Hitler und „gott*“

Im Zuge der Spring School wurde uns als Übungsaufgabe gestellt, die Analysepotentiale des Text Mining Tools Voyant zu erproben. Quellbasis bildeten 13 Reden Adolf Hitlers von 1933 bis 1945. Ich habe hierfür folgende Aufgabenstellung aufgegriffen:

„Testen Sie die verschiedenen Tools aus. Nutzen Sie verschiedene Indikatoren für Abfragen, die sich aus der Fragestellung nach religiösen Dimensionen im Nationalsozialismus ergeben.“

Als Ausgangspunkt habe ich die 13 Reden in Voyant hochgeladen und als einen ersten Indikator den Begriff „gott*“ gewählt. Die Frage war dabei welche Rolle Gott als Person aber auch als Wortkombination wie „Gottesdiener“ in der Rhetorik Hitlers spielte. Dafür wurde die relative Häufigkeit des Begriffes „gott*“ in den 13 Reden über das Tool Trends ausgewertet.

Hier fällt deutlich auf, dass die Rede im Sportpalast 1940 (Nr.8) eine deutliche Häufung des Begriffs zeigt. Anschließend wurde das Tool MicroSearch verwendet, um einen detaillierten Einblick in die Verteilung dieses Begriffs auf die Reden zu bekommen.

Hierbei fällt auf, dass die Rede im Sportpalast 1940 sehr kurz ist, die Rede davor, im Reichstag 1939, aber ebenfalls das Suchwort „gott*“ häufig enthält, durch ihre Länge jedoch in der relativen Häufigkeit nicht so deutlich auffällt. In absoluter Häufigkeit ist mit je 12 Treffern das Suchwort „gott*“ in beiden Reden gleich häufig.

Im Sinne eines „Blended Readings“ nach Mathias Lemke wurden nun die beiden Reden mittels „Close Reading“ (qualitativem Lesen im Kontext) überprüft. Die Rede von 1940 wurde dafür ganz gelesen, da sie auch nur sehr kurz ist. Darin greift Hitler die „Engländer“ an, sich als von Gott auserkoren zu stilisieren und im Auftrag Gottes auch zum Schutze der Christen zu handeln. Dabei stellt er den Begriff „Gott“ als Feindbild bzw. ideologische Legitimation der Engländer dem deutschen Volk gegenüber.

In der wesentlich längeren Rede von 1939 im Reichstag wurde die Stelle mit Erwähnung des Begriffes „gott*“ gesucht und gelesen. Darin thematisiert Hitler wiederum die Stilisierung der Alliierten als „Diener Gottes“ und „Retter des Christentums“, spricht aber auch die ambivalente Haltung des Reichs zum Christentum an. Folgendes Zitat vermittelt dabei einen sehr deutlichen Eindruck zur Haltung des NS-Regimes gegenüber deutschen Christen und dem christlichen Ausland:

„Die Sympathie oder das Mitleid für verfolgte Gottesdiener kann es also nicht sein, was das Interesse der demokratischen Staatsbürger [der Alliierten, Anm.] an einzelnen in Deutschland mit dem Gesetz in Konflikt geratenen Priestern mobilisiert, sondern es ist das Interesse am deutschen Staatsfeind. Hier aber mag man eines zur Kenntnis nehmen:
Den deutschen Priester als Diener Gottes werden wir beschützen, den Priester als politischen Feind des Deutschen Reiches werden wir vernichten.“
[Hitler: Rede im Reichstag 1939]

Hier zeigt sich meiner Einschätzung nach ein Verständnis, das Treue zu „Reich und Führer“ deutlich über die Religion stellt. Wo das Christentum oder die Kirche das „Reich“ unterstützt, ist es willkommen. Wo es als Gegenkraft mobilisiert wird, ist es Feindbild.

Ebenso zeigt sich hier das Potential von Voyant für „Blended Reading“. Innerhalb einer sehr kurzen Zeit (ca. 20 Minuten) konnte aus einem umfangreichen Quellkorpus ein erstes Zwischenergebnis zur Beantwortung der Forschungsfrage gewonnen werden.

 

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