Was motiviert Menschen, ihre Steuern ehrlich und fair zu zahlen? Und wann sind Steuern überhaupt „fair“? Antworten auf diese Fragen sind vielfältig und variieren über Zeit und Raum. Nicht selten stehen sie in Verbindung mit religiös geprägten Überlegungen.
Um diese Antworten zu ergründen und einen Vergleich der Herangehensweise unterschiedlicher Religionen zu diesen Fragen anzuregen, luden Prof. Korinna Schönhärl (Historisches Institut Paderborn) und Prof. Idris Nassery (PIIT Paderborn) zum 29.2./1.3.2024 zu der Konferenz unter dem Titel „God, Taxes, and Societies: Exploring Intersections of Religion and Taxation in History“ ein.
In der gleichzeitig historisch anmutenden und modernen Atmosphäre des ehemaligen Kapuzinerklosters „Liborianum“ in Paderborn trafen sich Experten zu den drei großen monotheistischen Religionen und dem Buddhismus, um zu diesem Austausch beizutragen.
Fabio Rambelli (UC Santa Barbara) stellte die Steuer- und Abgabenkultur an buddhistischen Tempeln im vormodernen Japan vor. Diese zeitweise auch weltliche Herrschaft ausübenden Tempel erhielten „Opfergaben“ in Form von Naturalien, Arbeitsdiensten und Geldspenden. Diese waren keinem bestimmten Zweck zugewiesen, die Kultur des Gebens stand im Vordergrund, empfangenen Güter wurden in gutes Karma ‚umgewandelt‘. Eine Verweigerung von Abgaben hingegen würde, so glaubte man, schlechtes Karma, Missernten, Flüche und Krankheiten verursachen. So funktionierte dieses System auf freiwilliger Basis, und ohne festgelegte Abgabehöhen oder Sanktionen.
Anschließend führte Elisa Klaphek in die dem Talmud zu entnehmenden Normen des jüdischen Glaubens zum Thema Steuern ein. Neben dem allgemeinen Grundsatz „Dina de-malchuta dina“ (Hebr. „Das Gesetz des Staates ist das Gesetz“), der zum Einhalten geltenden (auch Steuer-) Rechts, verpflichtet, bietet der Talmud Normen für Steuern und Abgaben in einer jüdischen Gemeinschaft. Steuern sind hier zweckgebunden – nur wer von den Leistungen profitiert, muss auch zahlen. Zu einigen Abgaben, wie z. B. zentral umverteilten Almosen, werden nur wohlhabende Personen herangezogen. Steuern zu zahlen wurde als Privileg, nicht als Belastung empfunden, es machte die Zahler zu vollwertigen Bürgern.
Ergänzt wurde dieser erste Block durch einen Vortrag über die Gmach, eine einzigartige Wohlfahrtsorganisation ultraorthodoxer Gesellschaften in Israel, die Gegenstände und Geld als Leihgabe annimmt und weiterverleiht.
Allen Calhoun (Emory University Atlanta) thematisierte im Anschluss die Sichtweise protestantischer Theologen des (frühen) 20. Jahrhunderts, wie Reinhold Niebuhr und Karl Barth auf das Thema Steuern: sie plädieren für eine faire Besteuerung, die Bürger entsprechend ihrer Belastbarkeit besteuert. Damit wenden sie sich gegen die in Katholizismus zu findende Verknüpfung von Steuer und Absolution.
Im dritten und abschließenden Vortrag dieses Blocks verglich Korinna Schönhärl die moralischen Normen dreier katholischer Gelehrter der 1940er und 1950er Jahre aus dem franquistischen Spanien, den USA und Westdeutschland. In diesem Zeitraum veränderte sich die Haltung der katholischen Kirche langsam weg vom Gutheißen der Steuerhinterziehung, hin zu einer Anerkennung eines staatlichen Rechts auf Steuererhebung zum Zwecke der Wohlfahrt. Steuern wurden unterschiedlich verstanden: als zwingende patriotische Pflicht (USA) oder als Gesellschaftsvertrag (Nell-Breuning), der im Falle von Unzufriedenheit demokratisch verändert werden konnte, oder als lediglich im Falle fairer Steuern verpflichtend (Joaquín Aspiazu). Zurückzuführen sind die Unterschiede auf andere Ausgangspositionen: in Deutschland empfing die kath. Kirche Steuern, während sie in Spanien Steuern zahlen musste. Der Vergleich hat gezeigt, dass Ökonomie und soziale Zustände auch in der religiösen Moral vom Thema Steuern nicht zu trennen sind.
Der dritte Block der Konferenz widmete sich der islamischen Welt. Idris Nasseri sprach über die Sichtweise islamischer Gelehrter auf die Steuerhinterziehung. Zakat, eine Abgabe, die Muslime für die Versorgung von Bedürftigen entrichten müssen, für sich zu behalten, wäre ein Verbrechen gegen die Gesellschaft. Veruntreut ein Herrscher jedoch die eingenommenen Gelder, forderten manche Gelehrte politisches Aktivwerden, andere eine stille Steuerverweigerung, wieder andere riefen zu Treuebruch und Umsiedelung auf. Einig waren sich alle darin, dass die ggf. einbehaltene Zakat den Bedürftigen auf anderem Wege zugeführt werden muss.
Daran schloss sich der Vortrag von Emanuel Schäublin (ETH Zürich) an, der in einer Feldstudie in Nablus (Palästina) beobachtet hat, wie Zakat dort ohne Beteiligung der als korrupt empfundenen Regierung von relativ wohlständischen Familien an ärmere Familien gegeben wird.
Schließlich folgte der Vortrag von Antonis Hadjikyriacou (Panteion University Athen) über das Steuersystem im Osmanischen Reich, das er als gleichzeitig islamisch und weltlich beschreibt, geprägt von der Dialektik zwischen Siyasa (sultanischem Gesetz) und Islamischer Jurisprudenz, legitimiert sowohl durch ihre Notwendigkeit zum Bewahren von Ordnung und Wohlstand, als auch durch religiöse Gebote (Zakat, Dschizya). Dabei ging man über die Zeit von örtlich angepassten Kopfsteuern auf Pauschalbesteuerung, Steuerpacht und Land-/Vermögenssteuer über, die gleichermaßen in nicht-islamischen Reichsteilen erhoben wurden.
Die Konferenz zeigte die Vielfalt sowohl in der Legitimation von Steuern und Abgaben als auch im Umgang mit Steuerhinterziehung auf. Zwei Konzepte tauchen jedoch über die Zeit und unterschiedliche Religionen hinweg immer wieder auf: Einerseits die Gabe eines Wohlhabenden an einen Armen aus spirituellem Eigennutzen, sei es mit Blick auf das Jenseits oder zur Verbesserung des Karma, und andererseits die Notwendigkeit von Abgaben zum Zwecke einer ausgeglichenen Gesellschaft. Dass geistliche Normenlehren, angepasst an gesellschaftliche und soziale Umstände, von der Antike bis ins 20. Jahrhundert stets mit der Steuerlegitimation einher gehen, belegt die Bedeutung von Religion für die Steuergeschichte.
Über den folgenden Link finden Sie weitere Einblicke in die Konferenz: https://youtu.be/BhUmj7cyxfY?si=amvBH7zTxlh3X8SL
Kara Kuebart ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Geschichtswissenschaft im Bereich Verfassungs-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte an der Universität Bonn.