Fragebögen

Carla Bohndick

Schriftliche Befragungen werden meist mit Hilfe von Fragebögen durchgeführt. Unter einem Fragebogen kann eine sinnvolle Sammlung von Fragen, entweder auf Papier oder auch digital verstanden werden, die von den Untersuchungsteilnehmenden selbstständig und schriftlich beantwortet werden. Ein Vorteil ist, dass Fragebogenuntersuchungen sowohl in Ihrem Beisein, als auch auf postalischem Wege oder online durchgeführt werden können. Je nach Zweck können die Antwortmöglichkeiten in Fragebögen unterschiedlich stark standardisiert sein. Typischerweise geht mit einer stärkeren Standardisierung eine schnellere und einfachere Auswertung einher. Schwach standardisierte Befragungen sind dementgegen für gewöhnlich in neuen und schlecht strukturierten Forschungsfeldern angezeigt, in denen der explorative Charakter der Untersuchung im Vordergrund steht (s. Kapitel Standardisierung).

Ein Fragebogen besteht meist aus mehreren Teilen: In einer Einführung wird zunächst der Zweck der Untersuchung dargestellt. Darauf folgen häufig allgemeine Fragen zur Person, z. B. zum Geschlecht und Alter (soziodemographische Angaben) und schließlich werden die für die Forschungsfrage relevanten Themenbereiche behandelt. Am Schluss des Fragebogens können auch Fragen zur Nachbereitung, z. B. Evaluationsfragen zur Befragung selbst gestellt werden.

In einem Fragebogen können unterschiedliche Antwortmodalitäten eingesetzt werden. Dabei kann zwischen offener Beantwortung und der Auswahl von Antwortvorgaben unterschieden werden:

Bei der offenen Beantwortung erfolgt die Beantwortung frei, d.h. es sind keine Antwortauswahlmöglichkeiten vorgegeben. Ein Beispiel für eine offene Beantwortung wäre die Frage: In welchen Momenten liest du gerne? Hier ist zu erwarten, dass die Antworten sehr wenig durch Vorgaben der Forschenden begrenzt werden. Dies ist für explorative Zwecke sehr günstig, stellt aber hohe Anforderungen an die Auswertung. Ein anderes Beispiel wäre das Alter, welches mit folgender Frage ohne Antwortvorgaben erhoben werden kann: Wie alt bist du? Hier sind (von der Leserlichkeit der Antworten abgesehen) weder für das Antwortspektrum noch für die Auswertung besondere Vor- oder Nachteile im Vergleich zur Vorgabe von Antwortmöglichkeiten zu erwarten.

Bei Fragen mit Antwortvorgaben sind die Antwortmöglichkeiten vorgegeben, es handelt sich also um ein standardisiertes Fragenformat. Ein Beispiel für eine Frage mit Antwortvorgaben wäre also:
Besitzt du einen eBook-Reader? □ ja       □ nein

Hierbei lassen sich Fragen mit Einfachauswahl und mit Mehrfachauswahl unterscheiden. Bei der Einfachauswahl soll unter verschiedenen Antwortmöglichkeiten die am besten passende ausgesucht werden (wie z. B. die Frage nach dem Geschlecht). Bei der Mehrfachauswahl können mehrere Antwortalternativen ausgewählt werden. Ein Beispiel ist:

Aus welchen Gründen liest du?
□ Interesse am Inhalt des Textes
□ Interesse an der Sprache des Textes
□ Gewohnheit
□ Langeweile
□ Sonstige Gründe

Häufig sind Fragebögen so aufgebaut, dass verschiedene Aussagen vorgelegt werden, die auf einer Antwortskala, beispielsweise von 1 (trifft überhaupt nicht zu) bis 5 (trifft voll und ganz zu) bewertet werden sollen. Deshalb werden solche Antwortskalen auch als Ratingskala bezeichnet. Meist wird davon ausgegangen, dass die Abstände zwischen den Auswahlmöglichkeiten gleich sind und daher als metrisch betrachtet werden können (vgl. Beitrag zur Deskriptiven Statistik). Die Kombination aus Frage und Antwortmöglichkeit wird als Item bezeichnet.

Schritte bei der Erstellung eines Fragebogens

Im Folgenden können Sie die Erstellung eines Fragebogens schrittweise nachvollziehen. Der Fokus liegt dabei auf der Formulierung von Items zur Selbsteinschätzung. Die Auflistung kann auch für die Erstellung anderer Items nützlich sein, weitergehende Informationen finden Sie in der unten angegebenen Literatur.

Schritt 1: Festlegung der zu messenden Merkmale
Bei der Erstellung eines Fragebogens müssen Sie sich zunächst genau überlegen, welche Merkmale Sie messen wollen. Gehen wir davon aus, dass Sie den Zusammenhang zwischen dem Leseselbstkonzept und der Lesemotivation untersuchen wollen. Daraus ergibt sich, dass Sie das Merkmal Leseselbstkonzept und das Merkmal Lesemotivation erheben müssen.

Schritt 2: Recherche
Zu vielen Merkmalen existieren Fragebögen, die bereits eingesetzt wurden und zu denen Kennzahlen zur Qualitätsbestimmung vorliegen. Sie sollten also zunächst recherchieren, ob Sie auf der Arbeit von anderen aufbauen und sich damit selbst einige Mühe ersparen und besser an bereits bestehende Forschung anschließen können. Sollten Sie für Ihre Merkmale passende Fragebögen finden, rate ich Ihnen sehr, diese auch zu nutzen, besonders wenn diese schon mehrfach eingesetzt und damit getestet wurden. Auch hinsichtlich der vorliegenden Fragestellung existieren bereits Fragebögen. Für Demonstrationszwecke gehen wir im Weiteren allerdings davon aus, dass unsere Recherche erfolglos war und keine Vorarbeiten vorliegen, so dass wir einen neuen Fragebogen entwickeln müssen.

Schritt 3: Formulierung von Items
Zunächst müssen Sie sich überlegen (und dabei aktuelle Forschungsliteratur beachten), welche Indikatoren auf die Ausprägung dieser Merkmale hinweisen. Überlegen Sie sich dazu, woran eine niedrige oder hohe Ausprägung des Merkmals, welches Sie messen wollen, erkannt werden kann. Da Sie einen Fragebogen entwickeln wollen, müssen Sie sich im Weiteren auf solche Indikatoren beschränken, die über (Selbst)Auskünfte erfasst werden können. Für jedes Merkmal sollten Sie mehrere Items entwickeln. Für das Leseselbstkonzept könnten Sie beispielsweise folgende Aussage formulieren: Lesen fällt mir leicht. Für die Lesemotivation wäre eine Möglichkeit: Lesen macht mir Spaß. Zusätzlich müssen Sie sich für Antwortskalen entscheiden. Im vorliegenden Fall ist die schon vorgestellte Antwortskala von 1 (trifft überhaupt nicht zu) bis 5 (trifft voll und ganz zu) vorstellbar. Grundsätzlich sind auch andere Antwortskalen denkbar, z. B. zur Häufigkeit von 1 (nie) bis 5 (häufig).

Bei der Formulierung der Items sollten Sie Folgendes beachten: Grundsätzlich gilt, dass Sie sich bemühen sollten, die Aussagen möglichst klar, einfach und eindeutig zu formulieren. Sie sollten sich immer überlegen, ob Ihre Fragen wohl so verstanden werden, wie es von Ihnen intendiert ist. Weitere Hinweise zur Formulierung finden Sie bei Kallus (2010):

  • Ist das Sprachniveau angemessen?
    • Überprüfen Sie, ob Ihre Formulierungen für Ihre Zielgruppe verständlich sind. Fachbegriffe sollten Sie vermeiden, z. B. Ich bin intrinsisch motiviert.
  • Sind die Bezüge klar und eindeutig?
    • Ein problematisches Beispiel wäre: In meiner Schule gehöre ich zu den Besten im Lesen. Hier ist nicht eindeutig, auf wen sich der Vergleich bezieht. Es könnten sowohl ältere Schüler/-innen als auch die Lehrpersonen in den Vergleich einbezogen werden. Eine klarere Formulierung wäre: Im Vergleich mit den Mitschüler/-innen in meiner Klasse lese ich gut.
  • Entspricht jedes Item einem Aspekt?
    • Items, die mehrere Aspekte abfragen, können nicht eindeutig beantwortet werden, z. B.: Ich lese gerne Zeitung und Romane. Solche Items sollten Sie trennen und dafür zwei Items formulieren.
    • Auch Bedingungen innerhalb eines Items oder zwischen Items sollten Sie vermeiden, z. B. Wenn es Winter ist und ich ein gutes Buch zur Hand habe, lese ich manchmal den ganzen Tag.
  • Sind die Antwortkategorien passend?
    • Beispielsweise passt die Antwortskala von 1 (nie) bis 5 (häufig) nicht zu dem Item Meistens macht mir lesen Spaß.

Schritt 4: Formatierung des Fragebogens und Formulierung des Begleitschreibens
Auf die Formatierung sollten Sie einige Mühe verwenden, da eine eindeutige grafische Gestaltung die Verständlichkeit erhöht. Überprüfen Sie, ob alle Fragen gut lesbar sind und ob jeweils klar ist, welche Antworten zu welcher Frage gehören. Zusätzlich sollten Sie ein Begleitschreiben formulieren, das über die Ziele Ihrer Studie aufklärt und die Teilnehmenden motiviert, den Fragebogen auszufüllen. Hier sollte auch eine Instruktion zur Beantwortung des Fragebogens erfolgen. Das Begleitschreiben setzen Sie an den Anfang des Fragebogens. Wenn Sie minderjährige Personen befragen wollen, benötigen Sie eine Einverständniserklärung von den Eltern (s.a. Kapitel Forschung und Ethik). Der Einverständniserklärung sollten Sie ein Informationsschreiben beifügen.

Schritt 5: Erprobung des Fragebogens
Bevor Sie den Fragebogen einsetzen, sollten Sie ihn einigen Personen Ihrer Zielgruppe vorlegen, um zu überprüfen, ob alles verständlich ist. Dabei können Sie ausgefeilte Verfahren (diese finden Sie z. B. unter Stichwörtern wie kognitive Pretest) verwenden oder den Fragebogen einfach von 5-7 Personen ausfüllen lassen. Das Wichtigste ist, dass Sie sich Rückmeldung von Ihrer Zielgruppe holen. Tun Sie dies so frühzeitig, dass Sie notwendige Änderungen einarbeiten und den modifizierten Fragebogen erneut erproben können.

Nachdem mit Hilfe der kleinen Stichprobe die erste Einsatzfähigkeit sichergestellt ist, sollte der vorläufige Fragebogen an einer etwas größeren Stichprobe unter Echtbedingungen eingesetzt werden. Die dabei erhobenen Daten werden unter der Perspektive quantitativer Qualitätsindikatoren ausgewertet, um mangelhafte Items zu identifizieren. Vor dem eigentlichen Einsatz empfiehlt sich ein weiterer Probelauf mit der verbesserten Version.

Auswertung

Nachdem Sie Ihren Fragebogen eingesetzt haben, geht es an die Auswertung. Je nach Erkenntnisinteresse und Fragenform bieten sich hier verschiedene Verfahren an. Offene Fragen können Sie beispielsweise mit Hilfe der qualitativen Inhaltsanalyse auswerten, bei geschlossenen Fragen werden Sie vermutlich die deskriptiven Statistiken, Zusammenhänge oder Unterschiede interessieren. Insbesondere bei selbstentwickelten Fragebögen steht die Analyse der Qualitätseigenschaften des eigenen Fragebogens am Beginn der Auswertung.

Software

Zur Erstellung eines Papier-Fragebogens können Textbearbeitungsprogramme wie z. B. Word o.Ä. genutzt werden. Für Onlinebefragungen bieten sich Dienste wie Limesurvey (kostenfrei) oder Questback an.

Literatur

Aeppli, J. & Gasser, L. (2014). Empirisches wissenschaftliches Arbeiten. Ein Studienbuch für die Bildungswissenschaften (3. Aufl.). Bad Heilbrunn: Klinkhardt. (Kapitel 7)

Bortz, J. & Döring, N. (2006). Forschungsmethoden und Evaluation. Für Human- und Sozialwissenschaftler. Heidelberg: Springer.

Kallus, K. W. (2010). Erstellung von Fragebogen. Wien: Facultas. WUV.