In der Welt der zeitgenössischen Musik gibt es eine Komposition von John Cage (1912-1992) mit dem Titel 4.33 (four thirty three).
Das Werk besteht aus 4 Minuten und 33 Sekunden Stille, oder wie der Autor es definiert: „The absence of intended sounds“.
Genau so hätte ich diesmal den Text für den Blog liefern sollen: ohne Schrift und in Anlehnung an Cages Idee, dass die Abwesenheit von beabsichtigtem „Text“ manchmal mehr im anderen nachklingt als eine lange Rede.
Seit dem 7.10.2023, als die Hamas in Israel einmarschierte und ein Massaker verübte, kann ich nichts mehr in Worte fassen, außer die Dinge beim Namen zu nennen: Trotz des politischen Kontextes des langjährigen Nahostkonflikts ist ein Massaker ein Massaker, eine Entführung ist eine Entführung, schreckliche Sexualverbrechen sind schreckliche Sexualverbrechen, eine Verstümmelung ist eine Verstümmelung.
Soziale Netzwerke waren Kommunikationsmittel der Verzweiflung und in einigen Fällen die Rettung, aber in anderen Fällen waren sie Kanäle der Folter, der Perversion und der massenhaften Verbreitung von Verbrechen.
Wer tut, was am 7. Oktober getan wurde, verlässt den politischen, militärischen, ethischen und normativen Boden, auch in Konfliktsituationen: Er wird zum Monster, zum Völkermörder, zum Folterer.
Ich kann mich nur in Emotionen verstricken, und Emotionen weichen bekanntlich nur allmählich den Worten. Aus meiner subjektiven jüdischen Erfahrung heraus, aus der unvollkommenen Welt der Worte, teile ich dann mit, was ich fühle.
Ich fühle Angst.
Ich fühle Schmerz.
Ich fühle Verzweiflung.
Ich fühle Bewunderung für die, die Welten retten.
Ich fühle Verachtung für diejenigen, die den Tod feiern.
Ich fühle die Dringlichkeit, dass die Entmenschlichung aufhören muss.
Ich fühle, dass eine Lösung, die es zwei Völkern ermöglicht, ihren Platz in der Welt zu finden, in weite Ferne gerückt ist.
Ich spüre, dass die Radikalisierung uns nicht in eine Sackgasse führt, sondern direkt in den Abgrund.
Von diesem Kampf um Bilder bleibt mir nur die Freude über die Wiedervereinigung auf beiden Seiten der Grenze, das einzige Licht der Hoffnung in diesen dunklen Tagen, und über das, was wir jeden Tag aufs Neue preisen sollten: den einzigartigen Wert eines jeden Menschenlebens, der nicht verhandelbar ist.
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Liliana Furman ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich der Jüdischen Studien an der Universität Paderborn.
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