Projektziel

Öffentlich geförderte Kultureinrichtungen, wie auch das Theater Paderborn, müssen täglich zahlreiche Entscheidungen im Bereich des Kulturmanagements treffen. Diese Entscheidungen, eine Mischung aus kaufmännischen und künstlerischen Entscheidungen, haben zum Teil erhebliche Auswirkungen auf die Besucherzufriedenheit und die betriebswirtschaftliche Situation eines Theaters. Die Terminierung von Premieren, das Saalplatzmanagement oder die Preisgestaltung sind typische kaufmännische Entscheidungen, während die Auswahl der Stücke und die Rollenbesetzung typische künstlerische Entscheidungen sind. Die Ausgangslage im Theater Paderborn vor Projektstart war die, dass trotz der Komplexität und langfristigen Wirkung dieser Entscheidungen, bei der Planung von Ressourcen und der Angebotsgestaltung wenig systematisch vorgegangen wurde. Sprich, die zu treffenden Entscheidungen wurden aus dem Bauch heraus getroffen und es gab keine etablierten Lernprozesse, sodass nicht aus Fehlern der Vergangenheit für die Zukunft gelernt wurde.

Nichtsdestotrotz ist im Theater Paderborn informelles Wissen in hohem Maße vorhanden und Entscheidungen wurden auch in der Vergangenheit basierend auf Erfahrung und Fachwissen getroffen. So liegt im Theater vielfältiges Erfahrungswissen, über das komplexe Geflecht der unterschiedlichen Erfolgsfaktoren, vor. Ein Ziel des Projekts bestand darin, dieses Wissen zu formalisieren und in einem Entscheidungsunterstützungssystem sichtbar und nutzbar zu machen. Dadurch erhält das Theater Unterstützung für die Angebotsplanung, ohne dabei den inhaltlichen Interessen des Theaters zu widersprechen.

In einem ersten Schritt wurden die Prozesse und Entscheidungen innerhalb des Theaters analysiert. Im Bereich der operativen Planung sind die künstlerischen und betriebswirtschaftlichen Entscheidungen eng miteinander verknüpft, da eine künstlerische Entscheidung immer auch Auswirkung auf die betriebswirtschaftlichen Bereiche hat. Hierbei ist zu beachten, dass der Zeitpunkt der Entscheidung von zentraler Wichtigkeit ist. Eine Vielzahl der künstlerischen Entscheidungen werden bereits vor Spielzeitbeginn gefällt. Während der laufenden Spielzeit gibt es dagegen nur wenige (häufig kaufmännische) Entscheidungen, die getroffen werden können und den Verlauf einer Spielzeit beeinflussen.

Bereits vor Beginn der neuen Spielzeit stellt sich die Frage, wie das künstlerische Programm des Theaters ausgestaltet werden soll, z. B. wie viele Dramen, Klassiker und Neuerscheinung werden gespielt und welchen Bezug soll das Programm zu aktuellen gesellschaftlichen Themen haben? Anschließend beginnt die Suche nach geeigneten Theaterstücken sowie die Feinplanung. Diese umfasst die Wahl des Schauspielpersonals, der Regie und des Ausstattungs-Teams. Darüber hinaus muss geklärt werden, welches Budget eine Produktion erhält und wie teuer die Vorstellungskarten für die Aufführungen dieser Produktion sein sollen. Außerdem muss ein Premierentermin festgelegt werden und die Vorstellungen der Abo-Ringe müssen geplant werden. Weitere zu treffende Entscheidungen betreffen zum Beispiel den Anteil der Abonnenten in einer Vorstellung und damit den verfügbaren Anteil an Karten im freien Verkauf.

Während der laufenden Spielzeit besteht die Möglichkeit, den Start für den Kartenvorverkauf anzupassen und weitere Vorstellungstermine im sogenannten Freiverkauf anzubieten, d. h. zusätzliche Termine, bei denen die Abonnenten nicht schon einen (großen) Teil der Plätze belegen. Bei diesen Freiverkaufsterminen gilt es, vorab zu prognostizieren, wie groß die Nachfrage nach einer bestimmten Aufführung sein wird. Die Auslastung der bereits gespielten Vorstellungen und damit die Auswertung der Ticketsystemdaten sind daher sinnvolle Ausgangspunkte. Aber auch weitere Faktoren, wie die Wahl des Wochentages einer Vorstellung, sollte im Hinblick auf eine möglichst hohe Auslastung nicht außer Acht gelassen werden.

Das Theater – ein besonderes Anwendungsfeld für Optimierung

Theater bieten seit vielen Jahren eine historisch gewachsene und geschätzte Form der zeitgemäßen Unterhaltung an. Es gilt die gesellschaftspolitischen Strömungen der Gegenwart aufzunehmen und dem Publikum eine Sicht auf die aktuellen Gegebenheiten zu vermitteln. Neben dem kulturpolitischen Auftrag darf aber auch die Kundenzufriedenheit nicht aus den Augen verloren werden. Die Besucher:innen wünschen sich nicht selten ein abwechslungsreiches Programm, zu dem auch eine klassische, eine romantische und eine heitere Inszenierung gehört. Diese Produktionen lassen den kulturpolitischen Auftrag in den Hintergrund treten, sodass eine Balance zwischen kulturpolitischen Auftrag und den Wüschen des Theaterpublikums nach leichterer Unterhaltung gefunden werden muss. Wichtig ist somit die Rücksprache mit den Besucher:innen, da diese im Zentrum der Bemühungen des Theaters stehen. Kundenorientiertes Arbeiten ist nur möglich, wenn die genauen Bedürfnisse und Wünsche der Besucher:innen bekannt sind. Nur durch dieses Wissen können die Erwartungen berücksichtigt werden und der Aufenthalt so angenehm wie möglich gestaltet werden. Dabei geht es nicht nur um die Aufführung auf der Bühne, sondern darum, das Theatererlebnis als Ganzes zu betrachten, von der Anreise und dem Einlass durch das Servicepersonal, über den Getränkeverkauf, bis zur Orientierung im Gebäude und dem Sitzkomfort am Platz. Die künstlerischen Aspekte sollen durch hohe Qualität und Professionalität glänzen, haben aber nicht zwangsläufig auch den Anspruch zu gefallen.

Aus diesen Gründen wurde in TheaterLytics ein Fokus auf Besucherforschung gelegt, um die Perspektive der Besucher:innen nicht nur in die Entwicklung des Entscheidungsunterstützungssystems einzubringen, sondern auch abseits davon in den zu treffenden Entscheidungen zu berücksichtigen. Das langfristige Ziel sollte es auch sein, dass Theater die Gruppe der Nichtbesucher:innen besser verstehen und Mittel und Wege finden, diese anzusprechen, um so den kulturpolitischen Auftrag zu erfüllen. Deshalb ist nicht nur die Perspektive der Besucher:innen von Bedeutung, sondern auch die der Nichtbesucher:innen.

Die hier vorgestellten Projektergebnisse sind ein erster Schritt auf dem Weg zur systematischen und transparenten Aufbereitung von Daten in Form eines modularen Entscheidungsunterstützungssystems. Im Rahmen des Projekts wurden deshalb einige der künstlerischen und kaufmännischen Theaterentscheidungen ausgewählt und prototypisch in Software umgesetzt.