärke zwischen d=0,79 und d=0,48 auf den Lernerfolg von Schüler*innen zugeschrieben was einen großen bis mittleren Effekt bedeutet (Wisniewski et al. 2020). Doch Feedback ist nicht gleich Feedback und auch nicht ausschließlich positiv zu betrachten. So hat ca. ein Drittel des gegebenen Feedbacks negative Auswirkungen und ist nicht lernförderlich (Narciss, 2014). Es ist daher wichtig dieses diverse Konstrukt detailliert zu betrachten. Ein zentrales Ergebnis aus der Studie von Hattie & Timperley (2007) ist, dass Feedback auf vier Ebenen gegeben werden kann:

  • Aufgabe,
  • Prozess,
  • Selbstregulation und
  • Selbst.

Außerdem kann Feedback in drei Perspektiven erfolgen:

  • Feed back: Wie hat es geklappt?
  • Feed up: Wo geht es hin?
  • Feed forward: Was muss getan werden, um dahin zukommen?

In der Studie stellte sich außerdem heraus, dass Feedback vor allem dann effektiv ist, wenn es auf die Aufgabe, den Prozess und die Selbstregulation bezogen ist (high-information Feedback), wohingegen Rückmeldungen auf der Ebene des Selbst, also z.B. Lob oder Kritik an der Person selbst, sogar hinderlich sein kann (Hattie & Timperley, 2007; Zierer, 2019). Schaut man sich also die Überschrift nochmal an, stellt man schnell fest, dass diese Art von Rückmeldung inhaltsleer ist, sich nur auf die Person bezieht und damit wenig effektiv ist. Weiterhin führen Hattie & Wollenschläger (2014) an, dass weniger bedeutsam ist, welches Feedback Lehrkräfte geben, sondern was bei den Lernenden ankommt – und diese interessiert vor allem, wie sie sich verbessern können (siehe auch Zierer, 2019, S. 7).

Feedback, doch nicht so einseitig?

Andere Ansätze sehen Feedback als wesentlich komplexeres Konstrukt, in welchem die Lernenden eine aktive Rolle spielen und nicht lediglich passiv Informationen empfangen, so wie es die Definition eingangs impliziert. So definieren Boud & Molloy (2012) Feedback als „ process whereby learners obtain information about their work in order to appreciate the similarities and differences between the appropriate standards for any given work, and the qualities of the work“. Den Lernenden wird somit eine größere Autonomie im eigenen Lernprozess zugeschrieben, was essenziell für eine höhere Lernmotivation und damit auch für höheren Lernerfolg ist (vgl. Deci & Ryan, 1985). Teil dieses Feedbackprozesses ist ein Dialog zwischen den Lernenden und der Feedbackquelle, in der das benötigte Feedback ausgehandelt wird (vgl. Boud & Molloy, 2012, S. 90). Ziel dieser Feedbackaushandlungen ist es herauszufinden, welche Informationen und Hilfestellungen die Lernenden benötigen, um sich zu verbessern. Aljaafreh & Lantolf (1994) bedienen sich in ihrer Studie Vygotskys soziokulturellem Ansatz (Vygotsky, 1978) und dem Modell der „Zone der nächsten Entwicklung“. Diese Zone beschreibt das Lernpotential von Lernenden, welches sie mit Unterstützung von Expert*innen ausschöpfen können. In ihrer Studie konnten sie zeigen, dass Feedback effektiv ist, wenn es im Dialog geführt wird und gestuft innerhalb Zone der nächsten Entwicklung ausgehandelt wird. So kann gezielt auf die Bedürfnisse der individuellen Lernenden eingegangen werden und das Feedback wird adaptiv gestaltet.

Für das Forschungsprojekt lassen sich so erste wesentliche Erkenntnisse und Kriterien ableiten, die für das im Performanztest angestrebte Konstrukt relevant sind. Feedback sollte…

  • sich auf Aufgabe, Prozess und Selbstregulation beziehen,
  • die drei Perspektiven feed back / feed up / feed forward berücksichtigen, wobei letzteres für Lernende am bedeutsamsten ist,
  • im Dialog stattfinden und
  • auf die individuellen Bedürfnisse eingehen, also adaptiv sein.

Neben dem ist es auch wichtig, fachspezifische Aspekte von Feedback zu beleuchten, was Thema eines nächsten Beitrags sein wird. Darin wird ein expliziter Fokus auf das Feedback im Kompetenzbereich Schreiben für Lernende einer Fremdsprache gelegt.

Literatur

  • Ajjawi, R. & Boud, D. (2017). Researching feedback dialogue: an interactional analysis approach. Assessment & Evaluation in Higher Education, 42(2), 252–265. (Online)
  • Aljaafreh, a. & Lantolf, J. P. (1994). Negative Feedback as Regulation and Second Language Learning in the Zone of Proximal Development. The Modern Language Journal, 78(4), 465-483.
  • D. Boud & E. Molloy (Hrsg.), Feedback in Higher and Professional Education. Routledge. (Online)
  • Deci, E. L. & Ryan, R. M. (1985). Intrinsic Motivation and Self-Determination in Human Behavior. Springer US. (Online)
  • Hattie, J. & Timperley, H. (2007). The Power of Feedback. Review of Educational Research, 77(1), 81-112. (Online)
  • Hattie, J. & Wollenschläger, M. (2014). A conceptualization of feedback. In H. Ditton & A. Müller (Hrsg.), Feedback und Rückmeldungen: Theoretische Grundlagen, empirische Befunde, praktische Anwendungsfelder (S. 135–149). Waxmann.
  • Narciss, S. (2014). Modelle zu den Bedingungen und Wirkungen von Feedback in Lehr-Lernsituationen. In H. Ditton & A. Müller (Hrsg.), Feedback und Rückmeldungen: Theoretische Grundlagen, empirische Befunde, praktische Anwendungsfelder (43-). Waxmann.
  • Vygotskij, L. S. (1978). Mind in society: The development of higher psychological processes (M. Cole, V. John-Steiner, S. Scribner & E. Souberman, Hg.). Harvard University Press.
  • Wisniewski, B., Zierer, K. & Hattie, J. (2020). The Power of Feedback Revisited: A Meta-Analysis of Educational Feedback Research. Frontiers in psychology, 10. (Online)
  • Zierer, K. (2019). Erfolgreiches Feedback ist nicht einfach, aber es ist wirkmächig. Friedrich Jahresheft, 6–9.

Erster Vortrag im PhD-Kolloquium der Paderborner Englischdidaktik

Am 7. Juli wurde das erste Mal ein Vortrag der PERFORM-LA Nachwuchsgruppe vor einem externen Publikum gehalten. Unter dem Titel „Development of performance-based assessment in EFL teacher education – Feedback on writing” hat Thomas Janzen (that’s me) den Mitarbeitenden der Paderborner Englischdidaktik und Kooperationspartner Prof. Dr. Dominik Rumlich erste Ergebnisse der Literaturrecherche präsentiert und samt weiterer Ideen zur Projektumsetzung zur Diskussion gestellt.

Der Vortrag begann mit einer Vorstellung der Nachwuchsforschungsgruppe. Die dem Projekt zugrundeliegenden Desiderata wurden kurz erläutert und die inhaltliche Umsetzung für den Bereich der Englischdidaktik – ‚Feedback on writing‘ – hergeleitet. Es folgte eine detaillierte Auflistung von Kriterien, die effektives Feedback im Allgemeinen, sowie bezogen auf die Kompetenz „Schreiben“, charakterisieren (siehe hierzu in Kürze den kommenden Blogbeitrag). Der Fokus lag auf der Adaption und Abstufung des Feedbacks an das individuelle Lernniveau der Lernenden, um so Lernpotentiale voll ausschöpfen zu können. Abschließend wurde ein erster Entwurf des Forschungsdesigns und ein Beispiel einer Textvignette vorgestellt.

In der anschließenden Diskussion wurden relevante Aspekte besprochen, die die Komplexität des Vorhabens nochmal hervorhoben. So muss die Authentizität des angedachten Rollenspiels multiperspektivisch fokussiert und im Hinblick auf die verschiedenen Validitäts- und Reliabilitätskonstrukte hinreichend zusammengeführt werden. Zudem muss auch der Aspekt der Fremdsprachigkeit ausreichend Berücksichtigung finden, da Englisch für die angehenden Lehrkräfte (vermutlich) nicht die Muttersprache ist und die Sprachkompetenz in der Fremdsprache daher ein wesentlicher Faktor für die Performanz sein kann.

Nach fruchtvoller Diskussion und vielen neuen Anregungen und Impulsen (für die ich sehr dankbar bin!) verabschiedete sich die Runde. Für den kontinuierlichen Austausch wird es auch im kommenden Semester wieder einen Vortrag geben.

Es ist offiziell…

Bildnachweis: © Universität Paderborn, Matthias Groppe

Die Universität Paderborn ehrt jedes Jahr in einem kleinen Festakt herausragende Arbeiten von Nachwuchswissenschaftler*innen in der Forschung und Lehre. In diesem Sommersemester 2021 natürlich unter Corona-Bedingungen mit viel Abstand im Audimax und einigen Teilnehmenden und Geehrten, die digital in der Videokonferenz auf der großen Leinwand zugeschaltet wurden.

Dabei wurden auch dieses Jahr zwei Wissenschaftler*innen ausgezeichnet, die eine Nachwuchsforschungsgruppe an der Universität Paderborn leiten bzw. aufgebaut haben. Wie man oben im Bild sieht, freut es mich sehr, dass auch mir offiziell die Urkunde zur Nachwuchsgruppenleitung übergeben wurde ;).

Daher möchte ich an dieser Stelle noch einmal allen Unterstützer*innen unserer Nachwuchsgruppe danken. Ein ganz besonderer Dank geht dabei an Prof. Dr. Bardo Herzig und Dr. Annegret Hilligus aus dem PLAZ, die das Projekt immer mit Rat und Tat gefördert haben. Insbesondere möchte ich auch Prof. Dr. em. Peter Reinhold danken, der mich als Mentor auch weiterhin begleiten wird.

Bei der zweiten Nachwuchsforschungsgruppe handelt es sich um die Nachwuchsgruppe „DART: Datengetriebene Methoden in der Regelungstechnik“, in der Dr.-Ing. Julia Timmermann mit ihrem Team daran forscht, wie Methoden der künstlichen Intelligenz in der Regelungstechnik eingesetzt werden können. An dieser Stelle wünschen wir (weiterhin) viel Erfolg.

Weitere Informationen zu allen Preisträger*innen, Geförderten und ihren Projekten finden sich hier.

Nachwuchsforschungsgruppen in der empirischen Bildungsforschung

Wir als Nachwuchsforschungsgruppe werden gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Dabei sind wir Teil eines Netzwerks mehrerer Nachwuchsforschungsgruppen, die sich mit spannenden, aktuellen Fragestellungen der empirischen Bildungsforschung auseinandersetzen. Die thematische Spannbreite ist groß und umfasst bspw. Projekte zur Professionalisierung von angehenden Lehrkräften, zum Umgang mit Heterogenität im Bildungssystem oder zum Einfluss sozialer Ungleichheit auf den Zugang zum Studium. Wie es sich für Forschungsprojekte gehört, haben sie auch alle ein schönes Akronym ;).

ACCESS Institutionelle Hürden bei Studienentscheidungen – soziale Ungleichheit, Zulassungsverfahren und ihre Folgen (Dr. Florian R. Hertel, Universität Hamburg)

DigGaH Digitaler Schutz vor sexualisierter Gewalt gegen Kinder und Jugendliche mit Hörbehinderung (Jun.-Prof. Laura Kathrin Avemarie, PH Heidelberg)

EDIREG Bildungsintegration von Kindern und Jugendlichen mit Fluchthintergrund in Deutschland (Dr. Oliver Winkler, Universität Halle-Wittenberg)

FALKO-PV Fachspezifische Lehrkraftkompetenzen – Prädiktive Validierung von Professionswissenstests für Lehrkräfte in sechs Unterrichtsfächern (Dr. Alfred Lindl, Universität Regensburg)

FORMAT Formatives Assessment beim Schreiben: Automatisiertes Feedback unter Verwendung von künstlicher Intelligenz (Dr. Johanna Fleckenstein, Universität Kiel)

MARE Multiliteralität als Arbeitsmarktressource. Soziale Erwerbsbedingungen multiliteraler Kompetenzen und deren Transformierbarkeit in ökonomisches Kapital (Dr. Irina Usanova, Universität Hamburg)

MuHik Multidimensionale Heterogenität im Klassenzimmer: Messung, Effekte, Mechanismen (Dr. Camilla Rjosk, IQB)

Wir freuen uns auf den Austausch und die Zusammenarbeit mit den Kolleg*innen.

Weitere Informationen zu den einzelnen Gruppen sind zu finden auf den Seiten des
BMBF.

And so the journey begins…

…Was passiert eigentlich in Elternsprechtagsgesprächen?

Menschen gleichen sich in mehr Eigenschaften als sie sich in diesen unterscheiden. In vielerlei Hinsicht bezieht sich das auch auf die Erfahrungen, die Personen im Zuge des Erwachsenwerdens und in ihrem späteren Alltags- und Berufsleben machen. Ein Phänomen, das all jene Personen in diesen unterschiedlichen Phasen verbinden (und trennen) kann, ist der Elternsprechtag.

Für die erste Arbeitsphase zur Entwicklung von fachübergreifende Beratungsgespräche müssen berufstypische Beratungssituationen identifiziert werden. Dabei tritt insbesondere der Elternsprechtag als ein institutionalisiertes und bemerkenswertes Beratungsereignis hervor:

Die Zusammenkunft von Eltern, Lehrkräften und zum Teil Schülerinnen und Schülern an Elternsprechtagen ist ein regelmäßiges Ereignis im Schulalltag, das etwa in der Mitte eines jeden Schulhalbjahres stattfindet und ungefähr zehn Minuten Raum gibt, um über die Leistungen und Verhaltensweisen der jeweiligen Kinder und Jugendlichen zu beraten. Obwohl der Erwerb von Beratungskompetenzen in der Lehramtsausbildung curricular verankert ist, scheinen sich insbesondere angehende Lehrkräfte wenig auf solche Beratungsereignisse (hierzu zählen auch Elterngespräche, Lernentwicklungsgespräche oder Elternabende) vorbereitet zu fühlen. In der Ratgeberliteratur finden sich etliche Hinweise auf Planungs- und Vorbereitungsmöglichkeiten sowie den Umgang mit „heiklen“ Situationen, welche jedoch vornehmlich auf individuellen Erfahrungswerten und sekundärem Expertenwissen basieren. Auf der Seite der Forschung wurden Elternsprechtage als institutionelle und strukturelle Ereignisse mit eingebetteten Kommunikations- und Handlungsräumen umfassend untersucht, während sich aber auch hier nur wenige Untersuchungen identifizieren lassen, die das, was sich unmittelbar in einem Elternsprechtagsgespräch ereignet, in den Fokus nehmen.

Zweifelsohne finden die Gespräche an Elternsprechtagen in einem geschützten Rahmen statt, der eine wesentliche Grundlage für die Vertrauensbildung in der Beratungskommunikation bildet. Die Gespräche selbst aber können wichtige Erkenntnisse über den konkreten Kommunikationsvollzug und die Art und Weise gelingender und misslingender Kommunikation in dieser besonderen Situation liefern und sind daher für die Aus- und Fortbildung im Lehrberuf äußerst relevant.

Lars Wegner hat sich mit seinem Dissertationsprojekt zur „Lehrkraft-Eltern-Interaktionen am Elternsprechtag“ (2016) ebendieser Herausforderung gestellt und für seine gesprächs- und gattungsanalytische Untersuchung 142 Elternsprechtagsgespräche an verschiedenen Gymnasien, Grund-, Haupt- und Gesamtschulen dokumentiert und analysiert.

„Lieber Herr Wegner, da haben Sie sich ja einen echten Hammer vorgenommen, indem Sie in einen der heikelsten Bereiche schulischer Kommunikation und Interaktion vorstoßen wollen“ (Wegner, 2016, 4)

Mit der exemplarischen Darstellung eines Antwortschreibens einer Lehrkraft macht Wegner direkt zu Beginn seiner Dissertation deutlich, unter welchen Voraussetzungen die Sammlung von Datenmaterial in diesem Zusammenhang geschehen ist und welche letztlich durch persönliche Kontakte zu verschiedenen Lehrkräften (und glückliche Zufälle) begünstigt wurde.

Minutiös legt Wegner im Folgenden dar, was ein Elternsprechtagsgespräch in diesem spezifischen Kontext charakterisiert, indem er die konstitutiven Gattungsmerkmale dieser Gespräche herausarbeitet und dabei unter anderem beleuchtet, wie Lehrkräfte, Eltern und Schülerinnen und Schüler, ihre Rollen, Erwartungen, Arbeits- und Lebenswelten und die Institutionalität in einem asymmetrischen Verhältnis im Rahmen einer zeitlich limitierten Gesprächssituation aushandeln.

Wegner identifiziert das Informieren, das Beraten und das Zuschreiben von Verantwortung als die drei wesentlichen konversationellen Aktivitäten eines Elternsprechtagsgespräches und nimmt in diesem Zusammenhang auch die linguistischen Gesprächsmerkmale und ihre spezifischen Funktionen in den Fokus. So kommt Wegner unter anderem zu dem Ergebnis, dass die von ihm identifizierten und analysierten sprachlichen Strukturen und interaktiven Verfahren (z.B. Litotes-, Aposiopese-, DASS-Konstruktionen) als adäquate Lösungen für bestimmte kommunikative Aufgaben in einem Elterngespräch funktionieren.Mit Hinblick auf die in den Gesprächen untersuchten Themen zeichnet sich an vielen Stellen ab, dass die Beteiligten zur Wahrung eines positiven Selbstbildes vorwurfsähnliche Handlungen realisieren, anstatt kooperativ Lösungswege für defizitäre Bildungs- und Erziehungsprozesse zu erarbeiten. Nur sehr vage werden Vereinbarungen über zukünftige Vorgehensweisen getroffen und die ohnehin kurzen Gespräche enden oftmals mit optimistisch anmutenden Floskeln. Daneben ist für manche Gespräche kritisch festzuhalten, dass ihnen durch die Lehrkräfte eine feste Struktur zugrunde gelegt wird, die nur wenig Raum für Abweichungen bietet. Dies wird von Wegner exemplarisch anhand einer Interaktion skizziert, in der ein von einer Schülerin eingebrachtes Problem erst im späteren Verlauf, durch das erneute Aufgreifen der Mutter, zum zentralen Gesprächsthema wird.

Wie Wegner selbst anführt bezieht sich die Anschlussfähigkeit seiner Untersuchungsergebnisse nicht nur auf den Bereich der angewandten Linguistik, sondern kann für die Reflexion, Sensibilisierung und Veränderungen dieser spezifischen kommunikativen Praxis auch im Bereich der Pädagogik seine Relevanz entfalten. Vor diesem Hintergrund ist Wegners Dissertationsschrift eine wertvolle Studie für das Forschungsprojekt PERFORM-LA. Für die Entwicklung und Ausgestaltung handlungsnaher Prüfungsformate liefert die Arbeit einen Überblick über authentische Charakteristika in der Unterscheidung zwischen gelingender und misslingender Beratungskommunikation. Somit empfiehlt sich die Arbeit für alle, die immer schon wissen wollten, was eigentlich in Elternsprechtagsgesprächen passiert.

Literatur
Wegner, L. (2016). Lehrkraft-Eltern-Interaktionen am Elternsprechtag. De Gruyter.