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AEPF 2023: Willkommen in Potsdam

Bildnachweis: © Universität Potsdam

Vom 13.- 15. September 2023 fand an der Universität Potsdam unter dem Motto „Schule und Lehrkräfte. Bildung neu denken“ die Sektionstagung empirische Bildungsforschung der Arbeitsgruppe für Empirische Pädagogische Forschung (AEPF) sowie der Kommission Bildungsplanung, Bildungsorganisation und Bildungsrecht (KBBB) statt. Wir waren mit einigen Beiträgen auf der Tagung vertreten und möchten euch an unseren Eindrücken teilhaben lassen.

Bildnachweis: © Jana Meier

Unsere Beiträge

Während am Mittwoch und Freitag eine spannende Vielzahl an Sessions angeboten wurden, stand der Donnerstag für uns ganz im Zeichen unserer Beiträge. Tatsächlich waren diese hintereinander über den Tag verteilt platziert, weshalb sie in drei Akten beschrieben werden können.

Donnerstag Vormittag – Unter dem Titel „‘Die Prüfungen werden mich sicherlich nicht zu einer besseren Lehrkraft machen.‘ Wie beurteilen Studierende Prüfungen und Feedback im Lehramtsstudium?“ präsentierte Christoph einen Beitrag zu den Fragen, wie Lehramtsstudierende ihre Prüfungserfahrungen bewerten, verschiedene Prüfungsformate wahrnehmen und welche Erfahrungen sie mit Feedback auf ihre Prüfungsergebnisse gemacht haben. Die Ergebnisse zweier unserer Befragungen zeigen, dass Lehramtsstudierende eine negative Feedbackkultur erleben und dass die im Lehramtsstudium stark wahrgenommene Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis sich auch in ihren Prüfungserfahrungen widerspiegelt.

Bildnachweis: © Jana Meier

Donnerstag Mittag – Im direkten Anschluss stellte Jana ihren Beitrag vor. Dieser trug den Titel „Welche Rolle spielt eine reflexive Haltung für eine qualitätsvolle Unterrichtsreflexion? – Zusammenhänge zwischen einer quasi-experimentellen Einstellung und der Reflexionsperformanz von Lehramtsstudierenden“. In diesem Zusammenhang wurden Ergebnisse einer quantitativen Studie mit N = 460 Lehramtsstudierenden von zwei deutschen Universitäten vorgestellt, in der der Zusammenhang einer quasi-experimentellen Einstellung zur Reflexion (QEE) gemachter Unterrichtserfahrungen und der Reflexionsperformanz mit den Dimensionen ihrer inhaltlichen Breite, der Reflexionstiefe und ihres Bezugs zu Theorien untersucht wurden. Die Ergebnisse zeigen, dass die befragten Studierenden eine eher ausgeprägte Einstellung zur akribischen Unterrichtsplanung und zur evidenzbasierten Unterrichtsanalyse haben. Das Vertrauen in die Vorhersehbarkeit von Unterrichtsabläufen und die Offenheit für fundierte Theorie fallen dagegen gering aus. Die Reflexionsperformanz der Studierenden ist begrenzt und sie gehen meistens nicht über eine Bewertung, ohne Theoriebezüge, hinaus. Zudem zeigte sich ein kleiner positiver Zusammenhang zwischen den Einstellungen und der Reflexionsbreite und dem Theoriebezug.

Bildnachweis: © Philipp Wotschel

Donnerstag Nachmittag – Darauffolgend präsentierte Philipp seinen Beitrag, „Als Lehrkraft gut beraten? Entwicklung und Erprobung eines handlungsnahen Prüfungsformates zur Erfassung von Beratungskompetenz von Lehramtsstudierenden“, der im Symposium „Beratungskompetenz in der Lehrkräftebildung – Wie können angehende Lehrkräfte Beratung erlernen?“, eingebettet war. In diesem Rahmen wurden die Pilotierungsergebnisse und unser Prototyp einer standardisierten, handlungsnahen Prüfung mit dem zugehörigen Bewertungsmodell, zur Erfassung und Beurteilung beratungsbezogenen Verhaltens Lehramtsstudierender, ausführlich vorgestellt.

Bildnachweis: © Jana Meier

Inspirationen

Philipps persönliche Höhepunkte auf der AEPF 2023 waren ebenso in diesem Symposium verortet. So gewährte Dr. Frank Behr mit seinem Beitrag, „Professionelle Wahrnehmung schulischer Beratungssituationen. Effekte einer videobasierten Lernumgebung zur Förderung beratungsrelevanter Kompetenzen von angehenden Lehrkräften“, einen Einblick in eine Studie, mit der der Einfluss fremder und eigener Beratungsvideos in einer digitalen Lernumgebung zur Elternberatung auf die Entwicklung der professionellen Wahrnehmung schulischer Beratungssituationen von Lehramtsstudierenden untersucht wurde. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Analyse von fremden und eigenen Beratungsvideos in dieser Lernumgebung die kognitiven Prozesse der professionellen Wahrnehmung von Lehramtsstudierenden aktivieren kann. Im Vergleich zu Kontrollgruppe hat sich in beiden Interventionsgruppen die professionelle Wahrnehmung im Seminarverlauf verändert.

Daneben ging Dr. Scarlett Kobs in Ihrem Beitrag, „Rollenspiele als wirksames Mittel zur Steigerung der Beratungskompetenz bei angehenden Lehrkräften?“, der Frage nach, welchen Effekt Rollenspiele im Vergleich zu schriftlichen Reflexionen auf die Entwicklung der Beratungskompetenz von Lehramts- und Rehabilitationspädagogikstudierenden haben. Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass die Intervention einen positiven Effekt auf die selbsteingeschätzte Kompetenz der Studierenden im Explorieren von Gefühlen und Gedanken hatte und, dass das praktische Erproben beraterischer Fertigkeiten zu einem Kompetenzanstieg im Erleben der Studierenden führte.

An dieser Stelle nochmal vielen herzlichen Dank an Dr. Scarlett Kobs für die Organisation des Symposium und an Dr. Charlott Rubach für die wertwolle Diskussion der Einzelbeiträge.

Neben diesen Beiträgen, die auch sehr dicht an unseren eigenen Arbeiten in der Nachwuchsforschungsgruppe liegen, hat Christoph noch zwei weitere Highlights von der Konferenz mit nach Paderborn genommen. In ihrem Vortrag „Optimierung von Lernprozessen in der Hochschulbildung: Eine Untersuchung der Qualität von KI-gestütztem Feedback“ berichteten Lucas Jasper Jacobsen und Dr. Kira Elena Weber von der Leuphana in Lüneburg von einer experimentellen Studie, in dem sie Feedback generiert von einer KI (hier: ChatGPT) mit dem Feedback generiert durch menschliche Expert*innen (hier: Hochschullehrende) und Noviz*innen (hier: Studierende im BA) verglichen. Hierzu ließen sie diese drei Gruppen feedback provider ein bzw. mehrere schriftliche Feedbacks auf ein (fehlerhaft) formuliertes Lernziel für eine Unterrichtsplanung generieren und analysierten diese nach Kriterien für gutes Feedback. Dabei gaben die Expert*innen erwartbar qualitativ höherwertiges Feedback als Noviz*innen (bzgl. Angemessenheit, Fragen & dem Anbieten von Alternativen). Die Ki gab allerdings sogar teilweise besseres Feedback als Expert*innen (bzgl. der Erklärung des Feedbacks & der Spezifität). Dies hing aber jeweils sehr von den genutzten Prompts ab, so dass es in der Diskussion auch primär darum ging, wie diese formuliert sein müssen und evtl. in einer Art Archiv für die Hochschullehre gesammelt werden könnten.

Einen weiteren interessanten Beitrag hielt Dr. Susi Klaß von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Unter dem Titel „Lernen, Unterrichtsgespräche wirksam zu führen: Quasi-experimentelle Ergebnisse zum Modellieren einer Core Practice im Praxissemester“ berichtete sie von einem Lehrkonzept zur Förderung der Kernpraktik Unterrichtsgespräche zu führen bei Lehramtsstudierenden, das im Learning to Teach-Lab Science (LTL:S) durchgeführt wurde, in dem auch mit Simulationen von Gesprächssituationen gearbeitet wurde. Die Ergebnisse zeigten differentielle Befunden (bspw. ergaben sich Unterschiede in der Wirksamkeit verschiedener Lernelemente je nach Methode), aber verdeutlichten nochmals das Potential simulationsbasierten Lernens in der Lehrkräftebildung. Ebenfalls interessant war die Keynote „Empirische Bildungsforschung, evidenzbasierte Bildungspolitik, wissensbasierte Bildungspraxis – Voraussetzungen einer erfolgreichen Wissenstranslation“ von Prof. Dr. Felicitas Thiel von der Freien Universität Berlin, in der sie einen historischen Überblick über die Entwicklung empirischer Bildungsforschung bzw. evidenzbasierter Bildungspraxis in Deutschland gab. Christoph hatte sich bisher bspw. nicht sehr mit der schon um die Jahrhundertwende des 20. Jahrhunderts entwickelten experimentellen Pädagogik beschäfigt (z.B. Meyerhardt, 1910).

Wir haben uns gefreut, auf der AEPF 23 zu Gast sein zu dürfen, waren sehr angetan von der Conference-Dinner-Location und nehmen viele Ideen aus den vielfältigen Beiträgen und Diskussionen mit!

Direkt an der Havel – Das Conference Dinner. Bildnachweis: © Philipp Wotschel

Vorträge:

  • Behr, F. (2023, 14.09.). Professionelle Wahrnehmung schulischer Beratungssituationen. Effekte einer videobasierten Lernumgebung zur Förderung beratungsrelevanter Kompetenzen von angehenden Lehrkräften. Sektionstagung empirische Bildungsforschung der Arbeitsgruppe für Empirische Pädagogische Forschung (AEPF 2023), Universität Potsdam.
  • Jacobsen, L., & Weber, K. (2023, 14.09.). Optimierung von Lernprozessen in der Hochschulbildung: Eine Untersuchung der Qualität von KI-gestütztem Feedback. Sektionstagung empirische Bildungsforschung der Arbeitsgruppe für Empirische Pädagogische Forschung (AEPF 2023), Universität Potsdam.
  • Klaß, S., Hauk. D., Hickethier, F., Dehne, M., Calcagni, E., & Gröscher, A. (2023, 15.09.). Lernen, Unterrichtsgespräche wirksam zu führen: Quasi-experimentelle Ergebnisse zum Modellieren einer Core Practice im Praxissemester. Sektionstagung empirische Bildungsforschung der Arbeitsgruppe für Empirische Pädagogische Forschung (AEPF 2023), Universität Potsdam.
  • Kobs, S., Ay-Bryson, D.S., Kühne, F., & Knigge, M. (2023, 14.09.). Rollenspiele als wirksames Mittel zur Steigerung der Beratungskompetenz bei angehenden Lehrkräften? Sektionstagung empirische Bildungsforschung der Arbeitsgruppe für Empirische Pädagogische Forschung (AEPF 2023), Universität Potsdam.
  • Meier, J., Vogelsang, C., Küth, S., Scholl, D., Watson, C., & Seifert, A. (2023, 14.09.). Welche Rolle spielt eine reflexive Haltung für eine qualitätsvolle Unterrichtsreflexion? – Zusammenhänge zwischen einer quasi-experimentellen Einstellung und der Reflexionsperformanz von Lehramtsstudierenden. Sektionstagung empirische Bildungsforschung der Arbeitsgruppe für Empirische Pädagogische Forschung (AEPF 2023), Universität Potsdam.
  • Meyerhardt, M.W. (1910). Experimentelle Pädagogik. Monatshefte für deutsche Sprache und Pädagogik, 11(1), 1-11. (Online)
  • Thiel, F. (2023, 14.09.). Empirische Bildungsforschung, evidenzbasierte Bildungspolitik, wissensbasierte Bildungspraxis – Voraussetzungen einer erfolgreichen Wissenstranslation (Keynote). Sektionstagung empirische Bildungsforschung der Arbeitsgruppe für Empirische Pädagogische Forschung (AEPF 2023), Universität Potsdam.
  • Vogelsang, C, Janzen, T., Meier, J., & Wotschel, P. (2023, 14.09.). „Die Prüfungen werden mich sicherlich nicht zu einer besseren Lehrkraft machen.“ Wie beurteilen Studierende Prüfungen und Feedback im Lehramtsstudium? Sektionstagung empirische Bildungsforschung der Arbeitsgruppe für Empirische Pädagogische Forschung (AEPF 2023), Universität Potsdam.
  • Wotschel, P., Vogelsang C.,  Janzen, T., & Meier, J. (2023, 14.09.). Als Lehrkraft gut beraten? Entwicklung und Erprobung eines handlungsnahen Prüfungsformates zur Erfassung von Beratungskompetenz von Lehramtsstudierenden. Sektionstagung empirische Bildungsforschung der Arbeitsgruppe für Empirische Pädagogische Forschung (AEPF 2023), Universität Potsdam.

10. GEBF-Tagung 2023 – „Bildung zwischen Unsicherheit und Evidenz“

Ein Einblick in unsere diesjährigen Highlights

Bildnachweis: © Gesellschaft für Empirische Bildungsforschung | https://digigebf.files.wordpress.com/2022/12/cropped-cropped-logo_gebf_2023-01.png?w=937&h=400

Drei Jahre hat es gedauert, bis die GEBF-Tagung wieder in Präsenz stattfinden konnte. Passend zum 10. Jubiläum lud die Gesellschaft für Empirische Bildungsforschung vom 28. Februar bis 02. März 2023 unter dem Motto „Bildung zwischen Unsicherheit und Evidenz“ zum wissenschaftlichen Austausch ein. Wir waren als Projektteam auch dabei und möchten (wie im letzten Jahr) einige Einblicke in unsere Erlebnisse schildern:

Wie schon im vergangenen Jahr auf der Nachwuchstagung erhielt Philipp in diesem Jahr auf der Haupttagung die Möglichkeit, einen Vortrag über die Pilotierung seines Performanztests für das bildungswissenschaftliche Lehramtsstudium (zur Erfassung von Beratungskompetenz) zu halten und zu diskutieren. Das Thema Performanztests und Simulationen befand sich auf der GEBF in „guter Gesellschaft“, weshalb Philipp vor allem das Symposium „Simulationsbasiertes Lernen an der Hochschule – neue Erkenntnisse aus experimentellen und metaanalytischen Studien“ begeisterte. Die vier Vorträge fokussierten die Rolle von Simulationen in der Hochschulbildung im Medizin- und Lehrkräftebereich und konnten veranschaulichen, wie gut Simulationen auch in der Lehrkräftebildung eingesetzt werden können. Zunächst präsentierte Constanze Richters eine Studie, in der die Frage untersucht wurde, ob bzw. inwiefern strukturierte Reflexion und Kollaborationsskripts den Erwerb kollaborativer Diagnosefähigkeiten in einer medizinischen Simulation unter Berücksichtigung des Vorwissens der Lernenden verbessern können. Danach folgte unter dem Titel „Lernen mit Simulationen: Eine Metaanalyse zur Adaptivität von instruktionaler Unterstützung“ ein Vortrag von Olga Chernikova, die sich in ihrer Metastudie der Umsetzung und den Voraussetzungen von Adaptivitätsstrategien von Simulationen widmet. Den Dritten Vortrag hielt Stephanie Kron. Sie berichtet von ihrer Untersuchung zur Spezifität bzw. Sensitivität von Diagnosen Mathematiklehramtsstudierender in einer simulationsbasierten Lernumgebung. Im letzten Vortrag zur „Förderung von Reanimationsskills durch simulationsbasiertes Lernen: Welche Vorteile bringt der Einsatz von first-person-view-Videos im Debriefing?“ präsentierte Martin Gartmeier die Ergebnisse seiner Forschung zu der Frage, inwieweit Videos aus der first-person-Perspektive zu Veränderungen im Debriefing und zu verbessertem Lernerfolg beitragen können.

Jana und Christoph haben auf der diesjährigen GEBF-Tagung bei dem Symposium „‚Bedrohung‘ der Testwertinterpretation durch Testmotivation? – Fragen der Validität in der Kompetenzforschung“ mitgewirkt, welches von Daniel Scholl und Christina Watson organisiert wurde. Insbesondere die Diskussion und der Austausch mit den Teilnehmenden des Symposiums waren eines der Highlights von Jana. Darüber hinaus war auch das Symposium „Simulationsbasiertes Lernen und Messen in der Mediziner:innen und Lehrer:innenausbildung“ mit Ann-Kathrin Schindler bzw. Tina Seidel als stellvertretende Chair spannend. Die zwei Beiträge, die sich auf die Lehramtsausbildung bezogen, wurden von Michael Nickl aus der COSIMA-Gruppe und von Florentine Hickethier von der Universität Jena vorgestellt. Nickl et al. konnten in ihren Analysen (zur Erfassung der Diagnosekompetenzen angehender Lehrkräfte mit Hilfe einer videobasierten Simulation) Profile von kognitiven und motivationalen Charakteristika der Diagnostizierenden identifizieren, die sich auf die Qualität des Diagnoseprozesses und die Urteilsakkuratheit auswirken. Hickethier et al. haben die Nützlichkeitsüberzeugungen und die Technologieakzeptanz von Lehramtsstudierenden aus verschiedenen Ländern hinsichtlich einer Virtual Reality Umgebung für Schüler*innen erfasst und konnten Veränderungen durch das eigene Erleben der VR-Umgebung aufzeigen (v.a. eine höhere Intention, VR auch in der eigenen Berufspraxis anzuwenden). VR war generell ein großes Thema auf der diesjährigen GEBF-Tagung – ähnlich wie das Thema ChatGPT. So beschäftigte sich bspw. das Symposium „Unterrichtserleben in Virtual Reality als Chance für die Lehrkräftebildung“ mit virtuellen Unterrichtssimulationen in VR-Umgebungen. Interessant war hier, dass im Vergleich zur Arbeit mit traditionellen Unterrichtsvideos keine empirisch signifikanten Effekte für den VR-Einsatz gefunden werden konnten (mit Bezug auf die professionelle Unterrichtswahrnehmung und Reflexionsfähigkeiten angehender Lehrkräfte).

Neben den vielen Einzelbeiträgen und Symposien waren die Keynotes der diesjährigen GEBF-Tagung weitere Highlights für Jana. Im Vortrag von Prof. Dr. Gerd Gigerenzer ging es bspw. um die Risikokompetenz und um Bildung im digitalen Zeitalter – mit der klaren Message, dass auch wir Menschen smarter werden müssen, wenn um uns herum alles smarter wird ;-). In der Keynote von Prof. Dr. Monika Waldis ging es um die hohe Bedeutung gesellschaftswissenschaftlichen Wissens insbesondere in Zeiten der Krise und in Zeiten, in denen die Demokratie weltweit unter Druck steht. Prof. Dr. Waldis sieht eine besondere Chance zur Förderung der Demokratiekompetenz (mit der Leitidee der Urteilsfindung und Fähigkeiten des Perspektivwechsels und der Empathie) in Argumentations- und Debattiertrainings als didaktische Interventionen für Schüler*innen.

Christoph lieferte in diesem Jahr zusammen mit Pascal Pollmeier und Tim Rogge einen Beitrag zum Symposium „Eigenvideografie als Professionalisierungstool für Lehramtsstudierende im Praxissemester“, das von Verena Zucker organisiert wurde. Zusammen mit Nicola Meschede berichtete sie von einer Untersuchung zur Frage, welche persönlichen Merkmale Lehramtsstudierender (z.B. Misserfolgserwartung) und Bedingungsfaktoren (z.B. zeitliche Belastung) die Bereitschaft Eigenvideografien im Praxissemester durchzuführen beeinflussen. Dies war insofern interessant, dass es auch die Frage berührt, die wir (also, Pascal, Tim und Christoph) auch in unserer Interviewstudie untersucht haben. Auch die beiden weiteren Vorträge von Robin Junker (in Vertretung für Christina Gippert) und Verena Oestermann berichteten interessante Erkenntnisse zur Wirksamkeit von Eigenvideografiearbeit zur Förderung der professionellen Unterrichtswahrnehmung von Lehramtsstudierenden. Es war also insgesamt ein rundum gelungenes Symposium. An dieser Stelle daher noch einmal ein herzlicher Dank an Verena als Organisatorin! Ein weiteres Vortragshighlight aus Christophs Sicht war der Vortrag von Șeyma Gülen, die unter dem Titel „Lehramtsstudium – Vorbereitungsdienst – Lehrkräfteberuf, oder? Empirische Ana-
lysen aus dem Nationalen Bildungspanel (NEPS) zum post-universitären beruflichen
Verbleib von Lehramtsabsolvent*innen“ auf Basis der umfangreichen NEPS-Daten (N = 2.941 Absolvent*innen gingen in die Untersuchungen ein) Analysen dazu vornahm, wie viele Lehramtsstudierende nach einem Studienabschluss auch wirklich als Lehrkräfte arbeiten (Spoiler: In ihren Analysen sind es 79% ;)). Diese Ergebnisse kommen zur richtigen Zeit und liefern empirisch fundierte, belastbare Daten für die Diskussion um den aktuellen Lehrkräftemangel. Zwei weitere schöne Vorträge betrafen ebenfalls etwas stärker die Themen unserer Nachwuchsforschungsgruppe. Zum einen stellte Sigrid Harendza eine spannende Untersuchung dazu vor, nach welchen Kriterien aus der arbeitsplatzbasierten Beobachtung Ausbilder*innen in praktischen Ausbildungsphasen (z.B. im praktischen Jahr in der Medizinerausbildung) angehenden Ärzt*innen bestimmte Tätigkeiten anvertrauen bzw. bis zu welchem Grad (dies kann bspw. eine Tätigkeit wie das Blut Abnehmen sein). Die empirischen Daten wurden dabei in einer Simulationsumgebung gewonnen, in der umfangreich der erste Arbeitstag in einer Klinik simuliert wurde. Zum anderen berichtete Christoph Kruse unter dem Titel „Wie beurteilen Fach- und Schulleitungen angehende Lehrer:innen im Referendariat?
Erkenntnisse aus einer qualitativ-rekonstruktiven Dokumentenanalyse von schriftlichen Gutachten“ von Analysen von realen Schulleitungsgutachten, die im Rahmen der zweiten Staatsprüfung in NRW angefertigt wurden. Im Zentrum stehen dabei z.B. Fragen danach, welche Kriterien Schulleitungen an die Bewertung anlegen bzw. welche impliziten Orientierungen in den Gutachten deutlich werden. Diese Prüfungsdokumente sind wenig erforscht, sie machen allerdings einen hohen Anteil der Abschlussnote des zweiten Staatsexamens aus. Insofern freut sich Christoph schon auf die weiteren Ergebnisse.

Bildnachweis: © Jana Meier| ein Teil des PERFORM-LA Teams auf dem Gesellschaftsabend
(v. l. Christoph, Jana, Philipp)

Ein weiteres Highlight war natürlich der Gesellschaftsabend, der in der Grand Hall Zollverein® veranstaltet wurde. Wie die GEBF selbst zusammenfasst ist dieser beeindruckende Ort „[…] eine moderne Eventlocation, die auf dem Gelände der ehemaligen Kokerei Zollverein des UNESCO-Welterbes Zollverein liegt. Sie wurde am 12. September 1961 als Sauger- und Kompressorenhalle in Betrieb genommen. Nach über drei Jahrzehnten wurde sie am 30. Juni 1993 stillgelegt. Die Anlage ZOLLVEREIN® Schacht XII war die größte und modernste Steinkohleförderanlage der Welt. Seit 1998 widmet sich die Stiftung Zollverein der Erhaltung und Wiedernutzbarmachung dieses Industriedenkmals.“  

Wir waren auf jeden Fall nachhaltig beeindruckt und hatten viel Vergnügen 😉

Bildnachweis: © Philipp Wotschel |Der direkte Außenbereich
Bildnachweis: © Philipp Wotschel |Ein Einblick in die Halle

Wir freuen uns, auch in diesem Jahr dabei gewesen sein zu können, bedanken uns herzlich für die zahlreichen Vorträge, Anregungen und Diskussionen und sagen bis bald!

Vorträge:

  • Gartmeier, M., Soellner, N., Eiberle, M., Haseneder, R., Hinzmann, D., Schulz, C., Rath, S., & Berberat, P. (2023, 01. März). Förderung von Reanimationsskills durch simulationsbasiertes Lernen: Welche Vorteile bringt der Einsatz von first-person-view-Videos im Debriefing? 10. Jahrestagung der Gesellschaft für Bildungsforschung (GEBF), Essen.
  • Gigerinzer, G. (2023, 28. Februar). Risikokompetenz: Bildung im digitalen Zeitalter. 10. Jahrestagung der Gesellschaft für Bildungsforschung (GEBF), Essen.
  • Gippert, C., Junker, R., Seeger, D., & Holodynski, M. (2023, 01. März). Welche Rolle spielt die Eigenvideografie bei der Förderung der professionellen Unterrichtswahrnehmung von Klassenführung im Rahmen des Praxissemesters? 10. Jahrestagung der Gesellschaft für Bildungsforschung (GEBF), Essen.
  • Harendza, S., Kadmon, M., Berberat, P., Fincke, F., Gärtner, J., Schick, K. (2023, 28. Februar). Anvertrauen von Verantwortung auf Basis von Arbeitsplatz-basierten Beobachtungen. 10. Jahrestagung der Gesellschaft für Bildungsforschung (GEBF), Essen
  • Heitzmann N., Chernikova O., Stadler, M., Holzberger,D., Seidel, T., & Fischer, F. (2023, 01. März). Lernen mit Simulationen: Eine Metaanalyse zur Adaptivität von instruktionaler Unterstützung. 10. Jahrestagung der Gesellschaft für Bildungsforschung (GEBF), Essen.
  • Hickethier, F., Dehne, M. & Gröschner, A. (2023, 28. Februar). Wie nehmen Lehramtsstudierende eine neuartige VR-Umgebung für Schüler:innen wahr? Eine Mixed-Methods-Studie zur Veränderung von Nützlichkeitsüberzeugungen. 10. Jahrestagung der Gesellschaft für Bildungsforschung (GEBF), Essen.
  • Kron, S., Sommerhoff,D., & Ufer, S. (2023, 01. März). Entwicklung diagnostischer Kompetenz zur Dezimalbruchrechnung: Akkuratheit, Sensitivität und Spezifität von Diagnosen in einer simulationsbasierten Lernumgebung. 10. Jahrestagung der Gesellschaft für Bildungsforschung (GEBF), Essen.
  • Kruse, C. (2023, 02. März). Wie beurteilen Fach- und Schulleitungen angehende Lehrer:innen im Referendariat? Erkenntnisse aus einer qualitativ-rekonstruktiven Dokumentenanalyse von schriftlichen Gutachten. 10. Jahrestagung der Gesellschaft für Bildungsforschung (GEBF). Essen.
  • Erfassung von Diagnosekompetenzen in Simulationen: Einfluss der Charakteristika des Diagnostizierenden
  • Nickl, M., Sommerhoff, D., Codreanu, E., Ufer, S. & Seidel, T. (2023, 28. Februar). Erfassung von Diagnosekompetenzen in Simulationen: Einfluss der Charakteristika des Diagnostizierenden. 10. Jahrestagung der Gesellschaft für Bildungsforschung (GEBF). Essen.
  • Oestermann, V., Weyland, U., & Koschel, W. (2023, 01. März). Zur Förderung professioneller Unterrichtswahrnehmung im Praxissemester anhand von Eigen- und Fremdvideos. 10. Jahrestagung der Gesellschaft für Bildungsforschung (GEBF). Essen.
  • Pollmeier, P., Vogelsang, C., & Rogge, T. (2023, 01. März). Zwischen Angst und Vorfreude – Emotionales Erleben Lehramtsstudierender bei der Arbeit mit Eigenvideografien. 10. Jahrestagung der Gesellschaft für Bildungsforschung (GEBF). Essen.
  • Richters, C., Stadler M., Radkowitsch, A., Schmidmaier, R., Fischer, M.R., & Fischer, F. (2023, 01. März). Förderung kollaborativer Diagnosefähigkeiten für Lernende mit unterschiedlichem Vorwissen: Effekte von strukturierter Reflexion und Kollaborationsskripts in einer agentenbasierten medizinischen Simulation. 10. Jahrestagung der Gesellschaft für Bildungsforschung (GEBF), Essen.
  • Waldis, M. (2023, 01. März). Gesellschaftswissenschaftliches Lernen in Zeiten der Krise – Wissensordnungen und Kompetenzen revisited. 10. Jahrestagung der Gesellschaft für Bildungsforschung (GEBF), Essen.
  • Wotschel, P. (2023, 01. März). Beratungskompetent durchs Lehramtsstudium? Entwicklung und Erprobung eines handlungsnahen Prüfungsformates. 10. Jahrestagung der Gesellschaft für Bildungsforschung (GEBF), Essen.
  • Zucker, V., Meschede, N. (2023, 01. März). Was motiviert oder hemmt Studierende, sich im Praxissemester videografieren zu lassen? Eine Untersuchung zur Bedeutung persönlicher Voraussetzungen für die Nutzung von Eigenvideografie. 10. Jahrestagung der Gesellschaft für Bildungsforschung (GEBF). Essen.

„Markierung Nicht Entfernen!“

 Ein Einblick in den Simulations-Alltag der PERFORM-LA Pilotierungsphase

Ein bisschen Orientierung muss sein (c) Philipp Wotschel.

Auch wenn wir in diesem Blog eine stetig größer werdende Vielfalt an Themen behandeln, liegt unser Hauptfokus im Forschungsprojekt PERFORM-LA weiterhin auf der Entwicklung und Erprobung von handlungsnahen Prüfungsformaten für verschiedene Bereiche des Lehramtsstudiums. 

Vor diesem Hintergrund eröffneten sich mit dem Beginn des Frühjahres 2022 wieder Möglichkeiten zur Zusammenkunft in Präsenz, was zugleich den Start für das Schauspieltraining unserer Hilfskräfte, Jasmin, Elena und Hannah, markierte.

Hilfskräfte erhalten ein Schauspieltraining?

Die zu entwickelnden Prüfungsformate für das Fach Englisch und die Bildungswissenschaft sind performanzorientiert und sollen es ermöglichen, die Handlungen von Studierenden in simulierten Gesprächen in der Rolle als Lehrkraft zu den Themen Feedback und Beratung zu bewerten. Damit dies den Prüfungskriterien der Fairness, Objektivität und Transparenz Rechnung trägt, ist es entscheidend, dass die Simulationen einen bestimmten Grad der Standardisierung erreichen: Es soll ein Raum für variable und interaktive Handlungen eröffnet werden, während die Vergleichbarkeit verschiedener Simulationsdurchläufe durch denselben thematischen Gesprächsfokus und wiederkehrende Wortäußerungen (verbal Trigger) sichergestellt wird. In Bezug auf das Schauspieltraining bedeutet dies konkret, einzuüben, die Balance zwischen diesen beiden Schwerpunkten im Schauspiel zu halten und die Rollen als Schülerin beziehungsweise Elternteil im Gespräch mit den Studierenden sicher zu inszenieren.

Wie wurde trainiert?

In einem Zeitraum von etwa acht Wochen von Mai bis Juli trafen wir uns mehrmals in der Woche in mehrstündigen Sitzungen für das Schauspieltraining. Im Vordergrund stand dabei neben der Einübung der spezifischen Rollenskripte und der verbal Trigger (standardisierte Aussagen und Fragen zur Evokation bestimmter Handlungsweisen), vor allem die Erprobung der Gesprächssimulationen. Rollenspielartig wurden dafür in wechselnder Besetzung, also eine Person als Lehrkraft mit zwei weiteren Personen als Schülerin und Elternteil, die spezifischen Feedback-  und Beratungsszenarien geprobt. Sämtliche Eindrücke, Auffälligkeiten und Erfahrungen wurden anschließend, teilweise videogestützt, reflektiert und für die weiteren Proben aufgearbeitet. Im Weiteren durften auch Thomas und ich in der Lehrkraftrolle mitwirken, um unter anderem gezielt Handlungsweisen zu inszenieren, die eher weniger konstruktiv für ein Feedback– bzw. Beratungsgespräch sind (natürlich wurde dabei auch viel gelacht). Den Abschluss des Trainings bildete die Teilnahme weiterer Kolleginnen und Kollegen aus dem Zentrum für Bildungsforschung und Lehrerbildung (PLAZ) und der Englischdidaktik in Paderborn, die sich dankbarerweise dazu bereit erklärt haben, ebenfalls in der Lehrkraftrolle zur Erprobung der Simulationen beizutragen.

Neben dem schauspielerischen Schwerpunkt lag ein weiterer Fokus des Trainings auf dem Testen der technischen, räumlichen und organisatorischen Realisationsmöglichkeiten. Konkret begleiteten uns dabei die Fragen nach der optimalen Konfiguration der Tische und Stühle, der idealen Kamerapositionen und -perspektiven im Raum, den besten Winkeln für eine gute Ausleuchtung und Audioqualität und der effizientesten zeitlichen Abläufe.

Der Szenenaufbau für die Gesprächssimulationen (c) Philipp Wotschel.

Und wie ging es dann weiter?

Im direkten Anschluss an das Schauspieltraining erfolgte die Pilotierungsphase, in der die Gesprächssimulationen mit Lehramtsstudierenden getestet wurden, um Erkenntnisse über die Durchführbarkeit und Akzeptanz zu gewinnen und etwaige Anpassungen für die Hauptuntersuchung vornehmen zu können. Die Simulationen sind dabei neben weiteren Erhebungsinstrumenten, wie etwa Fragebögen zu pädagogischen, Sprach- und Beratungskompetenzen oder Interviews zur Wahrnehmung der Gesprächssimulationen, eingebettet. Die Daten sollen später für Zusammenhangsanalysen genutzt werden, mit denen differenzierte Aussagen über die unterschiedlichen feedback- und beratungsspezifischen Kompetenzbereiche getroffen werden können. Natürlich möchten wir mit Hinblick auf die kommende Haupterhebung an dieser Stelle noch nicht zu viel über die Inhalte verraten, um nicht zu viele Informationen (vor allem für die noch teilnehmenden Studierenden) vorwegzunehmen.

Was kann denn über den Ablauf der Gesprächssimulationen gesagt werden?

Die teilnehmenden Studierenden erhalten eine gewisse Vorbereitungszeit, um sich mit von uns schriftlich ausgehändigten Kontextinformationen zu den kommenden Gesprächen, vertraut zu machen. Darauffolgend werden die Kameras eingeschaltet und es klopft an der Tür. Die Schauspielerinnen betreten die „Bühne“. Je nach Szenario treten sie alleine oder zu zweit auf und versuchen, sofern die Studierenden bestimmte Gesprächsaspekte nicht selbst einleiten, diese durch gezielte Aussagen und Fragen dahinzubewegen. Dies kann mitunter Handlungsdruck erzeugen, der jedoch auf einem für die Studierenden bewältigbaren Niveau bleibt und zugleich (wie viele Studierenden berichteten) alles um sich herum „vergessen“ lässt. Die Kameras geraten somit in den Hintergrund und die Gespräche können ihren interaktiven Charakter entfalten, was insbesondere dadurch gekennzeichnet wird, dass Ideen und Aussagen von Studierenden, die noch nicht durch das Schauspieltraining antizipiert werden konnten, problemlos durch kleine Improvisationen in die Szenarien integriert werden können. Solche Situationen werden, genau wie die Gesprächssimulationen im Allgemeinen, im Nachgang reflexiv aufgearbeitet, sodass das Darstellungsrepertoire unserer Schauspielerinnen stetig umfassender wird.

Wie geht es weiter?

Es zeichnet sich bereits eine gute Passung zwischen den konzeptuellen Vorüberlegungen und der tatsächlichen Durchführbarkeit der Gesprächssimulationen und den anderen Aspekten der Befragung ab. Bevor dann ab Oktober 2022 die Haupterhebung beginnen soll, womit insbesondere die Anzahl der Teilnehmenden erhöht wird, wird es notwendig sein, weitere Anpassungen an den Erhebungsszenarien vorzunehmen. Hierbei stehen vor allem die Validierungsverfahren zur Durchführbarkeit der Gesprächssimulationen und der einzelnen verbal Trigger im Vordergrund, die für die Haupterhebung so gekürzt werden können, dass die Erhebungsszenarien in ihrem zeitlichen Umfang kompakter werden. Wir sind auf jeden Fall gespannt, wie die Hauptuntersuchung anlaufen wird und welche neuen Situationen sich in den Gesprächssimulationen zeigen werden.

Solltet ihr derzeit ein Lehramtsstudium absolvieren und möchtet die Gelegenheit bekommen, einmal eure Fähigkeiten in einem geschützten Handlungsrahmen auszuprobieren, dann meldet euch gerne bei uns und nehmt an unserer Studie teil!

Statusseminar der BMBF-Nachwuchsforschungsgruppen am 31.03. und 01.04.2022

https://wcms.itz.uni-halle.de/download.php?down=42943&elem=2985593
Bildnachweis: © Maike Gloeckner https://wcms.itz.uni-halle.de/download.php?down=42943&elem=2985593

Vor etwas weniger als einem halben Jahr berichteten wir über das erste Zusammenkommen der BMBF-Nachwuchsforschungsgruppen und freuen uns, dass wir bereits nach wenigen Monaten zum zweiten (digitalen) Statusseminar an der Universität Halle-Wittenberg eingeladen waren.

Erneut lag der Fokus der zweitägigen Veranstaltung auf der Vorstellung von Projektergebnissen, der Wahrnehmung anregender Weiterbildungsangebote und dem kollegialen Austausch (wofür vor allem in den gemeinsamen Pausen digitale Vernetzungsmöglichkeiten angeboten wurden).

So bekamen im Rahmen des ersten Tages die NWGs EDIREG, ACCESS, MuHiK und nach einer kurzen Pause MARE und DiGaH die Möglichkeit, ihre Theoriekonzepte, Hypothesen und ersten Forschungserkenntnisse zu präsentieren und zu diskutieren. Jüngste Erfahrungen von der GEBF22, zur Rahmung der zeitlichen Kontingente, konnten hier direkt zur Anwendung kommen 😉.

Der Schwerpunkt des Nachmittages lag auf der Keynote von Dr. Anthony Heath, der als emeritierter Professor für Soziologie, der University of Oxford und dem Nuffield College und als Professor für Soziologie, der Universität Manchester, einen spannenden Vortrag zu Europäischen Perspektiven zur Integration von Migranten- und Flüchtlingskindern hielt.

Daneben konnte im Programmpunkt „Vernetzung und Information“ der DLR – der Projektträger für den Bereich Empirische Bildungsforschung – die Anlage von Meta-Vorhaben des BMBF vorstellen. In diesem Zusammenhang gaben die Vorhaben ABIBA | Meta und DIGI-EBF einen Einblick in ihre Arbeit zum Forschungsdatenmanagement und zeigten weitere Vernetzungsmöglichkeiten auf.  

Der Fokus des zweiten Tages lag insbesondere auf Statusgruppenbezogenen Workshops, in denen Fortbildungsangebote zu den Themen Academic Writing and Posters (Doktorand*innen), Wissenschaftskommunikation (Post-Docs) und Führungskräftetraining (Nachwuchsforschungsgruppenleitungen) angeboten wurden. Hier konnten Thomas und Philipp einige Tipps mitnehmen, die sie in kommenden Vorträgen und Posterpräsentationen einsetzen können.

Wir bedanken uns bei Dr. Oliver Winkler und der Nachwuchsforschungsgruppe EDIREG für die Einladung und Organisation und freuen uns auf ein Wiedersehen beim nächsten Statusseminar im Herbst 2022 in Berlin, das hoffentlich wieder in Präsenz stattfinden kann.

Vorträge:

  • Heath, A. (2022). European perspectives on the integration of migrant and refugee children. (Keynote). 2. Statusseminar der BMBF-NWGs „Empirische Bildungsforschung“ 2022. Universität Halle-Wittenberg (online), 31.03.2022.

Die Beratungspraxis, meine Vorstellungen und ich.

Ein Gastbeitrag unseres Praktikanten am PLAZ

Beratung bildet ein zentrales Thema in unserem Blog, das wir bereits empirisch und theoretisch beleuchtet haben. An dieser Stelle freuen wir uns, eine weitere Betrachtungsperspektive eröffnen zu können, die durch unseren Praktikanten am PLAZ in seinem Erlebnisbericht aus der Beratungspraxis dargestellt wird: 

Mein Name ist Marcel Böse und ich studiere im fünften Fachsemester Erziehungswissenschaft und Englische Sprachwissenschaft im Zwei-Fach Bachelor an der Universität Paderborn. Seit dem 14. Februar 2022 bin ich Praktikant am Zentrum für Bildungsforschung und Lehrerbildung – PLAZ-Professional School und habe währenddessen Einblicke in die unterschiedlichen Arbeitsbereiche innerhalb des PLAZ bekommen.

Ein essenzieller Part und einer der Hauptgründe, weswegen ich mich um eine Praktikumsstelle am PLAZ beworben hatte, war der Arbeitsbereich Beratung. Dieser schien mir immer altruistisch und die Tatsache, der Wegweiser für Personen zu werden, welche einen übersichtlicheren Blick benötigen, hatte mich bisher konstant fasziniert – und glücklicherweise ist diesem Wunsch nachgegangen worden. Somit schreibe ich nun gerne über meine Erkenntnisse über den Arbeitsbereich Beratung und Informationsmanagement des PLAZ, indem ich meine eingänglichen Prognosen schildere, meinen Beisitz in Beratungen kommentiere und letzten Endes meine Erkenntnisse reflektiere.

Eingangs bin ich mit einem Verständnis an Beratung herangetreten, dass Berater*innen die Personen sind, die über das Know-how verfügen, welches angefragt wird. Somit würde im Bereich des PLAZ vorausgesetzt sein, dass man sich mit dem Lehramtsstudium detailreich auseinandergesetzt hat und etwaige Fragen im Handumdrehen beantworten kann. Außerdem war ich der Überzeugung, dass eine intensive Vorbereitung notwendig ist, um die ratsuchende Person angemessen und fachgerecht über die aktuelle Sachlage und potenzielle Optionen zu informieren, damit die Beratung einwandfrei ablaufen kann, sodass nach der Beratung sämtliche Blockaden behoben sind und das angeführte Problem gelöst werden kann. Natürlich war ich mir auch bewusst, dass es Härtefälle geben wird, die nicht einen so einfachen Verlauf gewährleisten können. Allerdings hatte ich mir darüber eher weniger Gedanken gemacht und im Stil der „ersten kleinen Schritte“ einen Plan entwickelt, mit dem sich die nächsten möglichen Schritte aus der Situation heraus ergeben und schwierige Fälle Stück für Stück bearbeitet werden können.

Während der Beratungssitzungen habe ich meinen theoretischen Beratungslaufplan teilweise realisieren können: Fragen wurden mithilfe der notwendigen Informationen beantwortet und durch eine breite Palette an Lösungsvorschläge betrachtet, welche in Anspruch genommen werden konnten, um die aktuellen Herausforderungen der Sitzung zu lösen. Dadurch ist mir aufgefallen, dass Ratsuchende teilweise lediglich Lösungsansätze benötigen, aus welchen sie frei wählen können, um ihre nächsten Schritte zu planen. Dieses Vorgehen könnte mit der Analogie eines Kellners bzw. einer Kellnerin verglichen werden, da das Tablett mit den Speisen in der Beratung das Tablett mit den potenziellen Lösungen darstellen kann. Dabei werden Möglichkeiten für das weitere Vorgehen geliefert, die beraterische Präferenz vorerst vernachlässigt und erst bei explizitem Fragen oder entsprechenden Situationen eigene Meinungen geteilt. Andererseits besteht nicht immer der Bedarf nach einer Vielzahl an Lösungen, sondern es wird lediglich ein „Stoß in die richtige Richtung“ gesucht. Bei solchen Fällen habe ich bemerkt, dass die eigene Meinung (bestenfalls aufgrund eigener Expertise) mit den weiteren Schritten geteilt werden kann und sollte, um Praxisnähe in das scheinbar abstrakte Problem zu bringen. Dieser vorgeschlagene Plan kann dafür sorgen, dass sich der „Nebel“ der ratsuchenden Person lichtet und dadurch selbst die Richtung des Beraters oder der Beraterin verfolgt werden kann – oder sich durch diesen Denkanstoß ein eigenes Bild ergibt, welches die nächsten Möglichkeiten aufzeigt.

Im Nachgang möchte ich anmerken, dass beide Arten von Beratung essenzieller Bestandteil in dem Themengebiet sind, da Beratungen nicht per se nach striktem Handlungsplan ablaufen können. Die Fälle sind aufgrund der Individualität der Menschen und Anliegen äußerst vielfältig. Deswegen sind, neben einer inhaltlichen Expertise, ein hohes Maß an Flexibilität und Menschenkenntnis notwendig, um eine Beratung für Ratsuchende möglichst nachhaltig und angenehm zu gestalten. Diese Anpassung inmitten der Beratungen ist mir in meinem anfänglichen theoretischen Beratungsszenario entgangen. Gerade diese Anpassungsfähigkeit hat mich umso mehr dazu motiviert, mehr über die Beratung und die angemessenen Handlungsoptionen zu lernen.

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass ich innerhalb von sechs Wochen mit jeweils durchschnittlich einer Stunde pro Woche Beratung erleben durfte. Dies unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es sich dabei „nur“ um Informationsberatungen gehandelt hat, welche ein riesiges Repertoire an tiefergehenden Beratungswissen bereitstellen, konnte ich einen tiefen Einblick in die Matrix der Beratung tätigen – wobei ich lediglich die Oberfläche eines äußerst komplexen Themas touchiert habe.

Besuch auf der 9. GEBF-Tagung 2022 im digitalen Bamberg – Alles auf Anfang? _ Bildung im digitalen Wandel

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Mit dem Schwerpunkt auf das Thema Bildung im digitalen Wandel fanden unter dem Motto „Alles auf Anfang?“ am 08.03.2022 die GEBF-Nachwuchstagung und vom 09.-11.03.2022 die 9. GEBF-Tagung 2022 statt. Der Einladung und auch dem Call for Papers der Gesellschaft für Empirische Bildungsforschung sind wir vom PERFORM-LA Projekt freudig gefolgt und möchten euch an dieser Stelle unsere Eindrücke zusammenfassen:

Ein besonderer Höhepunkt zeichnete sich für Philipp bereits zu Beginn der Veranstaltungswoche, im Rahmen der GEBF-Nachwuchsforschungstagung, ab. Denn hier bekam er (wie Thomas) die Möglichkeit, sein Dissertationsprojekt rund um die Entwicklung eines Performanztests für das bildungswissenschaftliche Lehramtsstudium (zur Erfassung von Beratungskompetenz) zu präsentieren und zu diskutieren. Dass sich Beratung als Thema auch auf der Haupttagung in guter Gesellschaft (für Empirische Bildungsforschung) befand, wurde in den Symposien „Lehrpersonen als Berater*innen im schulischen Kontext“ und „Eltern: Kooperation und Kommunikation“ deutlich. Beispielhaft hervorheben ließen sich hier die Vorträge zu „Facetten der Beratungskompetenz von Grundschullehrkräften für die Beratung bei hoher Begabung“ von Prof. Stefanie Schnebel (vorgetragen von Sonja Seiderer) und der Beitrag von Prof. Heike M. Buhl zu der „Beobachtungsstudie: Zusammenhänge zwischen Merkmalen des Eltern-Lehrkräfte-Gesprächs am Elternsprechtag und der elterlichen Motivation für Schulengagement“, der auf die Dissertation von Dr. Christian Greiner zurückgeht. Beide Vorträge verdeutlichten insbesondere die empirische Rolle der Beratung und beratungsbezogener Gesprächsführung im Schulkontext und zeigten Möglichkeiten zur Operationalisierung von Beratungshandeln auf, die als wertvolle Hinweise in Philipps Dissertationsprojekt einbezogen werden.

Auch aus Thomas‘ Sicht gab es viele interessante Vorträge, z.B. im Bereich Feedback. Im Vortrag von Prof. Dr. Miriam Hess wurde aus dem ProFee Projekt über die „Effekte der Beobachtungsmethode bei Videoanalysen auf Wissen, professionelle Wahrnehmung sowie Handlungs- und Reflexionskompetenz von Studierenden im Bereich Feedback“ berichtet. Interessanterweise wurden hier zur Auswertung u. a. auch Videoaufnahmen von Studierenden beim Feedback geben genutzt, eine Situation wie sie auch ähnlich in unseren rollenspiel-basierten Simulationen auftaucht. Auch im Vortrag von Anna Holstein wurden Videoaufnahmen eines Feedbackgesprächs für die Auswertung genutzt. Hier war die Forschungsfrage, inwieweit sich Feedbackhäufigkeit und Feedbackbezug (nach Hattie‘s Modell) von angehenden und berufserfahrenen Lehrkräften unterscheidet. Spannend waren hier – neben der Tatsache, dass hier ebenfalls Schauspieler*innen zur Standardisierung eingesetzt worden sind – die Ergebnisse, die darauf hindeuten, dass erfahrene Lehrkräfte tendenziell mehr und auch auf mehr Ebenen kombiniert Feedback geben. Doch nicht nur die Vorträge boten neuer Ergebnisse aus der Forschung, auch wurden in der Postersession u. a. von Julia Fecke und Michael Nickl verschiedene digitale Simulationsansätze in der Lehrer*innenausbildung präsentiert.

Ein Vortrag, der eine interessante Alternative zum „Goldstandard“ simulationsbasierter Gespräche mit standardisierten Patient*innen vorgestellt hat, war eines der Highlights von Jana und Christoph. Sabine Reiser von der Universität Erfurt hat einen Situational Judgement Test vorgestellt, den VA-MeCo, der die Messung von basaler Gesprächsführungskompetenz von Medizinstudierenden erfasst. Der videobasierte Test erfüllt psychometrische Gütekriterien ausgesprochen zufriedenstellend und wird zukünftig an verschiedenen medizinischen Fakultäten eingesetzt. Darüber hinaus werden Feedbackvarianten für die Studierenden entwickelt, um ein „assessment for learning“ zu schaffen – sehr beeindruckend! Wie immer können wir viel von den Ausbilder*innen aus dem Medizinstudium lernen 😉 Während sich dort die Entwicklung teilweise hin zu weniger aufwendigen Testverfahren vollzieht, versuchen wir gerade den umgekehrten Weg für die Lehramtsausbildung. Ein weiteres Highlight waren für Jana die Beiträge von Lukas Mientus und Anna Nowak, die sich mit der Erfassung der Reflexionskompetenz von Physik-Lehramtsstudierenden auseinandersetzten. Noch durch ihre eigene Dissertation zum Thema Reflexionskompetenz geprägt, hat sie in den beiden Vorträgen spannende Ansätze zu einer computerbasierten Analyse von schriftlichen Reflexionen entdeckt (was eine Erleichterung!) und war sehr beeindruckt von der umfassenden Modellierung der Reflexionstiefe.

Weitere Vorträge, die Simulationen des Lehrkräftehandelns als assessment-Methode genutzt haben, möchte auch Christoph hervorheben. Bspw. analysierte Dr. Patricia Goldberg die Wahrnehmung von Störungen im Unterricht von Lehrkräften und Studierenden in einem virtuellen Klassenzimmer, dass die Proband*innen mit Hilfe einer VR-Brille direkt aus der Ich-Perspektive wahrnehmen konnten. Insgesamt ergaben sich dabei die aus schon vielen Studien bekannten „holistischere“ Wahrnehmung und Reaktion von Expert*innen. Neben Vorträgen zu Methoden der Unterrichtsqualitätsforschung und dazu, wie angehende Lehrkräfte mit Evidenzen und (theoretischen) Quellen umgehen, waren aber insbesondere Erkenntnisse zur Frage relevant, wie professionelles Wissen von angehenden Lehrkräften und ihr Handeln in typischen Anforderungssituationen zusammenhängen (Performanz), mit der sich Christoph schon seit seiner Dissertation auseinandersetzt. Madeleine Müller berichtete bspw. Ergebnisse einer Untersuchung zur Prüfung des Kontinuumsmodells von Kompetenz, in der Zusammenhänge des klassenführungsbezogenen Professionswissens von Lehramtsstudierenden, ihrer situationsspezifischen Fähigkeiten (erfasst mittels offener Kommentierung eines Unterrichtsvideos, War das vielleicht auch Reflexion? ;)) und der von Schüler*innen im Praxissemester eingeschätzten Klassenführung untersucht wurde. Grob zusammengefasst, konnten aber keine erwarteten Zusammenhänge beobachtet werden. Christoph selbst wirkte am Projekt Profile-P+ mit, aus dessen Ergebnissen Melanie Jordans mit Hilfe von Cross-Lagged-Panel-Analysen berichtete, dass das fachdidaktische Wissen angehender Physiklehrkräfte zu Beginn eines Praxissemesters die Entwicklung von Unterrichtsplanungsfähigkeiten (erfasst mit Hilfe eines Performanztests) positiv beeinflusst. Ansonsten bot die Tagung viele Möglichkeiten neue Kolleg*innen kennenzulernen und sich zu vernetzen.

Wir bedanken und vielmals für die vielen Vorträge und Diskussionen, nehmen anregende Ideen für unsere eigene Forschung mit und freuen uns, wenn wir uns im kommenden Jahr zur 10. GEBF-Tagung an der Universität Duisburg-Essen wiedersehen.

Vorträge:

  • Buhl, H., Greiner, C., Bonanati, S., & Hilkenmeier, J. (2022). Beobachtungsstudie: Zusammenhänge zwischen Merkmalen des Eltern-Lehrkräfte-Gesprächs am Elternsprechtag und der elterlichen Motivation für Schulengagement. 9. Jahrestagung der Gesellschaft für Bildungsforschung (GEBF) (online), 11.03.2021.
  • Fecke, J., Müller, L., & Braun, E. (2022). Simulationen in avatarbasierten Lernumgebungen zur Steigerung kommunikativer Kompetenzen bei angehenden Lehrkräften. Poster auf der 9. Jahrestagung der Gesellschaft für Bildungsforschung (GEBF) (online), 10.03.2021.
  • Goldberg, P., Göllner, R., Hasenbein, L., Stark, P.; & Stürmer, K. (2022). Störungen im Unterricht als relevant erkennen: Ein Expertisevergleich im virtuellen Klassenzimmer. 9. Jahrestagung der Gesellschaft für Bildungsforschung (GEBF) (online), 09.03.2021.
  • Hess, M. (2022). Effekte der Beobachtungsmethode bei Videoanalysen auf Wissen, professionelle Wahrnehmung sowie Handlungs- und Reflexionskompetenz von Studierenden im Bereich Feedback. 9. Jahrestagung der Gesellschaft für Bildungsforschung (GEBF) (online), 10.03.2021.
  • Holstein, A., Weber, E.-K., Prilop, C.-N., & Kleinknecht, M. (2022). Analyse des Feedbacks von (angehenden) Lehrkräften mit Microteaching Videos. 9. Jahrestagung der Gesellschaft für Bildungsforschung (GEBF) (online), 10.03.2021.
  • Jordans, M., Schröder, J., Vogelsang, C., & Riese, J. (2022). Der Nutzen des Professionswissens bei der Entwicklung der Unterrichtsplanungsfähigkeit von Lehramtsstudierenden im Fach Physik. 9. Jahrestagung der Gesellschaft für Bildungsforschung (GEBF) (online), 11.03.2021.
  • Mientus, L., Wulff, P., Nowak, A., & Borowski, A. (2022). Computerbasierte Analyse schriftlicher Reflexionen. 9. Jahrestagung der Gesellschaft für Bildungsforschung (GEBF) (online), 11.03.2021.
  • Müller, M., & Gold, B. (2022). Zusammenhänge zwischen professionellem Wissen, situationsspezifischen Fähigkeiten und Klassenführungsqualität von Lehramtsstudierenden. 9. Jahrestagung der Gesellschaft für Bildungsforschung (GEBF) (online), 09.03.2021.
  • Nickl, M., Sommerhoff, D., Ufer, S., & Seidel, T. (2022). Motivationales Scaffolding in video-basierten Simulationen: Wirksamkeit einer Utility Value Intervention zur Förderung der Diagnosekompetenzen von Lehramtsstudierenden. Poster auf der 9. Jahrestagung der Gesellschaft für Bildungsforschung (GEBF) (online), 10.03.2021.
  • Nowak, A., Wulff, P., Mientus, L., & Borowski, A. (2022). Erfassung der Reflexionstiefe in studentischen Selbstreflexionen. 9. Jahrestagung der Gesellschaft für Bildungsforschung (GEBF) (online), 11.03.2021.
  • Reiser, S., Schacht, L., Thomm, E., Schick, K., Berberat, P., Gartmeier, M., & Bauer, J. (2022). Messung von basaler Gesprächsführungskompetenz bei Medizinstudierenden mittels eines online Situational Judgement Tests: Vorstellung des VA-MeCo und seiner psychometrischen Gütekriterien. 9. Jahrestagung der Gesellschaft für Bildungsforschung (GEBF) (online), 10.03.2021.
  • Schnebel, S., Seiderer, S., & Grassinger, R. (2022). Facetten der Beratungskompetenz von Grundschullehrkräften für die Beratung bei hoher Begabung. 9. Jahrestagung der Gesellschaft für Bildungsforschung (GEBF) (online), 09.03.2021.

In der Schule gut beraten?

Strukturelle Eigenschaften und Herausforderungen schulischer Beratungsarbeit

In unserem ersten Blog-Beitrag berichteten wir bereits darüber, was aus empirischer Perspektive eigentlich in Elternsprechtagsgesprächen passiert. Ein Grund dafür lag darin, dass sich nur wenige Untersuchungen identifizieren lassen, die das, was sich unmittelbar in einem Elternsprechtagsgespräch ereignet, in den Fokus nehmen. Dagegen sind Elternsprechtage als institutionelle und strukturelle Beratungsereignisse umfassend untersucht, was somit wesentliche Anhaltspunkte für die systematischen Auseinandersetzung mit Beratungskompetenz liefert.

Für die Entwicklung eines Performanztests, mit dem Beratungskompetenz (in simulierten, schulischen Beratungsgesprächen) standardisiert erfasst werden soll, ist es entscheidend, diese strukturellen Charakteristika zu verstehen. Dies wird vor allem dann ersichtlich, wenn Beratungskompetenz als ein Kontinuum (Blömeke et al., 2015) verstanden wird und sich somit als ein Zusammenspiel aus Dispositionen, situationsbezogenen Fähigkeiten und gezeigtem Verhalten äußert. In diesem Verständnis sind die strukturellen Charakteristika und situativen Rahmenbedingungen ausschlaggebend dafür, wie eine Kompetenz überhaupt zum Ausdruck gebracht werden kann.

Grundsätzlich stellt die Beratung im Schulkontext eine besondere Form der Beratung dar. Ihr Fundament bildet oftmals die professionelle Beratung, deren theoretische und empirische Grundlagen vor allem im Bereich der Psychologie verankert sind. Viele Konzepte schulischer Beratung sind somit für die Schulpraxis angepasst und domänenspezifisch adaptiert. Die strukturellen Charakteristika und situativen Rahmenbedingungen der Beratung im Schulkontext werden somit im direkten Vergleich zur professionellen Beratung besonders sichtbar:

Nach Schnebel (2007, S. 23—24) lassen sich mehrere Kennzeichen professioneller Beratung zusammenfassen, die sich in die Bereiche der Grundvoraussetzungen, der Professionalität sowie der Prozessualität und Kooperation unterteilen lassen können.

Als Grundvoraussetzung für den professionellen Beratungsprozess sind die Freiwilligkeit und Eigenverantwortlichkeit zu benennen, die seitens der ratsuchenden Person vorhanden sein müssen und zugleich von den Berater*innen im Zuge der professionellen Tätigkeit zum Ausdruck zu bringen sind. Dies äußert sich zugleich in der Symmetrie in der Beziehung zwischen Berater*innen und der ratsuchenden Personen, die in der Kommunikation hergestellt und aufrechterhalten werden muss.

Die Professionalität der Berater*innen wird insbesondere durch Wissen und Kompetenzen gekennzeichnet, die bezüglich des fachspezifischen Handlungs- und Beratungsfelds bestehen und methodisch geleitetes Vorgehen in der Beratung ermöglichen. Ebenso ist wesentlich, dass die Berater*innen über ein klares Aufgabenprofil verfügen und die Beratungstätigkeit als Teil beziehungsweise Schwerpunkt ihrer beruflichen Tätigkeit ausüben.

In Bezug auf die Prozessualität und die Kooperation ist vor allem der Prozesscharakter einer Beratung anzuführen, mit dem die Initiation und Realisierung eines aktiven Lernprozesses seitens der Berater*innen erfolgen soll. Damit ist auch vorgesehen, dass eine Hilfe zur Selbsthilfe ermöglicht wird, mit der die Eigenbemühungen der ratsuchenden Person unterstützt werden. Der Fokus auf die ratsuchende Person umfasst dabei auch, dass diese ein vorhandenes oder herauszustellendes Problem bewusst wahrnimmt und sich jeder Veränderungs- und Lösungsprozess an den Kompetenzen dieser Person orientiert. Für die Beratungstätigkeit ist deshalb wichtig, eine klare und transparente zeitliche, räumliche und methodische Struktur herzustellen und aufrechtzuerhalten, mit der ein beiderseitiges Verständnis über die Kommunikation an sich erzeugt werden kann.

Bezieht man diese Charakteristika auf den Kontext der schulischen Beratung, so zeichnen sich nach Schnebel (2007, S. 26) und Gartmeier (2018, S. 78—79) einige Unterschiede ab:

So ist in Bezug auf die Grundvoraussetzungen die Freiwilligkeit nur teilweise gegeben. Schüler*innen und Eltern werden häufig einseitig zum Gespräch gebeten beziehungsweise einbestellt und die Rolle als ratsuchende Person muss erst gemeinsam, durch die Auflösung der Einseitigkeit, hergestellt werden. In ähnlicher Weise zeigt sich dies auch in der Symmetrie der Beratungsbeziehung und -kommunikation, da hierbei eindeutige oder verdeckte Hierarchien oftmals eine Rolle spielen. Durch den Umstand, dass Beratung im Schulkontext angeordnet werden kann, können Ratschläge als Anordnungen verstanden werden, deren Nichtbefolgung mit Sanktionen assoziiert werden. Die daraus entstehenden Abhängigkeiten beeinflussen und erschweren die Herstellung eines partnerschaftlichen, symmetrischen Settings im Beratungsprozess.

Die Professionalität der Berater*innen bildet einen weiteren Aspekt, mit dem Unterschiede gegenüber der professionellen Beratung zum Ausdruck kommen. Da Lehrkräfte in der Regel nur bedingt in der Gestaltung von Beratungssituationen geschult sind, beziehungsweise durch Zusatzausbildungen zu Beratungslehrkräften ausgebildet werden, sind die meisten Lehrkräfte semi-professionelle Berater*innen. Dabei üben sie Beratung lediglich als einen Teil ihrer beruflichen Tätigkeit aus, da sie in ihrer Arbeit zwar professionsbezogene Gespräche führen, in diesen eine Beratung aber nicht unbedingt zum Gegenstand werden muss. In Bezug auf die Inhalte solcher Beratungen (Lernberatung, Schullaufbahn etc.) sind Lehrkräfte wiederum geschult und können entsprechendes Wissen, nicht aber unbedingt Kompetenzen, bezüglich des fachspezifischen Handlungs- und Beratungsfelds vorweisen. Entlang dieser Inhalte und Themen zeichnet sich zudem ab, dass die Lehrkräfte und die zu besprechenden Anliegen häufig Teil des Schulsystems sind. Dies hat zum Vorteil, dass die Lehrkräfte den Kontext und das Problem gut kennen und einordnen können, während die Kommunikation über das Problem leicht möglich wird. Andererseits gestaltet es sich herausfordernd, eigene Erfahrungen und Einstellungen zu abstrahieren, sodass eine Beratung so distanziert von der eigenen Person und der Thematik durchgeführt werden kann, wie es in der professionellen Beratung der Fall ist. Darüber hinaus wird der Rahmen, über den beraten werden kann, und die Kompetenzen in entsprechenden Handlungs- und Beratungsfeldern durch Themen begrenzt, die im pathologischen beziehungsweise therapeutischen Bereich zu verorten sind. Diese sind stets in Kooperation mit oder in Verantwortung von spezialisierten Berufsgruppen zu bearbeiten.

Auch in Bezug auf die Prozessualität und Kooperation werden einige Unterschiede gegenüber der professionellen Beratung deutlich. Für die Ermöglichung der Hilfe zur Selbsthilfe ist es entscheidend, dass die ratsuchende Person eigenverantwortlich einen Veränderungsprozess realisiert. In der Beratung im Schulkontext sind Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten allerdings in vielen Fällen nicht von vornherein klar. Wenn beispielsweise die Verantwortung für die Lösung eines Problems durch die Schulleitung im Sinne der Schulgemeinschaft an eine Lehrkraft übertragen wird und beim Misslingen der Problemlösung Sanktionsmaßnahmen erfolgen müssen, dann ist die beratende Lehrkraft oftmals auch die Person, die die Sanktionen verhängt. Eine solche Verflechtung von Verantwortlichkeiten kann Beratungssituationen erheblich beeinträchtigen. Unabhängig davon, ob eine Lehrkraft sich über ihre Ziele in der Beratung im Klaren ist, können die Zielsetzungen aller Beteiligten zudem divergieren. Während Schüler*innen somit zum Beispiel möglichst wenig negative Konsequenzen aus einem Gespräch ziehen möchten, könnten Eltern eher ihre Sorgen oder ihre Unzufriedenheit zum Ausdruck bringen wollen, als sich lösungsorientiert an dem Gespräch zu beteiligen. Die Klärung ebensolcher Erwartungen und Ziele bildet einen wesentlichen Bestandteil für das Gelingen einer Beratung. Intransparente oder verflochtene Verantwortlichkeiten und divergierende Zielsetzungen können sich auch in Rollenkonflikten der Lehrkräfte äußern. Dies kann etwa dazu führen, dass eine Lehrkraft als voreingenommene Expert*in eher belehrend, informierend und geschlossen kommuniziert und dem Charakter eines offenen Beratungsgesprächs, durch die Nichteinbindung der Kompetenzen und Ideen der zu beratenden Person, nicht gerecht werden kann. Ferner kann diese Offenheit auch erheblich durch den zeitlichen Rahmen beeinflusst werden, da dieser in der Beratung im Schulkontext meist stark beschränkt ist. Beratungen finden im Schulkontext in der Regel während oder nach dem Unterricht, in den Pausen oder an Elternsprechtagen und Elternabenden statt. Die Analyse und gemeinsame Lösung von bestehenden Problemen können somit nur eingeschränkt erfolgen.

Wie Schnebel anmerkt, verdeutlichen diese Charakteristika, „dass Beratung in der Schule stark in die institutionellen Bedingungen dieser Bildungseinrichtung eingebettet ist“ (2007, S. 29). Zudem gerieten Lehrkräfte, die häufig beraten, obwohl dies nicht ihre primäre Aufgabe ist, immer wieder in Konflikte hinsichtlich ihrer Rollen und ihres Professionsverständnisses (Schnebel, 2007, S. 29). Schnebel schließt daraus für die Lehrkräfte: „Sie können (und wollen teilweise) institutionelle Vorgaben nicht überwinden, kollidieren dann aber mit den beraterischen Elementen ihrer Tätigkeit“ (2007, S. 29).

Aus den dargestellten Unterschieden erwächst die Frage danach, inwiefern die Beratungsarbeit im Schulkontext überhaupt als professionelle Beratung zu betrachten ist. Denn schon allein mit Hinblick auf die beschriebenen Grundvoraussetzungen zeigt sich, dass die Freiwilligkeit und Symmetrie in der Kommunikation entgegen den institutionellen Bedingungen erstmal hergestellt werden muss. Es ist natürlich erwartbar, dass die Herstellung und Aufrechterhaltung bestimmter Voraussetzung auch ein wesentlicher Bestandteil professioneller Beratung ohne institutionelle Einbettung ausmachen und nicht zwangsläufig vorausgesetzt werden können. Dennoch erscheinen die schulischen Rahmenbedingungen so ausgeprägt, dass sie in diesem Sinne eine stetige Überwindung potenzieller Herausforderungen notwendig machen, um überhaupt in die Perspektive professioneller Beratung zu rücken. Vielleicht beschreibt aber schon der Versuch dieser Überwindung den Kern und den Mehrwert, den ein Vergleich zwischen schulischer und professioneller Beratung ausmachen. Hierbei steht ein Prozess im Fokus, mit dem die Erfassung, Analyse und Weiterentwicklung der Beratung im Schulkontext angestrebt werden können und sichtbar wird, wie diese Überwindung, beziehungsweise mit welchen Kompetenzen, sie zu realisieren ist. Die theoretisch und empirisch elaborierte Elemente der professionellen Beratung können dahingehend hilfreiche Hinweise für eine systematische Fundierung darstellen, ohne dabei die speziellen Charakteristika und Rahmenbedingungen der schulischen Beratung zu vernachlässigen. Dass dies auf diese Weise umsetzbar ist und für die weitere Entwicklung eines Performanztests zur Erfassung von Beratungskompetenz nutzbar gemacht werden kann, verdeutlicht die Forschung in diesem Bereich. So zeigen die Studien von Hertel (2009), Bruder (2011) und Gerich (2016) und die Untersuchungen zum Gmünder (Aich et al., 2017; Aich & Behr, 2019) und Münchener (Gartmeier, 2018) Modell der Gesprächsführung, dass die Unterschiede zwischen schulischer und professioneller Beratung im Lichte ihrer Gemeinsamkeiten systematisch betrachtet und bearbeitet werden können.

Literatur:

  • Aich, G. & Behr, M. (2019). Gesprächsführung mit Eltern (2. Aufl.). Beltz.
  • Aich, G., Kuboth, C., & Behr, M. (2017). Gmünder Modell zur Gesprächsführung (GMG) mit Eltern – Grundlagen, Aufbau und praktische Anwendungsmöglichkeiten. In G. Aich, G., Kuboth, C., & Behr, M. (Hrsg.), Kooperation und Kommunikation mit Eltern (S. 112-125). Beltz-Juventa.
  • Blömeke, S., Gustafsson, J.-E., & Shavelson, R. J. (2015). Beyond Dichotomies Competence Viewed as a Continuum. Zeitschrift für Psychologie, 223, 3-13.
  • Bruder, S. (2011). Lernberatung in der Schule. Ein zentraler Bereich professionellen                Lehrerhandelns. Technische Universität, Darmstadt.
  • Gartmeier, M. (2018). Gespräche zwischen Lehrpersonen und Eltern: Herausforderungen und Strategien der Förderung kommunikativer Kompetenz. Springer Fachmedien.
  • Gerich, M. (2016). Teachers‘ Counseling Competence in Parent-Teacher Talks: Modeling, Intervention, Behavior-Based Assessment. Springer.
  • Hertel, S. (2009). Beratungskompetenz von Lehrern – Kompetenzdiagnostik, Kompetenzförderung, Kompetenzmodellierung. Waxmann.
  • Schnebel, S. (2007). Professionell beraten. Beratungskompetenz in der Schule. Beltz.

Wieder was gelernt. Wissenschaftskommunikation & Bildungsforschung.

Am 30.11 und 01.12.21 haben wir, Thomas Janzen und Philipp Wotschel, am Workshop „Wissenschaftskommunikation in der Bildungsforschung“ teilgenommen, der im Rahmen des digitalen Konferenzjahres der Gesellschaft für Empirische Bildungsforschung (GEBF) veranstaltet wurde.

Unter der Leitung von Dr. Katja Knuth-Herzig (Universität Speyer) standen im zweitägigen Programm die Vermittlung der Grundlagen und die praktische Erprobung der Wissenschaftskommunikation im Vordergrund.

Nach dem gemeinsamen Kennenlernen und dem Austausch über eigene Vorerfahrungen und persönliche Ziele, lag das Hauptaugenmerk des Workshops auf der Vermittlung der Charakteristika und Relevanz von Wissenschaftskommunikation in der Gesellschaft und im Arbeitsalltag. Damit ging ebenfalls eine umfassende Präsentation der Darstellungsmöglichkeiten unterschiedlicher Kommunikationsformate und Social-Media-Plattformen einher. Reichlich Gelegenheit gab es auch Wissenschaftskommunikation „auszuprobieren“. Durch die Erstellung eines Kommunikationskonzeptes für die eigene Forschung, das anschließend im Plenum exemplarisch diskutiert wurde, wurde allen Teilnehmenden die Möglichkeit gegeben, Rückmeldung für ihre Ideen und neue Denkanstöße zu erhalten.

Wir freuen uns, dass wir an dem Workshop teilnehmen durften und sind uns sicher, dass wir die eine oder andere vermittelte Technik in unserem Projekt anwenden können.

Moin! – PERFORM-LA zu Gast im digitalen Hamburg

Am 15. und 16.11.2021 haben wir am ersten Statusseminar der BMBF-Nachwuchsforschungsgruppen (NWG) in der empirischen Bildungsforschung teilgenommen.

Wir freuen uns, dass uns als Teil dieser Förderlinie unter der Leitung von Dr. Florian Hertel (NWG ACCESS), Dr. Irina Usanova und Dr. Birger Schoor (NWG MARE), ein Raum für das Kennenlernen aller Nachwuchsforschungsgruppen in der virtuellen Universität Hamburg eröffnet wurde.

Nach freundlichen Grußworten seitens des BMBF und der Hamburg Research Academy wurden in dem zweitägigen Programm umfassende inhaltliche Inputs und vielfältige Vernetzungsmöglichkeiten geboten.

Neben kleineren, zufällig zusammengewürfelten „Speed-Datings“ und der Vorstellung aller Gruppen und deren Forschungsschwerpunkte, luden die gemütlich eingerichteten Räume im „Kumospace“ bei virtuellem Kaffee zum Verweilen und Diskutieren ein.

Inhaltliche Anregungen und praktische Übungen gab es auch in den angebotenen Workshops, die passend für die jeweiligen Statusgruppen zur erfolgreichen Gestaltung der Promotionszeit, der Weiterentwicklung der wissenschaftlichen Karriere oder der Leitung der eigenen Arbeitsgruppe durchgeführt wurden.

Einen weiteren Höhepunkt bildeten die beiden Keynotes von Michelle Jackson (University Stanford, Stanford, USA) und Michele Gazzola (Ulster University, Belfast, Northern Ireland), die mit ihren Vorträgen zu Ungleichheiten und Reformen in Hochschulzulassungssystemen und Sprachpolitik und sozioökonomischen Aspekten von Mehrsprachigkeit eine internationale Perspektive auf zentrale Themen der Nachwuchsforschungsgruppen aufzeigten.  

Einen Einblick in diese Themen und eine Übersicht zu allen Nachwuchsforschungsgruppen findet sich hier.

Wir bedanken uns herzlichst für die Einladung und die Organisation des Statusseminars und freuen uns über viele neue Kontakte und ein baldiges Wiedersehen!

Vorträge:

  • Gazzola, M. (2021). Language & Economics. (Keynote). 1. Statusseminar der BMBF-NWGs „Empirische Bildungsforschung“ 2021. Universität Hamburg (online), 15.11.2021.
  • Jackson, M. (2021). Inequality in higher education admissions systems and radical reforms. (Keynote). 1. Statusseminar der BMBF-NWGs „Empirische Bildungsforschung“ 2021. Universität Hamburg (online), 15.11.2021.

And so the journey begins…

…Was passiert eigentlich in Elternsprechtagsgesprächen?

Menschen gleichen sich in mehr Eigenschaften als sie sich in diesen unterscheiden. In vielerlei Hinsicht bezieht sich das auch auf die Erfahrungen, die Personen im Zuge des Erwachsenwerdens und in ihrem späteren Alltags- und Berufsleben machen. Ein Phänomen, das all jene Personen in diesen unterschiedlichen Phasen verbinden (und trennen) kann, ist der Elternsprechtag.

Für die erste Arbeitsphase zur Entwicklung von fachübergreifende Beratungsgespräche müssen berufstypische Beratungssituationen identifiziert werden. Dabei tritt insbesondere der Elternsprechtag als ein institutionalisiertes und bemerkenswertes Beratungsereignis hervor:

Die Zusammenkunft von Eltern, Lehrkräften und zum Teil Schülerinnen und Schülern an Elternsprechtagen ist ein regelmäßiges Ereignis im Schulalltag, das etwa in der Mitte eines jeden Schulhalbjahres stattfindet und ungefähr zehn Minuten Raum gibt, um über die Leistungen und Verhaltensweisen der jeweiligen Kinder und Jugendlichen zu beraten. Obwohl der Erwerb von Beratungskompetenzen in der Lehramtsausbildung curricular verankert ist, scheinen sich insbesondere angehende Lehrkräfte wenig auf solche Beratungsereignisse (hierzu zählen auch Elterngespräche, Lernentwicklungsgespräche oder Elternabende) vorbereitet zu fühlen. In der Ratgeberliteratur finden sich etliche Hinweise auf Planungs- und Vorbereitungsmöglichkeiten sowie den Umgang mit „heiklen“ Situationen, welche jedoch vornehmlich auf individuellen Erfahrungswerten und sekundärem Expertenwissen basieren. Auf der Seite der Forschung wurden Elternsprechtage als institutionelle und strukturelle Ereignisse mit eingebetteten Kommunikations- und Handlungsräumen umfassend untersucht, während sich aber auch hier nur wenige Untersuchungen identifizieren lassen, die das, was sich unmittelbar in einem Elternsprechtagsgespräch ereignet, in den Fokus nehmen.

Zweifelsohne finden die Gespräche an Elternsprechtagen in einem geschützten Rahmen statt, der eine wesentliche Grundlage für die Vertrauensbildung in der Beratungskommunikation bildet. Die Gespräche selbst aber können wichtige Erkenntnisse über den konkreten Kommunikationsvollzug und die Art und Weise gelingender und misslingender Kommunikation in dieser besonderen Situation liefern und sind daher für die Aus- und Fortbildung im Lehrberuf äußerst relevant.

Lars Wegner hat sich mit seinem Dissertationsprojekt zur „Lehrkraft-Eltern-Interaktionen am Elternsprechtag“ (2016) ebendieser Herausforderung gestellt und für seine gesprächs- und gattungsanalytische Untersuchung 142 Elternsprechtagsgespräche an verschiedenen Gymnasien, Grund-, Haupt- und Gesamtschulen dokumentiert und analysiert.

„Lieber Herr Wegner, da haben Sie sich ja einen echten Hammer vorgenommen, indem Sie in einen der heikelsten Bereiche schulischer Kommunikation und Interaktion vorstoßen wollen“ (Wegner, 2016, 4)

Mit der exemplarischen Darstellung eines Antwortschreibens einer Lehrkraft macht Wegner direkt zu Beginn seiner Dissertation deutlich, unter welchen Voraussetzungen die Sammlung von Datenmaterial in diesem Zusammenhang geschehen ist und welche letztlich durch persönliche Kontakte zu verschiedenen Lehrkräften (und glückliche Zufälle) begünstigt wurde.

Minutiös legt Wegner im Folgenden dar, was ein Elternsprechtagsgespräch in diesem spezifischen Kontext charakterisiert, indem er die konstitutiven Gattungsmerkmale dieser Gespräche herausarbeitet und dabei unter anderem beleuchtet, wie Lehrkräfte, Eltern und Schülerinnen und Schüler, ihre Rollen, Erwartungen, Arbeits- und Lebenswelten und die Institutionalität in einem asymmetrischen Verhältnis im Rahmen einer zeitlich limitierten Gesprächssituation aushandeln.

Wegner identifiziert das Informieren, das Beraten und das Zuschreiben von Verantwortung als die drei wesentlichen konversationellen Aktivitäten eines Elternsprechtagsgespräches und nimmt in diesem Zusammenhang auch die linguistischen Gesprächsmerkmale und ihre spezifischen Funktionen in den Fokus. So kommt Wegner unter anderem zu dem Ergebnis, dass die von ihm identifizierten und analysierten sprachlichen Strukturen und interaktiven Verfahren (z.B. Litotes-, Aposiopese-, DASS-Konstruktionen) als adäquate Lösungen für bestimmte kommunikative Aufgaben in einem Elterngespräch funktionieren.Mit Hinblick auf die in den Gesprächen untersuchten Themen zeichnet sich an vielen Stellen ab, dass die Beteiligten zur Wahrung eines positiven Selbstbildes vorwurfsähnliche Handlungen realisieren, anstatt kooperativ Lösungswege für defizitäre Bildungs- und Erziehungsprozesse zu erarbeiten. Nur sehr vage werden Vereinbarungen über zukünftige Vorgehensweisen getroffen und die ohnehin kurzen Gespräche enden oftmals mit optimistisch anmutenden Floskeln. Daneben ist für manche Gespräche kritisch festzuhalten, dass ihnen durch die Lehrkräfte eine feste Struktur zugrunde gelegt wird, die nur wenig Raum für Abweichungen bietet. Dies wird von Wegner exemplarisch anhand einer Interaktion skizziert, in der ein von einer Schülerin eingebrachtes Problem erst im späteren Verlauf, durch das erneute Aufgreifen der Mutter, zum zentralen Gesprächsthema wird.

Wie Wegner selbst anführt bezieht sich die Anschlussfähigkeit seiner Untersuchungsergebnisse nicht nur auf den Bereich der angewandten Linguistik, sondern kann für die Reflexion, Sensibilisierung und Veränderungen dieser spezifischen kommunikativen Praxis auch im Bereich der Pädagogik seine Relevanz entfalten. Vor diesem Hintergrund ist Wegners Dissertationsschrift eine wertvolle Studie für das Forschungsprojekt PERFORM-LA. Für die Entwicklung und Ausgestaltung handlungsnaher Prüfungsformate liefert die Arbeit einen Überblick über authentische Charakteristika in der Unterscheidung zwischen gelingender und misslingender Beratungskommunikation. Somit empfiehlt sich die Arbeit für alle, die immer schon wissen wollten, was eigentlich in Elternsprechtagsgesprächen passiert.

Literatur
Wegner, L. (2016). Lehrkraft-Eltern-Interaktionen am Elternsprechtag. De Gruyter.