KUNSTPRAKTISCHE BACHELORARBEIT VON MELISSA JASMIN THIEHOFF

Invasion der Wirbellosen. Eine malerische Auseinandersetzung mit dem Ekel vor niederen Tieren

Melissa Jasmin Thiehoff: Ohne Titel (Bild zum Ekel vor Mücken), 2021, Acryl auf Leinwand, 84 x 60 cm

Melissa Jasmin Thiehoff: Ohne Titel (Bild zum Ekel vor Kleidermotten), 2021, Acryl auf Leinwand, 105 x 110 cm

Melissa Jasmin Thiehoff: Ohne Titel (Bild zum Ekel vor der Gemeinen Florfliege), 2021, Acryl auf Leinwand, 118 x 84 cm

Melissa Jasmin Thiehoff: Ohne Titel (Bild zum Ekel vor der Gemeinen Florfliege), 2021, Acryl auf Leinwand (Detail)

Melissa Jasmin Thiehoff: Ohne Titel (Bild zum Ekel vor den Raupen der Apfelgespinstmotte), 2021, Acryl auf Leinwand (Detail)

Während die einen als wahre Helden der Natur gefeiert werden und die anderen rundum unser Wohlgefallen genießen, gibt es viele verschiedene Arten, die von uns Menschen gefürchtet und verabscheut werden.¹ Der Ekel vor sogenannten „Krabbeltieren“ wurde und wird in der Kunst immer wieder und in unterschiedlichsten Formen behandelt und verarbeitet. Oft widmen sich Künstler:innen dem Thema ausgehend von der eigenen Angst oder einer erlebten Situationen heraus. So entstand auch mein Interesse, spezielle Aversionen von Menschen gegen Insekten und anderen niederen Tieren näher zu betrachten, aus meinem eigenen Ekel vor Raupen. Warum genau ich mich vor Raupen ekel, weiß ich nicht. Es liegt, wie es das folgende Zitat deutlich macht, wahrscheinlich in der Sache selbst: 

Was nun die Ekelhaftigkeit des Ungeziefers im allgemeinen [sic!] bedingt, ist ein Zusammenwirken mehrerer Motive […]. Es sind dies: Das Kriechen, Kleben, »Bekleben« der Umgebung […]; das Gewimmel und Gekribbel, das Phänomen eines zusammenhängend wimmelnden Gemisches […]; überhaupt der merkwürdig »kalte« Zug dieser ruhelosen, nervösen, sich windenden, zuckenden Vitalität, als wäre das alles ein abstrakter, irgendwie demonstrativer »Lebenstanz« ohne angemessene »Lebenswärme«, ohne inneren Gehalt des Lebens; endlich aber der tückisch-aggressive Zug bei den meisten der besagten Lebewesen. […] Das besondere Scharfe, Lebhafte dieser Ekelsart stammt wohl aus der Tatsache der Beweglichkeit, Aggressivität (nicht aber: Gefährlichkeit) des Gegenstandes, dem Bewußtsein [sic!] »Es könne leicht zur Berührung damit kommen«.² 

Während das Betrachten eines ekelerregenden Tieres schon oft Herausforderung genug ist, ist die Vorstellung von der Berührung unvorstellbar. Die Imagination, Raupen würden auf meiner nackten Haut herumkrabbeln, war Ausgangspunkt für meine malerische Arbeit Feindliche Übernahme. Anknüpfend an jene Arbeit, die meinen Ekel für andere zugänglich und nachvollziehbar machen sollte, werden in dieser malerischen Auseinandersetzung Menschen aus meinem Umfeld sowie erneut ich selbst mit verschiedenen, ganz persönlichen Ängsten und ekelhervorrufenden Tieren konfrontiert. 

Entstanden sind elf Acrylgemälde, in denen die dargestellten Personen der schutzlosen Invasion der wirbellosen Tiere ausgesetzt sind.  Die entstandenen Werke der Serie Invasion der Wirbellosen lassen sich dazu in „vier Phasen der Invasion“ unterteilen: das unwissende Opfer, Einschleichen & Verstecken, Eindringen & Angriff und Invasion des Feindes. 

¹ Vgl. Baumann 2012  – Baumann, Günter (2012): Von Schmetterlingen und Donnerdrachen: Insekten in der Gegen-wartskunst. Portal Kunstgeschichte. Abgerufen von https://www.portalkunstgeschichte.de/meldung/von_schmetterlingen_und_donnerdr-5107.html am 19.08.21. 

² Kolnai 2008, S.34f.  – Kolnai, Aurel (2008): Ekel, Hochmut, Haß: zur Phänomenologie feindlicher Gefühle (Orig.-Ausg., 1. Auflage). Frankfurt am Main: Suhrkamp.