Grenzen setzen – Vortragsreihe Sexualisierte Diskriminierung und Gewalt

Der Medienrummel um die Brüderle-Debatte hat den alltäglichen Sexismus zwar wieder für kurze Zeit in den Fokus gerückt, das Thema jedoch durch stilisierte Medialisierung als verhamloste Unterhaltungseskapade abgestempelt. Und genauso schnell wie es in den Medien aufgebauscht wurde, ist es auch wieder in der Versenkung verschwunden.

Sexismus ist jedoch ein wichtiges und stets aktuelles Thema, für das vielerorts die nötige Sensibilierung und Aufklärung fehlt. Daher haben der Gender- und Frauenprojektbereich MIA, die Gleichstellungsbeauftrage der Universität Paderborn und der AStA in Zusammenarbeit die Veranstaltungsreihe „Grenzen setzen – Sexualisierte Diskriminierung und Gewalt“ ins Leben gerufen, die insgesamt drei Vorträge umfasst und heute mit der ersten Veranstaltung beginnt.

Die Veranstaltungen im Überblick

Di, 18.6. * 18 Uhr * D1.312
Vortrag der Kriminalkommissarin Sonja Biermann

In einer offenen Diskussionsrunde wird im Anschluss an den Vortrag besprochen,
wo Gefahren für Menschen liegen,
wie Betroffene sich wehren können (sowie über den Notwehrparagraphen),
häusliche Gewalt,
Weiterverfolgung als Straftat auch wenn kein Strafantrag vorliegt,
sexuelle Belästigung im Berufsleben,
Stalking,
KO-Tropfen,
Infos zu und über Beratungsstellen.

Di, 25.6. * 18 Uhr * E5.333
Vortrag von Diplom-Psychologin Charlotte Diehl: „Sexuelle Belästigung – das Ausspielen männlicher Macht oder doch nur ein missglückter Flirtversuch?“

An der „Sexismus-Debatte“, die seit dem Erscheinen des „Herrenwitz“-Artikels im Stern über Rainer Brüderle in den Medien geführt wurde, fiel auf, dass dabei Forschungsergebnisse zu den Themen Sexismus und sexuelle Belästigung kaum eine Rolle spielten. Dies ist befremdlich, da viele Argumente, die in der Debatte vorgebracht wurden, mit empirischen Befunden klar widerlegt (oder zum Teil auch belegt) werden können. Verschiedene Meinungen und Aspekte wurden untersucht:

1) Das Verhalten von Herrn Brüderle sei ein Einzelfall oder ein tolerables Verhalten, das „frau“ aushalten müsse und nicht ernst nehmen solle.
2) Sexistisches Verhalten und Belästigung kämen durchaus vor, aber in beiden Richtungen, so dass etwa gleich häufig auch Männer die Opfer und Frauen die Täterinnen seien.
3) Eine Frau könne sich doch (heutzutage und überhaupt) einfach gegen sexistische Anmache und Belästigung wehren und zwar verbal oder, wenn nötig, nonverbal.
4) Frauen erfänden Vorwürfe sexueller Belästigung oder bauschten sie auf, so dass Männer zu Opfern würden.
5) Frauen (oder Feministinnen) beanspruchten die Deutungshoheit, was unangemessenes Verhalten sei. Sie bewerteten als solches auch völlig harmlose Dinge, ohne dass es Männern möglich sei, das nachzuvollziehen oder zu antizipieren. Es handelt sich also um eine Schuldumkehr: Männer müssten in ständiger Angst leben, dass ihnen normales „gut gemeintes“ Verhalten als Sexismus ausgelegt werde.
6) Auch die stetig wiederkehrende Diskussion, ob sexistisches Verhalten das Ausspielen männlicher Macht oder doch nur einen missglückten Flirtversuch darstelle, wurde untersucht.

Di, 2.7. * 18 Uhr * D1.312
Vortrag von Barbara Degen, Juristin und Feministin, zum Thema: „Sexualisierte Gewalt an der Hochschule“

Barbara Degen stellt unter anderem die Entwicklung eines Rechtssystems dar, in dem die körperliche Gewalt in die strukturelle Gewalt übergeht. Dabei geht sie auch auf aktuelle Entwicklungen ein. Zur Zeit bestehe eine juristische Diskussion im Mainstream, die besage, eine erwachsene Frau könne nicht vergewaltigt werden. Indirekt werde damit die Frage in die Beweislastfrage und in die Glaubwürdigkeitsfrage hineinverlagert. Die allgemeine Meinung unserer Gesellschaft sei zwar, dass Vergewaltigung verurteilenswert sei, aber im konkreten Einzelfall gehe man immer davon aus, dass irgendetwas mit der Frau nicht stimme. Eine starke Frau hätte sich, gerade weil sie stark sei, wären können. Dabei werde ein Ideal eines Klischees einer vergewaltigten Frau aufgestellt, das sie in der Realität gar nicht erreichen könne. Man erreiche in den Prozessen immer wieder den Punkt, dass das Opfer nicht glaubwürdig sei. Dies ziehe sich wie ein roter Faden durch alle Prozesse.

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