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Podcast: Back to University – Deutschlandfunk

Herausforderung zweiter Weg ins Lehramt

Schon im vergangenen Oktober erschien im Deutschlandfunk das Radiofeature Back to University – Mein persönlicher Einsatz gegen den Lehrkräftemangel von Susanne Franzmeyer, das sich für alle lohnt nachzuhören, die sich mit Fragen zur Lehrkräftebildung beschäftigen. Darin geht es um ihre Erfahrungen beim Vorhaben, als Quereinsteigerin in den Lehrkräfteberuf zu gelangen.

Den Quereinstieg in den Lehrkräfteberuf aus genereller empirischer Perspektive haben wir schon einmal in einer Beitragsreihe in unserem Blog betrachtet. Der Quer- oder Seiteneinstieg ins Lehramt ist dabei sehr unterschiedlich zwischen den einzelnen Bundesländern formalisiert, was darin resultiert, dass es bundesweit teilweise große Unterschiede in Zugangsvoraussetzungen, weiterem Ausbildungsweg und Standards gibt, die zudem auch immer stark davon abhängen, in welchen Schulformen und Fächern jeweils ein besonders großer Lehrkräftebedarf vorhanden ist (Lucksnat et al., 2022a). Diese Lage wird auch von der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der KMK (SWK, 2023) in ihrem Gutachten zur Lehrkräftegewinnung und Lehrkräftebildung kritisch gesehen.

„Die Sondermaßnahmen zum Quer- und Seiteneinstieg unterlaufen häufig die auf der Grundlage wissenschaftlicher Befunde definierten Standards für die Lehrkräftebildung. Unter dem akuten Handlungsdruck vollzieht sich in einem schleichenden Prozess nicht nur eine Aufweichung des Leitbilds einer wissenschaftlich qualifizierten professionellen Lehrkraft, es ist auch eine unübersichtliche Zahl unterschiedlicher Maßnahmen der Nachqualifizierung entstanden. Damit werden einerseits das Gebot der Gleichwertigkeit von Abschlüssen und damit die Mobilität zwischen den Ländern infrage gestellt. Andererseits wird ein klar definierter Karriereweg, ein grundlegendes Merkmal aller wissenschaftsbasierten Professionen, aufgegeben“ (SWK, 2023, 11).

Ausgehend von dieser Analyse schlägt die SWK eine stärkere bundesweite Vereinheitlichung des Quer- und Seiteneinstiegs in den Lehrkräfteberuf vor, die nach definierten Standards den Erwerb eines nachqualifizierenden Masterabschlusses für das Lehramt ermöglicht (SWK, 2023, 87 ff.). Als mögliches Vorbild werden im Gutachten unter anderem derartige Studienprogramme genannt, die seit 2018 an Hochschulen in Berlin absolviert werden können (z.B. Q-Masterprogramm für das Lehramt an Integrierten Sekundarschulen und an Gymnasien an der FU-Berlin, vgl. Ghassemi, 2024; Quereinstiegsmaster Grundschullehramt an der HU-Berlin, vgl. Lucksnat et al., 2022b).

Quereinstiegsmaster aus subjektiver Perspektive

Susanne Franzmeyer strebte den Quereinstiegsmaster für das Grundschullehramt an der HU Berlin an. In Ihrem Radiofeature berichtet sie ihre Erfahrungen und ihr subjektives Erleben als Teilnehmende und rahmt diese mit Interviewaussagen unterschiedlicher Personen zum Lehrkräftemangel (z.B. Eltern, Schüler*innen, Vertreter*innen aus der Schule, Vertreter*innen von Gewerkschaften, Kolleg*innen aus der Bildungsforschung). Viele beschriebene Herausforderungen sind dabei ähnlich zu Erfahrungen, die auch in anderen Wegen in den Quereinstieg zu erwarten sind. Dazu gehört bspw. die Notwendigkeit, eines zusätzlichen einjährigen Zertifikatsstudiums, um überhaupt die Voraussetzungen für den eigentlichen Master zu erhalten.

Sie beschreibt auch die generellen Schwierigkeiten für Personen, die nach längere Zeit im Beruf und mit Familie (erneut) einen Studieralltag meistern müssen, sowie die Vielfalt der Wissensbereiche, die für ein Lehramt in der Grundschule studiert werden müssen. Insbesondere der Mathematikanteil des Studiums bereitete ihr Sorgen. Ähnlich wie Lehramtsstudierende insgesamt konstatiert sie: „Brauche ich das alles? Mir ist das ehrlich gesagt viel zu theorielastig“ (Franzmeyer, 2024, 15:13). Wie allen Studierenden ist es für sie auch schwierig, neben den Studienanforderungen einer (Teilzeit-)Erwerbstätigkeit nachzugehen (in ihrem Fall gäbe es zwar Stipendienmöglichkeiten, allerdings nur für den Q-Master selbst und nicht für das vorherige Zertifikatsstudium). Für uns als Nachwuchsforschungsgruppe sind besonders die Erfahrungen im Zusammenhang mit Prüfungen interessant. Susanne Franzmeyer berichtet z.B. – was durchaus typisch ist -, dass sie kein Feedback auf ihre Hausarbeit erhalten hat: „Statt eines Feedbacks gab es nur eine Checkliste per E-Mail. […] Was, wenn man trotz der Checkliste keine Ahnung hat, was jetzt genau das Problem ist?“ (Franzmeyer, 2024, 37:27). Dies wird mit Bezug zur schlechten Personalsituation an Hochschulen eingeordnet. Sie berichtet aber auch von positiven Kurserfahrungen, z.B. an einem außerschulischen Lernort oder einem Seminar, in dem Fünftklässler*innen eingeladen wurden. Letztendlich absolviert Susanne Franzmeyer das Zertifikatsstudium erfolgreich und beginnt das Studium des Q-Masters mit zugehörigem Stipendium. Die Erlebnisse im Q-Master im engeren Sinne sind daher nur ein sehr kleiner Teil des Radiofeatures.

Die beschriebene Erlebnisse können dabei in Beziehung zu den Evaluationsergebnissen des Programms gesetzt werden (Luckenat et al., 2022b), wobei der Evaluationszeitraum vor dem Studienbeginn von Susanne Franzmeyer lag (2019 bis 2021). Generell berichteten die Befragten (N = 111) von einer eher hohen Studienzufriedenheit, zugleich wird aber auch – ähnlich zu Studierenden in grundständigen Studiengängen – ein höherer Praxisbezug vorgeschlagen. Auch der schon angesprochene Mangel an Hochschulpersonal wird in der Evaluation als verbesserungswürdig bewertet, zugleich werden viele Dozierende – ähnlich wie im Feature dargestellt – als sehr motiviert beschrieben. Der Abschlussbericht enthält auch Erkenntnisse zu vielen weiteren Aspekten, wobei die Ergebnisse sehr ähnlich sind zu Evaluationen, die grundständige Lehramtsstudiengänge betrachten. Ich empfehle, einmal genauer in den Bericht zu schauen.

Fazit: Es bleibt kompliziert

Neben diesen persönlichen Einblicken werden im Radiofeature auch viele Aspekte des Lehrkräftemangels und des Quereinstiegs angeschnitten, bspw. dass dieser besonders die MINT-Fächer betrifft, die Bedeutung der Qualifikation von Lehrkräften für die Sekundarstufe I, der Praxisschock beim Übergang in die Schule, die formalen Schwierigkeiten beim Einsatz von Lehrkräften, die nur für ein Fach qualifiziert sind, der hohe Anteil studentischer noch nicht fertig ausgebildeter Vertretungslehrkräfte und die allgemeine Belastung im Lehrkräfteberuf. Der Beitrag schließt zumindest etwas pessimistisch, in dem auf eine Studie der Bertelsmann-Stiftung (Klemm & Zorn, 2024) verwiesen wird, die auf Basis geringerer Geburtenzahlen in näherer Zukunft ein Ende des Lehrkräftemangels in der Grundschule prognostiziert, was natürlich für diejenigen negativ sein kann, die sich jetzt gerade qualifizieren (der so genannte Schweinezyklus.)

Klare Empfehlung: Das Nachhören des Radiofeatures lohnt sich für alle, die sich für Fragen der Lehrkräftebildung und Maßnahmen zur Gewinnung von Lehrkräften interessieren!

Literatur:

  • Franzmeyer, S. (2024, 19. Oktober). Back to University – Mein persönlicher Einsatz gegen den Lehrkräftemangel [Radiobeitrag]. Deutschlandfunk. (Online)
  • Ghassemi, N. (2024). Evaluation eines Lehramtsmasterstudiengangs mit dem Profil Quereinstieg im Fach Physik: Erkenntnisse zu Eingangsbedingungen, professionellen Kompetenzen und Aspekten individueller Angebotsnutzung. Logos Verlag. (Online)
  • Lucksnat, C., Richter, E., Klusmann, U., Kunter, M., & Richter, D. (2020a). Unterschiedliche Wege ins Lehramt – unterschiedliche Kompetenzen?. Zeitschrift für pädagogische Psychologie. 26(4), 263-278 (Online)
  • Lucksnat, C., Fehrmann, I., Müncher, A., Pech, D., & Richter, D. (2022b). Abschlussbericht zur Evaluation des Q-Masters an der Humboldt-Universität zu Berlin. Universität Potsdam. (Online)
  • Klemm, K. & Zorn, D. (2024). Weniger Geburten, mehr Lehrkräfte – Spielraum für die Grundschulentwicklung. Bertelsmann Stiftung. (Online)
  • Ständige Wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz (SWK) (2023) . Gutachten Lehrkräftegewinnung und Lehrkräftebildung für einen hochwertigen Unterricht – Gutachten der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der Kultusministerkonferenz. (Online)

Performanztests im Radio

Simulationen als Elemente der Ausbildung

Bildnachweis: © Bayrischer Rundfunk, BR 2

In einem Radiobeitrag in der Sendung IQ – Wissenschaft und Forschung des Bayrischen Rundfunkts ist ein aktueller Beitrag ( ca. 25 Minuten) erschienen, in demperformanzorientierte Trainings- und Prüfverfahren in der Ausbildung von Mediziner*innen und Pflegekräften beschrieben werden. Dabei handelt es sich um Simulationen typischer, beruflicher Situationen, bei denen angehenden Ärzt*innen oder Pflegekräfte in einer Rollenspielsituation mit hierfür trainierten Schauspieler*innen agieren müssen. Im Beitrag werden verschiedene Beispiele solcher performanzorientierter Lehrverfahren hinsichtlich ihrer Ziele und Struktur vorgestellt. Dabei wir häufig mit so genannten Seminarschauspieler*innen gearbeitet, die für ihre Rollen in Simulationen speziell vorbereitet werden und die insbesondere auch Feedback aus der Sicht der simulierten Patienten oder Kolleg*innen geben. Man spricht auch von standardisierten Patient*innen. Im Fokus stehen häufig, wie im Beitrag, Situationen, in denen mit Anderen kommuniziert und interagiert werden muss.

Einbettung von: Bayrischer Rundfunk, BR 2, IQ Wissenschaft und Forschung, Sendung vom 07. Oktober 2021

Solche Konzepte gibt es in der Mediziner*innenausbildung schon vergleichsweise lang und neben ihrer hohen Bedeutung für die Ausbildung, werden sie auch immer mehr als Prüfungsformat verwendet: so genannten Objective Structured Clinical Examinations (OSCE) (Harden, 1988). Mittlerweile gibt es solche Simulationen für eine Vielzahl verschiedener medizinischer Anforderungsbereiche. Zunehmend werden solche Simulationen auch für die Erfassung der Fähigkeiten von medizinischen Ausbilder*innen entwickelt, dann als Objective Structured Teaching Examinations (OSTE) (siehe z.B. Fakhouri & Nunes, 2019).

Simulationen für das Lehramt

Zentrales Ziel unserer Nachwuchsforschungsgruppe ist es, derartige Verfahren auch für die Lehramtsausbildung zu entwickeln und zu erproben (vgl. Vogelsang et al., 2019). Kommunikation und Interaktion sind Bestandteil der meisten (nicht alle) Anforderungen bzw. Aufgaben im Lehrer*innenberuf. Dabei konzentrieren wir uns auf die Entwicklung von Simulationsprototypen für Lehramtsstudierende im Fach Englisch und für bildungswissenschaftliche Anforderungen. Zusätzlich werden bestehende Arbeiten für das Lehramt mit Fach Physik hin zu einem (hoffentlich) funktionierenden OSTE-Prototypen weitergeführt. Dies erfordert natürlich einiges an Entwicklungsarbeit und begleitende Forschung zur Validierung, aus der wir hier auch immer mal wieder berichten werden.

Insgesamt sehen wir in performanzorientierten Lehr- und Prüfungsverfahren ein großes Potential für die Weiterentwicklung der Lehramtsausbildung, Auch an anderen Stellen bietet die Medizinausbildung weitere Anregungen für das Lehramt. Das werden wir ebenfalls in zukünftigen Blogbeiträgen immer mal wieder thematisieren. An dieser Stelle bleibt allerdings nur noch, eine absolute Hörempfehlung für den Beitrag auszusprechen.

Literatur:

  • Fakhouri, S. A., & Nunes, M. D. P. T. (2019). Objective structured teaching examination (OSTE): an underused tool developed to assess clinical teaching skills. A narrative review of the literature. Sao Paulo Medical Journal137, 193-200. (Online)
  • Harden, M. (1988) What is an OSCE?, Medical Teacher, 10:1, 19-22, (Online)
  • Vogelsang, C., Borowski, A., Kulgemeyer, C., Riese, J., Reinhold, P., Schecker, H., Buschhüter, D., Enkrott, P., Kempin, M. & Schröder (2019). Performance-Oriented  Testing  and  Training  in  Teacher  Education.  In C. Lautenbach, J. Fischer, O. Zlatkin-Troitschanskaia, H.A. Pant, & M. Toepper (Hrsg.), Student Learning Outcomes Assessment in Higher Education – Perspectives, Concepts and Approaches for Research, Transfer and Implementation (KoKoHs Working Papers, 12) (S. 40-43). Berlin & Mainz: Humboldt Universität & Johannes Guttenberg Universität. (Online)