Prozessanalyse

Unter der Prozessanalyse wird die systematische Untersuchung und Zerlegung von Handlungen innerhalb einer Organisation in seine Einzelteile verstanden. Ein Prozess ist die inhaltlich abgeschlossene, zeitliche und sachlogische Folge von Aktivitäten, die zur Bearbeitung eines betriebswirtschaftlich relevanten Objekts notwendig sind (Becker 2012). Auch in einem Theater werden tagtäglich Prozesse durchlaufen, zum Beispiel der Prozess der Stückauswahl oder der Prozess des Kartenkaufs. Die systematische Betrachtung der Prozesse in einem Theater schafft Verständnis für die Vorgehensweise und ermöglicht, die Komplexität der Handlungen zu reduzieren, um Schwachstellen und Verbesserungspotentiale zu erkennen und zu bewerten.

Modellierung des Prozesses „Planung einer Freiverkaufsveranstaltung“ in EPK.

Um in einem Kulturbetrieb das Potenzial von datenbasierter Entscheidungsunterstützung beurteilen zu können, ist es wichtig, Handlungen und Entscheidungen prozessorientiert zu betrachten. Im ersten Schritt ist es notwendig, die Handlungen und Entscheidungen zu beobachten und zu dokumentieren. Auf diese Weise kann ein Verständnis für die Prozesse aufgebaut werden und sich wiederholende Handlungen werden identifiziert und strukturiert. Das Ergebnis der Prozessidentifikation ist eine Übersicht, welche die Prozesse und ihre Beziehungen untereinander darstellt. Im zweiten Schritt der Prozessidentifikation müssen die identifizierten Prozesse anhand von geeigneten Kriterien priorisiert werden. Auf Basis dieser Priorisierung kann die Auswahl derjenigen Prozesse erfolgen, die für weiterführende Verbesserungsmaßnahmen besonders interessant sind.

Fragestellungen und Aufgaben

Prozessidentifikation

  • Wie viele Prozesse sollen definiert werden?
  • Welches sind die Kernprozesse meiner Organisation?
  • Auswahlkriterien für Kernprozesse können bspw. die Intensität der Ressourcenbindung (Material, Personal, Zeit), offensichtliche Schwachstellen oder die strategische Bedeutung der Prozesse sein.
  • Welche Dimensionen eigenen sich, um den Prozess zu beschreiben? Bspw.:
  • Zu welchem Zweck wird der Prozess durchgeführt?
  • Wie startet und endet der Prozess?
  • Welchen Input/Output hat der Prozess?
  • Gibt es Schnittstellen zu anderen Prozessen?
  • Wie häufig wird der Prozess durchlaufen?
  • Welche Abteilungen sind an dem Prozess beteiligt?
  • Welche Informationen sind erforderlich?
  • Welche Dokumente lassen sich dem Prozess zuordnen?
  • (Wie) kann ich den Erfolg des Prozesses messbar machen?

Prozessauswahl

  • Bedeutung: Welchen Einfluss haben die Prozesse auf die strategischen Ziele der Organisation?
  • Dysfunktion: Wie gut funktionieren die Prozesse zum gegenwärtigen Stand?
  • Durchführbarkeit: Wie geeignet sind die Prozesse für Prozessmanagement-Initiativen?

Die hier aufgelisteten Fragen verdeutlichen, dass im ersten Schritt im Vordergrund steht, dass eine Kultureinrichtung ein vertieftes Verständnis für die eigenen Prozesse entwickelt. Die Identifikation und Auswahl von Prozessen sind mit einem nicht unerheblichen Aufwand verbunden, sodass von Beginn ein strukturiertes verfolgt werden sollte, damit Theaterbetriebe langfristig einen Nutzen aus der Prozessanalyse ziehen. Dabei kann eine Orientierung an den oben aufgeführten Auswahlkriterien und Dimensionen helfen.

Methoden

Um das Ziel der datenbasierten Entscheidungsunterstützung in Kulturbetrieben zu erreichen, ist es im ersten Schritt entscheidend, die Prozessidentifikation und Auswahl als Grundlage für das weitere Vorgehen zu schaffen. Die Informationsbeschaffungen ist über Primär– oder Sekundärerhebungen möglich.

Primärerhebungen

Bei Primärerhebungen werden in Workshops mit mehreren Beteiligten oder in Einzelinterviews Details und Informationen zu den Prozessen gewonnen. Gruppenworkshops haben gegenüber Einzelinterviews den Vorteil, dass mehrere Prozessbeteiligte teilnehmen können und bei der Erfassung mehrere Sichtweisen auf denselben Prozess berücksichtigt werden. Bei Einzelinterviews kann hingegen ein eventuell vorhandener Gruppendruck unter den einzelnen Mitarbeiter:innen verhindert werden, was für den Informationsgehalt des Gesprächs förderlich sein kann. Den Befragten sollte dabei klar kommuniziert werden, dass niemand für seine/ihre aktuelle Arbeitsweise verurteilt wird und insbesondere die individuellen Beiträge und Sichtweisen dabei helfen, den Prozess zu verbessern.


Die Aussagen der Befragten stellen eine subjektive Perspektive dar. Dennoch lassen sich aus Gesprächen mit Prozessbeteiligten und -verantwortlichen wichtige Faktoren, wie die Motivation und Handlungsweisen beobachten. Die individuelle Einstellung zur jeweiligen Tätigkeit kann in entscheidendem Maße zur Leistungsfähigkeit und zum Erfolg des Ergebnisses beitragen.


Sekundärerhebungen

Die Sekundärerhebungen basieren auf vorhandenen Dokumenten. Mögliche Dokumententypen können Organigramme, Stellenbeschreibungen oder Prozessanweisungen sein. Fragen zu harten Fakten wie Kosten, Verkaufszahlen und Auslastung können durch Dokumentenrecherche und Systemdatenanalysen beantwortet werden. Diese Daten sind in der Vergangenheit erhoben worden, und müssen auf Aktualität und Übertragbarkeit kontrolliert werden.

Dokumentation

Es ist empfehlenswert die gewonnenen Daten und Informationen aus den Primär- und Sekundärerhebungen schriftlich festzuhalten. Dies erforderten eine entsprechende Vorbereitung der Gespräche und eine konsequente Nachbearbeitung dieser. Auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse können Diagramme (bspw. Flussdiagramme) die Prozesse visuell veranschaulichen.

Da Prozesse in Organisationen sehr komplex sein können und eine klare Abgrenzung einzelner Prozesse nicht immer direkt möglich ist, sollten die Prozesse zu Beginn nicht zu detailliert beschrieben werden. Im weiteren Verlauf der Prozessidentifikation sollte die Detaillierungstiefe zunehmen, sodass der Weg von übergeordneten zu spezialisierten Ebenen führt.

Evaluation

  • Habe ich eine bessere Übersicht über die (Kern)prozesse der Organisation gewonnen?
  • Ist es gelungen die Prozesse zu dokumentieren?
  • Kann ich Prozessverantwortliche benennen?
  • Kann ich das Ziel der einzelnen Prozesse klar benennen
  • Kann ich Erfolgskriterien für die einzelnen Prozesse benennen und messen?
  • Kenne ich alle Input/Output Faktoren eines einzelnen Prozesses?
  • Kann ich Entwicklungspotential eines Prozesses erkennen, ggf. sogar definieren?

Kulturspezifisches

Das herkömmliche Geschäftsprozess Management wurde insbesondere für Unternehmen entwickelt. Auf Basis der im TheaterLytics-Projekt gesammelten Erfahrungen lassen sich die folgenden wichtigen kulturspezifischen Unterschiede festhalten, die bei der Prozessanalyse nicht unbeachtet bleiben sollten:

  • Möglicherweise sind in Ihrem Kulturbetrieb noch nie Prozesse dokumentiert oder definiert worden. Es sollte daher nicht der Anspruch sein, im ersten Schritt alle Prozesse zu erfassen und zu dokumentieren. Bereits die systematische Identifikation und Auswahl von einzelnen Prozessen ist ein guter Start, um ein besseres Verständnis für das Managen von Prozessen zu bekommen.
  • Kulturbetriebe bewegen sich in einem Spannungsfeld, welches in Unternehmen so nicht auftritt. Künstlerische und kaufmännische Entscheidungen und Prozesse sind häufig stark voneinander entkoppelt und können in Konkurrenz zueinanderstehen. Die Prozessanalyse kann in diesem Spannungsfeld eine Chance darstellen, Prozesse über die künstlerischen und kaufmännischen Grenzen hinweg zu betrachten. Dies kann das gegenseitige Verständnis für die künstlerischen vs. kaufmännischen Entscheidungen und Prozesse erhöhen sowie die Zusammenarbeit stärken.

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