Archiv der Kategorie: SEMESTER

CONSTELLATIONS 22 – STUDIERENDE DES FACHES KUNST IM KUNSTVEREIN

Anne Bode, Susanne Janzen, Melissa Kaiser, Jessica Klein, Marietta Mann, Anton Müller, Emanuel Petkau, Sina Radomsky, Melissa Thiehoff, Quang Tran, Philip Wessling, Nathalie Wolke

v. l. n. r. Anne Bode: o.T., 4 Farbfotos, je 21 x 29,7 cm; Quang Tran: Unknown Pleasure, Acryl auf Leinwand, 100  x 130 cm; Susanne Janzen: o.T., Styropor ummantelt mit Gips, Gipsguss, verschiedene Maße

Jessica Klein: The Real Cosmopolitan, Collage auf Papier, 28 x 20 cm

v. l. n. r. Melissa Thiehoff: Invasion der Wirbellosen (Bild zum Ekel vor Libellen (Mosaikjungfer)), 50 x 70 cm; Marietta Mann: o.T. (aufspüren), 20 Polaroids auf s/w Film, je 6,2 x 6,2 cm; Philip Wessling: Streetdimensions, Fotografie, digitale Bildbearbeitung, 60 x 40 cm

Nathalie Wolke: Flechte, Draht und Polyacryl, 80 x 150 x 150 cm

v. l. n. r. Melissa Thiehoff: Invasion der Wirbellosen (Bild zum Ekel vor Mücken), 84 x 60 cm, Bild zum Ekel vor Zecken (Gemeiner Holzbock), 80 x 40 cm, Bild zum Ekel vor Kleidermotten, 105 x 110 cm; Anton Müller: Fundament I, Zement, weiß, Krawatte; ca. 65 x 30 x 10 cm, Fundament II, Zement, grau, Leinentuch; ca. 65 x 30 x 10 cm, Fundament III, Zement, schwarz, Gips, Faden; ca. 60 x 30 x 10 cm

v. l. n. r. Anton Müller: Drei Fließrichtigung, Keramik, glasiert, Aluminium, MDF, 80 x 40 x 50 cm; Sina Radomsky: Themenwelt Tropical Feeling, elfteilig, 1 x Wandfarbe auf Leinwand 80 x 60 cm, 3 x Wandfarbe auf Malkarton 25 x 25 cm, 3 x Polaroids, 4 x Farbkarten; Philip Weßling: Straßenschluchten I-III, Fotografie, digitale Bildbearbeitung, je 60 x 40 cm

Emanuel Petkau: Zufallsprodukte, Dreiteilig, lackierter Ton, 13 x 23 x 23 cm; 13 x 24 x 24 cm; 23,5 x 23,5 x 24 cm

Melissa Kaiser: Straße, Schatten, Streifen, sechsteilige Serie, Farbfotos, je 21 x 29,7 cm

Constellations ist der Titel eines neuen, jährlich stattfindenden Ausstellungsformats, in dem ausgewählte Positionen von Studierenden der Universität Paderborn im Kunstverein Paderborn zu sehen sind. In immer anderen und neuen thematischen Konstellationen wird ein Einblick in die künstlerische Auseinandersetzung und das individuelle künstlerisch-kuratorische Schaffen im Kunstsilo der Universität Paderborn gegeben.

Der aus der Astronomie stammende Begriff der Konstellation, der sich auf die flüchtige, augenblickshafte und momenthafte Gestirnkonstellation bezieht, die sich nur ganz kurz zu einer heterogenen Gesamtheit als Himmelszeichen zusammenschließt, betont zugleich das Prozesshafte und Potenzielle. Konstellationen können daher als Ensembles unterschiedlicher Faktoren verstanden werden, wozu sich vielfältige Bezüge zu künstlerischem und kuratorischem Handeln und zum Ort ihrer Produktion und Präsentation herstellen lassen. Konstellationen sind stets relationale Gefüge, aus denen heraus zugleich kreative Prozesse des Denkens und Handelns erschließbar werden, die immer auch spannungsgeladen ablaufen können.

Constellations beschreibt eine Momentaufnahme. 12 unterschiedliche künstlerische Positionen aus universitären Projekten und Seminaren kommen für einen temporären Zeitraum im Kunstverein zusammen, treten im Ausstellungsraum in einen Dialog, bilden Nachbarschaften, bevor sich ihre Wege und die künstlerischen Ansätze unabhängig voneinander weiterentwickeln und verstreuen.

Die Constellations 22 werden durch Anne Bode, Susanne Janzen, Melissa Kaiser, Jessica Klein, Marietta Mann, Anton Müller, Emanuel Petkau, Sina Radomsky, Melissa Thiehoff, Quang Tran, Philip Wessling, Nathalie Wolke gebildet.

Es freut uns sehr, dass wir zum 50-jährigen Jubiläum der Universität Paderborn in diesem Jahr eine Kooperation zwischen dem Kunstverein Paderborn und dem Fach Kunst der Universität Paderborn schließen können, die durch drei Professuren mit Schwerpunkten in der Malerei, Bildhauerei und in der Kuratorischen Praxis/Mixed Media vertreten wird.

Unser Dank geht an die Kulturwissenschaftliche Fakultät der Universität Paderborn, die finanzielle Mittel zur Realisierung der Ausstellung und zum Druck des Katalogs zur Verfügung gestellt hat. Danken möchten wir auch dem Kunstverein Paderborn, namentlich Dr. Alexandra Sucrow und ihrem Team, mit dem die seit langem bestehenden künstlerischen Verbindungen und Interessen nun eine neue fokussierte Perspektive erhalten haben. Für die 12 Studierenden sind die Erfahrungen von Produktion und Präsentation der eigenen Arbeiten insbesondere außerhalb der Werkstätten und Ateliers des Silos ganz zentral und für die Entwicklung einer eigenen ästhetischen Haltung grundlegend. Auch wir als Lehrende sind auf diese Weise immer neu herausgefordert, gehen als Wissenschaftler*innen und Künstler*innen ebenfalls neue Wege und Konstellationen ein, die uns zusammenbringen, unsere Ideen bündeln und Neues wagen lassen.

Prof. Dr. Sabiene Autsch, Prof. Dr. Karina Pauls, Prof. Max Schulze
Paderborn, Mai 2022.


Ausstellungsdauer:
Do 16.06. – So 17.07.2022

Kunstverein Paderborn
Kamp 13
33098 Paderborn
www.kunstverein-paderborn.de

MOLINO 2021 – DOGS OF ÁRCHEZ

Esther Bonkowski, Susanne Janzen, Beke Marie Kröger, Marietta Mann, Eleonore Seiferth

v. l. n. r. Esther Bonkowski: Nippel, Acryl auf Leinwand, 60 x 50 cm; Beke Marie Kröger: Female Gaze, Kleidergruppe aus Baumwollgaze und Tüll

Esther Bonkowski: Trauer, Acryl und Spray auf Leinwand, 120 x 150 cm

v. l. n. r. Susanne Janzen: Petra, Acryl und Spray auf Leinwand, 110 x 90 cm; Esther Bonkowski: Nippel, Acryl auf Leinwand, 60 x 50 cm

Beke Marie Kröger: Female Gaze, Farbfotografie, 50 x 70 cm

Marietta Mann: Statt Karten I & II, Acryl und Spray auf Leinwand, 70 x 70 cm; eis.de, Acryl und Spray auf Leinwand 130 x 130 cm

Eleonore Seiferth: Ikarus, Acryl und Spray auf Leinwand, 150 x 150 cm

Ein lauwarmer Sommerwind streift durch Paderborn und verkündet Großartiges: Die Dogs of Árchez sind zurück in der Stadt und laden herzlich zur diesjährigen Ausstellung des Molino-Winkler Stipendiums vom 14. Mai bis zum 5. Juni 2022 im Raum für Kunst, Paderborn, ein!

Zum 28. Mal jährte sich im Sommer 2021 das Molino-Winkler-Stipendium, das in Würdigung der Lehrtätigkeit des Malers Professor Woldemar Winkler vergeben wird. Im Rahmen einer Förderung der Universität Paderborn, unterstützt durch die Familie Winkler-Mey, bringt das Stipendium eine kleine Schar von Studierenden der Fächer Kunst und Textil in die von Woldemar Winkler (1902-2004) zum Landsitz und Atelier ausgebaute alte Wassermühle im andalusischen Binnenland. In der Abgeschiedenheit bietet die Molino Winkler Möglichkeiten zur freien künstlerischen Entfaltung, die auch die diesjährigen Stipendiatinnen, Esther Bonkowski, Susanne Janzen, Beke Marie Kröger, Marietta Mann und Eleonore Seiferth, intensiv genutzt haben.

Nach einem langen heißen Sommer in der andalusischen Provinz, geladen mit Stimmungen eines ekstatischen Schaffenswahns und gleichsam geprägt durch Laszivität und ausgewogene Siestas, präsentieren die fünf Stipendiatinnen die Früchte ihrer künstlerischen Arbeit aus der gemeinsamen Zeit in der Molino Winkler. Zu sehen sind fünf verschiedene Temperamente, fünf individuelle Bildsprachen, fünf künstlerische Positionen, die verschiedener nicht sein könnten und doch durch unerwartete Berührungspunkte miteinander verbunden sind.

KUNSTPRAKTISCHE BACHELORARBEIT VON LENA KELLER

<< явлада >> Persönliche Erinnerungen einer Spätaussiedlerin aus Kasachstan – Eine künstlerische Identitätsfindung

In der Kunst ist die Selbstdarstellung von Künstler*innen ein oft benutztes Thema um aus individuellen Gründen mit den Rezipient*innen einen Austausch einzugehen. Nicht nur der Dialog zwischen Künstler*innen und Rezipient*innen kann einen fruchtbaren Austausch auslösen, sondern die künstlerische Arbeit an sich kann für die schaffende Person hilfreich sein. Sei es zum Beispiel um verlorene Erinnerungen hervorzurufen, eine Beichte abzulegen oder um Gleichgesinnte zu finden und sich somit weniger alleine auf der Welt zu fühlen. Schon immer beschäftigen sich Kunstschaffende mit der eigenen Person, dabei sind autobiografische Arbeiten ein oft genutztes Medium. 

In dieser Arbeit beschäftigte sich Lena Keller mit den verlorenen Erinnerung der eigenen Kindheit, die geprägt ist von zwei Kulturen. Durch die Arbeit erfolgte eine persönliche Spurensuche nach Lückenfüllern für eine eigene Ordnung des frühen Leben. Nicht nur Erinnerungen spielen eine große Rolle, sondern auch die Frage nach kulturellen Merkmalen, die Erinnerungen hervorrufen können. Bei der Erstellung der Arbeit stellte Lena Keller sich die Frage, inwieweit es möglich ist, in einem künstlerischen Prozess, durch persönliche Erinnerungen, der eigenen kindlichen Identität nahe zu kommen. 

In der praktischen Arbeit я влада sind neben Fotografien und Collagen, auch Zeichnungen und Schriftstücke zu finden, die diverse Fragmente der persönlichen Kindheit aufzeigen. Für Kellers Verständnis ist Kultur durch meist kollektive Erinnerungen und Ereignisse geprägt. Aber was passiert auf der persönlichen Ebene? Was passiert, wenn ein Individuum einzelne Fragmente aufnimmt, diese wie Puzzleteile zusammensetzt und ein eigenes Bild erschaffen möchte?

KUNSTPRAKTISCHE BACHELORARBEIT VON QUANG TRAN

Enter the Qu-Tran (36 Chambers). Vernebelte Erinnerungen, Symbole, Vergangenheit. Der Versuch einer malerischen Rekonstruktion

Quang Tran: Purple Haze. Acryl und Sprühfarben auf Leinwand, 100 x 80 cm

Quang Tran: Feather. Acryl und Sprühfarbe auf Leinwand, 50 x 70 cm

Quang Tran: Lithium. Acryl und Ölkreide auf Leinwand, 60 x 70 cm

Quang Tran: Ohmygodiloveyoupleasedontleaveme, Acryl auf Leinwand, 40 x 50 cm

Quang Tran: Unknown Pleasures, Acryl und Ölkreide auf Leinwand, 130 x 100 cm

Quang Tran: Wu-Tang Clan Ain’t Nuthing Ta F‘ Wit, Acryl auf Leinwand, 60 x 80 cm

In den Bildern, die im Rahmen der Bachelorarbeit Enter the Qu-Tran (36 Chambers) entstanden sind, betreibt Quang Tran einen malerischen Rekonstruktionsversuch einer zeitlich definierten Phase der Jugend. Ziel der Arbeit ist es, die verrauchte Umgebung, die durch den Rausch getrübte Wahrnehmung, die undurchsichtige und ungreifbare Emotionslage und Existenz und schließlich die vernebelten Erinnerungen an diese Zeit einzufangen und zu rekonstruieren.

Wu-Tang Clans Enter the Wu-Tang (36 Chambers) ist für das Musikgenre Hip-Hop ein äußerst einflussreiches Werk, das durch seine unmittelbare und rohe Akustik, seinen direkten, ranzigen und weder verschönenden noch übertreibenden lyrischen Inhalt einen staken Einfluss auf Quang Tran hat. Er ist zwar weder in den Sozialbausiedlungen in Staten Island, New York, aufgewachsen, noch stand er mit struktureller Diskriminierung gegen afroamerikanische Menschen in Verbindung. Er befand sich auch nicht in einer prekären Lebenssituation, in der er sich der Kriminalität hätte hingeben können. Doch sind es die Ehrlichkeit und Direktheit ihrer Lyrik, die für ihn beim Anhören ein spezifisches Bild malten, dass sich zwar nicht eindeutig nachvollziehen lässt, aber genug explizite als auch abstrahierte Informationen hergibt, um der Zuhörer*in die Lebensrealität der Mitglieder des Wu-Tang Clans auch auf emotionaler Ebene zu geben. Es werden keine Gewalttaten und Drogenkriminalität glorifiziert, obgleich Gewalt und Drogen sehr wohl Teil ihres Alltags waren und somit auch Teil der Bilder in ihrer Lyrik sind. In diesem Aspekt der persönlichen und teilweise intimen Darstellung einer Lebensrealität ähnelt sich das Vorhaben dieser Bachelorarbeit dem Konzept des Albums, weswegen die Anlehnung an den Albumtitel einen tiefergehenden Wert hat, als es das platte Wortspiel zunächst vermuten lässt.

EINFÜHRUNG IN DIE MALEREI I & II

Diana Dilmann: o.T., 2022, Acrylic Pouring, 60 x 40 cm

Laura Fromm: Breakfast, 2022, Acryl auf Papier, 55 x 35 cm

Fabienne Kahr: o.T., 2022, Acryl auf Papier, 29,5 x 40 cm

Sarah Dück: o.T., 2022, Acryl auf Papier, 59,4 x 42 cm

Emily Lüpken: Vogel, 2022, Acryl auf Papier, 29,7 x 42 cm

Im Seminar werden neben den Grundlagen der Maltechnik und dem Umgang mit dem Ausdrucksmittel Farbe die Handhabung der verschiedenen Materialien erörtert und erprobt: das Vorbereiten von Malgründen, das Aufspannen und Grundieren von Leinwänden, das Präparieren von Papier für die weitere Nutzung als Bildträger, das Mischen von Farbe und der Einsatz von Malmitteln. Das Experimentieren mit Farbe, die Wahrnehmung eigener Interessen und Fähigkeiten und das Erarbeiten von Inspirationsquellen, die im künstlerischen Schaffensprozess zur Themenfindung beitragen können, haben das Ziel eine eigene Bildvorstellung zu entwickeln und auszuarbeiten.

Die Übung lädt gleichzeitig zur Auseinandersetzung mit verschiedenen künstlerischen Positionen und Sichtweisen ein. Individuelle Korrekturgespräche sowie die Präsentation der eigenen Werke mit anschließender Diskussion unter den Studierenden sind Teil des Seminars.

Lehrender: Prof. Max Schulze

ÄSTHETIK DER STRASSE – EINE MALERISCHE AUSEINANDERSETZUNG

Ella Beer: o.T., 2022, Acryl auf Leinwand, 18 x 13 cm

Paula Brock: o.T., 2022, Öl auf Malkarton, 60 x 40 cm

Janine Klugo.T., 2022, Acryl und Strukturpaste auf Papier, 21 x 29,7 cm

Sarah Maureen Leifels: Smeared Blinds, 2022, Acryl und Spray auf Wellplatte, 60 x 120 cm

Marcella Abdalla: Fotografie der Kundgebung in Andenken an die Mordopfer Derya und Kian, 2022, Protestplakate: Acryl auf Pappe

Birka Tomaszewski: o.T., 2022, Acryl auf Leinwand, 50 x 70 cm

„Ich bin für eine Kunst, die politisch-erotisch-mystisch ist, die etwas anderes tut, als in einem Museum auf ihrem Arsch zu sitzen. Ich bin für eine Kunst, die im Winter aus den Kanalschächten kommt wie Nebel. Ich bin für eine Kunst des Asphaltritzens und des Wandbeschmierens. Ich bin für eine Kunst, die sich mit dem alltäglichen Dreck herumschlägt und am Ende trotzdem obenauf ist. Ich bin für eine Kunst, die sich aus der Geldbörse eines alten Mannes ergießt, wenn er von einer vorbeifahrenden Stoßstange zur Seite geschleudert wird. Ich bin für eine Kunst aus der Schnauze eines Hündchens, das fünf Stockwerke vom Dach fällt.“
Auszug aus: Claes Oldenburg „Store-Manifest“ 1961

Die künstlerische Auseinandersetzung mit dem urbanen Raum und seinen Eigenschaften und Erscheinungen rückt spätestens seit den 1950er Jahren mit dem Aufkommen von Pop-Art und Fluxus in den Fokus der Bildenden Kunst. Die Forderung, dass die Kunst sich frei machen muss von der elitären „Hochkunst“ des Bürgertums nimmt hier ihren Ausgangspunkt. Dabei sind es vor allem die Themen und Motive des öffentlichen Raums, der Straße, der Schaufenster, des Alltäglichen, welche der Kunst helfen zu neuen Bildern, Objekten und Aktionen zu gelangen. Mit dem Auftreten der ersten Grafittis in New York in den 1970er Jahren wird der Stadtraum dann selbst zum Atelier und die U-Bahn zur Leinwand. In den letzten Jahren setzte die sogenannte „Streetart“ ihren Siegeszug fort und findet sich nun mitunter als Poster in einer Zahnartztpraxis wieder. Umgangssprachlich wird Ästhetik heute meistens als Synonym für schön, geschmackvoll oder ansprechend verwendet. Eigentlich meint der Begriff aber die gesamte Palette von Eigenschaften, die darüber entscheiden, wie Menschen wahrgenommene Gegenstände bewerten: Schönes, Hässliches, Angenehmes und Unangenehmes. Wie steht es also um die Straße als Inspirationsquelle für das künstlerische Arbeiten? Wie hat sich die Wahrnehmung des urbanen Raums durch das Aufkommen der COVID-19-Pandemie verändert?

Lehrender: Prof. Max Schulze

UNDER DESTRUCTION – Konstruktive Zerstörung als bildhauerische Strategie

Jessica Winkler: Storytelling. Eiseninstallation, 58 x 42 x 46 cm.

Melissa Kamp: Ohne Titel. Laub, Nagellack, ca. 130 x 200 cm.

Anton Müller: „Disharmonien I“. Zersägte Ukulele, Hängung befestigt an Flourocarbon-Leine, 67 x 24 x 8 cm.

Kai David Potthoff: ohne Titel. Gesprungene Glasflaschen, ca. 150 x 250 x 35 cm.

Tim Petry: Ohne Titel. Plastikbesteck, 23 x 23 x 23 cm.

Navzat Ertunc: Ohne Titel. Klappkorb, Kunststoffverarbeitung, ca. 40 x 70 x 30 cm.

Ina Weinbrich: Kugelbahn. Gips, 112 x 74 x 26 cm.

Janina Strasser: Ohne Titel. Glas, Farbe, 15 x 25 x 8 cm.

Henri Vogt: Nagelbrett (Detailaufnahme). Antragsformulare, ca. 150 x 250 x 15 cm.

Mailynn Götz: Ohne Titel. Bromelie, ca. 15 x 15 x 4 cm.

Philip Weßling: Kegel mit Platte. Wachsguss, ca. 29,5 x 27 x 36 cm.

Zerstörung als kreativer Akt?
Zerschneiden, zersägen, zerreißen, sprengen, spalten, einschmelzen, zerschlagen, abfackeln, abschießen und das traktierte Material dann zu neuen Formen zusammensetzen, gießen, schweißen, löten, legen, schrauben… Ausgangsmaterial sind subjektive Werte, Lieblingsdinge und Hassobjekte, Alltagsgegenstände und Außerordentliches. Im Spannungsfeld von Dekonstruktion und (Neu-)Konstruktion, von Ordnung und Unordnung können bildhauerische Wege erprobt werden, um das Material oder Ding gezielt in neue Formen mit autonomer plastischer Qualität zu transformieren.
Dabei werden grundlegende bildhauerische Fragestellungen berührt: die Visualisierung von Materialeigenschaften, die Materialisierung von flüchtigen Bewegungsfiguren, die Sichtbarmachung von Unsichtbarem, die Reflexion von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft im Objekt, von Wert und Wertlosigkeit, die Bedeutung von Alltagsgegenständen wird durch Umnutzung reflektiert, gewöhnliche Verwendungsweisen werden infrage gestellt etc. Im Fokus stehen unerwartete Entstehungsgeschichten im Dialog zwischen Material oder Ding und Agierendem im Prozess.
Erschaffen ist Zerstören? Mit dieser und weiteren Fragen beschäftigen wir uns, indem zeitgenössische künstlerische Positionen (wie etwa Roman Signer, Lucio Fontana, Damián Ortega oder Gordon Matta-Clark) betrachtet und eigene künstlerisch-praktische Konzepte und Projekte entwickelt und realisiert werden.

Lehrende: Svenja Langer

KUNSTPRAKTISCHE MASTERARBEIT VON JESSICA KLEIN

Collageereignis – Künstlerische Collagen zwischen täglichem Konsumwahn und gesellschaftlich-politischen Krisen

Jessica Klein: Cover The Real Cosmopolitan / Februar 2022 / Simultan Pictures I, digital collage, 21 x 29,7 cm

Jessica Klein: Wiederaufbau bis zur Erschöpfung – Material Love. Perfekt fürs Upcycling, handmade collage with printed paper, 20,5 x 28 cm / Zu viel Regen und wenig Sonne – Essie. Leggy legend, handmade collage on hydro dipped coating paper, 21 x 29,5 cm

Jessica Klein: Ohne Titel (Hochwasser II), digital collage, 42 x 29,7 cm

Jessica Klein: Vulkan nach kurzer Pause wieder zum Leben erwacht – Hot Bikini Season, handmade collage with printed paper, 20 x 28 cm 

Jessica Klein: Cousine bangt um Zwangsheirat in Herat – Versace Eros, handmade collage with printed paper, 20 x 27,5 cm / Ohne Titel (Afghanistan II), digital collage, 42 x 29,7 cm

Die kunstpraktische Masterarbeit „Collageereignis – Künstlerische Collagen zwischen täglichem Konsumwahn und gesellschaftlich-politischen Krisen“ ist eine kritische Auseinandersetzung mit der gleichzeitigen, collageartigen Rezeption von Alltagsbildern.

Den Ausgangspunkt der Arbeit bildet die Beobachtung, dass Bildwelten der Nachrichten und der Werbung sowohl in der Rezeption wie auch in der Vermittlung simultan auftreten. Dadurch entsteht eine Gleichzeitigkeit und ein Nebeneinander verschiedener Themen, Bilder und Texte. Die medial vermittelten Bilder kennzeichnen sich durch Konsumprodukte und gesellschaftlich-politische Krisen. Sie fungieren als Spiegel der gesellschaftlichen Lebensverhältnisse.

Die künstlerische Arbeit treibt die bereits vorhandenen Collageereignisse der Alltagswelt auf die Spitze, indem sie das vorhandene Nebeneinander von Themen in der Werbung und in den Nachrichten durch die Collagetechnik visualisiert. Dabei wird die Natürlichkeit dieser alltäglichen Collageereignisse aus täglichem Konsumwahn und gesellschaftspolitischen Krisen vorgeführt und die Absurdität dieser Gleichzeitigkeit dieser aufgezeigt. Die angefertigten Werke spiegeln auf überspitzte, humoristische und schockierende Weise die gesellschaftliche Wirklichkeit. Die Kunstwerke offenbaren dabei (vermeintliche) Zusammenhänge zwischen den Bildwelten, indem sie diese assoziativ zusammenführen und neue Beziehungen zwischen den konträren Welten herstellen. Dadurch vermittelt die künstlerische Arbeit höchst politisch relevante Aussagen und transportiert wichtige Denkanstöße zur Reflexion der gesellschaftlichen Wirklichkeit.

Das Ziel der Arbeit ist es darauf aufmerksam zu machen, welche Nichtigkeiten unseren Konsumalltag prägen, während auf der ganzen Welt Schreckliches passiert. Dabei wird der alltägliche (Bilder-)Konsum von Luxusgütern (Mode, Beautyprodukte), vor dem Hintergrund tagesaktueller Krisen, kritisch hinterfragt. Es geht um eine Kritik an der westlichen Konsumgesellschaft. Sie soll dazu anregen, über die eigenen essentiellen Bedürfnisse nachzudenken. Vor dem Hintergrund der gleichzeitigen Wahrnehmung der werbegeprägten Bilder und den Bildern der aktuellen gesellschaftlichen Krisen, drängt sich die Frage nach der Sinnhaftigkeit der ganzen Waren auf, die durch die Werbebilder vorgeführt und angepriesen werden. Radikaler lässt sich die Frage angesichts der aktuellen Berichterstattungen rund um Flucht aus Kriegsgebieten (Afghanistan), Naturkatastrophen (Vulkanausbruch La Palma, Flutkatastrophe in Deutschland oder Öl-Pest in Kalifornien) und pandemischen Virusmutationen (Corona-Krise) formulieren: Was brauche ich zum (Über-)Leben? Die Arbeit kann sowohl als eine künstlerische Auseinandersetzung mit den aktuellen gesellschaftspolitischen Lebensverhältnissen, als auch als eine kritische Beschäftigung mit der heutigen Konsumgesellschaft bezeichnet werden. Aus diesem Grund kann sie als künstlerisch-politische Praxis verstanden werden.

MALEREI vs. SIEBDRUCK / SIEBDRUCK vs. MALEREI

Ricarda Bette: o.T., 2022, Siebdruck, Malerei, Acrylfarben, 72 x 51 cm

Silke Lamers: ohne Titel, 2022, Sprühfarbe, Acylfarbe und Siebdruck, 59,7 x 42 cm

Jessica Helfrich: o.T., 2022, Sprühfarbe, Acryl und Siebdruck auf Papier, 50 x 70 cm

Adele Kleim: o.T., 2022, Acylfarbe und Siebdruck auf Papier, 84 x 60 cm

Sabrina Kleine: o.T., 2022, Acryl, Sprühfarben und Siebdruck auf Papier, 65 x 50 cm

Die Technik des Siebdrucks und die Malerei führen seit mindestens 70 Jahren eine anhaltende Liaison. Seit Andy Warhol in den frühen 1960er Jahren anfing Motive aus Kinoheften, Zeitschriften, Magazinen oder der Werbung als Material für seine Bilder zu verwenden, ist die Verbindung dieser beiden Techniken als Bestandteil der bildenden Kunst akzeptiert. Die serielle Wiederholung von weit verbreiteten, vertrauten Motiven sind Ausgangspunkt für Warhols Bilder. Von diesen Motiven ließ er Siebvorlagen herstellen, die er dann seriell wiederholte „Ich liebe es, das Gleiche immer und immer wieder zu tun“. Ein typischer Werktitel jener Zeit lautet Thirty Are Better Than One: Eine Postkarte der Mona Lisa wurde dreißigmal auf der Leinwand vervielfältigt und war daher besser als nur eine – das Original zählt weniger als die quantitative Vervielfältigung.
Christopher Wool hingegen benutzt den Siebdruck um Bilder seines Frühwerks auf Leinwand zu drucken. Dieser Ausgangspunkt für neue Bilder wird mit wilden Linien per Farbpistole und schwarzer Farbe über die Drucke gesprüht und danach teilweise wieder ausgewischt. Dabei wird die Grobrasterung als nicht zu übersehendes Grundmuster miteinbezogen. Als „Übermalung, Auslöschung, Überlagerung von nicht aufeinanderpassenden Schichten malerischen Niederschlags“ beschreibt Joao Fernandes, Direktor des Museu Serralves in Porto die Technik Wools. Christopher Wool untersucht damit Prozess und Eigenschaften von Malerei. Indem er physische und kompositorische Mittel zunehmend reduziert und mit unterschiedlichen Mal- als auch Reproduktionstechniken experimentiert, erweitert er kontinuierlich den Begriff dieses Mediums. In dem Blockseminar werden wir an der Verbindung von Malerei und Siebdruck arbeiten. Siebdruckvorlagen herstellen, drucken, mit Malerei erweitern und falls notwendig wieder überdrucken.

Lehrender: Prof. Max Schulze

KOLLOQUIUM

Marie Leichinger: Ohne Titel. Gipsguss, ca. 115 x 37 x 12 cm.

Victoria Winterfeld: Ohne Titel. Bauschaum, Acrylfarbe, Sprayfarbe, ca. 150 x 10cm x 10cm.

S. Dönni: Stehendes Kleid. Hasendraht, Gips, Acrylfarbe, Textilien (Natur- und Kunstfasern), circa 130 x 200 x 200 cm.

Die eigene künstlerische Arbeit ist mehr als nur die Sammlung von Einzelergebnissen aus Lehrveranstaltungen. Im Kolloquium werden Fragen des Zusammenhangs zwischen den einzelnen Arbeiten („roter Faden“) sowie der Präsentation besprochen und Möglichkeiten der Vertiefung und Weiterentwicklung vorhandener künstlerischer Ansätze ausgelotet. Im Austausch über Arbeiten wird Unterstützung auf dem Weg zu einem künstlerischen Prozess gegeben, der darin besteht, sich selbst reflexiv mit der eigenen Arbeit auseinanderzusetzen und daraus die Perspektive für die Weiterarbeit zu entwickeln. In einer Mischung aus Gruppengesprächen und Werkstattarbeit werden bereits vorhandene Konzepte weiter ausgebaut.

Lehrende: Prof. Dr. Karina Pauls