Transkription

Frauke Raddy

Unterrichtssequenzen oder Aktivitäten im Schulleben, welche sie anhand von Ton-, Bild oder Filmdokumenten erfassen, können Sie auswerten. Das setzt allerdings voraus, dass diese Dokumente in eine schriftliche Form überführt werden, um sie der Analyse zugänglich zu machen. Dieser Vorgang wird in der Sozialwissenschaft als „Transkription“ (lat. trans-scribere = umschreiben) bezeichnet (vgl. Przyborski/Sahr 2009, S. 161).  Durch die schriftliche Form haben Sie die Möglichkeit, beispielsweise das Interview oder die Beobachtung intensiv zu untersuchen. Auf Basis der Transkripte kann die Auswertung (z.B. Dokumentarische Methode oder die qualitative Inhaltsanalyse) erfolgen.

 Die Interviews, Beobachtungen, Bild- oder Filmdokumente werden aufgezeichnet und anschließend nach den Regeln eines bestimmten Transkriptionssystems vollständig von der Verfasser/-in transkribiert. Die Transkriptionsregeln werden im Anhang einer Abschlussarbeit beigefügt. Aus Gründen des Datenschutzes  müssen Sie die Namen von Personen und Orten anonymisieren. Für die Nachvollziehbarkeit der Auswertungsschritte werden die Zeilen nummeriert. Die Erstellung von Transkripten nimmt viel Zeit in Anspruch. In der Regel werden für 10 Interviews von jeweils ca. 60 Minuten inklusive Korrektur 50-100 Arbeitsstunden benötigt (vgl. Dresing/Pehl 2012, S 24).

Es gibt unterschiedliche Transkriptionssysteme, welche für die Verschriftlichung gesprochener Sprache geeignet sind. Diese haben unter anderem die Aufgabe lautliche Phänomene aufzuzeichnen, welche in der Orthographie nicht beschrieben werden, wie beispielsweise das gleichzeitige Sprechen, Betonungen oder Pausen (vgl. Przyborski/Sahr 2009, S. 164).

An dieser Stelle ist es nicht möglich, eine umfassende Darstellung aller Transkriptionssysteme zu erörtern. Exemplarisch stelle ich zwei Beispiele vor und verweise anschließend auf entsprechende Quellen hinsichtlich weiterer Transkriptionssysteme.

Transkriptionssytem (1): TiQ (Talk in Qualitative Social Research) ist ein Transkriptionssystem zur Erfassung von Gesprächen für eine rekonstruktive Auswertung und kann mit jedem Textverarbeitungsprogramm durchgeführt werden (vgl. Przyborski/Sahr 2009, S. 164f.).

Im folgenden Abschnitt stelle ich Ihnen die Transkriptionsregeln von TiQ vor. Anschließend wird Ihnen anhand eines Beispieltranskripts die Umsetzung dieses Transkriptionssystems näher dargelegt.

Transkriptionsregeln nach TiQ

Interviewer/-in: Den Interviewer/-innen wird die Maskierung Y1 und Y2 zugewiesen.

Befragte: Jede Person, die an dem Interview beteiligt ist, wird in dem Transkript mit einem Buchstaben und mit einem f für feminin und einem m für maskulin gekennzeichnet.

(I_): Mit dem Häkchen (I_) wird die Überlappung von zwei Sprecher/-innen abgebildet.

(3): Die Zahl in Klammern gibt die Anzahl der Sekunden von einer Sprechpause an.

Nein: Betonung

@nein@: Lachend gesprochene Äußerungen

(doch): Unsicherheit bei der Transkription und schwer verständliche Äußerungen

Oh=nee: Zwei oder mehr Worte, die wie eines gesprochen werden (Wortverschleifung)

brau-: Abbruch eines Wortes

. : Stark sinkende Intonation

; : Schwach sinkende Intonation

Ja::: Dehnung von Lauten. Die Häufigkeit der Doppelpunkte entspricht der Länge der Dehnung

@(.)@: Kurzes Auflachen

((hustet)): Kommentar bzw. Anmerkung zu parasprachlichen, nichtverbalen oder gesprächsexternen Ereignissen. Soweit das möglich ist, entspricht die Länge der Klammer etwa der Dauer des lautlichen Phänomens (Przyborski/Sahr 2009, S. 166f.).

Des Weiteren werden die Zeilen nummeriert, damit die Transkriptstellen für die Datenauswertung zitiert werden können und somit den Leser/-innen die Einordnung in das Interview erleichtert wird.

Beispieltranskript aus einer Staatsexamensarbeit zum Thema „Chancen und Grenzen des Erwerbs von interkulturellen Kompetenzen“, welches nach dem oben genannten Regelsystem transkribiert wurde.

Passage: Eingangspassage

Datum: 27.01.2012

Timecode: 00:00:20-4 – 00:01:36-2

Transkription: Karin Muster

Korrektur: Ralf Meier

Y1: Ich habe dir ja schon erzählt dass sich meine Examensarbeit mit dem Thema  interkulturelle Kompetenz befasst, (2) jetzt würde ich dich einfach bitten, dass du erzählst, was du persönlich unter dem Begriff interkulturelle Kompetenz verstehst. #00:00:20-4#

Cm: Ja, also (3) ich habe da so @kein Vorwissen@, außer das, was ich gerade aus deinen Beschreibungen zur Examensarbeit mitgenommen habe. Interkulturelle Kompetenz darunter verstehe ich , dass man im Lehrerberuf eben kompetent ist, die Fähigkeiten aufweist, sich eben Kindern aus (verschiedenen) Migrationen, wie sagt man, aus verschiedenen Migrationshintergründen auseinanderzusetzen und ja, versucht, sag ich mal, deren Verhaltensweisen nachzuvollziehen und irgendwie vor diesem Hintergrund einordnen zu können. So dass man gegebenenfalls auftretende Probleme auf Grund von irgendwelchen religiösen Sachen meinetwegen begegnen kann, also dass man damit umge- kann, umgehen lernt. #00:01:08-9#

Y1: Also (2) was würdest du sagen, welche Bedeutung hat für dich diese interkulturelle Kompetenz in deiner zukünftigen Lehrerrolle? #00:01:15-5#

Cm: @(.)@ Puh::, (2) da hab ich mir wie gesagt noch @nie so wirklich Gedanken drüber gemacht@, aber ich denke, (4) man kann da auf jeden Fall nicht zu wenig Know-how haben, wenn man tatsächlich mal, ich sag mal, etwas extremeren Fall dann hat und nicht weiß, wie man damit umgehen soll. Dann (seufzen) kann man ja immer noch andere Leute fragen, die da mehr Ahnung von haben, aber es ist sicherlich nicht unwichtig, dass man da zu=nen gewissen Fall geschult wird. #00:01:36-2#

Diese und weitere Prinzipien und Konventionen von TiQ sowie Hinweise für MoViQ (Ein Transkriptionssystem zur Erfassung von Filmen) finden Sie in dem Arbeitsbuch Qualitative Sozialforschung von Aglaja Przyborski und Monika Wohlrab-Sahr (2009).

Transkriptionssystem (2): Auch Dresing/Pehl (2013) haben sich in dem „Praxisbuch Interview, Transkription & Analyse, Anleitungen und Regelsysteme für qualitativ Forschende“ mit der Transkription von qualitativen Interviews beschäftigt. In ihrem Handbuch unterscheiden sie zwischen dem „Einfachen Transkriptionssystem“ und dem „Feintranskript“.

Im folgenden Abschnitt stelle ich Ihnen die Transkriptionsregeln für das „Einfache Transkriptionssystem“  nach Dresing/Pehl (2013) vor:

1. Die Transkription erfolgt wörtlich, das bedeutet, ein Dialekt wird ins Hoch-deutsche übersetzt.

2. Syntaktische Fehler im Satzbau werden übernommen. Wortverschleifungen hingegen werden an das Schriftdeutsch angepasst.

3. Erfolgt ein Satzabbruch durch die Zielpersonen oder den InterviewerI-innen, wird dieser mit einem Schrägstrich / dargestellt.

4. Zu Gunsten der Lesbarkeit wird die Interpunktion geglättet. Das bedeutet, beim kurzen Senken der Stimme wird ein Punkt gesetzt. Ist die Betonung nicht eindeutig, wird ebenfalls eher ein Punkt gesetzt als ein Komma.  Wichtig ist, dass die Sinneinheiten beibehalten werden.

5. Sprechpausen werden durch Punkte in Klammern gekennzeichnet. Die Punkte geben die Anzahl der Sekunden an. Bei mehr als drei Sekunden Sprechpause markiert eine Zahl, z.B. (4), die Dauer der Pause.

6. Bekräftigende Äußerungen der Interviewer/-innen, wie z.B. „mhm,“ sowie Äußerungen der Zielpersonen, wie z.B. „äh“ werden nicht transkribiert. Eine Ausnahme bilden Antworten, die als bejahend erfolgen. Diese werden folgendermaßen markiert: „mhm (bejahend)“.

7. Die Betonung von Wörtern wird durch Großschreibung gekennzeichnet.

8. Die gesprochenen Beiträge erhalten jeweils einen eigenen Absatz, welcher am Ende mit einer Zeitmarke gekennzeichnet wird.

9. Geäußerte Emotionen nach einem gesprochenen Satz werden in Klammern protokolliert, z.B. (lachen/seufzen).

10. Die Äußerung eines unverständlichen Wortes wird durch (unv.) notiert. Erfolgen längere unverständliche Abschnitte, sollte in der Klammer die Ursache hinzugefügt werden, z.B. (unv., Hund bellt laut). Die Annahme eines Wortlautes kann durch ein Fragezeichen in Klammern versehen werden.

11. Befragte und Interviewer/-in werden durch die Buchstaben „I“ (Interviewer/-in) und „B“ (Befragte) gekennzeichnet (vgl. Dresing/Pehl 2013, S. 21ff.).

Beispieltranskript nach dem „Einfachen Transkriptionssystem“ (Dresing/ Pehl 2013

 I: Ich habe dir ja schon erzählt dass sich meine Examensarbeit mit dem Thema  interkulturelle Kompetenz befasst, (..) jetzt würde ich dich einfach bitten, dass du erzählst, was du PERSÖNLICH unter dem Begriff interkulturelle Kompetenz verstehst. #00:00:20-4#

B: Ja, also (…) ich habe da so kein Vorwissen (lachen), außer das, was ich gerade aus deinen Beschreibungen zur Examensarbeit mitgenommen habe. INTERKULTURELLE KOMPETENZ darunter verstehe ich,  dass man im Lehrerberuf eben kompetent ist, die Fähigkeiten aufweist, sich eben Kindern aus (verschiedenen?) Migrationen, wie sagt man, aus verschiedenen Migrationshintergründen auseinanderzusetzen und ja, versucht, sag ich mal, deren Verhaltensweisen nachzuvollziehen und irgendwie vor diesem Hintergrund einordnen zu können. So dass man gegebenenfalls auftretende Probleme auf Grund von irgendwelchen religiösen Sachen meinetwegen begegnen kann, also dass man damit umge/ kann, umgehen lernt. #00:01:08-9#

I: Also (..) was würdest du sagen, welche Bedeutung hat für dich diese interkulturelle Kompetenz in deiner zukünftigen LEHRERROLLE#00:01:15-5#

B: (lachen) Puh, (..) da hab ich mir wie gesagt noch nie so wirklich Gedanken drüber gemacht (lachen), aber ich denke, (4) man kann da auf jeden Fall nicht zu wenig Know-how haben, wenn man tatsächlich mal, ich sag mal, etwas extremeren Fall dann hat und nicht weiß, wie man damit umgehen soll. Dann (seufzen) kann man ja  immer noch andere Leute fragen, die da mehr Ahnung von haben, aber es ist sicherlich nicht unwichtig, dass man da zu einem gewissen Fall geschult wird. #00:01:36-2#

 Zwischen den einzelnen Transkriptionssystemen gibt es Unterschiede: Das „Einfache Transkriptionssystem“  beinhaltet schnell erlernbare Transkriptionsregeln und eröffnet uns einen schnelleren Zugang zum Gesprächsinhalt, da auf genaue Details zur Aussprache verzichtet wird. Dialekte werden ins Hochdeutsche übersetzt. Folglich wird das Transkript leichter lesbar und der Fokus liegt hier eher auf den Gesprächsinhalt (vgl. Dresing/Pehl 2013, S.17ff.).

Dagegen vermittelt das „Feintranskript“, welches nach einem komplexen Regelsystem erstellt wird, durch die Beibehaltung des Dialekts und der Tonhöhenverläufe eine bessere Vorstellung von den Interviewer/-innen. Ferner wird bei dem detaillierten Transkript auch die Tonhöhenverläufe, Nebenakzente, Lautstärke und Sprechgeschwindigkeit hinzugefügt (vgl. Dresing/Pehl 2013, S. 17ff.).

Demnach hängt die Entscheidung für eine Transkription von der Forschungsmethodik und der Erkenntniserwartung ab. Dabei steht die zentrale Frage  im Vordergrund: Für welche Art von Analyse erstelle ich mein Transkript? Sie sollten sich vorher überlegen, ob es z.B. für die Interpretation von Bedeutung ist, den Dialekt oder die besondere Betonung der Befragten zu transkribieren. Hier ist es wichtig klare Regeln aufzustellen, damit die wissenschaftliche Nachvollziehbarkeit gewährleistet ist (vgl. Dresing/Pehl 2013, S. 20).

Transkriptionssoftware

In der 5. Auflage des kostenfreien „Praxisbuch Interview, Transkription & Analyse“ wird des Weiteren der Umgang mit der Computersoftware f4 erläutert, welche Ihnen eine einfache Handhabung mit der Transkription ermöglicht. Die Softwareprogramme f4 und f5 erleichtern Ihnen die Transkription, da die Abspielgeschwindigkeit verlangsamt wird, ein automatischer Rücksprung durch das Pausieren eingesetzt wird und Zeitmarken gesetzt werden. Für Mac-Nutzer wurde die Version f5 entwickelt. Beide Programme werden stetig weiterentwickelt.

Zudem bietet MAXQDA 12 die Möglichkeit zur Transkription von Audio- und Videodateien.

Computersoftware für die Transkription:

Literatur

Kuckartz, U., Dresing, T., Rädiker, S., Stefer, C. (2008a). Qualitative Evaluation. Der Einstieg in die Praxis. Wiesbaden: VS-Verlag.

Kuckartz, U., Dresing, T., Rädiker, S., Stefer, C. (2008b). Qualitative Evaluation. Der Einstieg in die Praxis. 2. Auflage. Wiesbaden: VS-Verlag.

Kuckartz, U. (2010). Einführung in die computergestützte Analyse qualitativer Daten. 3. Auflage. Wiesbaden: VS Verlag.

Przyborski, A., Wohlrab-Sahr, M. (2009). Qualitative Sozialforschung. 2. Auflage. München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH.

Internetquellen:

Dresing, T., Pehl, T. (2013). Praxisbuch Interview, Transkription &  Analyse. Anleitungen und Regelsysteme für qualitativ Forschende. 5. Auflage. Marburg, 2013. http://www.audiotranskription.de/transkription-praxisbuch [Abruf: 27.07.2014]

http://www.audiotranskription.de/Praxisbuch-Transkription.pdf [Abruf: 27.07.14]

Kinderzeichnungen

 

Frauke Raddy

Kinderzeichnungen bieten die Möglichkeit,  den Wahrnehmungen und Ansichten von Kindern näher zu kommen.  Die Bedeutung von Geschwister- oder Freundschaftsbeziehungen sowie die Sicht der Kinder auf die Welt könnten beispielsweise in einer Kinderzeichnung dargestellt werden.

Reiß (1996)  untersuchte 35.000  Zeichnungen von 6-14 jährigen Kindern und gab ihnen die Aufgabe: „Mal  doch mal…wie wir Kinder heute leben. Du siehst die Welt mit deinen eigenen Augen.  Du machst dir deine eigenen Gedanken darüber. Mal, was dir gefällt oder nicht gefällt. Zeig mit deinem Bild wie Kinder heute leben. Mit Pinsel, Bleistift oder Tinte, ganz egal“ (Reiss 1996, S. 137).

Mit dieser Untersuchung konnte ermittelt werden, welche unterschiedliche Bedeutung Umweltzerstörung und Freizeit für die Kinder verschiedenen Alters einnehmen

Bei der Auswertung von Kinderdokumenten kann es allerdings zu starken Verzerrungen kommenda die Auswerter/-innen nicht den Entstehungshintergrund der Kinderbilder und Kindertexte kennen. Um eine Fehlinterpretation zu vermeiden,  ist es notwendig Kenntnisse über die Entwicklungs- und  Entstehungskontexte als auch über die familiären und kulturellen Kontexte in die Interpretation der Dokumente einzubeziehen (vgl. ebd.).  Kinder, die beispielsweise in der frühen Kindheit zu malen beginnen, verfügen über eine größere Handgeschicklichkeit und  experimentieren eher mit Farben und Formen als  Kinder, denen bisher nur wenige Malutensilien zur Verfügung standen.

Für die Auswertung der Bilder gibt es verschiedene Kriterien, die zu Rate gezogen werden können.

Um Ihnen  einen kleinen Einblick in die Kriterien der Bildbeurteilung zu geben sehen Sie hier eine Tabelle (ohne Anspruch auf Vollständigkeit), welche Ihnen die verschiedenen Zugänge zu Kinderzeichnungen aufzeigt.  In dem Literaturverzeichnis finden Sie weitergehende Literatur für die Auswertung von Kinderzeichnungen.

Autor Bereich Interpretation
Blank-Mathieu (2009) Kinderzeichnungen unter entwicklungspsychologischen und persönlichen Fragestellungen
Mittelpunkt
Menschen und Dinge, die den mittleren Bildraum einnehmen, haben eine große Bedeutung für das  Kind. Dagegen werden unwichtige  Dinge klein an den Rand gemalt.
  Größenverhältnisse Unabhängig von den Größenverhältnissen in der Realität malen Kinder Dinge und Menschen, die für sie wichtig sind groß und Unwichtiges klein.
  Schattierungen Malen Kinder Gegenstände oder Menschen schwarz aus, möchten sie damit ausdrücken, dass mit den Gegenständen etwas nicht in Ordnung ist. Allerdings kann es auch sein, dass die Kinder lediglich einen Farbigen malen  oder ihm einen dunkelblauen Pullover anziehen möchten.
Gernhardt (2012) Kindliches Zeichnen im kulturellen KontextGrößenunterschiede Kinder, die in westlichen Kulturkreisen aufwachsen, zeichnen Dinge und Menschen von unterschiedlicher Größe. Kinder aus Kamerun oder türkisch ländlich lebenden Familien malen alle Familienmitglieder etwa gleich groß, da in der Familie eher die Gemeinschaft im Vordergrund steht.
  Gesichtsdetails Kinder aus westlichen Kulturkreisen malen das Gesicht meist aus,  während  in anderen Kulturkreisen die Ausgestaltung des Körpers im Vordergrund steht. Fehlen im Gesicht Details, deutet das in manchen Kulturkreisen  auf ein Zeichen von Respekt hin, wenn älteren Menschen nicht in ihr Gesicht geschaut wird. Des Weiteren werden in manchen Kulturen eher die Gefühle kontrolliert statt zur Schau gestellt.

Ferner ist für die Beurteilung von Kinderzeichnungen die Auseinandersetzung mit den entwicklungsbedingten Reifungsprozessen, welche die Darstellung von Menschen, Tieren und Gegenständen beeinflussen, unabdingbar (vgl. Blank-Mathieu 2009, S. 2).

Im folgenden Abschnitt sehen Sie eine Tabelle, welche Auskunft über die einzelnen Malentwicklungsstufen nach Piaget (1992) gibt und bei der Interpretation von Kinderzeichnungen berücksichtig werden sollte.

 

 

Alter Zeichnung Kognition
0-1 Reflexreaktionauf visuelle Stimuli. Stift wird an den Mund geführt. Kind zeichnet nicht. Sensorisch-motorische Phase:Kind handelt reflexhaft. Denkt motorisch. Bewegung wird mit der Errichtung kortikaler Kontrolle allmählich zielgerichtet
1-2 Im Alter von 13 Monaten erstes Kritzeln: Zick-Zack Linie. Kind beoabachtet die Markierungen der auf der Oberfläche zurückgelassenen Bewegung. Kinästhetische Zeichnung.
2-4 Kreise werden vorherrschend, dann einzeln gezeichnet. In einem zufällig gezeichneten Kreis sieht das Kind einen Gegenstand. Das erste graphische Symbol wird gewöhnlich im Alter von drei bis vier Jahren gekennzeichnet. Das Kind beginnt symbolisch zu denken. Sprache und andere Formen symbolischer Kommunikation spielen eine wichtige Rolle. Die Sicht des Kindes ist stark egozentrisch So-tun-als-ob-Spiele
4-7 Intellektueller RealismusZeichnet ein inneres Modell, nicht was tatsächlich gesehen wird. Zeichnet Teile, von denen es weiß, dass sie da sind. Zeigt Menschen durch Schiffsrümpfe hindurch. Transparenzen, Expressionistisch, Subjektiv. Präoperationale Phase(intuitive Phase)Egozentrisch. Sieht die Welt subjektiv. Lebhaftes Vorstellungsvermögen, Phantasie, Neugier, Kreativität. Konzentriert sich auf jeweils nur ein Merkmal. Arbeitet intuitiv, nicht logisch.
7-12 Visueller RealismusSubjektivität nimmt ab. Zeichnet, was tatsächlich da ist. Keine Röntgen-Technik (Transparenzen) mehr. Menschliche Figuren sind realistischer, proportionierter. Realistischere Farben. Unterscheidet rechter von linker Seite der gezeichneten Figur. Phase konkreter OperationenDenkt logisch. Nicht mehr von unmittelbaren Wahrnehmungen beherrscht. Konzept der Umkehrbarkeit: Gleiche Dinge bleiben gleich, auch wenn sich ihre Erscheinung verändert haben mag.

Die Entwicklung des Zeichnens bezogen auf die kognitiven Entwicklungsphasen nach Piaget (aus: Di Leo, Joseph: Die Deutung der Kinderzeichnung, 1992, S. 43)

 

Literatur

 Blank-Mathieu, M. (2009).  Was eine Kinderzeichnung verrät. Aus: Handbuch für ErzieherInnen. Mit freundliche Genehmigung des mvg-Verlages. Landsberg am Lech. (online). URL:htto//www.kindergartenpaedagogik.de/425.html.

Di Leo, J.(1992). Die Deutung von Kinderzeichnungen, Gerardi-Verlag: Karlsruhe.

Gernhardt, A. (2012).  Kinderzeich(n)en. Kindliches Zeichnen im kulturellen Kontext. Osnabrück: Eigenverlag (nifbeThemenheft: Nr. 10).

 Krüger, H.H. (2012).  Freie Texte als Quelle der Kindheitsforschung. In: Heinzel, F. (Hrsg.). Methoden der Kindheitsforschung – Ein Überblick über Forschungszugänge zur kindlichen Perspektive. (S.154.170). Weinheim und Basel: Juventa.

 Reiß, W. (1996). Die Kinderzeichnung. Wege zum Kind durch seine Zeichnung. Neuwied, Kriftel und Berlin

 Reiß, W. (2000).  Zur Produktion und Analyse von Kinderzeichnungen. In: Heinzel, F. (Hrsg.). Methoden der Kindheitsforschung –  Ein Überblick über Forschungszugänge zur kindlichen Perspektive. (S. 231-244).Weinheim und Basel: Juventa

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Dokumentenanalyse als Nicht-reaktive Verfahren

Frauke Raddy

Bei „nicht-reaktiven“ Erhebungsverfahren findet die Materialgewinnung in Abwesenheit der Forscher/-innen statt. Die Forscher/-innen arbeiten demnach mit dem bereits vorhandenen Material (z.B. Tagebücher, Aufsätze, Kinderzeichnungen, Wandmalereien, Fotografien), welches sie in ihrem Forschungsfeld vorfinden.  Diese Form der Datenerhebung wird oft als „Sonderformen der Beobachtung“ bezeichnet,  da  Einstellungen und  Verhalten indirekt aus den vorliegenden Dokumenten ermittelt werden (vgl. Bamler/Wustmann 2010).

 Die  Untersuchung von Kinderzeichnungen, Tagebüchern, Briefen, Aufsätzen oder freien Texten ermöglicht einen besonderen Zugang zu den Erlebens- und Erfahrungswelten von Kindern und Erwachsenen, da diese Dokumente selbst von der beforschten Person erzeugt wurden.

Literatur

Bamler, V., Werner, J., Wustmann, C. (2010). Lehrbuch Kindheitsforschung. Grundlagen, Zugänge und Methoden (Studium Elementarpädagogik). Weinheim: Juventa.