Im Wintersemester 2022/2023 fand unter Leitung von Prof. Dr. Christoph Jacke zum dritten Mal das Master-Seminar ”MadeiraDig 2022: Festival, Digitalität, Natur, Kultur” statt. Konzept des Seminars war eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Theorien sowie praktischen Konzepten zur Analyse des renommierten Musik-, Klangkunst- und Film-Festivals „MadeiraDig 2022“ auf Madeira (08.-13.12.2022). Die Exkursions-Lehrveranstaltung wurde bereits in den Jahren 2014 und 2017 angeboten. Im dritten Jahrgang wurde ein thematischer Schwerpunkt auf die Aspekte Natur – Kultur – Digitalität – Musikfestival gesetzt. Diese theoretische Auseinandersetzung vor Antritt der Exkursion leitete die Ausgestaltung der inhaltlichen Analysegegenstände während des Festivals an. Dafür fanden sich dreizehn Studierende der Masterstudiengänge Populäre Musik und Medien und Medienwissenschaften in Projektgruppen zusammen. Konkret wurden die Arbeitsgemeinschaften Öffentlichkeitsarbeit, Klangcollage, Film und Fotos sowie Radioreportage gegründet. Gemeinsam arbeiteten die Studierenden außerdem Leitfäden für Talkrunden aus, die mit auf der Insel befindlichen Journalisten sowie Akteur:innen der Musikbranche und der Wissenschaft geführt wurden.
Inhaltliche theoretische Grundlagen
Als theoretische Rahmung für die Analyseschwerpunkte wurden folgende Themenblöcke festgelegt:
- Natur-Kultur-Madeira
- Digitalität/Analogität
- Klang (Soundscapes)
- Methoden der Feldforschung
- MadeiraDig Festival
Im Folgenden werden die genannten Themenblöcke genauer vorgestellt.
Die Arbeitsgruppe Natur-Kultur-Madeira leitete mit kulturtheoretischen Überlegungen von Bruno Latour ein. Anhand seiner ”Akteur-Netzwerk-Theorie” sensibilisierten die Vortragenden dafür, dass Forschung und Faktengenerierung nie gänzlich von der Subjekthaftigkeit der Forschenden getrennt betrachtet werden können und, dass Wissen Netzwerke (Institutionen, Medien, u.w.) braucht, um erfolgreich tradiert und um in dem gesellschaftlichen Kanon überhaupt bekannt zu werden. Nach Latour werden ”Wahrheit” und ”Fakten” sozialkonstruktivistisch generiert, sie sind nicht gänzlich ”objektiv”. Ein zweiter Gedankengang Latours, der an jener Stelle hinzugezogen wird, bezieht sich auf die Endlichkeit und das Zusammenspiel von Entitäten auf der Welt. In seinem ”Parlament der Dinge” kritisiert er die moderne Gesellschaft und gegenwärtige Produktionsweisen. Nicht-menschliche Entitäten würden bei diesen Entscheidungsprozessen um die Ressourcennutzung und -allokation der Welt zu wenig Beachtung finden. Daher bräuchte es ein ”Parlament”, an dem auch sie und ihre Wirkmächte auf die Welt und die Lebensqualität repräsentiert würden. Nur dann könne die Welt inklusiver, gerecht und schlussendlich nachhaltig gestaltet werden. Jene zunächst sehr abstrakten Überlegungen Latours wurde nachfolgend in Perspektiven übersetzt, aus denen heraus Madeira als Insel und das MadeiraDig-Festival konkret betrachtet werden können. So wurden bei der Auseinandersetzung mit der (Kultur-)Geschichte der Insel nicht nur die geschichtlichen Fakten in den Blick genommen, sondern auch die potenziellen Netzwerke, in denen sie entstanden sind, wie die Tourismus-Websites und die auf Englisch verfügbaren Forschungstexte. Auch das Festival und sein Austragungsort wurden von einer Arbeitsgruppe intensiver beleuchtet. Weitere Gruppen stellten verschiedene Konzepte vor, die bei der Analyse des Festivals auf der Insel herangezogen werden können, so mitunter Digitalität und Analogität und Soundscapes. Zudem wurden Methoden der Feldforschung vorgestellt, die für die Arbeit auf der Insel genutzt wurden. Alle Gruppen erstellten Handouts, die ihre Ergebnisse zusammenfassen. Diese sind hier zugänglich:
Die vorgestellten Ergebnisse wurden außerdem in einem Schaubild festgehalten. In der Grafik sind die verschiedenen Aspekte und Themenblöcke des Seminars (Natur, Kultur, Digitalität, MadeiraDig und Feldforschung) in Relation zueinander dargestellt. Es werden Fragen und Diskussionsthemen aufgegriffen, über die auch reflektierend nach dem MadeiraDig Festival nachgedacht und diskutiert werden kann.