Archiv für den Monat: März 2022

Die Beratungspraxis, meine Vorstellungen und ich.

Ein Gastbeitrag unseres Praktikanten am PLAZ

Beratung bildet ein zentrales Thema in unserem Blog, das wir bereits empirisch und theoretisch beleuchtet haben. An dieser Stelle freuen wir uns, eine weitere Betrachtungsperspektive eröffnen zu können, die durch unseren Praktikanten am PLAZ in seinem Erlebnisbericht aus der Beratungspraxis dargestellt wird: 

Mein Name ist Marcel Böse und ich studiere im fünften Fachsemester Erziehungswissenschaft und Englische Sprachwissenschaft im Zwei-Fach Bachelor an der Universität Paderborn. Seit dem 14. Februar 2022 bin ich Praktikant am Zentrum für Bildungsforschung und Lehrerbildung – PLAZ-Professional School und habe währenddessen Einblicke in die unterschiedlichen Arbeitsbereiche innerhalb des PLAZ bekommen.

Ein essenzieller Part und einer der Hauptgründe, weswegen ich mich um eine Praktikumsstelle am PLAZ beworben hatte, war der Arbeitsbereich Beratung. Dieser schien mir immer altruistisch und die Tatsache, der Wegweiser für Personen zu werden, welche einen übersichtlicheren Blick benötigen, hatte mich bisher konstant fasziniert – und glücklicherweise ist diesem Wunsch nachgegangen worden. Somit schreibe ich nun gerne über meine Erkenntnisse über den Arbeitsbereich Beratung und Informationsmanagement des PLAZ, indem ich meine eingänglichen Prognosen schildere, meinen Beisitz in Beratungen kommentiere und letzten Endes meine Erkenntnisse reflektiere.

Eingangs bin ich mit einem Verständnis an Beratung herangetreten, dass Berater*innen die Personen sind, die über das Know-how verfügen, welches angefragt wird. Somit würde im Bereich des PLAZ vorausgesetzt sein, dass man sich mit dem Lehramtsstudium detailreich auseinandergesetzt hat und etwaige Fragen im Handumdrehen beantworten kann. Außerdem war ich der Überzeugung, dass eine intensive Vorbereitung notwendig ist, um die ratsuchende Person angemessen und fachgerecht über die aktuelle Sachlage und potenzielle Optionen zu informieren, damit die Beratung einwandfrei ablaufen kann, sodass nach der Beratung sämtliche Blockaden behoben sind und das angeführte Problem gelöst werden kann. Natürlich war ich mir auch bewusst, dass es Härtefälle geben wird, die nicht einen so einfachen Verlauf gewährleisten können. Allerdings hatte ich mir darüber eher weniger Gedanken gemacht und im Stil der „ersten kleinen Schritte“ einen Plan entwickelt, mit dem sich die nächsten möglichen Schritte aus der Situation heraus ergeben und schwierige Fälle Stück für Stück bearbeitet werden können.

Während der Beratungssitzungen habe ich meinen theoretischen Beratungslaufplan teilweise realisieren können: Fragen wurden mithilfe der notwendigen Informationen beantwortet und durch eine breite Palette an Lösungsvorschläge betrachtet, welche in Anspruch genommen werden konnten, um die aktuellen Herausforderungen der Sitzung zu lösen. Dadurch ist mir aufgefallen, dass Ratsuchende teilweise lediglich Lösungsansätze benötigen, aus welchen sie frei wählen können, um ihre nächsten Schritte zu planen. Dieses Vorgehen könnte mit der Analogie eines Kellners bzw. einer Kellnerin verglichen werden, da das Tablett mit den Speisen in der Beratung das Tablett mit den potenziellen Lösungen darstellen kann. Dabei werden Möglichkeiten für das weitere Vorgehen geliefert, die beraterische Präferenz vorerst vernachlässigt und erst bei explizitem Fragen oder entsprechenden Situationen eigene Meinungen geteilt. Andererseits besteht nicht immer der Bedarf nach einer Vielzahl an Lösungen, sondern es wird lediglich ein „Stoß in die richtige Richtung“ gesucht. Bei solchen Fällen habe ich bemerkt, dass die eigene Meinung (bestenfalls aufgrund eigener Expertise) mit den weiteren Schritten geteilt werden kann und sollte, um Praxisnähe in das scheinbar abstrakte Problem zu bringen. Dieser vorgeschlagene Plan kann dafür sorgen, dass sich der „Nebel“ der ratsuchenden Person lichtet und dadurch selbst die Richtung des Beraters oder der Beraterin verfolgt werden kann – oder sich durch diesen Denkanstoß ein eigenes Bild ergibt, welches die nächsten Möglichkeiten aufzeigt.

Im Nachgang möchte ich anmerken, dass beide Arten von Beratung essenzieller Bestandteil in dem Themengebiet sind, da Beratungen nicht per se nach striktem Handlungsplan ablaufen können. Die Fälle sind aufgrund der Individualität der Menschen und Anliegen äußerst vielfältig. Deswegen sind, neben einer inhaltlichen Expertise, ein hohes Maß an Flexibilität und Menschenkenntnis notwendig, um eine Beratung für Ratsuchende möglichst nachhaltig und angenehm zu gestalten. Diese Anpassung inmitten der Beratungen ist mir in meinem anfänglichen theoretischen Beratungsszenario entgangen. Gerade diese Anpassungsfähigkeit hat mich umso mehr dazu motiviert, mehr über die Beratung und die angemessenen Handlungsoptionen zu lernen.

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass ich innerhalb von sechs Wochen mit jeweils durchschnittlich einer Stunde pro Woche Beratung erleben durfte. Dies unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es sich dabei „nur“ um Informationsberatungen gehandelt hat, welche ein riesiges Repertoire an tiefergehenden Beratungswissen bereitstellen, konnte ich einen tiefen Einblick in die Matrix der Beratung tätigen – wobei ich lediglich die Oberfläche eines äußerst komplexen Themas touchiert habe.

Besuch auf der 9. GEBF-Tagung 2022 im digitalen Bamberg – Alles auf Anfang? _ Bildung im digitalen Wandel

Bildnachweis: © Gesellschaft für Empirische Bildungsforschung | https://gebf2022.de/GEBF-Banner_de.svg

Mit dem Schwerpunkt auf das Thema Bildung im digitalen Wandel fanden unter dem Motto „Alles auf Anfang?“ am 08.03.2022 die GEBF-Nachwuchstagung und vom 09.-11.03.2022 die 9. GEBF-Tagung 2022 statt. Der Einladung und auch dem Call for Papers der Gesellschaft für Empirische Bildungsforschung sind wir vom PERFORM-LA Projekt freudig gefolgt und möchten euch an dieser Stelle unsere Eindrücke zusammenfassen:

Ein besonderer Höhepunkt zeichnete sich für Philipp bereits zu Beginn der Veranstaltungswoche, im Rahmen der GEBF-Nachwuchsforschungstagung, ab. Denn hier bekam er (wie Thomas) die Möglichkeit, sein Dissertationsprojekt rund um die Entwicklung eines Performanztests für das bildungswissenschaftliche Lehramtsstudium (zur Erfassung von Beratungskompetenz) zu präsentieren und zu diskutieren. Dass sich Beratung als Thema auch auf der Haupttagung in guter Gesellschaft (für Empirische Bildungsforschung) befand, wurde in den Symposien „Lehrpersonen als Berater*innen im schulischen Kontext“ und „Eltern: Kooperation und Kommunikation“ deutlich. Beispielhaft hervorheben ließen sich hier die Vorträge zu „Facetten der Beratungskompetenz von Grundschullehrkräften für die Beratung bei hoher Begabung“ von Prof. Stefanie Schnebel (vorgetragen von Sonja Seiderer) und der Beitrag von Prof. Heike M. Buhl zu der „Beobachtungsstudie: Zusammenhänge zwischen Merkmalen des Eltern-Lehrkräfte-Gesprächs am Elternsprechtag und der elterlichen Motivation für Schulengagement“, der auf die Dissertation von Dr. Christian Greiner zurückgeht. Beide Vorträge verdeutlichten insbesondere die empirische Rolle der Beratung und beratungsbezogener Gesprächsführung im Schulkontext und zeigten Möglichkeiten zur Operationalisierung von Beratungshandeln auf, die als wertvolle Hinweise in Philipps Dissertationsprojekt einbezogen werden.

Auch aus Thomas‘ Sicht gab es viele interessante Vorträge, z.B. im Bereich Feedback. Im Vortrag von Prof. Dr. Miriam Hess wurde aus dem ProFee Projekt über die „Effekte der Beobachtungsmethode bei Videoanalysen auf Wissen, professionelle Wahrnehmung sowie Handlungs- und Reflexionskompetenz von Studierenden im Bereich Feedback“ berichtet. Interessanterweise wurden hier zur Auswertung u. a. auch Videoaufnahmen von Studierenden beim Feedback geben genutzt, eine Situation wie sie auch ähnlich in unseren rollenspiel-basierten Simulationen auftaucht. Auch im Vortrag von Anna Holstein wurden Videoaufnahmen eines Feedbackgesprächs für die Auswertung genutzt. Hier war die Forschungsfrage, inwieweit sich Feedbackhäufigkeit und Feedbackbezug (nach Hattie‘s Modell) von angehenden und berufserfahrenen Lehrkräften unterscheidet. Spannend waren hier – neben der Tatsache, dass hier ebenfalls Schauspieler*innen zur Standardisierung eingesetzt worden sind – die Ergebnisse, die darauf hindeuten, dass erfahrene Lehrkräfte tendenziell mehr und auch auf mehr Ebenen kombiniert Feedback geben. Doch nicht nur die Vorträge boten neuer Ergebnisse aus der Forschung, auch wurden in der Postersession u. a. von Julia Fecke und Michael Nickl verschiedene digitale Simulationsansätze in der Lehrer*innenausbildung präsentiert.

Ein Vortrag, der eine interessante Alternative zum „Goldstandard“ simulationsbasierter Gespräche mit standardisierten Patient*innen vorgestellt hat, war eines der Highlights von Jana und Christoph. Sabine Reiser von der Universität Erfurt hat einen Situational Judgement Test vorgestellt, den VA-MeCo, der die Messung von basaler Gesprächsführungskompetenz von Medizinstudierenden erfasst. Der videobasierte Test erfüllt psychometrische Gütekriterien ausgesprochen zufriedenstellend und wird zukünftig an verschiedenen medizinischen Fakultäten eingesetzt. Darüber hinaus werden Feedbackvarianten für die Studierenden entwickelt, um ein „assessment for learning“ zu schaffen – sehr beeindruckend! Wie immer können wir viel von den Ausbilder*innen aus dem Medizinstudium lernen 😉 Während sich dort die Entwicklung teilweise hin zu weniger aufwendigen Testverfahren vollzieht, versuchen wir gerade den umgekehrten Weg für die Lehramtsausbildung. Ein weiteres Highlight waren für Jana die Beiträge von Lukas Mientus und Anna Nowak, die sich mit der Erfassung der Reflexionskompetenz von Physik-Lehramtsstudierenden auseinandersetzten. Noch durch ihre eigene Dissertation zum Thema Reflexionskompetenz geprägt, hat sie in den beiden Vorträgen spannende Ansätze zu einer computerbasierten Analyse von schriftlichen Reflexionen entdeckt (was eine Erleichterung!) und war sehr beeindruckt von der umfassenden Modellierung der Reflexionstiefe.

Weitere Vorträge, die Simulationen des Lehrkräftehandelns als assessment-Methode genutzt haben, möchte auch Christoph hervorheben. Bspw. analysierte Dr. Patricia Goldberg die Wahrnehmung von Störungen im Unterricht von Lehrkräften und Studierenden in einem virtuellen Klassenzimmer, dass die Proband*innen mit Hilfe einer VR-Brille direkt aus der Ich-Perspektive wahrnehmen konnten. Insgesamt ergaben sich dabei die aus schon vielen Studien bekannten „holistischere“ Wahrnehmung und Reaktion von Expert*innen. Neben Vorträgen zu Methoden der Unterrichtsqualitätsforschung und dazu, wie angehende Lehrkräfte mit Evidenzen und (theoretischen) Quellen umgehen, waren aber insbesondere Erkenntnisse zur Frage relevant, wie professionelles Wissen von angehenden Lehrkräften und ihr Handeln in typischen Anforderungssituationen zusammenhängen (Performanz), mit der sich Christoph schon seit seiner Dissertation auseinandersetzt. Madeleine Müller berichtete bspw. Ergebnisse einer Untersuchung zur Prüfung des Kontinuumsmodells von Kompetenz, in der Zusammenhänge des klassenführungsbezogenen Professionswissens von Lehramtsstudierenden, ihrer situationsspezifischen Fähigkeiten (erfasst mittels offener Kommentierung eines Unterrichtsvideos, War das vielleicht auch Reflexion? ;)) und der von Schüler*innen im Praxissemester eingeschätzten Klassenführung untersucht wurde. Grob zusammengefasst, konnten aber keine erwarteten Zusammenhänge beobachtet werden. Christoph selbst wirkte am Projekt Profile-P+ mit, aus dessen Ergebnissen Melanie Jordans mit Hilfe von Cross-Lagged-Panel-Analysen berichtete, dass das fachdidaktische Wissen angehender Physiklehrkräfte zu Beginn eines Praxissemesters die Entwicklung von Unterrichtsplanungsfähigkeiten (erfasst mit Hilfe eines Performanztests) positiv beeinflusst. Ansonsten bot die Tagung viele Möglichkeiten neue Kolleg*innen kennenzulernen und sich zu vernetzen.

Wir bedanken und vielmals für die vielen Vorträge und Diskussionen, nehmen anregende Ideen für unsere eigene Forschung mit und freuen uns, wenn wir uns im kommenden Jahr zur 10. GEBF-Tagung an der Universität Duisburg-Essen wiedersehen.

Vorträge:

  • Buhl, H., Greiner, C., Bonanati, S., & Hilkenmeier, J. (2022). Beobachtungsstudie: Zusammenhänge zwischen Merkmalen des Eltern-Lehrkräfte-Gesprächs am Elternsprechtag und der elterlichen Motivation für Schulengagement. 9. Jahrestagung der Gesellschaft für Bildungsforschung (GEBF) (online), 11.03.2021.
  • Fecke, J., Müller, L., & Braun, E. (2022). Simulationen in avatarbasierten Lernumgebungen zur Steigerung kommunikativer Kompetenzen bei angehenden Lehrkräften. Poster auf der 9. Jahrestagung der Gesellschaft für Bildungsforschung (GEBF) (online), 10.03.2021.
  • Goldberg, P., Göllner, R., Hasenbein, L., Stark, P.; & Stürmer, K. (2022). Störungen im Unterricht als relevant erkennen: Ein Expertisevergleich im virtuellen Klassenzimmer. 9. Jahrestagung der Gesellschaft für Bildungsforschung (GEBF) (online), 09.03.2021.
  • Hess, M. (2022). Effekte der Beobachtungsmethode bei Videoanalysen auf Wissen, professionelle Wahrnehmung sowie Handlungs- und Reflexionskompetenz von Studierenden im Bereich Feedback. 9. Jahrestagung der Gesellschaft für Bildungsforschung (GEBF) (online), 10.03.2021.
  • Holstein, A., Weber, E.-K., Prilop, C.-N., & Kleinknecht, M. (2022). Analyse des Feedbacks von (angehenden) Lehrkräften mit Microteaching Videos. 9. Jahrestagung der Gesellschaft für Bildungsforschung (GEBF) (online), 10.03.2021.
  • Jordans, M., Schröder, J., Vogelsang, C., & Riese, J. (2022). Der Nutzen des Professionswissens bei der Entwicklung der Unterrichtsplanungsfähigkeit von Lehramtsstudierenden im Fach Physik. 9. Jahrestagung der Gesellschaft für Bildungsforschung (GEBF) (online), 11.03.2021.
  • Mientus, L., Wulff, P., Nowak, A., & Borowski, A. (2022). Computerbasierte Analyse schriftlicher Reflexionen. 9. Jahrestagung der Gesellschaft für Bildungsforschung (GEBF) (online), 11.03.2021.
  • Müller, M., & Gold, B. (2022). Zusammenhänge zwischen professionellem Wissen, situationsspezifischen Fähigkeiten und Klassenführungsqualität von Lehramtsstudierenden. 9. Jahrestagung der Gesellschaft für Bildungsforschung (GEBF) (online), 09.03.2021.
  • Nickl, M., Sommerhoff, D., Ufer, S., & Seidel, T. (2022). Motivationales Scaffolding in video-basierten Simulationen: Wirksamkeit einer Utility Value Intervention zur Förderung der Diagnosekompetenzen von Lehramtsstudierenden. Poster auf der 9. Jahrestagung der Gesellschaft für Bildungsforschung (GEBF) (online), 10.03.2021.
  • Nowak, A., Wulff, P., Mientus, L., & Borowski, A. (2022). Erfassung der Reflexionstiefe in studentischen Selbstreflexionen. 9. Jahrestagung der Gesellschaft für Bildungsforschung (GEBF) (online), 11.03.2021.
  • Reiser, S., Schacht, L., Thomm, E., Schick, K., Berberat, P., Gartmeier, M., & Bauer, J. (2022). Messung von basaler Gesprächsführungskompetenz bei Medizinstudierenden mittels eines online Situational Judgement Tests: Vorstellung des VA-MeCo und seiner psychometrischen Gütekriterien. 9. Jahrestagung der Gesellschaft für Bildungsforschung (GEBF) (online), 10.03.2021.
  • Schnebel, S., Seiderer, S., & Grassinger, R. (2022). Facetten der Beratungskompetenz von Grundschullehrkräften für die Beratung bei hoher Begabung. 9. Jahrestagung der Gesellschaft für Bildungsforschung (GEBF) (online), 09.03.2021.