Gruppendiskussionen

Tamara Ihln

Was kennzeichnet Gruppendiskussionen und wie kann man sie in der Forschung durchführen?

Durch Gruppendiskussionen können Sie den Aufwand an Zeit und Geld reduzieren, indem Sie eine Gruppe von Menschen zu einem Zeitpunkt befragen, statt mehrerer Individuen zu verschiedenen Zeitpunkten. So soll Ihnen nun dargestellt werden, was eine Gruppendiskussion ausmacht, welche Ziele mit ihr verfolgt werden und welche verschiedenen Formen es gibt. Anschließend wird kurz auf die Probleme bei der Umsetzung hingewiesen, ihre Einordung in den Forschungsprozess erläutert und abschließend die Grenzen der Methode offen gelegt.
Außerdem werden sowohl der Gruppendynamik als auch der Diskussion unter den Teilnehmern und Teilnehmerinnen bei der Durchführung von Gruppendiskussionen besondere Bedeutung beigemessen (vgl. FLICK 2002, 250). Als Erkenntnisquelle dienen Ihnen die Stimulierung einer Diskussion sowie die Dynamik, welche sich in ihr entwickelt. Zur Stimulierung einer Diskussion können Sie beispielweise auf die in der  Dokumentenanalyse dargelegten Optionen zurückgreifen, wie bspw. Kinderzeichnungen, Concept Cartoons®/ Konzeptdialoge®, o.Ä.

Zielsetzung bei der Durchführung von Gruppendiskussionen:

Sie sollten sich vor einer Umsetzung ein Ziel überlegen, das Sie erreichen möchten, da das Ziel einer Gruppendiskussion nicht immer gleich ist:
So zieht POLLOCK (1955, 34) die Gruppendiskussion dem Interview vor, da es vermieden werden sollte, Einstellungen, Meinungen und Verhaltensweisen der Menschen isoliert voneinander zu betrachten. Ausgangspunkt der Gruppendiskussion ist daher die Weise, wie Meinungen im Alltag gebildet, geäußert und ausgetauscht werden. Die Gruppe ist Ihr Mittel für die Datenerhebung, um individuelle Meinungen angemessener rekonstruieren zu können (vgl. ebd., 251).
Bei MANGOLD (1973) wird die jeweils von der Situation abhängende Gruppenmeinung zum Gegenstand der Untersuchung.
Ein weiteres Ziel kann die Analyse gemeinsamer Problemlösungsprozesse innerhalb der Gruppe sein, weshalb ein konkretes Problem vorgegeben wird und die Gruppe in der Diskussion über die verschiedenen Wege zu einer Lösung die beste Strategie herausfinden soll (DREHER & DREHER 1994).
Es ist zu unterscheiden zwischen Ansätzen, welche die Gruppendiskussion als Medium zur besseren Analyse von Einzelmeinungen oder als Träger einer eigenen, über Individuen hinausgehenden Meinung versteht (vgl. ebd., 252). Deshalb sollten Sie Ihr Ziel bzw. Ihre Fragestellung möglichst konkret formulieren, damit es Ihnen die Fokussierung für eine Umsetzung erleichtert.

Zusammenstellung Ihrer Gruppe:

Die von Ihnen ausgewählte Gruppe kann natürlich (d.h. auch im Alltag bestehenden) oder künstlich (d.h. zu Forschungszwecken kriteriengeleitet) zusammengestellt werden. Des Weiteren wird zwischen homogenen und heterogenen Gruppen unterschieden (vgl. ebd.). Bei heterogenen Gruppen unterscheiden sich die Teilnehmer/-innen in den für die Fragestellung relevanten Eigenschaften. Dadurch wird die Dynamik der Gruppe verstärkt und verfolgt das Ziel, dass sowohl möglichst unterschiedliche Perspektiven geäußert werden als auch die einzelnen Teilnehmer/-innen – aufgrund ihres Aufeinandertreffens – stärker aus der Reserve gelockt werden.

Die Rolle eines Leiters/einer Leiterin während der Gruppendiskussion:

In nur seltenen Fällen wird auf die Eigendynamik der Gruppe gesetzt und auf eine Steuerung durch einen Leiter oder eine Leiterin verzichtet. Doch: Was genau ist die Rolle eines Leiters oder einer Leiterin während der Gruppendiskussion?
Damit schließen Sie aus, dass die Interventionen den Ablauf und Inhalt der Diskussion beeinflussen (vgl. ebd., 254). Deshalb ist es ratsamer, wenn die Steuerung der Diskussion durch einen Leiter oder eine Leiterin übernommen wird. Funktionen eines Leiters/einer Leiterin sind Folgende: Die formale Leitung beschränkt sich auf das Führen einer Rednerliste, die Festlegung des Gesprächsbeginns,- ablaufs und –endes. Die thematische Steuerung umfasst zusätzlich die Einführung neuer Fragen und Lenkung der Diskussion in Richtung der Vertiefung und/oder Ausdehnung bestimmter Themen und/oder Teilbereiche.
Wenn Sie reale oder natürliche Gruppen bilden, kennen sich die Mitglieder/-innen bereits und haben ggf. schon Bezüge zum Thema der Diskussion (vgl. ebd., 255). Bei künstlich zusammen gestellten Gruppen hingegen sollten Sie zunächst eine Phase der Vorstellung und des Kennenlernens der Mitglieder/-innen einplanen. So ist beispielsweise folgender Ablauf bei der Durchführung einer Gruppendiskussion denkbar:
– Erklärung/Verdeutlichung des (formalen) Vorgehens
– Vorstellungsrunde der einzelnen Gruppenmitglieder
– Diskussion beginnt mit einem Diskussionsanreiz bzw. einem Impuls

  • z.B.: ein Bild/Foto, Aussage/Frage, einer Audiodatei
  • z.B.: einem Zitat, einer Hypothese, o.Ä.

Denn: Vor allem in Gruppen, deren Teilnehmer/-innen sich zuvor nicht kannten, werden in Gruppendiskussionen Phasen der Fremdheit, Orientierung, Anpassung und Vertrautheit mit der Gruppe sowie der Übereinstimmung und des Abklingens der Diskussion durchlaufen (vgl. MANGOLD 1973, 216; SPÖHRING 1989, 223)

Welche Probleme können Ihnen bei der Durchführung einer Gruppendiskussion begegnen?

Die Gruppendynamik erschwert sich durch die klare Formulierung von Ablaufmustern für Diskussionen sowie auch von eindeutigen Vorgaben bzgl. der Aufgaben und des Verhaltens des Diskussionsleiters/der Diskussionsleiterin. Dadurch wird jedoch die Gestaltung relativ einheitlicher Bedingungen für Ihre Datenerhebung in verschiedenen Gruppen nur äußerst begrenzt möglich. Welche Wendungen die Diskussion in ihrem Verlauf nimmt, ist kaum vorhersagbar. Ähnlich ist dies mit der Entscheidung darüber, wann sich die Gruppe in der Diskussion über ein Thema erschöpft hat (vgl. ebd.).
Vor allem steht die Entwicklung von Theorien im Fokus der Gruppendiskussionen (vgl. ebd., 258). Bei der Interpretation der Daten sind die einzelnen Gruppen für Sie als Forscher/-in die Einheit, an der Sie ansetzen sollten. Dafür bieten sich beispielsweise sequenzielle Analysen an. Bei der Verallgemeinerung der Ergebnisse stellt sich jedoch das Problem, wie die verschiedenen Gruppen zusammengefasst werden können (vgl. ebd., 259).

Zur Auswertung Ihrer erhobenen Daten:

Bei der Auswertung Ihrer erhobenen Daten ergeben sich oftmals Probleme bzgl. der Unterschiedlichkeit der Gruppendynamik und damit entsteht sowohl die Problematik der Vergleichbarkeit untereinander als auch die Schwierigkeit, Meinungen und Sichtweisen des einzelnen Gruppenmitgliedes auszumachen. Der hohe Aufwand bei der Durchführung, Aufzeichnung, Transkription und Interpretation von Gruppendiskussionen lässt ihre Verwendung besonders bei Fragestellungen sinnvoll erscheinen, bei denen es gerade um die Nachzeichnung der sozialen Dynamik der Meinungsbildung in Gruppen geht. Des Öfteren wird die Gruppendiskussion mit anderen Methoden kombiniert, z.B. mit ergänzenden Einzelinterviews (siehe Interviews) oder Beobachtungen (siehe bspw. auch Befragung).
Wenn Sie Gruppendiskussionen durchgeführt haben, werden die aufgezeichneten Daten (Audiodateien, Videoaufnahmen, o.Ä.) von Ihnen transkribiert (siehe Transkription) und anschließend ausgewertet (siehe bspw.Qualitative Inhaltsanalyse; Dokumentarische Methode; o. Ä.).

Weiterführende Literatur

  • Bohnsack, Ralf (2000): Gruppendiskussion. In: Flick, Uwe; Kardorff, Ernst von; Steinke, Ines (Hrsg.). Qualitative Forschung – ein Handbuch. Reinbek: Rowohlt, S. 369-384.
  • Bohnsack, Ralf (2010): Gruppendiskussionsverfahren und dokumentarische Methode. In: Friebertshäuser, Barabara; Langer, Antje; Prengel, Anndedore: Handbuch Qualitative Forschungsmethoden in der Erziehungswissenschaft. Weinheim und München: Juventa. S. 205-218.
  • Bohnsack, Ralf (2014): Rekonstruktive Sozialforschung. Einführung in qualitative Methoden. 2. überarb. Aufl. Opladen u.a.: Barbara Budrich Verlag.
  • Dreher, M. & Dreher, E. (1994): Gruppendiskussion. In: Huber, Günter L. & Mandl, Heinz (Hrsg.). Verbale Daten: Eine Einführung in die Grundlagen und Methoden der Erhebung und Auswertung. 2. überarb. Aufl. Beltz Verlag. S. 141-164.
  • Flick, Uwe (2002): Qualitative Sozialforschung: eine Einführung. 6. Aufl. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Verlag.
  • Loos, Peter; Schäffer Burkhard (2001): Das Gruppendiskussionsverfahren: theoretische Grundlagen und empirische Anwendung. Opladen: Leske & Budrich.
  • Mangold, Werner (1973): Gruppendiskussionen. In: König, R. (Hrsg.): Handbuch der empirischen Sozialforschung. Stuttgart: Ferdinand Enke Verlag. S. 228-259.
  • Pollock, Friedrich (1955): Gruppenexperiment. Ein Studienbericht. Frankfurter Beiträge zur Soziologie, Bd. 2. Frankfurt a.M.
  • Spöhring, Walter (1989): Qualitative Sozialforschung. Stuttgart: Teubner Verlag.

Deskriptive Statistik

Carla Bohndick

Die deskriptive Statistik hilft Ihnen dabei, Ihre gesammelten Daten übersichtlich und anschaulich zusammenzufassen. Stellen Sie sich beispielsweise vor, Sie haben in Ihrer Befragung die demografischen Angaben Ihrer Versuchspersonen erhoben, vielleicht durch einen Fragebogen. Die deskriptive Statistik bietet Ihnen Kennwerte, die Ihnen dabei helfen, die Ergebnisse verdichtet darzustellen. Stellen wir uns also weiter vor, Sie haben das Alter Ihrer Versuchspersonen erhoben. Lagemaße (auch: Maße der zentralen Tendenz) geben nun an, welches Alter die Stichprobe am besten charakterisiert. Streuungsmaße (auch: Maße der Variabilität) zeigen die Unterschiedlichkeit der Stichprobe an.

Lagemaße

Die drei gebräuchlichsten Lagemaße sind das arithmetische Mittel, der Median und der Modus:

  • Modus: definiert als derjenige Messwert, der am häufigsten in der Stichprobe vorkommt.
  • Median: definiert als der Wert, der die Stichprobe in zwei Hälften teilt, wobei 50 % der Stichprobe größere (bzw. gleiche) Werte und 50% kleinere (bzw. gleiche)Werte aufweisen.
  • Arithmetisches Mittel („Durchschnitt“): definiert als Summe der Werte in der Stichprobe, geteilt durch die Anzahl dieser Werte.

Streuungsmaße

  • Range (Spannweite): Bereich vom kleinsten bis zum größten Wert, der in der Stichprobe auftritt
  • Varianz: Mittelwert der quadrierten Abweichungen aller Einzelwerte vom Mittelwert der Verteilung (große Werte sprechen für eine hohe Unterschiedlichkeit der Messwerte in der Stichprobe, kleine für ähnliche Messwerte in der Stichprobe): Formel 1
  • Standardabweichung: Wurzel der Varianz (die Interpretation der Standardabweichung ist einfacher als die der Varianz, da die Werte in der gleichen Einheit wie die der Messwerte verstanden werden können): Formel 2

Die Wahl des Lagemaßes und des Streuungsmaßes hängt vom Skalenniveau des gemessenen Merkmals, also der Variable ab:

Skalenniveaus Erklärung Beispiel Lagemaß Streuungsmaß
Nominal Keine sinnvolle Reihenfolge Geschlecht (männlich, weiblich) Modus
Ordinal Reihenfolge möglich
Kein gleicher Abstand
Schulform (Hauptschule, Realschule, Gymnasium) Modus, Median Range
Metrisch (Intervall- & Verhältnisskala) Reihenfolge möglich
Gleicher Abstand
Alter (9 Jahre, 10 Jahre, …) Modus, Median, Mittelwert Range, Varianz, Standardabweichung

Beispiel

Hier sehen Sie einen Ausschnitt aus einer Befragung zum Thema Motivation:

Nr Geschlecht Alter Schulform Mot1 Mot2 Mot3 Mot4
1 W 10 Gy 4 4 5 5
2 M 9 Real 3 4 3 4
3 M 9 Haupt 2 1 2 2
4 M 11 Real 3 2 3 3
5 W 10 Gy 4 3 3 4
6 W 10 Real 5 4 5 5
7 W 10 Gy 1 2 2 1

Zunächst müssen Sie die Skalenniveaus bestimmen:

  • Nominal: Geschlecht
  • Ordinal: Schulform
  • Metrisch: Alter, Klasse, Mot1-Mot4

Anschließend können Sie die Lagemaße errechnen (hier der jeweils höchstwertigste):

  • Geschlecht: W: 4 x vertreten; M: 3 x vorhanden; Modus: weiblich, d.h. die Mehrheit der befragten Personen ist weiblich. Weiblich ist also der Modalwert (= Modus).
  • Alter:
    Formel 3 ;
    arithmetisches Mittel, d.h. im Schnitt sind die befragten Personen 9,86 Jahre alt
  • Schulform: Zunächst wird jeder Schulform ein Wert zugeordnet, Hauptschule wird mit 1 und Gymnasium mit 3 belegt. Anschließend werden die Werte der Reihenfolge nach sortiert: 1,2,2,2,3,3,3. Der Wert in der Mitte ist der Median = 2, d.h. mindestens die Hälfte der Schüler/-innen ist mindestens auf der Realschule

Schließlich berechnen Sie (wenn möglich) die Streuungsmaße:

  • Geschlecht: –
  • Alter:
    Formel 5,
    d.h. die durchschnittliche Abweichung des Alters vom Mittelwert 9.86 beträgt 0.69 Jahre.
    Range Alter,
    d.h. die jüngste Person ist 2 Jahre jünger als die älteste
  • Schulform:
    Formel 7,
    d.h. die Person in der höchsten Schulform ist zwei Schulformen über der Person in der niedrigsten Schulform

 

Software-Empfehlungen:

Sie können deskriptive Statistiken zwar per Hand berechnen, sobald Sie aber eine größere Stichprobe haben, wird dies relativ aufwendig. Daher empfiehlt es sich zumindest Tabellenkalkulationsprogramme wie bspw. Microsoft Excel oder Open-Office zu nutzen. Hier können Sie die Formeln „programmieren“, häufig stehen Ihnen aber auch bereits passende Funktionen zur Verfügung.

Sollten Sie besonderen Spaß an Statistik haben oder gerne weitere Berechnungen durchführen wollen, gibt es dafür spezielle Programme. Weit verbreitet sind dabei das kostenpflichtige Programm SPSS oder auch die kostenlose Open Source Statistik-Software R.

 

Literatur:

Beller, S. (2008). Empirisch forschen lernen. Konzepte, Methoden, Fallbeispiele, Tipps (2., überarb. Aufl). Bern: Huber.

Bortz, J. & Schuster, C. (2010). Statistik für Human- und Sozialwissenschaftler (7. Aufl.). Berlin: Springer.

Grounded Theory

Julia Steinhausen & Tamara Ihln

 

„Die Grounded Theory ist eine qualitative Forschungsmethode bzw. Methodologie, die eine systematische Reihe von Verfahren benutzt, um eine induktiv abgeleitete, gegenstandsverankerte Theorie über ein Phänomen zu entwickeln“ (Strauss/Corbin 1996, S. 8).

 

Wie das Zitat eingangs zeigt, kann mit Grounded Theory Unterschiedliches gemeint sein, denn man unterscheidet hierbei zwischen der Methodologie und der Methode. Die Methodologie, im Sinne eines Forschungsstils, stellt spezielle Anforderungen an den Forschungsprozess, die im Folgenden erörtert werden. Will man die Grounded Theory als Methode der Auswertung verwenden, so bieten sich bestimmte Verfahrensweisen an, auf die ebenfalls eingegangen wird. Nach der Darstellung des Kodierprozesses, werden Ihnen einige Fragen bereitgestellt, die Ihnen dabei helfen können, den Forschungsprozess zur Theorieentwicklung zu überprüfen.

Da es sich bei der Methode der Grounded Theory um eine komplexe Methodologie und eine aufwendige Methode handelt sowie der Kodierprozess nach Strauss/Corbin einige Zeit in Anspruch nimmt, ist sie für Abschlussarbeiten, die auf wenige Monate begrenzt sind, weniger geeignet. Dennoch können der Kodierprozess nach Strauss & Corbin sowie die dahinterliegende Haltung wertvolle Anregungen bieten und stellen damit eine sinnvolle Alternative zu anderen Auswertungsmethoden dar.

Die Grounded Theory wurde in den 60er Jahren von den Soziologen Barney Glaser und Anselm Strauss entwickelt (Originalwerk: 1967, deutsche Fassung: 1998). Im Laufe der Zeit haben sich einige Weiterentwicklungen und Modifikationen dieser Methode ergeben (vgl. Mey/Mruck 2007). Die Grounded Theory als Methodologie (GTM) ist vor allem für explorative Forschungsfragen geeignet und für solche, die eine Prozess- und Handlungsorientierung beinhalten (vgl. Strauss/Corbin 1996, S.23). Ziel der GTM ist die Entwicklung einer gegenstandsverankerten[1] Theorie, womit sie zu den theoriegenerierenden Methoden zählt, bspw. im Gegensatz zur Qualitativen Inhaltsanalyse.

Die GTM gibt eine bestimmte Systematik vor, die jedoch in Bezug auf die Forschungsfrage angepasst werden kann und somit dem Forscher/der Forscherin Freiheiten und Kreativität ermöglicht (vgl. Mey/Mruck 2007). Die Anwendung der GTM gewährt Ihnen Einblicke in innere Zusammenhänge Ihres Untersuchungsbereichs sowie Wege zur Gewinnung von Hypothesen während des Forschungsprozesses, die wiederum am Material geprüft werden. Somit bleibt der Kontakt zum empirischen Material stets erhalten.

Den Ausgangspunkt stellt ein vorläufig umrissenes Forschungsziel einer undogmatisch-offenen Fragestellung dar, welche unterschiedlich stark skizziert sein kann (vgl. Strauss/Corbin 1996, S. 21ff.) und somit den Rahmen für erste Feldkontakte –unter Anwendung ausgewählter Erhebungstechniken – abdeckt.

Mit der Grounded Theory kann sowohl qualitatives als auch quantitatives Datenmaterial ausgewertet werden. Die wesentlichsten Erhebungstechniken qualitativer Daten bilden nicht-standardisierte oder teilstandardisierte Befragungen, Beobachtungen und non-reaktive Verfahren. Ebenso können Sie bereits vorhandene Dokumente verwenden, wie beispielsweise Tagebücher, Briefe, Dossiers, Texte (vgl. Dokumentenanalyse). Dabei ist es beliebig, an welchen Phänomenen des Forschungsbereichs Ihr Analyseprozess ansetzt. Jedoch sollten Sie als Forscher/-in Ihr vorhandenes theoretisches Vorwissen über Ihr Forschungsgebiet transparent machen und Theorie eher in Form von sensibilisierenden Konzepten an den Untersuchungsgegenstand anlegen, so dass Sie möglichst offen für viele neue Aspekte des Problemfelds sind und diese kombinatorisch durchspielen können.

Das Verfahren der Grounded Theory Methodologie verläuft zirkulär und besteht in einer ggf. mehrfach zu durchlaufenden analytischen Triade:

  • Theoretisches Sampling: die Erhebung neuer Daten angestoßen durch jeweilige Resultate des Theorieentwicklungsprozesses
  • die Analyse von bereits vorliegendem Datenmaterial und der Prozess des theoretischen Kodierens,
  • die systematische Entwicklung von Theoriebausteinen wie Konzepten, Kategorien und daraus konstruierten Theorien sowie der Reflexionsprozess des Verfahrens.

Zentrale und parallel ablaufende Schritte der GTM nach Strauss und Corbin (1996) sind: das Stellen von generativen Fragen an das Material (Wer? Wann? Wo? Was? Wie? Wieviel? Warum?), Herstellen von Zusammenhängen zwischen den sich entwickelnden Kategorien im Hinblick auf eine konzeptuell dichte Theorie, kontrastive Vergleiche von Phänomenen, Beachten der Relevanz des Kodierens, Anstreben einer Integration (Was ist der Kern der Theorie? Identifizierung der Schlüsselkategorie(n)), Erstellen von Theorie-Memos sowie das Nutzen des Kodierparadigmas.

Das systematische Anfertigen von Memos im Verlauf Ihres Forschungsprozesses stellt für Sie eine wertvolle Hilfe zur Theoriebildung dar. Das Schreiben der Memos ist unerlässlich, denn es zwingt Sie dazu, Ihre eigenen Ideen, Assoziationen und Hypothesen in Bezug zur Theoriebildung und den Planungsschritten der Auswertung festzuhalten und diese zu ordnen.

Sie haben Ihre Daten erhoben (vgl. Durchführung) und transkribiert (vgl. Transkription), so dass Sie nun mit der Auswertung in Form der Kodierung beginnen. Strauss und Corbin (1996) schlagen für den Kodierprozess folgende Schritte vor:

Offenes Kodieren, d.h. die Daten werden „aufgebrochen“ (durch generative W-Fragen, kontrastive Vergleiche, etc.):

  • Texte werden in Segmente (Sinnabschnitte/Analyseeinheiten) unterteilt
  • Entdeckte Phänomene werden mit theoretischen Kodes und in-vivo Kodes bezeichnet
  • Memowriting (z.B. Theoriememos: Was davon kann Element der sich entwickelnden Theorie sein?)
  • Dimensionalisieren (z.B. wie ist das Phänomen ausgeprägt? Hoch oder niedrig? Stark oder schwach?)
  • Bündelung der Kodes zu ersten übergeordneten Kategorien

Axiales Kodieren, d.h. Sie stellen Relationen zwischen den Kategorien her:

  • Verfeinerung und Differenzierung bereits vorhandener Kategorien
  • Suche nach/Systematisierung von möglichen empirischen Zusammenhängen zwischen den Kategorien, wobei ein Kodierparadigma[2] als Hilfsmittel dient (Kodierparadigma in Anlehnung an Strauss in Strübing 2008, S. 28)
  • Ergebnisse: systematisch an Empirie rekonstruierte und probeweise in einem relationalen Modell verknüpfte Kategorien, überarbeitete Kodeliste und erweiterte Memos

Selektives Kodieren, d.h. Sie ermitteln eine Kernkategorie:

  • Kernkategorie als zentrales Phänomen, um das herum alle anderen Kategorien gruppiert werden können
  • Kernkategorie ist die Antwort auf Ihre Forschungsfrage

Nach Entwicklung der Grounded Theory schlagen Strauss und Corbin (2010) einige Kriterien vor, um den Forschungsprozess zu reflektieren und zu prüfen, ob der Theoriebildungsprozess gelungen und die Theorie gegenstandsverankert ist. Sie dienen sozusagen als Gütekriterien (vgl. Strauss/Corbin 2010, S. 217f.):

  • Wie wurde das Sample ausgewählt? Wie wurde diese Auswahl begründet?
  • Welche Hauptkategorien wurden entwickelt?
  • Welche Ereignisse, Vorfälle, Handlungen usw. verwiesen (als Indikatoren) bspw. auf diese Hauptkategorien?
  • Auf der Basis welcher Kategorien fand theoretisches Sampling statt? Wie leiteten theoretische Formulierungen die Datenauswahl an? In welchem Maße erwiesen sich die Kategorien nach dem theoretischen Sampling als nutzbringend für die Studie?
  • Was waren einige der Hypothesen hinsichtlich konzeptueller Beziehungen (zwischen Kategorien) und mit welcher Begründung wurden sie formuliert und überprüft?
  • Gibt es Beispiele, dass Hypothesen gegenüber dem tatsächlich Wahrgenommenen nicht haltbar waren? Wie wurde diesen Diskrepanzen Rechnung getragen?
  • Wie und warum wurde die Kernkategorie ausgewählt? War ihre Auswahl plötzlich oder schrittweise, schwierig oder einfach? Auf welchem Boden wurden diese abschließenden analytischen Entscheidungen getroffen?

Fazit

Die GTM ist ein regelgeleitetes und systematisches Verfahren, das dennoch nach dem Prinzip der Offenheit vorgeht. Durch die Auseinandersetzung mit dem Material in Form von Assoziationen und Vergleichen werden die Forschenden in ihrer Kreativität gefördert und es entsteht eine dem Gegenstand angemessene Theorie.  Da es sich bei der Grounded Theory um eine komplexe Methodologie und eine aufwendige Methode handelt und der Kodierprozess nach Strauss/Corbin einige Zeit erfordert, ist sie für Abschlussarbeiten, die auf wenige Monate begrenzt sind, weniger geeignet. Dennoch können der Kodierprozess nach Strauss und Corbin und die dahinterliegende Haltung wertvolle Anregungen bieten und stellen damit eine sinnvolle Alternative zu anderen Auswertungsmethoden dar. Ratsam ist es, sich während des Forschungsprozesses in einer Forschungsgruppe zusammenzuschließen, um sich über den Forschungs- und Auswertungsprozess austauschen und ggf. auch gemeinsam ausschnittweise kodieren zu können.

Weiterführende Literatur: Grounded Theory-Methodologie

  • Glaser, Barney/Strauss, Anselm L.: The discovery of gounded theory. Chicago: Aldine, 1967, (Originalwerk, deutsche Übersetzung: Grounded Theory. Strategien qualitativer Forschung. Bern: Verlag Hans Huber, 1998.)
  • Mey, Günter/Mruck, Katja (Hrsg.): Grounded Theory Reader. Historische Sozialforschung Supplement 19. Köln: Zentrum für historische Sozialforschung, 2007.
  • Strauss, Anselm L./ Juliet M. Corbin: Grounded Theory: Grundlagen qualitativer Sozialforschung. Beltz, Psychologie-Verlag-Union, 1996/2010.
  • Strübing, Jörg: Grounded Theory. Zur sozialtheoretischen und epistemologischen Fundierung des Verfahrens der empirisch begründeten Theoriebildung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2004.

[1] Die deutsche Übersetzung ist oft missverständlich. Mit einer „grounded“ Theory meinen Strauss und Glaser eine Theorie, die durch das Wechselspiel von Empirie und Theorieentwicklung entsteht und damit in den Daten gegründet bzw. verankert ist. Im weiteren Verlauf wird daher die englische Originalform verwendet.

[2] Das Kodierparadigma nach Strauss ist ein heuristisches Modell, das dabei hilft Kategorien im Hinblick auf ihre Beziehung untereinander zu strukturieren. So kann im Prozess überprüft werden, ob die entwickelten Kategorien und Kodes ursächliche Bedingungen, Kontextaspekte, Handlungsstrategien, intervenierende Bedingungen oder Konsequenzen in Bezug auf das untersuchte Phänomen darstellen.

Transkription

Frauke Raddy

Unterrichtssequenzen oder Aktivitäten im Schulleben, welche sie anhand von Ton-, Bild oder Filmdokumenten erfassen, können Sie auswerten. Das setzt allerdings voraus, dass diese Dokumente in eine schriftliche Form überführt werden, um sie der Analyse zugänglich zu machen. Dieser Vorgang wird in der Sozialwissenschaft als „Transkription“ (lat. trans-scribere = umschreiben) bezeichnet (vgl. Przyborski/Sahr 2009, S. 161).  Durch die schriftliche Form haben Sie die Möglichkeit, beispielsweise das Interview oder die Beobachtung intensiv zu untersuchen. Auf Basis der Transkripte kann die Auswertung (z.B. Dokumentarische Methode oder die qualitative Inhaltsanalyse) erfolgen.

 Die Interviews, Beobachtungen, Bild- oder Filmdokumente werden aufgezeichnet und anschließend nach den Regeln eines bestimmten Transkriptionssystems vollständig von der Verfasser/-in transkribiert. Die Transkriptionsregeln werden im Anhang einer Abschlussarbeit beigefügt. Aus Gründen des Datenschutzes  müssen Sie die Namen von Personen und Orten anonymisieren. Für die Nachvollziehbarkeit der Auswertungsschritte werden die Zeilen nummeriert. Die Erstellung von Transkripten nimmt viel Zeit in Anspruch. In der Regel werden für 10 Interviews von jeweils ca. 60 Minuten inklusive Korrektur 50-100 Arbeitsstunden benötigt (vgl. Dresing/Pehl 2012, S 24).

Es gibt unterschiedliche Transkriptionssysteme, welche für die Verschriftlichung gesprochener Sprache geeignet sind. Diese haben unter anderem die Aufgabe lautliche Phänomene aufzuzeichnen, welche in der Orthographie nicht beschrieben werden, wie beispielsweise das gleichzeitige Sprechen, Betonungen oder Pausen (vgl. Przyborski/Sahr 2009, S. 164).

An dieser Stelle ist es nicht möglich, eine umfassende Darstellung aller Transkriptionssysteme zu erörtern. Exemplarisch stelle ich zwei Beispiele vor und verweise anschließend auf entsprechende Quellen hinsichtlich weiterer Transkriptionssysteme.

Transkriptionssytem (1): TiQ (Talk in Qualitative Social Research) ist ein Transkriptionssystem zur Erfassung von Gesprächen für eine rekonstruktive Auswertung und kann mit jedem Textverarbeitungsprogramm durchgeführt werden (vgl. Przyborski/Sahr 2009, S. 164f.).

Im folgenden Abschnitt stelle ich Ihnen die Transkriptionsregeln von TiQ vor. Anschließend wird Ihnen anhand eines Beispieltranskripts die Umsetzung dieses Transkriptionssystems näher dargelegt.

Transkriptionsregeln nach TiQ

Interviewer/-in: Den Interviewer/-innen wird die Maskierung Y1 und Y2 zugewiesen.

Befragte: Jede Person, die an dem Interview beteiligt ist, wird in dem Transkript mit einem Buchstaben und mit einem f für feminin und einem m für maskulin gekennzeichnet.

(I_): Mit dem Häkchen (I_) wird die Überlappung von zwei Sprecher/-innen abgebildet.

(3): Die Zahl in Klammern gibt die Anzahl der Sekunden von einer Sprechpause an.

Nein: Betonung

@nein@: Lachend gesprochene Äußerungen

(doch): Unsicherheit bei der Transkription und schwer verständliche Äußerungen

Oh=nee: Zwei oder mehr Worte, die wie eines gesprochen werden (Wortverschleifung)

brau-: Abbruch eines Wortes

. : Stark sinkende Intonation

; : Schwach sinkende Intonation

Ja::: Dehnung von Lauten. Die Häufigkeit der Doppelpunkte entspricht der Länge der Dehnung

@(.)@: Kurzes Auflachen

((hustet)): Kommentar bzw. Anmerkung zu parasprachlichen, nichtverbalen oder gesprächsexternen Ereignissen. Soweit das möglich ist, entspricht die Länge der Klammer etwa der Dauer des lautlichen Phänomens (Przyborski/Sahr 2009, S. 166f.).

Des Weiteren werden die Zeilen nummeriert, damit die Transkriptstellen für die Datenauswertung zitiert werden können und somit den Leser/-innen die Einordnung in das Interview erleichtert wird.

Beispieltranskript aus einer Staatsexamensarbeit zum Thema „Chancen und Grenzen des Erwerbs von interkulturellen Kompetenzen“, welches nach dem oben genannten Regelsystem transkribiert wurde.

Passage: Eingangspassage

Datum: 27.01.2012

Timecode: 00:00:20-4 – 00:01:36-2

Transkription: Karin Muster

Korrektur: Ralf Meier

Y1: Ich habe dir ja schon erzählt dass sich meine Examensarbeit mit dem Thema  interkulturelle Kompetenz befasst, (2) jetzt würde ich dich einfach bitten, dass du erzählst, was du persönlich unter dem Begriff interkulturelle Kompetenz verstehst. #00:00:20-4#

Cm: Ja, also (3) ich habe da so @kein Vorwissen@, außer das, was ich gerade aus deinen Beschreibungen zur Examensarbeit mitgenommen habe. Interkulturelle Kompetenz darunter verstehe ich , dass man im Lehrerberuf eben kompetent ist, die Fähigkeiten aufweist, sich eben Kindern aus (verschiedenen) Migrationen, wie sagt man, aus verschiedenen Migrationshintergründen auseinanderzusetzen und ja, versucht, sag ich mal, deren Verhaltensweisen nachzuvollziehen und irgendwie vor diesem Hintergrund einordnen zu können. So dass man gegebenenfalls auftretende Probleme auf Grund von irgendwelchen religiösen Sachen meinetwegen begegnen kann, also dass man damit umge- kann, umgehen lernt. #00:01:08-9#

Y1: Also (2) was würdest du sagen, welche Bedeutung hat für dich diese interkulturelle Kompetenz in deiner zukünftigen Lehrerrolle? #00:01:15-5#

Cm: @(.)@ Puh::, (2) da hab ich mir wie gesagt noch @nie so wirklich Gedanken drüber gemacht@, aber ich denke, (4) man kann da auf jeden Fall nicht zu wenig Know-how haben, wenn man tatsächlich mal, ich sag mal, etwas extremeren Fall dann hat und nicht weiß, wie man damit umgehen soll. Dann (seufzen) kann man ja immer noch andere Leute fragen, die da mehr Ahnung von haben, aber es ist sicherlich nicht unwichtig, dass man da zu=nen gewissen Fall geschult wird. #00:01:36-2#

Diese und weitere Prinzipien und Konventionen von TiQ sowie Hinweise für MoViQ (Ein Transkriptionssystem zur Erfassung von Filmen) finden Sie in dem Arbeitsbuch Qualitative Sozialforschung von Aglaja Przyborski und Monika Wohlrab-Sahr (2009).

Transkriptionssystem (2): Auch Dresing/Pehl (2013) haben sich in dem „Praxisbuch Interview, Transkription & Analyse, Anleitungen und Regelsysteme für qualitativ Forschende“ mit der Transkription von qualitativen Interviews beschäftigt. In ihrem Handbuch unterscheiden sie zwischen dem „Einfachen Transkriptionssystem“ und dem „Feintranskript“.

Im folgenden Abschnitt stelle ich Ihnen die Transkriptionsregeln für das „Einfache Transkriptionssystem“  nach Dresing/Pehl (2013) vor:

1. Die Transkription erfolgt wörtlich, das bedeutet, ein Dialekt wird ins Hoch-deutsche übersetzt.

2. Syntaktische Fehler im Satzbau werden übernommen. Wortverschleifungen hingegen werden an das Schriftdeutsch angepasst.

3. Erfolgt ein Satzabbruch durch die Zielpersonen oder den InterviewerI-innen, wird dieser mit einem Schrägstrich / dargestellt.

4. Zu Gunsten der Lesbarkeit wird die Interpunktion geglättet. Das bedeutet, beim kurzen Senken der Stimme wird ein Punkt gesetzt. Ist die Betonung nicht eindeutig, wird ebenfalls eher ein Punkt gesetzt als ein Komma.  Wichtig ist, dass die Sinneinheiten beibehalten werden.

5. Sprechpausen werden durch Punkte in Klammern gekennzeichnet. Die Punkte geben die Anzahl der Sekunden an. Bei mehr als drei Sekunden Sprechpause markiert eine Zahl, z.B. (4), die Dauer der Pause.

6. Bekräftigende Äußerungen der Interviewer/-innen, wie z.B. „mhm,“ sowie Äußerungen der Zielpersonen, wie z.B. „äh“ werden nicht transkribiert. Eine Ausnahme bilden Antworten, die als bejahend erfolgen. Diese werden folgendermaßen markiert: „mhm (bejahend)“.

7. Die Betonung von Wörtern wird durch Großschreibung gekennzeichnet.

8. Die gesprochenen Beiträge erhalten jeweils einen eigenen Absatz, welcher am Ende mit einer Zeitmarke gekennzeichnet wird.

9. Geäußerte Emotionen nach einem gesprochenen Satz werden in Klammern protokolliert, z.B. (lachen/seufzen).

10. Die Äußerung eines unverständlichen Wortes wird durch (unv.) notiert. Erfolgen längere unverständliche Abschnitte, sollte in der Klammer die Ursache hinzugefügt werden, z.B. (unv., Hund bellt laut). Die Annahme eines Wortlautes kann durch ein Fragezeichen in Klammern versehen werden.

11. Befragte und Interviewer/-in werden durch die Buchstaben „I“ (Interviewer/-in) und „B“ (Befragte) gekennzeichnet (vgl. Dresing/Pehl 2013, S. 21ff.).

Beispieltranskript nach dem „Einfachen Transkriptionssystem“ (Dresing/ Pehl 2013

 I: Ich habe dir ja schon erzählt dass sich meine Examensarbeit mit dem Thema  interkulturelle Kompetenz befasst, (..) jetzt würde ich dich einfach bitten, dass du erzählst, was du PERSÖNLICH unter dem Begriff interkulturelle Kompetenz verstehst. #00:00:20-4#

B: Ja, also (…) ich habe da so kein Vorwissen (lachen), außer das, was ich gerade aus deinen Beschreibungen zur Examensarbeit mitgenommen habe. INTERKULTURELLE KOMPETENZ darunter verstehe ich,  dass man im Lehrerberuf eben kompetent ist, die Fähigkeiten aufweist, sich eben Kindern aus (verschiedenen?) Migrationen, wie sagt man, aus verschiedenen Migrationshintergründen auseinanderzusetzen und ja, versucht, sag ich mal, deren Verhaltensweisen nachzuvollziehen und irgendwie vor diesem Hintergrund einordnen zu können. So dass man gegebenenfalls auftretende Probleme auf Grund von irgendwelchen religiösen Sachen meinetwegen begegnen kann, also dass man damit umge/ kann, umgehen lernt. #00:01:08-9#

I: Also (..) was würdest du sagen, welche Bedeutung hat für dich diese interkulturelle Kompetenz in deiner zukünftigen LEHRERROLLE#00:01:15-5#

B: (lachen) Puh, (..) da hab ich mir wie gesagt noch nie so wirklich Gedanken drüber gemacht (lachen), aber ich denke, (4) man kann da auf jeden Fall nicht zu wenig Know-how haben, wenn man tatsächlich mal, ich sag mal, etwas extremeren Fall dann hat und nicht weiß, wie man damit umgehen soll. Dann (seufzen) kann man ja  immer noch andere Leute fragen, die da mehr Ahnung von haben, aber es ist sicherlich nicht unwichtig, dass man da zu einem gewissen Fall geschult wird. #00:01:36-2#

 Zwischen den einzelnen Transkriptionssystemen gibt es Unterschiede: Das „Einfache Transkriptionssystem“  beinhaltet schnell erlernbare Transkriptionsregeln und eröffnet uns einen schnelleren Zugang zum Gesprächsinhalt, da auf genaue Details zur Aussprache verzichtet wird. Dialekte werden ins Hochdeutsche übersetzt. Folglich wird das Transkript leichter lesbar und der Fokus liegt hier eher auf den Gesprächsinhalt (vgl. Dresing/Pehl 2013, S.17ff.).

Dagegen vermittelt das „Feintranskript“, welches nach einem komplexen Regelsystem erstellt wird, durch die Beibehaltung des Dialekts und der Tonhöhenverläufe eine bessere Vorstellung von den Interviewer/-innen. Ferner wird bei dem detaillierten Transkript auch die Tonhöhenverläufe, Nebenakzente, Lautstärke und Sprechgeschwindigkeit hinzugefügt (vgl. Dresing/Pehl 2013, S. 17ff.).

Demnach hängt die Entscheidung für eine Transkription von der Forschungsmethodik und der Erkenntniserwartung ab. Dabei steht die zentrale Frage  im Vordergrund: Für welche Art von Analyse erstelle ich mein Transkript? Sie sollten sich vorher überlegen, ob es z.B. für die Interpretation von Bedeutung ist, den Dialekt oder die besondere Betonung der Befragten zu transkribieren. Hier ist es wichtig klare Regeln aufzustellen, damit die wissenschaftliche Nachvollziehbarkeit gewährleistet ist (vgl. Dresing/Pehl 2013, S. 20).

Transkriptionssoftware

In der 5. Auflage des kostenfreien „Praxisbuch Interview, Transkription & Analyse“ wird des Weiteren der Umgang mit der Computersoftware f4 erläutert, welche Ihnen eine einfache Handhabung mit der Transkription ermöglicht. Die Softwareprogramme f4 und f5 erleichtern Ihnen die Transkription, da die Abspielgeschwindigkeit verlangsamt wird, ein automatischer Rücksprung durch das Pausieren eingesetzt wird und Zeitmarken gesetzt werden. Für Mac-Nutzer wurde die Version f5 entwickelt. Beide Programme werden stetig weiterentwickelt.

Zudem bietet MAXQDA 12 die Möglichkeit zur Transkription von Audio- und Videodateien.

Computersoftware für die Transkription:

Literatur

Kuckartz, U., Dresing, T., Rädiker, S., Stefer, C. (2008a). Qualitative Evaluation. Der Einstieg in die Praxis. Wiesbaden: VS-Verlag.

Kuckartz, U., Dresing, T., Rädiker, S., Stefer, C. (2008b). Qualitative Evaluation. Der Einstieg in die Praxis. 2. Auflage. Wiesbaden: VS-Verlag.

Kuckartz, U. (2010). Einführung in die computergestützte Analyse qualitativer Daten. 3. Auflage. Wiesbaden: VS Verlag.

Przyborski, A., Wohlrab-Sahr, M. (2009). Qualitative Sozialforschung. 2. Auflage. München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH.

Internetquellen:

Dresing, T., Pehl, T. (2013). Praxisbuch Interview, Transkription &  Analyse. Anleitungen und Regelsysteme für qualitativ Forschende. 5. Auflage. Marburg, 2013. http://www.audiotranskription.de/transkription-praxisbuch [Abruf: 27.07.2014]

http://www.audiotranskription.de/Praxisbuch-Transkription.pdf [Abruf: 27.07.14]

Concept Maps

Tamara Ihln

Concept Maps eignen sich, wenn Sie das Wissen von Kindern und Jugendlichen schriftlich – im Unterricht und/oder der Forschung – erheben möchten.

Als Einstieg erhalten Sie eine kurze Beschreibung darüber, was diese (Forschungs-)methode ausmacht und wozu sie sich eignet, um daran anknüpfend zu erfahren, wie sie effektiv – im Unterricht und/oder der Forschung – eingesetzt werden kann. Im Anschluss daran soll Ihnen ein exemplarisches Beispiel dargelegt werden, um die Umsetzung im Unterricht und/oder in der Forschung zu veranschaulichen. Abschließend erfahren Sie, wie Sie mit den erhobenen Daten umgehen.

Concept Maps werden auch als „Begriffslandkarten“ bzw. „Begriffsstrukturdarstellungen“ bezeichnet, da sie Wissen visuell repräsentieren. Das Besondere an ihnen ist – und damit unterscheiden sie sich von einer Mind-Map – dass die jeweiligen Wissenselemente (auch Konzepte/Knoten genannt) und ihre dazugehörigen Beziehungen zueinander anhand beschrifteter Pfeile oder Linien als „Relationen“ dargestellt werden, während eine Mind-Map vorrangig als Mittel zum Brainstorming genutzt wird (vgl. Richter 2008b, 135f.). Eine Concept-Map hingegen besteht aus einzelnen Begriffen, den Pfeilen zwischen diesen sowie der Beschriftung der Pfeile durch Verben (vgl. Gläser 2012, 20; vgl. dazu auch Abb. 1).

Beispiel einer Concept-Map

Concept Map_Politische Bildung

Abb. 1: Quelle: Richter (2008a, 39)

Sie sollten vor dem Einsatz einer Concept Map ihre Funktion innerhalb des Lernprozesses festlegen, ob Sie sie zur Diagnose (d.h. Erhebung des Vorwissens sowie der Fehlkonzepte), Erarbeitung (d.h. neuer Begriffe, Phänomene etc.) oder Kontrolle (d.h. individueller Leistungen und/oder des aktuellen Lernstands) einsetzen wollen (vgl. ebd.).

Es sind drei Formen des Mappings zu unterscheiden, welche Sie im Hinblick auf eine Anwendung im Unterricht und/oder in der Forschung betrachten sollten:

Eine Expertenmap wird durch einen Experten/einer Expertin zu dem jeweiligen Thema oder Themenbereich vorstrukturiert und zeigt damit, wie die fertige Map aussehen könnte. Ebenso ist es möglich eine lückenhafte Concept Map zu konzipieren, indem einige wesentliche Relationen/Begriffe ausgelassen werden,  die von den Kindern und Jugendlichen gefüllt werden müssen. Schließlich kann man sie auch eigene Maps zu einem Thema erstellen lassen (vgl. ebd.).

Um das selbstständige Entwickeln für die Kinder und Jugendlichen zu erleichtern, sollten Sie sich zuvor überlegen, welche Strukturierungshilfen Sie innerhalb der Concept Map vorgeben. Dies könnten beispielsweise alle Begriffe sein oder die Begriffe werden schon entsprechend platziert oder die Beziehungen/Relationen zwischen den einzelnen Begriffen werden vorgegeben (vgl. ebd.).

Bei der Erstellung einer Concept Map sollten sowohl Sie als Forscher/-in bzw. Lehrer/-in als auch die Schüler/-innen bestimmte Regeln beachten:

  • eine Concept Map/Begriffslandkarte/Begriffsstrukturdarstellung beinhaltet einzelne Begriffe/Wissenselemente
  • es gibt jeweils nur eine Verbindung zwischen zwei Begriffen, welche entsprechend mit einem Pfeil gekennzeichnet wird
  • die Pfeile geben die Richtung an, wie die beiden Begriffe zueinander in Beziehung stehen
  • jeder Begriff sollte – wenn möglich – auch mit weiteren Begriffen verknüpft werden
  • jede der Verknüpfungen wird oftmals mit einem Verb/einer Relation beschrieben (vgl. dazu auch Abb. 1)

Doch: Wie können Sie nun selbst Concept Maps erstellen?

Sie können nicht nur Programme zur Erstellung von Concept Maps nutzen (siehe Hinweis unten), sondern die Schüler/-innen auch selbst mit Stift und Papier arbeiten lassen.

Concept Maps können – ebenso wie Concept Cartoons®/ Konzeptdialoge® – eingesetzt werden, um (schriftlich) kindliche Präkonzepte und/oder Fehlvorstellungen sowohl im Unterricht als auch in der Forschung zu erheben.

Abschließend haben Sie die erhobenen Präkonzepte in schriftlicher Form vorliegen, so dass Sie diese nun analysieren (siehe bspw. Qualitative Inhaltsanalyse; Dokumentarische Methode) können. Als Lehrkraft helfen Ihnen die vorliegenden Konzepte Ihrer Schüler/-rinnen, um nun im Unterricht thematisch an die jeweils unterschiedlichen (Fehl-)Vorstellungen anzuknüpfen.

Programme

  • Microsoft Word

Literatur zur (Forschungs-)Methode

  • Gläser, Eva (2012): Methoden verstehen und anwenden. Concept Mapping im Sachunterricht. In: Grundschule Sachunterricht. 55, 2012, 20-23.

exemplarische Studien aus der Sachunterrichtsdidaktik sowie beteiligter Fachdidaktiken

  • Dunker, Nina (2010): Concept Maps im naturwissenschaftlichen Sachunterricht: Didaktische Rekonstruktion am Beispiel des Lerngegenstandes Feuer. Oldenburg.
  • Möller, Kornelia (2007): Genetisches Lernen und Conceptual Change. In: Kahlert, Joachim u.a. (Hrsg.) Handbuch Didaktik des Sachunterrichts. Bad Heilbrunn: Klinkhardt Verlag, S. 258-266.
  • Richter, Dagmar (2008a): Demokratie verstehen lernen. Elf Bausteine zur politischen Bildung in der Grundschule. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung.
  • Richter, Dagmar (2008b): Wissen-schaf(f)t(s)-Orientierung: Concept Maps im politischen Sachunterricht. In: Hartmut/Wiesemann Jutta Giest (Hrsg.): Kind und Wissenschaft. Welches Wissenschaftsverständnis hat der Sachunterricht? (=Probleme und Perspektiven des Sachunterrichts), Bd. 18. Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt Verlag, S. 133-143.
  • Brinkmann, Astrid (2005): Können Concept Maps eine Hilfe beim Problemlösen sein? In: Gesellschaft für Didaktik und Mathematik (Hrsg.).

Dokumentarische Methode

Dr. Anna Maria Kamin

Eine methodische Herangehensweise, um audiovisuell erzeugtes und transkribiertes Material auszuwerten (vgl. Auswertung quantitativ; Auswertung qualitativ), bietet Ihnen die dokumentarische Methode, welche im Folgenden in aller Kürze erläutert werden soll. Darauffolgend werden Sie auf die Grenzen und Chancen der Methode hingewiesen, um Ihnen abschließend beispielhaft das vierstufige Verfahren vorzustellen, mit welchem Sie die erhobenen – und transkribierten – Daten auswerten können.
Es handelt sich bei der Methode um ein verstehendes Verfahren. Im Vordergrund steht die Rekonstruktion und Interpretation immanenter (vorstellbarer) Sinngehalte von Erzähl-, Interaktions- und Diskursverläufen. Die Methode eignet sich, um qualitative Interviews, Gruppendiskussionen oder Videoaufzeichnungen auszuwerten, insbesondere wenn diese längere narrative Phasen beinhalten und damit über die reine Beschreibung (bspw. im Vergleich zur Qualitativen Inhaltsanalyse) hinaus vertiefend analysiert werden sollen. Leitgedanke des Begründers des Verfahrens – RALF BOHNSACK – ist, dass ein deutlicher Unterschied zwischen Verstehen und Interpretieren existiert, welcher durch die Rekonstruktion überwunden werden soll. BOHNSACK vertritt den Ansatz, dass sich Verstehen intuitiv und a-theoretisch aus der unmittelbaren Logik des Alltags heraus ergibt. Die Interpretation hingegen bezieht sich auf den zweckrationalen Zusammenhang einer Handlung, bzw. dem Motiv oder der Absicht, die sich hinter einer Handlung verbirgt (vgl. BOHNSACK 2003, S. 59 f.). Diese Differenz bezeichnet BOHNSACK als kommunikativen oder immanenten Sinngehalt und konjunktiven bzw. dokumentarischen Sinngehalt. Verstehen ist nach dieser Sichtweise die Explikation des Verstandenen bzw. die Spanne zwischen den beiden Sinnebenen. Somit muss es Ziel der Auswertung sein, implizites Wissen begrifflich zu erläutern (vgl. BOHNSACK/NENTWIG-GESEMANN/NOHL 2007, S. 12).

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Verstehen = ergibt sich rein intuitiv aus dem alltäglichen Verständnis heraus

Interpretation = bezeichnet ein an bestimmten Zwecken und Motiven ausgerichtetes Denken und Handeln

Unterschied zwischen Verstehen und Interpretation = basiert auf einem kommunikativen und immanenten Sinngehalt (Verstehen) und einem konjunktiven bzw. dokumentarischen Sinngehalt (Interpretation). Diese Differenz soll durch die Rekonstruktion überwunden werden.

Verstehen ist die Erläuterung des Verstandenen. Ziel der Auswertung: implizites Wissen begrifflich darzustellen.

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Dokumentarische Methode_Abb. TI

Abb. 1.: verkürzte Darstellung IHLN (2014)
BOHNSACK schlägt dazu ein vierstufiges Verfahren vor: eine formulierende Interpretation, eine reflektierende Interpretation, eine Fallbeschreibung und einen Vergleich, der eine Typenbildung mit theorieorientierten Hinweisen anstrebt.
Doch: Da die Methode sehr komplex ist, ist sie in vollem Umfang und mit allen Auswertungsschritten für kleinere Forschungsarbeiten, wie bspw. einer B.A.-Arbeit o.Ä., ungeeignet. Dennoch bietet die dokumentarische Methode mit ihrer alternativen Sichtweise auf qualitative Daten die Chance, vertiefende Erkenntnisse zu den erhobenen Daten zu erhalten. Vielfach werden für Qualifikationsarbeiten, wie bspw. auch Dissertationen o.Ä., lediglich die ersten beiden bzw. drei Auswertungsschritte durchgeführt.
Wie die nachfolgende Beschreibung der Vorgehensweise sowie das angeführte Beispiel Ihnen verdeutlichen soll, birgt die Methode die Gefahr, dass die Ergebnisse in erster Linie an die Interpretation des Forschers/der Forscherin – also Ihre eigene Interpretation – gebunden (s.u.) und damit nicht ausreichend valide (gültig) sind. Alle Protagonisten der dokumentarischen Methode empfehlen daher zwingend, die Diskussion Ihrer Ergebnisse in einer Interpretationsgruppe (z.B. in Kolloquien oder Forschungswerkstätten).

I Formulierende Interpretation

Im ersten Schritt der dokumentarischen Methode geht es darum herauszuarbeiten, welche Themen und Unterthemen in Ihrem Interview/Ihrer Gruppendiskussion angesprochen werden. Da Sie im Zuge dieser Untergliederung des Textes – Ihres Transkripts – zusammenfassende Formulierungen leisten, nennt BOHNSACK diesen Schritt ‚formulierende Interpretation‘. In diesem Schritt verbleiben Sie noch innerhalb des Orientierungsrahmens, den Ihnen der/die Interviewte vorgibt, und machen diesen noch nicht zum Gegenstand begrifflich-theoretischer Explikation, d.h. Sie beginnen an dieser Stelle noch nicht, die Aussagen begrifflich-theoretisch sowie theoriegeleitet zu erläutern.
Die formulierende Interpretation kann somit als Rekonstruktion der thematischen Gliederung Ihrer erstellten Transkripte gesehen werden.
Darüber hinaus werden zur Vorbereitung auf den nächsten Interpretationsschritt Passagen innerhalb Ihrer Transkripte gekennzeichnet, die durch thematische Relevanz in Bezug auf Ihre formulierte Fragestellung für eine komparative Analyse (d.h. Untersuchung Ihrer Fälle nach dem Kriterium der Vergleichbarkeit) geeignet sind.
Ebenso werden von Ihnen weitere Passagen aus dem Skript ausgewählt, die sich unabhängig von der Fragestellung durch eine besondere interaktive und metaphorische Dichte auszeichnen (z.B. Passagen, in denen ein häufiger Sprecherwechsel stattfindet, in denen das Thema ausführlich behandelt wird oder Sequenzen, die in sich eine Intensität aufweisen).
So wird an dieser Stelle die Frage beantwortet, was innerhalb des Interviews und/oder der Gruppendiskussion gesagt wird und der Inhalt des Transkripts wird paraphrasiert, so dass die thematische Struktur und Gliederung des Textes nachgezeichnet werden können.

Beispiel: Interview mit 13-jähriger Schülerin zu Medienhandeln in der Familie
Also ich (.) tipp die einfach bei Google ein die Sachen die ich suche und dann (.) zum Beispiel Wikipedia oder so. //mhm// Da kann man ja immer sowas reinschreiben was man will. //mhm// Es stimmt ja nicht immer //genau// und dann guck ich immer (.) wenn (.) richtig viele Seiten wenn immer das Gleiche da st=drin steht dann nehm ich das einfach raus. Z.312-315

Oberthema: Internetnutzung
Unterthema: Strategien bei der Internetrecherche für die Schule Z. 312-315
312 Eingabe des Suchbegriffs in die Suchmaschine Google
313 Verwendung der Enzyklopädie Wikipedia
313-314 In Wikipedia kann jeder reinschreiben, daher stimmt nicht alles
314-315 Wenn auf vielen Seiten das Gleiche steht, verwendet sie die Informationen

Wenn Sie nun Ober- und Unterthemen für Ihre Passagen formuliert haben, erhalten Sie gleichzeitig eine thematische Feingliederung.

II Reflektierende Interpretation

Im zweiten Interpretationsschritt erfolgt eine Rekonstruktion und Explikation (Erläuterung) des Rahmens, innerhalb dessen das Thema abgehandelt wird. Diese Identifizierung von Bedeutungszusammenhängen wird als ‚reflektierende Interpretation‘ bezeichnet. Voraussetzung für diese empirisch-methodisch kontrollierte Reflexion ist für BOHNSACK der Bezug auf empirisch fundierte und nachvollziehbare Gegenhorizonte (vgl. ebd., S. 38). Die Identifikation von Gegenhorizonten, bspw. die Abgrenzung von Personen oder Gruppen, bilden die wesentlichen Bezugspunkte der reflektierenden Interpretation. Ihre eigenen Vorstellungen oder Entwürfe, die den Gegenhorizont bilden, können entweder gedankenexperimentell sein oder auf hypothetischen Vorstellungen beruhen, sind also abhängig vom Standort des Interpreten/der Interpretin. Demzufolge ist es notwendig, dass Sie nun durch empirische Fundierung der Vergleichshorizonte die Untersuchung methodisch kontrollierbar und intersubjektiv nachvollziehbar machen.

Beispiel:
Zeilennummern
312-315 Oberthema
Internetnutzung Unterthema
Internetrecherche für die Schule
Orientierungsmuster
Schematisches Vorgehen bei der Informationssuche im Netz

Horizont
Eingabe des Suchbegriffs in Google

Informationen werden als valide erachtet, wenn sie mehrfach identisch im Netz auftauchen. Gegenhorizont
Zielgerichtete Vorgehensweise mit der Anwendung von erweiterten Suchoptionen und Werkzeugen.
Kriterien geleitete Bewertung von Internetquellen.

Analytisches Fazit
Die Passage deutet auf eine wenig ausgeprägte Reflexivität im Umgang mit Internetquellen und mangelnde medienkritische Fähigkeiten der Schülerin hin.

So könnten Sie für diesen Schritt Fragen unterstützen, wie bspw.:
– Welche Bemühungen, Wünsche und Gedanken enthält die vorliegende Passage?
– Welcher Sinngehalt kann als Grundlage dieser Aussage formuliert werden?

III Fallbeschreibung

Nachdem Sie den Diskursverlauf im Zuge der formulierenden Interpretation und der reflektierenden Interpretation in seine Komponenten zergliedert haben, wird in der so genannten Fallbeschreibung (manchmal auch als Diskursbeschreibung bezeichnet) all dies wieder zusammengesetzt und eingebunden. An dieser Stelle entwickeln Sie nun eine Art Nacherzählung des Diskursverlaufs. (BOHNSACK 2003, S. 51). Primäre Aufgabe ist es, die Ergebnisse im Zuge einer Veröffentlichung darzustellen. Dabei fügen Sie ausgewählte Textpassagen als Zitate ein.

Beispiel:
Bei der Internetrecherche geht die Interviewpartnerin wenig zielgerichtet vor. Die Aussage tipp die einfach bei Google ein lässt den Schluss zu, dass sie keine erweiterten Suchoptionen oder alternative Suchmaschinen kennt. Gleichwohl weiß sie, dass Internetquellen, wie Wikipedia, nicht immer glaubhaft sind. Zur Bewältigung hat sich Shiva eine Strategie angeeignet die nicht auf eine angemessene Quellenkritik im Sinne einer Beurteilung nach validen Kriterien beruht, stattdessen praktiziert sie eine heuristische Herangehensweise, indem sie Informationen verwendet, die mehrfach identisch im Netz auftauchen werden (wenn immer das Gleiche da st=drin steht).

IV Typenbildung

Innerhalb der zuvor beschriebenen Interpretationsschritte wurden die Analyse eines Einzelfalls und der fallinterne Vergleich fokussiert. Im nun abschließenden Auswertungsschritt der dokumentarischen Methode, gerät die fallübergreifende Abstraktion aus all Ihren Fällen in den Fokus. Ziel dessen ist es, eine Typisierung vorzunehmen, d.h. im Zuge der Typenbildung arbeiten Sie aus der Interpretation Bezüge zwischen spezifischen Orientierungen und Erlebnishintergründen heraus. Wesentliches Element der Typenbildung ist die komparative Analyse einzelner Fälle (vgl. ebd. 2003, S. 135).

Softwareempfehlungen:

Keine

Literatur:

  • Bohnsack, Ralf (2003): Rekonstruktive Sozialforschung. Einführung in qualitative Methoden. 5. Aufl. Opladen: Barbara Budrich Verlag.
  • Bohnsack, Ralf; Nentwig-Gesemann, Iris; Nohl, Arnd-Michael (Hg.) (2007): Die dokumentarische Methode und ihre Forschungspraxis. Grundlagen qualitativer Sozialforschung. 2., erweiterte und aktualisierte Auflage. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
  • Nohl, Arnd-Michael (2008): Interview und dokumentarische Methode. Anleitungen für die Forschungspraxis. 2., überarb. Aufl. Wiesbaden: VS Verl. für Sozialwissenschaften.

Weitere Praxisbeispiele:

Dokumentarische Methode: Schulpädagogik, Universität Kassel (Online verfügbar unter: http://www.fallarchiv.uni-kassel.de/lernumgebung/dokumentarische-methode/ November 2014)

Concept Cartoons®/ Konzeptdialoge®

Tamara Ihln

Was sind Concept Cartoons®/ Konzeptdialoge® und wie sind sie einzusetzen?

Mit dem Einsatz der Concept Cartoons®/ Konzeptdialoge® können Sie sowohl Schülervorstellungen erheben („Wie machst du es?“ – „What do you think?“) als auch über kindliche Vorstellungen (Concepts) diskutieren („Ich mache es so!“). Somit eignen sich Concept Cartoons®/Konzeptdialoge® als Erhebungsimpuls für beispielsweise eine mündliche Befragung (siehe Befragung, bspw. Interview oder Gruppendiskussion) als auch als Unterrichtsimpuls (vgl. LEMBENS 2014) .
Nach einer kurzen Beschreibung zur Forschungsmethode der Concept Cartoons®/ Konzeptdialoge® und ihrer Erstellung wird dargestellt, wie Sie die Methode anwenden und entsprechend für eine Umsetzung im Unterricht und/oder der Forschung modifizieren können. Abschließend erfahren Sie, wie sie im Anschluss mit den erhobenen Daten umgehen können.
Beispiel eines Concept Cartoons®

Abb. 1: Concept Cartoons® Talking sport and fitness

Concept Cartoon_Talking about sport and fitness

KEOGH UND NAYLOR entwickelten Concept Cartoons® im Jahre 1991 als ein Aufgabenformat, welches das naturwissenschaftliche Lernen nachhaltig unterstützen sollte. Beide haben u.a. das Lehren und Lernen durch die Entwicklung von Concept Cartoons® im naturwissenschaftlichen Bereich deutlich geprägt.
Bei den von KEOGH UND NAYLOR erstellten Concept Cartoons® steht beispielsweise ein Phänomen im Mittelpunkt, welches ebenso im Alltag von Kindern und Jugendlichen vorkommen kann (vgl. SCHOMAKER 2013, 14). Das Phänomen wird dabei zeichnerisch dargestellt und von Jungen und Mädchen in Form eines Cartoons kommentiert (siehe Abb. 1). Anhand der Kommentare – von Kindern und Jugendlichen – zu dem abgebildeten Phänomen, ergibt sich meist ein Problem oder eine Fragestellung, welche dann von den Kindern und Jugendlichen diskutiert werden soll. Diese Anregung wird in den Concept Cartoons® durch die Frage „What do you think?“ oder das abgebildete „?“ dargestellt (siehe Abb. 1).
Die abgebildeten Äußerungen entsprechen (empirisch erhobenen) Schülervorstellungen, so dass Sie dadurch die Entwicklung einer fachlich tragfähigen Sichtweise von Kindern und Jugendlichen, durch den Ausdruck und die allgemeinen Sichtweisen innerhalb der Cartoons, unterstützen. Kinder und Jugendliche werden durch die Cartoons direkt aufgefordert, im gemeinsamen Gruppengespräch die Ansichten des geschilderten Problems oder der entstandenen Fragestellung zu diskutieren. Anhand des vorgelegten Cartoons können Kinder und Jugendliche nun die Äußerungen der skizzierten Aussagen gegeneinander abwägen und ihre eigenen Vorstellungen zum Ausdruck zu bringen (vgl. SCHOMAKER 2013, 14).
Der Anspruch zur Gestaltung eines eigenen Concept Cartoons® ist es, die jeweils dargestellten Sichtweisen – der im Phänomen involvierten Kinder – so zu formulieren, dass sich nicht zwingend einige der Positionen ausschließen oder als richtig identifizieren lassen. Dadurch leiten Sie die Kinder an, die Äußerungen auf dem Bild gegeneinander abzuwägen und ihre eigenen Vorstellungen zum Ausdruck zu bringen (vgl. SCHOMAKER 2011, 14).

SCHOMAKER/LÜSCHEN (2011) erweiterten die Idee der Concept Cartoons®, indem sie die sich widersprechenden Aussagen/Äußerungen kindlicher Vorstellungen zu einem Thema innerhalb der Cartoons in den Fokus stellten. Diese erweiterte Form nennt sich Konzeptdialog® (siehe Abb. 2).

Beispiel eines Konzeptdialogs® Magnestismus

Konzeptdialog_Magnetismus_Wie kann Paul seine Münze zurückholen

Abb. 2: Quelle: SCHOMAKER (2011, 12)

Den Konzeptdialogen® geht – im Unterschied zu Concept Cartoons® – eine explizite Fragestellung voraus, welche so konzipiert ist, dass sich die Kinder und Jugendlichen der Frage auf unterschiedlichen Ebenen annähern können und daher keine Lösungsvorschläge/-wege vorgegeben werden (siehe Abb. 2).
Mögliche Fragen sind beispielsweise: „Wie hält eine Kette aus Büroklammern?“, „Wo ist ein Magnet am stärksten?“, „Kann ein Nagel einen Magneten anziehen?“ (Schomaker 2013, Material „Bildkarten“).
Die Kinder können frei wählen, auf welche Weise sie sich der Frage annähern und können durch den kommunikativen Austausch miteinander eine Lösung entwickeln (vgl. SCHOMAKER 2011, 15).
Die Aufforderung („Ich mache es so!“ – „Wie machst du es?“) in den Konzeptdialogen® ermöglicht es beispielsweise, eigene Ideen zu formulieren sowie in den Austausch mit anderen zu treten. Concept Cartoons® hingegen legen mit ihrer Frage („What do you think?“) den Fokus auf das Formulieren eigener Lösungswege.
Durch die Umsetzung der Concept Cartoons®/Konzeptdialoge® im Unterricht und/oder in der Forschung besteht für Sie nun die Möglichkeit konkurrierende Theorien aufzugreifen, welche visuell ansprechend wirken und ein Minimum an Text für die verschiedenen Erklärungen bieten.

Durch die Vorlage eines leeren Cartoons bietet sich Ihnen die Möglichkeit, durch die eigene Gestaltung bzw. Ergänzung, Schülervorstellungen zu erheben oder eine Diskussion über kindliche Vorstellungen anzuregen und legen damit Ihren eigenen (thematischen) Schwerpunkt.

Beispiel eines leeren Konzeptdialogs® zur Vorlage

leeres KD

Abb. 3: Quelle: SCHOMAKER (2011, 12), überarb. IHLN (2014)
Wenn Sie Concept Cartoons®/Konzeptdialoge® beispielsweise im Rahmen eines Interviews oder einer Gruppendiskussion zu einem bestimmten Phänomen oder einer konkreten Fragestellung eingesetzt haben, sollten Sie das vorliegende Interview transkribieren (siehe Transkription), um es anschließend zu analysieren und auszuwerten (siehe Qualitative Inhaltsanalyse; siehe Dokumentarische Methode). Haben Sie jedoch Concept Cartoons®/Konzeptdialoge® als schriftliche Erhebung eingesetzt und nun die eingetragenen Überlegungen der Schüler/-innen vorliegen, können Sie diese beispielsweise anhand der dokumentarischen Methoden (siehe Dokumentarische Methode) analysieren. Haben Sie die Präkonzepte Ihrer Schüler und Schülerinnen schriftlich mit dieser Methode erhoben oder die Lernenden mündlich über die Vorstellungen diskutieren lassen, so haben Sie nun die Möglichkeit, mit ihren Kindern und Jugendlichen thematisch inhaltlich im Unterricht, an die neu gewonnenen Vorstellungen, anzuknüpfen.

Literatur zur (Forschungs-)Methode

  • Barke, Hans-Dieter/Yitbarek, Saleshi (2009): Zur Diskussion gestellt. Concept-Cartoons – Hilfen zur Diagnose und Korrektur von Schülervorstellungen. In: MNU (2006), 6, 364-371.
  • Schomaker, Claudia/ Lüschen, Iris (2011): Kinder erkunden die Welt. Zur Rolle von Lernaufgaben in altersübergreifenden Sachlernprozessen im Übergang vom Elementar- in den Primarbereich. In: Kosinar, Julia/ Carle, Ursula (Hrsg.): Aufgabenqualität in Kindergarten und Grundschule. Grundlagen und Praxisbeispiele. Baltmannsweiler: Schneider Hohengehren, 185-195.
  • Schomaker, Claudia (2013): „Konzeptdialoge“ als Aufgabenformat im Sachunterricht. In: Grundschule Sachunterricht. (2013), 59, 14-16.
  • Stenzel, Rene/Eilks, Ingo (2005): Gesprächsanlässe schaffen mit Concept Cartoons. In: Praxis der Naturwissenschaften. Chemie in der Schule. 8/2005. Köln: Aulis, 44-47.
  • Naylor, Stuart/Keogh, Brenda (2000): Concept Cartoons. In: Science Education. Cheshire: Printing House.
  • Fenske, Felix/Klee, Andreas/Lutter, Andreas (2011): Concept-Cartoons as a Tool to Evoke and Analyze Pupils Judgments in Social Science Education. In: Journal of Social Science Education 3/2011, 46-52.

exemplarische Arbeiten aus der Sachunterrichtsdidaktik sowie beteiligter Fachdidaktiken

  • Bertsch, Christian (2008): Forschend-begründetes Lernen im naturwissenschaftlichen Unterricht. Wege zu einer naturwissenschaftlichen Grundbildung am Übergang Primar/Sekundarstufe am Beispiel von Unterrichtsmaterialien zum Thema Fotosynthese. Dissertation zur Erlangung des Doktorgrades der Geisteswissenschaft an der Fakultät für Bildungswissenschaften der Universität Innsbruck, (Online verfügbar unter: https://www.imst.ac.at/imst-wiki/images/2/2b/Dissertation_ChristianBertsch.pdf November 2014)
  • Gläser, Eva (2013): „Weil Eisen kann fast alles anmagneten“ – Schülervorstellungen zum Magnetismus. Grundschule Sachunterricht, 59 (3), 4-5.
  • Schomaker, Claudia (2013): Magnetismus – ein faszinierendes (Alltags-)Phänomen. Grundschule Sachunterricht, 59 (3), 2-3.
  • Steininger, Rosina/Lembens, Anja (2011): Concept Cartoons zum Thema Redoxreaktionen. In: PdN Chemie in der Schule (2011), 3/60, 26-31.

Linksammlung

Qualitative Inhaltsanalyse

Stefanie Meier

Nachdem Sie nun Ihre Daten erhoben haben, besteht der nächste Schritt in der Auswertung eben dieser. Eine mögliche Auswertungsmethode stellt die Kodierung durch die qualitative Inhaltsanalyse dar, welche Ihnen im Folgenden in ihren Grundzügen näher vorgestellt werden soll. Das Ziel besteht darin, fixierte Kommunikation (Ihre Transkripte, Texte, Bilder, Noten, symbolisches Material etc.) zu analysieren, um infolgedessen Rückschlüsse zur Beantwortung der Forschungsfrage ziehen zu können. Angestrebt wird somit eine Reduzierung der Komplexität des Materials. Diese können Sie mithilfe eines Kategoriensystems erreichen, in welchem Sie diejenigen Aspekte festlegen, die für die Auswertung relevant erscheinen und aus dem Material herausgefiltert werden sollen. Eine präzise Beschreibung für den Begriff der Kategorie zu finden, ist alles andere als trivial: In der qualitativen Inhaltsanalyse wird eine Kategorie als ein Bezeichner (oder etwas Bezeichnendes) verstanden, dem Textstellen zugeordnet werden (vgl. Kuckartz 2007, S. 57). Teile des Textes werden also nach bestimmten Kriterien geordnet und durch Kategorien beschrieben. Es kann sich bei der Benennung dieser um ein einzelnes Wort (z. B. „Kompetenzentwicklung“) oder aber auch um eine Mehrwortkombination (z. B. Einstellungen zum Muttersprachenunterricht) handeln. Die Herangehensweise und die konkreten Schritte der Kategorienbildung sowie die Anzahl und der Aufbau des Kategoriensystems variieren je nach Forschungsgegenstand und –frage, sodass keine allgemeingültigen Richtangaben gemacht werden können.

Grundlegend bestehen zwei Möglichkeiten der Kategorienbildung: die deduktive und die induktive Vorgehensweise. Ihre Entscheidung für die eine oder die andere Vorgehensweise hängt von dem Umfang Ihres theoretischen Vorwissens und Ihres gewählten Erhebungsinstruments ab. Beiden gemein ist eine kontrollierte und regelgeleitete Vorgehensweise. Dabei schließen sich die zwei Strategien nicht gegenseitig aus, sodass auch eine Kombination beider möglich ist.

 

Deduktive Kategorienbildung:

Bei diesem von Mayring als Strukturierung bezeichnetem Verfahren werden die Kategorien vor der Analyse des Datenmaterials aufgestellt und definiert. Das Ziel ist die Extrahierung festgelegter Elemente aus dem Material. Es erfolgt ein Durchlauf durch die gesamten Daten hinsichtlich vorab beschlossener Strukturen. Aufgrund dieser Ordnungskriterien soll die Grundgestalt, das Profil des Materials, beurteilt werden (vgl. Mayring 2010, S. 65). Es bietet sich dann an, wenn Sie bereits über ein umfassendes Vorwissen verfügen, bereits Hypothesen bezüglich Ihres Forschungsgegenstandes aufgestellt haben oder aber ein (teil-)standardisiertes Erhebungsinstrument, wie beispielsweise einen Interviewleitfaden, verwendet haben. Die Kategorien können dann durch wichtige Aspekte aus der bereits bekannten Literatur zu dem jeweiligen Forschungsgegenstand und/oder anhand des verwendeten Datenerhebungsinstruments gebildet werden.

Im Folgenden sehen Sie einen Interviewleitfaden, welcher im Rahmen einer Staatsexamensarbeit zum Thema „Chancen und Grenzen des Erwerbs von interkulturellen Kompetenzen“ entstanden ist.

  1. Was verstehst Du unter dem Begriff interkulturelle Kompetenz?
  2. Welche Erfahrungen konntest Du bereits zum Thema ‚interkulturelle Kompetenz‘ an der Universität machen?
  3. Welche Möglichkeiten zum Erwerb interkultureller Kompetenz an der Universität kennst Du noch?
  4. Welche Wünsche/Anregungen/Verbesserungsvorschläge hast Du für die Uni in dem Bereich Förderung von interkultureller Kompetenz?
  5. Welche Bedeutung hat für Dich interkulturelle Kompetenz in deiner zukünftigen Lehrerrolle?
  6. Was bedeutet es für Dich, wenn eine Klasse von vielen Schüler/innen mit Migrationshintergrund besucht wird?

 

 

Im Falle dieses Leitfadens lassen sich nun deduktiv unter anderem die folgenden Oberkategorien ableiten:

  • Begriffsverständnis interkulturelle Kompetenz
  • Thematische Erfahrungen
  • Möglichkeiten zum Erwerb interkultureller Kompetenz

 

Nachdem Sie nun deduktiv einige Kategorien erstellt haben, sichten Sie Ihr Datenmaterial und ordnen alle relevanten Textstellen den passenden Kategorien zu. Diesen Vorgang nennt man Kodierung. Hierfür existiert entsprechende Software (s. u.), allerdings eignet sich für schmalere Datenmengen ebenso die Arbeit mit Papier und farbigen Stiften für die verschiedenen Kategorien. Die Kodierung eines Textabschnittes mit mehreren Kategorien ist zulässig, da in ein und derselben Textstelle verschiedene Themen angesprochen werden können.

Im nächsten Schritt halten Sie Ihr Vorgehen in einem Kodierleitfaden fest, um eine möglichst präzise Formulierung der Kategorien zu erreichen und unnötige Überschneidungen zu vermeiden.

  1. Definition der Kategorien: Es wird definiert, welche Bestandteile unter eine Kategorie fallen sollen.
  2. Ankerbeispiele: Es werden konkrete Textstellen aus dem Protokoll oder Transkript des Interviews als Musterbeispiele für die Kategorie angeführt.
  3. Kodierregeln: Dort, wo Abgrenzungsprobleme zwischen einzelnen Kategorien bestehen, werden Regeln formuliert, um eindeutige Zuordnungen sicherzustellen (vgl. Mayring 2010, S. 106).

Dieser Kodierleitfaden dient als Handreichung sowohl für Sie selbst als auch für alle anderen Forschenden, welche in die Auswertung der Daten involviert sind oder es zukünftig sein könnten. Um eine hinreichende Güte bei der Anwendung der Kategorien zu erreichen, sollten die Kodierungen der verschiedenen Forscherinnen und Forscher unabhängig voneinander weitestgehend übereinstimmen. Diese Forderung entspricht dem Gütekriterium der Intercoder-Reliabilität.

 

Beispiel für einen Kodierleitfaden aus der oben genannten Staatsexamensarbeit:

Kategorie Definition Ankerbeispiel Kodierregeln
Begriffsverständnis interkulturelle Kompetenz Alle Textstellen, die auf eine Deutung des Begriffs interkulturelle Kompetenz hinweisen B1: „Dass man weiß, wo es vielleicht so Schwächen gibt, die nur von bestimmten Ländern, also wie sagt man das, also dass die Leute aus einem bestimmten Land eben genau diese Schwäche haben.“B2: „Dass man im Lehrerberuf eben kompetent ist, […] sich eben Kindern aus verschiedenen Migrationen, […] auseinanderzusetzen und ja, versucht, sag ich mal, deren Verhaltensweisen nachzuvollziehen und irgendwie vor diesem Hintergrund einordnen zu können.“ Nur inhaltliches Verständnis des Begriffs, keine wertenden Äußerungen
ThematischeErfahrungen

 

 

Induktive Kategorienbildung:

Bei der induktiven Vorgehensweise werden die Kategorien nicht vor der Sichtung des Materials erstellt, sondern direkt aus dem Material abgeleitet, ohne sich auf vorab verwendete Theoriekonzepte zu beziehen. Mayring bezeichnet diese Art der Kategorienbildung als zusammenfassende Inhaltsanalyse. Das Ziel besteht in der Eingrenzung der Textelemente, ohne den inhaltlichen Kern und die Essenz des Materials zu verfälschen. Durch diese Reduzierung soll eine Übersichtlichkeit der Daten erzeugt werden, welche immer noch der Grundform des Materials entspricht (vgl. Mayring 2010, S. 65). Für diesen Typ der Analyse sollten Sie zunächst die einzelnen verschriftlichten Interviewaussagen aus Ihren Transkripten in eine reduzierte Form bringen, indem Sie nur die inhaltstragenden Bestandteile beibehalten und Ausschmückendes fallen lassen. Sich aufeinander beziehende oder inhaltsgleiche Aspekte werden zusammengefasst und durch eine neue Aussage (Kategorie) wiedergegeben. Entsprechende Stellen im Material werden nun der neu gebildeten Kategorie zugeordnet, also kodiert. Stoßen Sie auf Stellen im Datenmaterial, welche nicht in die zuvor gebildete Kategorie passen, bilden Sie eine neue Kategorie. Wiederholen Sie dieses Vorgehen mit Ihren restlichen Daten. Nachdem Sie nun auf diesem Wege ein Kategoriensystem entwickelt haben, empfiehlt sich eine Rücküberprüfung der entworfenen Struktur durch einen zweiten Materialdurchlauf.

 

Fall Zitat Paraphrase Generalisierung Kategorie
B9Zeile 40-43 „Ganz wichtig natürlich als Lehrer ist diese Offenheit, nicht dieses von oben herab, sondern wirklich auch den Eltern das Gefühl zu geben, hier ist es auch wichtig bei uns in Deutschland, für uns wichtig an Erfahrung mit den Eltern zusammenzuarbeiten, um den Kindern das Bestmögliche für die Zukunft mitzugeben.“ Für eine Lehrperson ist die Offenheit zur Zusammenarbeit mit den Eltern wichtig für die Zukunft der Kinder. Bereitschaft der Lehrperson für die Partizipation der Eltern. Verhalten der Lehrperson
B9Zeile 44-52

 

Verbindung von deduktivem und induktivem Vorgehen

Innerhalb von Forschungsprojekten werden häufig beide Formen kombiniert und nicht immer in Reinform vollzogen. Wenn Sie zunächst die deduktive Kategorienbildung gewählt haben, bilden Sie neben den aus der Theorie oder dem Erhebungsinstrument erstellten Kategorien eine „Restekategorie“. Unter diese fällt das Datenmaterial, welches keiner der deduktiv erstellten Kategorien zugeordnet werden kann. Durch eine Reduktion des Materials aus der Restekategorie auf die zentralen bedeutungstragenden Aussagen (im Sinne der zusammenfassenden Inhaltsanalyse) werden neue Kategorien und Subkategorien induktiv gebildet.

Das gesamte Kategoriensystem kann nun in Bezug auf die Fragestellung und die einbezogene Theorie interpretiert werden. Zudem können Sie auch quantitative Aspekte bei der Auswertung berücksichtigen und analysieren, welche Kategorien sehr oft kodiert werden, für welche es weniger Fundstellen gibt und welche Rückschlüsse aus diesen Ergebnisse gezogen werden können.

 

Softwareempfehlungen:

Für geringere Datenmengen eignen sich übliche Textverarbeitungsprogramme wie Microsoft Word, OpenOffice und andere Open Source-Software. Umfangreichere Möglichkeiten zur Kodierung Ihrer Daten bieten Analyseprogramme wie f4analyse oder MAXQDA. Die direkte Einbindung von Audio- oder Videodokumenten sowie der Export in weitere Programme wie Excel oder SPSS sind hier möglich. Informieren Sie sich über kostenfreie Testversionen oder Studierendenlizenzen an Ihrer Universität.

https://www.youtube.com/watch?v=kyAruQIHkjw

 

Literatur:

Kuckartz, Udo (2012): Qualitative Inhaltsanalyse. Methoden, Praxis, Computerunterstützung. Weinheim und Basel: Beltz Juventa.

Kuckartz, Udo (2007): Einführung in die computergestützte Analyse qualitativer Daten. 2., aktualisierte und erweiterte Auflage. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Mayring, Philipp (2010): Qualitative Inhaltsanalyse. Grundlagen und Techniken. 11., aktualisierte und überarb. Aufl. Weinheim: Beltz.

Mayring, Philipp; Gläser-Zikuda, Michaela (Hrsg.) (2008): Die Praxis der qualitativen Inhaltsanalyse. 2., neu ausgestattete Aufl. Weinheim und Basel: Beltz.

 

 

Mündliche Befragung

Stefanie Meier

Eine mündliche Befragung ist durch die Kommunikation zwischen zwei oder mehreren Personen  definiert, aufgrund dessen zwischen Einzel- und Gruppeninterviews unterschieden werden kann (für die Gruppendiskussion als eine Art des Gruppeninterviews siehe Gruppendiskussion). Durch gezielte verbale Stimuli bzw. Fragen werden verbale Reaktionen bzw. Antworten hervorgerufen. Dies geschieht in ganz bestimmten (geplanten) Situationen und wird durch gegenseitige Erwartungen der beteiligten Personen geprägt. Die Antworten des Befragten beziehen sich auf erlebte sowie erinnerte soziale Erlebnisse und stellen Beschreibungen, Meinungen und Bewertungen dar (vgl. Atteslander 2008, S. 101). Die Methode des Interviews ist daher als eine verabredete Zusammenkunft mit wissenschaftlicher Zielsetzung gekennzeichnet. Der Informationsfluss ist zumeist einseitig, da das Interview der Erhebung von Daten dient, welche nur den Befragten und nicht den Interviewer betreffen.

Im Fokus qualitativer Interviews stehen in Abgrenzung zu quantitativen Forschungsmethoden die soziale Wirklichkeit sowie die Definition dieser durch die Befragten selbst. Die subjektiven Sichtweisen der Befragten bilden den inhaltlichen und strukturellen Rahmen des Gesprächs, in welchem die Zielsetzung die Genese von Hypothesen darstellt. Bei quantitativen Befragungen steht eher die Überprüfung von vorab formulierten Hypothesen im Vordergrund. Im Gegensatz zu quantitativen Interviews zeichnet sich das qualitative Verfahren durch eine offene und flexible Gesprächsgestaltung aus, dessen Verlauf keiner Standardisierung unterliegt und einen Anspruch auf Vergleichbarkeit und Kontrollierbarkeit ablehnt. Die Rolle der Interviewerin/des Interviewers ähnelt während der Befragung eher der einer Gesprächspartnerin/eines Gesprächspartners im Alltag. Bedenken Sie jedoch, dass Sie als Interviewer die Aussagen der Befragten unbeabsichtigt lenken und somit eine beeinflussende Wirkung auf den Verlauf des Gesprächs und den Inhalt haben könnten. Informieren Sie sich deshalb im Vorfeld des Interviews über die das Stichwort ,Interviewereffekte`.

 

Interviewformen

Die folgende Zusammenstellung bildet einige bekannte Interviewformen ab. Es existieren zahlreiche weitere unterschiedliche Variationen, welche sich u. a. durch den Grad der Standardisierung, somit ihrer Orientierung an einem Leitfaden bzw. ihrer Offenheit, unterscheiden. Ferner variieren Interviews nach der Art der Durchführung: im direkten Face-to-Face-Gespräch, per Telefon oder computergestützt. Eine umfangreiche Übersicht von Varianten mündlicher Einzelinterviews finden Sie bspw. in Bortz, J./Döring, N. (2006). Die Entscheidung für eine bestimmte Interviewform ist von der Fragestellung, dem Erkenntnisinteresse und der zu befragenden Zielgruppe der Studie abhängig.

Standardisierte Interviews

Bei dieser Interviewform sind die Formulierung und die Reihenfolge der Fragen für den Interviewenden bei jeder Befragung obligatorisch und nicht veränderbar (Standardisierung). Im Vorfeld müssen daher die Frageformulierungen exakt verfasst werden. Das Erhebungsinstrument bedarf reiflicher Vorüberlegungen und Erprobungen (Pretests) im Forschungsfeld, um die Eignung vorab zu prüfen und ggf. eine Modifizierung vornehmen zu können. Standardisierte Interviews bieten sich für präzise abgegrenzte Themenbereiche an, bezüglich derer der Forschende bereits über umfassende Kenntnisse verfügt (vgl. Bortz/Döring 2006, S. 237ff.).

Teilstandardisierte Interviews

Wie Sie der Bezeichnung bereits entnehmen können, haben teilstandardisierte Interviews einen (mehr oder weniger) offenen Leitfaden gemeinsam. Zu den populäreren Varianten zählen bspw.:

  • das problemzentrierte Interview, bei welchem der Ausgangspunkt eine vom Forscher wahrgenommene gesellschaftliche Problemstellung darstellt (z. B. Hürden beim Übergang Kita Grundschule). Diese Interviewform könnte geeignet sein, wenn Sie bereits über ein vertieftes theoretisches Vorwissen bezüglich des Forschungsgegenstandes verfügen.
  • das fokussierte Interview, das bedingt durch seinen Ursprung in der Medienforschung eher auf die Überprüfung vorab generierter Hypothesen abzielt. Der Fokus liegt bei dieser Interviewform auf einer gemeinsamen Erfahrung aller Befragten (bspw. der Bezug auf einen gemeinsam angesehen Film in der Schulklasse, Bücher, Fotos, Zeichnung etc.). Das Ziel ist die Erforschung der subjektiven Deutungen der Befragten hinsichtlich der gemeinsam erlebten Situationen oder Objekte.
  • das Experteninterview, bei welchem die Deutung spezialisierter Kenntnisse im Mittelpunkt steht. Die Zielgruppe stellen Personen mit hoher Expertise dar wie Inhaber von Führungspositionen, erfahrene und fachkundige Praktiker sowie Experten in jeglichen Fachbereichen. Durch diese Interviewform können praxisrelevantes Wissen, bewährte Routinen und erprobte Prinzipien bzw. Richtlinien ergründet werden.

 

Das narrative Interview

Das geringer vorstrukturierte narrative (erzählende) Interview steht in der Tradition von Fritz Schütze und findet seinen Einsatz im Rahmen lebensgeschichtlicher Fragestellungen. Durch eine erzählgenerierende Frage bzw. einen Erzählstimulus sollen beim Interviewten eine biografische Erzählung, eine sogenannte Stegreiferzählung, angeregt werden. An die Haupterzählung des Befragten, dem wichtigsten Interviewabschnitt, gliedert sich eine Phase für offen gebliebene Fragen und Bilanzierungen an. Für die Befragung von Personen unter 10 Jahren ist die Eignung des narrativen Interviews umstritten, achten Sie in diesem Fall besonders auf die kindgerechte Auswahl und Formulierung des Erzählstimulus (vgl. Heinzel 2003, S. 403).

Das psychoanalytische Tiefeninterview

Dieses bildet die offenste und am geringsten vorstrukturierte Interviewvariante. Psychologisch orientierte Gespräche mit therapeutischen bzw. diagnostischen Zielen sollen unbewusste Ängste, Konflikte oder Bedeutungsstrukturen der Interviewten offenlegen. Dabei werden alle Äußerungen oder Interaktionen als Mittelungen angesehen. Insbesondere bei Kindern eignet sich die Nutzung von Traumreisen oder selbsterstellten Bildern (vgl. Heinzel 2003, S. 404).

 

Besonderheiten und Herausforderungen bei Interviews mit Kindern

Interviews mit Kindern unterliegen anderen Anforderungen als Interviews mit Erwachsenen. Die Notwendigkeit einer adressatengerechten Befragung ist somit unerlässlich.  Auf folgende Aspekte sollten Sie besonders achten:

  • Es besteht ein Dilemma in der Kindheitsforschung: Jede Form der kindgerechten Methode setzt ein bestimmtes Kindheitsbild voraus und läuft damit Gefahr, dieses zu reproduzieren (vgl. Fuhs 2000, S.92). Sie sollten daher Ihre eigenen Annahmen und impliziten Theorien über das Kind/die Kindheit während des Forschungsprozesses offenlegen und so weit wie möglich reflektieren.
  • Sprachliche Fähigkeiten sind bei Kindern von der Entwicklung abhängig und individuell unterschiedlich ausgeprägt. Das Sprachverstehen geht der Sprachproduktion voraus. Beachten Sie daher Geschlechts-,  kulturelle und milieuspezifische Unterschiede. Durch den kindlichen Egozentrismus erscheinen kindliche Aussagen teilweise fragmentarisch oder unvollständig. Kinder gehen zudem von einem allwissenden Erwachsenen aus, aufgrund dessen die Kinder viele Informationen als überflüssig einschätzen und diese den Erwachsenen vorenthalten (vgl. Delfos 2008, S. 52f.).
  • Ein Interview stellt komplexe Anforderung an das Arbeitsgedächtnis von Kindern (Frage merken, Inhalte aus dem Langzeitgedächtnis erinnern, Antworten überlegen und formulieren). Die Erinnerungsdauer von zeitlich zurückliegenden Ereignissen ist abhängig von der subjektiven Bedeutsamkeit, der Intensität des Erlebens (positiv oder negativ), der Auftretenshäufigkeit des Ereignisses sowie dem Alter der Kinder (vgl. Schneider & Lindenberger 2012, S. 420). Berücksichtigen Sie dies bei Ihrer Frageformulierung.
  • Bei irreführenden Fragen sinkt die Validität der Aussagen. Besonders junge Kinder sind empfänglich für Suggestibilität, diese nimmt bei persönlich erlebten und bedeutsamen Erlebnissen jedoch ab. Die Möglichkeit zu „weiß-nicht“-Antworten und die Vermeidung von Suggestivfragen steigern die Aussagegenauigkeit und die Glaubwürdigkeit (vgl. Schneider & Lindenberger 2012, S. 420).
  • Das Generationenverhältnis: Als Erwachsene haben fast alle Interviewer/-innen neben ihrer Rolle als Informationsermittler eine weitere – die von Erziehern. Hier liegt der zentrale Unterschied zwischen dem Kinderinterview und Erwachseneninterview. Über dem Informationsaustausch im Kinderinterview schwebt ein „didaktisches Weltbild“ (Lothar Klingberg 1987). Danach haben Erwachsene subjektive Theorien, wie mit Heranwachsenden lehrend und lernend umzugehen sei. Um die Gefahr der Pädagogisierung zu vermeiden, streben Sie ein Gespräch auf Augenhöhe an (vgl. Trautmann 2010, S. 3f.).
  • Die Bedeutung von Metakommunikation: Schaffen Sie Transparenz und versuchen Sie, die Ängste der Kinder abzubauen. Behalten Sie die Dauer des Interviews im Blick und bauen Sie falls nötig Pausen ein. Schaffen Sie zudem eine vertrauensvolle Atmosphäre, um eine adressatengerechte Befragung zu ermöglichen.
  • Systematisierungen vorfindbarer Interviewvarianten in der Kindheitsforschung leisteten bislang u. a. Frederike Heinzel (Kategorisierung nach dem Grad der Standardisierung (vgl. Heinzel 2003)) sowie Burkhard Fuhs (nach der Art des Erinnerns (vgl. Fuhs 2000)).

 

 

Softwareempfehlungen

Sofern eine – auf Basis forschungsethischer und datenschutzrechtlicher Grundlagen – formulierte Einverständniserklärung von den Befragten bzw. den Erziehungsberechtigten unterschrieben vorliegt, sollten Sie das Interview in Ton und/oder Bild aufzeichnen. Für eine Tonaufnahme können sie ein herkömmliches Diktiergerät oder eine derartige Funktion auf Ihrem Mobilfunkgerät nutzen. Für die Aufzeichnung mithilfe eines Laptops empfehlen sich kostenlose Audioeditoren und –recorder wie bspw. Audacity. Der darauffolgende Schritt besteht in der Transkription der Aufnahmen (Transkription).

 

Ausgewählte Beispiele für den Einsatz qualitativer Interviews

Weltzien, D. (2012): Gedanken im Dialog entwickeln und erklären: Die Methode dialoggestützter Interviews mit Kindern. Frühe Bildung, 1 (3), 143 – 149.

 

World Vision Deutschland e.V. (Hrsg.) (2013): Wie gerecht ist unsere Welt. Kinder in Deutschland 2013. 3. World Vision Kinderstudie. Beltz Verlag.

 

Kinder rechnen anders. Ein Projekt zur Weiterentwicklung der Grundschullehrerausbildung: Auf der Homepage befinden sich Videomitschnitte klinischer Interviews mit Kindern. http://www.kira.uni-dortmund.de/front_content.php

Weise, M. (2008): Der Kindergarten wird zum „Forschungsort“ – Das Puppet Interview als Forschungsmethode für die Frühe Bildung. Ludwigsburger Beiträge zur Medienpädagogik. Ausgabe 11.

 

Literatur

Grundlagenliteratur

Atteslander, Peter (2008): Methoden der empirischen Sozialforschung. 12., durchges. Aufl. Berlin: Erich Schmidt (ESV basics).

Bortz, J./Döring, N. (2006): Forschungsmethoden und Evaluation für Human- und Sozialwissenschaftler, Berlin: Springer, S. 115.

Friebertshäuser, Babara/ Langer, Antje (2010): Interviewformen und Interviewpraxis. In: Friebertshäuser, Babara/ Langer, Antje/ Prengel, Annedore (Hrsg.): Handbuch Qualitative Forschungsmethoden in der Erziehungswissenschaft. 3., vollständig überarbeitete Auflage. Weinheim/ München: Juventa Verlag, S. 437- 455.

Helfferich, C. (2009). Die Qualität qualitativer Daten. Kapitel 1.1: Der Gegenstand qualitativer Forschung und Grundprinzipien (S.21-25). Wiesbaden: VS.

Trautmann, T. (2010). Interviews mit Kindern. Grundlagen, Techniken, Besonderheiten, Beispiele. Wiesbaden: VS. (Online Ressource der UB)

Weiterführende Literatur

Andresen, S. (2012). Was und wie Kinder erzählen. Potenzial und Grenzen qualitativer Interviews. Frühe Bildung, 1 (3), 137 – 142.

Delfos, M. F. (2013). Sag mir mal … Gesprächsführung mit Kindern (4 bis 12 Jahre). Weinheim und Basel: Beltz.

Fuhs, B. (2000). Qualitative Interviews mit Kindern. In Frederike Heinzel (Hrsg.)(2000):  Methoden der Kindheitsforschung. Ein Überblick über Forschungszugänge zur kindlichen Perspektive. Weinheim und München: Juventa Verlag, S. 87-103.

Fuhs, B./Schneider, S. (2012): Normalisierungsvorstellungen und Adultismus als Probleme für die erzählerische Erschließung frühkindlicher Lebenswelten. Frühe Bildung, 1 (3), 125 – 130.

Heinzel, F. (Hrsg.) (2000). Methoden der Kindheitsforschung . Ein Überblick über Forschungszugänge zur kindlichen Perspektive. Weinheim und München: Juventa.

Heinzel, F. (2003). Qualitative Interviews mit Kindern. In B. Friebertshäuser & A. Prengel (Hrsg.), Handbuch Qualitative Forschungsmethoden in der Erziehungswissenschaft (S. 396-413). Weinheim: Juventa.

Nentwig-Gesemann, I./Mackowiak, K. (2012). Schwerpunkt: Interviews mit Kindern – methodische Herausforderungen und Potenziale. Frühe Bildung, 1 (3), 121 – 124.

Schneider, W./Lindenberger, U. (2012). Gedächtnis. In Wolfgang Schneider und Ulman Lindenberger (Hrsg.), Entwicklungspsychologie (S.413-431). Weinheim: Belz.

 

Abbildungen

Carla Bohndick

 

Wenn Sie quantitative Daten erhoben und ausgewertet haben, ist es in vielen Fällen sinnvoll, diese auch mit Hilfe von Grafiken darzustellen, beispielsweise um Verteilungen oder Unterschiede zwischen Gruppen anschaulich zu machen. Im Folgenden werden Ihnen zwei Möglichkeiten dazu vorgestellt, wobei wir uns hier auf die Darstellung univariater Verteilungen (also der Verteilung eines einzelnen Merkmals) beschränken. Sie können natürlich auch bivariate Verteilungen (also die Verteilung zweier Merkmale) grafisch darstellen, beachten Sie dafür die folgenden Hinweise und die Literaturempfehlungen.

Histogramm:

Bei einem Histogramm wird die Verteilung einer Variablen mit direkt angrenzenden Säulen dargestellt. Dabei sind auf der x-Achse die Kategorien (z.B. Punktzahl oder Alter) abgetragen. Auf der y-Achse sind entweder absolute oder relative Häufigkeiten (z.B. in Prozent) abgetragen. Die Darstellung ist flächenproportional, d.h. die Fläche der Säulen entspricht der Häufigkeit der jeweiligen Kategorien. Histogramme können Sie zur Visualisierung von Häufigkeitsverteilungen nutzen.

Beispiel:

Unten sehen Sie ein Beispiel-Histogramm, das aus den Daten diesem Beitrag gebildet wurde. Auf der x-Achse sind die Altersangaben 9, 10 und 11 abgebildet, die y-Achse gibt die absolute Häufigkeit der Altersangaben an, d.h. wie viele Personen es in der entsprechenden Altersstufe in der betrachteten Gruppe gibt. Erkennbar ist, dass zwei Personen 9 Jahre alt waren, vier Personen 10 Jahre alt und eine Person 11 Jahre alt.

Diagramm 7

Liniendiagramm

Das Liniendiagramm ist Ihnen bereits aus der Schule bekannt. Hier wird die Verteilung einer Variablen durch Punkte dargestellt, die dann durch eine Linie verbunden werden. Mit Liniendiagrammen können u.a. Verteilungen dargestellt werden. Der Vorteil zum Histogramm ist hier, dass Sie auch bisher unbekannte Zwischenwerte ablesen können, sofern dies sinnvoll möglich ist.

Beispiel:

Ein fiktives Beispiel für ein Liniendiagramm ist unten dargestellt. Sie können sich vorstellen, dass hier die Seitenzahl eines Textes gezählt wurde und der Informationsgehalt des Textes auf einer Skala von 0 (= sehr gering) bis 5 (= sehr hoch) eingestuft wurde. Das Verhältnis von Textlänge und Informationsgehalt kann in der Grafik abgelesen werden. Bei einer Textlänge von 0 Seiten war der Informationsgehalt 0, bei einer Textlänge von 10 Seiten ungefähr 2.3, bei einer Textlänge von 20 ungefähr 3. Am Anfang steigt der Informationsgehalt steil an, der Unterschied des Informationsgehalts zwischen 80 und 100 Seiten ist nur noch sehr gering.

Diagramm 8 

Box-Plot

Ein Box-Plot stellt die Verteilung einer Variablen auf andere Weise als Liniendiagramme oder Histogramme dar. Im Box-Plot werden nicht die Daten direkt oder in Häufigkeiten, sondern die schon berechneten Kennwerte (Median, Minimum, Maximum, unteres/ oberes Quantil) dargestellt.

Das Beispiel wurde wieder aus der Variable Alter des Datensatzes in diesem Beitrag gebildet:

Diagramm 9

Der dicke Balken in der Mitte stellt den Median dar. Außerdem sind das obere und untere Quartil eingezeichnet. Das untere Quartil markiert die Grenze, ab der sich mehr als 25% der Werte befinden, das obere Quartil die Grenze, ab der sich mehr als 75% der Werte befinden. Diese Grenzen werden zu einer Box verbunden, sodass sich in der Box 50 % aller Werte befinden. Die sogenannten „Whiskers“ (hier nur unterer Balken) zeigen das Minimum und das Maximum an, wenn diese nicht mehr als 1.5 des Interquartilabstands vom Median entfernt sind. Als Interquartilabstand wird der Abstand zwischen dem unteren und dem oberen Quartil bezeichnet. Kleine Kreise sind Ausreißer, die mehr als 1.5 des Interquartilabstands vom Median entfernt sind. Im Beispiel hat also das Maximum einen größeren Abstand zum Median und ist deshalb als Ausreißer und nicht als Whisker eingezeichnet.

Problemquellen

Bei der Erstellung von Grafiken (und natürlich auch bei der Interpretation) ist es wichtig, einige Aspekte zu beachten, die zu Problemen führen könnten.

  1. Beginnt die y-Achse bei 0? Wie das folgende Beispiel verdeutlicht, sollte immer der Startpunkt der y-Achse beachtet werden. In beiden Grafiken werden die gleichen Daten wiedergegeben, in der linken könnte ein großer Unterschied zwischen den Gruppen vermutet werden, wohin der (gleiche) Unterschied in der rechten Grafik vergleichsweise klein wirkt. Ehrlicher ist also die Verwendung des rechten Diagramms.
    Diagramm 10Diagramm 11
  2. Wurden bestimmte Diagrammelemente weggelassen oder hervorgehoben, z.B. die Beschriftung der Achsen? Auch hier hilft das Beispiel von oben: Stellen Sie sich vor, im linken Diagramm wären die y-Achse und die Punkte nicht beschriftet. Es könnte nicht festgestellt werden, wie groß der Unterschied ist und dadurch würde er größer als tatsächlich wirken.
  3. Sind die Abstände auf der Größenachse durchgängig gleich? Wenn ein Wechsel auf der Größenachse stattfindet (z.B. Wechsel von Sekunden zu Minuten), kann die Grafik nicht mehr auf einen Blick angemessen interpretiert werden, da sie verzerrte Werte darstellt. Das folgende Beispiel zeigt die Leistungssteigerung einer Schülerin innerhalb eines Jahres. Einige Monate sind zusammengefasst, während andere einzeln aufgeführt werden. Obwohl die Leistungssteigerung in diesem Fall zum Ende des Jahres abnimmt, sieht es so aus, als würde die Leistungssteigerung im September und Oktober gleich bleiben.

Diagramm 12

 

Software-Empfehlungen:

Tabellenkalkulationsprogramme wie bspw. Microsoft Excel oder Open-Office helfen Ihnen dabei, Grafiken zu erstellen. Auch weitere Statistik-Software wie SPSS oder auch die R bieten Funktionen zur Erstellung von Diagrammen.

https://www.youtube.com/watch?list=PLqzoL9-eJTNBDdKgJgJzaQcY6OXmsXAHU&v=cX532N_XLIs

Literatur:

Beller, S. (2008). Empirisch forschen lernen. Konzepte, Methoden, Fallbeispiele, Tipps (2., überarb. Aufl). Bern: Huber.

Bortz, J. & Schuster, C. (2010). Statistik für Human- und Sozialwissenschaftler (7. Aufl.). Berlin: Springer.

Krämer, W. (2009). So lügt man mit Statistik (12. Aufl.). München: Piper.