Den Wald statt lauter Bäume sehen – Forschungssynthesen in der empirischen Bildungsforschung

Oft ist es sinnvoll, die Forschungslandschaft in ihrer Gesamtheit zu betrachten, statt einzelne Studien – also statt den Baum, den ganzen Wald zu betrachten.
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Jeden Tag werden wir ein bisschen schlauer, denn es erscheinen neue Studien zu den vielfältigsten Themen der Bildungsforschung. Gibt man bei Google Scholar die Begriffe „digitale Medien“ und „Schule“ ein, so werden allein für das Jahr 2021 über 2.000 Ergebnisse angezeigt! Da ist es nicht nur für Forschende oder Politiker*innen schwierig den Überblick zu behalten, die im Sinne einer evidenzbasierten Steuerung die Erkenntnisse der empirischen Bildungsforschung heranziehen, sondern besonders für Lehrkräfte, die diese Erkenntnisse in die Praxis umsetzen sollen. Oftmals würden diese sich gerne an Erkenntnissen der neuesten Forschung bedienen, haben aber weder die Zeit noch die Möglichkeiten sich mit verschiedenen Studien zu beschäftigen und die für sie daraus wichtigen Schlüsse zu ziehen. Um hier die vielen Einzelergebnisse gebündelt und eingeordnet betrachten zu können, sind Forschungssynthesen von großer Bedeutung, so wie sie zum Beispiel am Zentrum für internationale Bildungsvergleichsstudien (ZIB) an der TU München bei der Arbeitsgruppe Forschungssynthesen am ZIB entstehen.

Was sind Forschungssynthesen und wie werden sie erstellt?

Es gibt im Grunde drei Arten von Forschungssynthesen: Metaanalysen, systematische Reviews und Second-Order Metanalysen/Reviews. Der Unterschied zwischen den Metaanalysen und den systematischen Reviews liegt darin, dass erstere statistische Methoden zu einer zusammenfassenden Synthese benutzen und so ein auch quantifizierendes Quasi-Ergebnis aller Studien erzeugen, während letztere die Ergebnisse beschreibend zusammenfassen. Second-Order Metanalysen/Reviews sind so etwas wie Meta-Metaanalysen (à la Inception). Sie fassen entsprechend des Typus die Ergebnisse mehrerer Synthesen zusammen. Laut Arbeitsgruppe Forschungssynthesen am ZIB, gibt es fünf Schritte für den Ablauf von Forschungssynthesen:

  1. Literaturrecherche
  2. Ein- und Ausschlusskodierung
  3. Feinkodierung
  4. Ergebnisgewinnung
  5. Transfer

Zurzeit werden von der Arbeitsgruppe viele für die Unterrichts- und Schulpraxis relevante Themen wie Digitale Medien, Lesekompetenz oder MINT untersucht und für Lehrkräfte sehr eingängig aufbereitet. Sogar zu Forschungssynthesen finden sich dort ein Erklärvideo:

Einflussgrößen und Effektstärken

Ein sehr bekanntes und auch hier im Blog schon zitiertes Beispiel für eine Second-Order Metaanalyse ist von John Hattie 2009 unter dem Titel Visible learning veröffentlicht worden. In dieser Synthese wurden um die 800 Meta-Analysen zusammengefasst und ein Ranking erstellt, in dem verschiedene Einflussgrößen und die Stärken ihrer Effekte auf das Lernen ersichtlich werden. Feedback, welches als zentrales Konzept in unserem Teilprojekt für das Fach Englisch eine wichtige Rolle spielt, hat hierbei mit d=0.73, eine im Vergleich sehr hohe Effektstärke auf das Lernen von Schüler*innen (Hattie, 2009). Es ist daher aus unserer Sicht umso wichtiger, dass Lehrkräfte auch in dieser einflussreichen Kompetenz handlungsnah ausgebildet und geprüft werden.

Literatur:

  • Hattie, J. (2009). Visible learning: A synthesis of over 800 meta-analyses relating to achievement. Routledge.

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