Beobachtungen

Carla Bohndick

 

Eine Form der Datenerhebung ist die Beobachtung, deren großer Vorteil ist, dass sie sehr häufig angewendet werden kann. Allerdings dürfen Beobachtungen nicht mit einfachem Zuschauen oder so genannten Alltagsbeobachtungen verwechselt werden, die relativ beliebig durchgeführt werden. Bei einer systematischen Beobachtung legen Sie demgegenüber im Vorhinein Regeln fest, was Sie wie und wann beobachten wollen und was für die Beobachtung nicht von Interesse ist. So ist es z.B. wichtig, dass Sie eine Fragestellung haben, die Sie beantworten wollen und dadurch in Ihrer Beobachtung geleitet werden. Besondere Vorsicht bei einer Beobachtung sollten Sie auch darauf legen, dass Sie schrittweise vorgehen, erst beobachten, das Beobachtete festhalten und erst im Anschluss deuten und interpretieren. Dies ist besonders wichtig, damit Sie die Gütekriterien einhalten können. Der erste Schritt bei einer Beobachtung wäre also beispielsweise festzuhalten, dass eine Person die Mundwinkel hochzieht. Erst im Schritt der Interpretation, könnten Sie vermuten, dass die Person lächelt.

Formen der Beobachtung

Bevor Sie also einen solchen Beobachtungsplan für Ihre Beobachtung erstellen, sollten Sie sich zwischen verschiedenen Arten der Beobachtung entscheiden. Dabei gibt es folgende Formen der Beobachtung:

  • Es wird zunächst zwischen einer teilnehmenden und einer nicht teilnehmenden Beobachtung sowie einer offen oder verdeckten Beobachtung unterschieden. Bei einer teilnehmenden Beobachtung nehmen Sie aktiv am Gegenstand Ihrer Beobachtung teil. Sie sammeln also beispielsweise Daten über eine Gruppendiskussion an der Sie selber teilnehmen. Bei einer nicht teilnehmenden Beobachtung beobachten Sie das Geschehen nur, ohne daran teilzunehmen. Sie würden hier also nicht an der Gruppendiskussion teilnehmen, sondern sie etwas abseits lediglich beobachten.
  • Eine offene Beobachtung ist es dann, wenn die beobachteten Personen wissen, dass eine Beobachtung stattfindet, eine verdeckte Beobachtung ist den beobachteten Personen nicht bewusst.
  • Außerdem müssen Sie sich zwischen einer strukturierten und einer unstrukturierten Beobachtung entscheiden. Mit den Vor- und Nachteilen von Standardisierung beschäftigt sich auch dieser Beitrag. Eine offene Beobachtung bedeutet, dass im Vorhinein nur wenige Beobachtungsrichtlinien festgelegt werden, nach denen die Beobachtung aufgebaut ist. Je standardisierter die Beobachtung, desto genauer ist festgelegt, was beobachtet wird und wie dies festgehalten wird.
  • Auch der Ort an dem Sie beobachten, spielt eine Rolle. Die Beobachtung kann entweder im Feld oder im Labor stattfinden. Eine Beobachtung im Feld bedeutet, dass die Personen in ihrem natürlichen Umfeld agieren. Im Feld können Sie also zum Beispiel das Verhalten einer Schülerin in einer konkreten Unterrichtssituation beobachten. Bei einer Beobachtung im Labor ist die Umgebung vorbereitet, um zum Beispiel Störquellen zu vermeiden.

Dokumentation der Beobachtung

Damit Ihre Beobachtung für andere und später auch für Sie noch nachvollziehbar ist, sollten Sie sich Gedanken über die Dokumentation Ihrer Beobachtung machen. Dafür stehen Ihnen verschiedene Möglichkeiten zur Verfügung. Sie können technische Hilfsmittel nutzen und beispielsweise Videokameras einsetzen, um so ihr Beobachtungsmaterial zu erstellen oder zu erweitern und die Möglichkeit zu haben, zeitlich unabhängig und auch mehrmals die gefilmte Situation zu beobachten.

Die Wahl der Dokumentationsmethode hängt vor allem davon ab, wie Sie mit den erhobenen Daten weiter verfahren wollen und wie offen bzw. standardisiert Sie beobachten wollen. So können Sie z.B. Transkripte der beobachteten Situationen anlegen. Eine Alternative sind Strichlisten, wenn Sie beispielsweise nur das Meldeverhalten beobachten und aufzeichnen wollen. Häufig werden auch Ratingskalen (also z.B. von 1 „trifft gar nicht zu“ bis 5 „trifft voll und ganz zu“) eingesetzt. Für viele Fragestellungen existieren auch Beobachtungsbögen, die Ihnen die Beobachtung erleichtern.

Beobachtungsbögen

Ein beispielhafter Beobachtungsbogen ist der Bogen zur Einblicknahme in die Lehr- und Lernsituation (ELL[1]). Dieser Bogen eignet sich insbesondere für Unterrichtsbeobachtungen. Unterteilt in verschiedene Bereiche (z.B. Klassenmanagement oder Aktivierung) sollen hier verschiedene Aussagen auf einer fünfstufigen Skala von 1 (trifft nicht zu) bis 4 (trifft zu) beurteilt werden. Zusätzlich steht die Angabe „nicht beurteilbar“ zur Verfügung. Die einzelnen Aussagen werden in einem Anhang weiter ausgeführt und durch Beispiele und Gegenbeispiele veranschaulicht. So wird z.B. die Aussage „Die Schüleräußerungen sind gut verstehbar.“ durch das Beispiel „Die Schüleräußerungen sind im gesamten Klassenraum mühelos verstehbar“ und das Gegenbeispiel „Nachfragen („Wie bitte?“) oder Missverständnisse lassen auf mangelnde akustische Verstehbarkeit schließen, z.B. infolge von zu hohem Lärmpegel“ illustriert. Außerdem werden im Anhang noch einige Hinweise zur Anwendung des ELL gegeben.

Sie können auch selber einen Beobachtungsbogen entwickeln oder bestehende Bögen für sich anpassen. Bevor Sie diesen Bogen allerdings einsetzen, sollten Sie ihn zunächst ausprobieren. Dabei sollten Sie immer darauf achten, dass

  • die Aufgaben für den Beobachtenden nicht zu umfangreich sind,
  • die Aufgabe unmissverständlich ist,
  • die zu beobachteten Facetten auch wirklich beobachtbar sind („Die Schüler sind motiviert“ ist bspw. schwer zu beobachten.)

Beobachtungsfehler

Verschiedene Fehlerquellen führen dazu, dass Beobachtungsfehler gemacht werden. Einige Probleme können Sie schon mindern, wenn Sie diesen Text aufmerksam gelesen haben (und z.B. zunächst beobachten und erst später interpretieren). Weitere Probleme entstehen beispielsweise durch (s.a. Abel, Möller & Treumann, 1998):

  • Sympathie und Antipathie mit den Beobachtenden: Durch eine solche Identifizierung kann es schwerfallen, objektiv zu beobachten.
  • Selektivität der Wahrnehmung: Sie können nicht alles, was passiert, beobachten, sondern immer nur einen Ausschnitt. Das was Sie beobachten, ist durch Ihre Erfahrungen und auch durch Ihre Vorurteile beeinflusst. So kann es beispielsweise dazu kommen, dass Sie Dinge übersehen, die für Sie selbstverständlich sind.
  • Auswahl der Beobachtungsperiode: Es kann sein, dass Sie nicht alle relevanten Situationen beobachten. Sie sollten also versuchen, möglichst alle für Ihre Fragestellung relevanten vorkommenden Situationen zu beobachten.
  • Verfälschung der Situation durch die Beobachtung: Wenn es sich um eine offene Beobachtung handelt, kann es sein, dass die Beobachtenden sich anders verhalten, als sie es sonst täten.

Mehrere Beobachtende

Um Aussagen über die Objektivität Ihrer Beobachtung machen zu können, ist es sinnvoll, zumindest teilweise mit mehreren Beobachtenden zu beobachten. In jedem Fall sollten die Beobachtenden gut geschult sein und die Ziele, Kategorien und Indikatoren der Beobachtung kennen. Es bietet sich an, die Beobachtung mit Hilfe von Videos zu üben. Unten finden Sie eine Reihe von Internetseiten, auf denen Sie Unterrichtsvideos ansehen können.

Wenn zwei oder mehr Beobachtende eingesetzt wurden, können Sie die Beobachterübereinstimmung untersuchen. Dazu werden Beobachtungen Kategorien zugeordnet. Um die prozentuale Beobachterübereinstimmung zu bestimmen, werden ganz einfach alle Übereinstimmungen bei der Wahl der Kategorien zusammengezählt und durch die Anzahl der beobachteten Objekte geteilt. Eine hohe Prozentzahl steht für eine hohe Übereinstimmung. Da aber bei diesem Verfahren eine zufällige Klassifizierung der Beobachter nicht berücksichtigt wird, wurde ein neues Maß, das sogenannte cohens kappa entwickelt. Es berücksichtigt neben der prozentualen Übereinstimmung eine Schätzung für die zu erwartende Übereinstimmung der beobachteten Objekte. Ein kleiner Wert entspricht einer schlechten, Werte ab 0,60 einer guten Beobachterübereinstimmung.

 

Unterrichtsvideos:

http://www.unterrichtsdiagnostik.info/video/

https://www.uni-muenster.de/Koviu/

http://www.timssvideo.com/

http://www.guterunterricht.de/GU/Videos.html

 

Literatur:

Abel, J., Möller, R. & Treumann, K. P. (1998). Einführung in die empirische Pädagogik. Stuttgart: Kohlhammer.

Atteslander, P. (2008). Methoden der empirischen Sozialforschung (12. Aufl.). Berlin: Erich Schmidt.

Bortz, J. & Döring, N. (2006). Forschungsmethoden und Evaluation. Für Human- und Sozialwissenschaftler (4. Aufl.). Heidelberg: Springer.


[1] Abrufbar unter http://unterrichtsdiagnostik.info/media/files/Link%208_ELL_V6_2.pdf