Erneut erschüttert ein Ereignis die Welt: der brutale Angriff der radikalislamischen Hamas auf die Zivilbevölkerung in Israel. Kinder, Alte, Männer und Frauen in Israel wurden wahllos und vorsätzlich auf grausame Weise verschleppt, verletzt und getötet. Und im Zuge der militärischen Reaktion Israels im Gazastreifen zahlen, wie auch schon beim Angriff der Hamas, vor allem unschuldige Zivilist*innen den Preis für die Vergeltungsmaßnahmen. Während die meisten Menschen zutiefst von den grausamen Ereignissen und den zahlreichen Opfern in Israel und Palästina betroffen sind, scheinen andere wiederum die Taten, etwa in Berlin-Neukölln, zu bejubeln. „Wer diesen Terror bejubelt, der entwürdigt nicht nur die Opfer, der tritt auch die Menschenwürde und unsere deutsche Verfassung mit Füßen. Solches Verhalten entsetzt mich, es widert mich an“, betont Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Mehr denn je sind die weltweiten Gesellschaften und somit auch die Theologien angesichts des belastenden Erbes nach Auschwitz und der zunehmenden weltweiten Krisen und Kriege herausgefordert, einerseits Fragen nach Frieden und Gerechtigkeit in ihre Diskurse und ihr gesellschaftliches, politisches und religiöses Handeln miteinzubeziehen, und andererseits die aktuellen Ereignisse im ständigen „Eingedenken des Leids der anderen“ kritisch zu reflektieren und Stellung zu beziehen. „In dieser schweren Zeit steht Deutschland fest an der Seite Israels. Darauf kann sich das israelische Volk, können sich die Jüdinnen und Juden in Deutschland verlassen“, erklärt Steinmeier in seiner Rede weiter.
Unterschiedliche Religionen wurden über die Jahrhunderte hindurch bis in die heutige Zeit hinein wiederholt zur Legitimation von Gewalt und Krieg missbraucht und Kriege aus machtpolitischen Interessen vermeintlich im Namen Gottes geführt. Dabei liegt ihnen eigentlich das Potential der Friedenstiftung inne, wie Markus A. Weingardt von der Stiftung „Weltethos“ in seiner Untersuchung „Frieden durch Religion? Das Spannungsverhältnis zwischen Religion und Politik“ aufzeigt: „Man muss weder religiös sein, noch muss man Religionen mögen, um deren friedenspolitische Beiträge und Potenziale anzuerkennen. Wenn Religionen aber solche Friedenspotenziale haben, dann muss uns daran gelegen sein, diese auch wirklich im Sinne des Friedens und zum Wohle der Menschen aufzugreifen und einzubinden in die Politik.“ Auch der Arbeit, die das Zentrum für Komparative Theologie und Kulturwissenschaften im Sinne eines interreligiösen Miteinanders und von Begegnungen auf Augenhöhe leistet, kommt daher insbesondere in diesen Zeiten eine unermessliche Bedeutung zu.
Die jüngsten Ereignisse haben uns auch persönlich sehr erschüttert, und wir haben gemerkt, dass es vielen Mitmenschen dabei nicht anders geht. Wir gehören der Generation Y an. Ein prägendes Merkmal ist: Wir können uns daran erinnern, wo wir waren und was wir getan haben, als sich der Terroranschlag vom 11. September 2001 als das singuläre Kriegs- und Krisenereignis unserer Generation ereignete. Es war der Auftakt eines Jahrzehnts, in dem auch noch weitere Krisen folgten, aber die heutigen Zeiten fühlen sich noch einmal anders an, indem die Abstände immer kürzer werden. Der Ausbruch einer mehrjährigen Pandemie, immer stärkere Naturkatastrophen und Extremwetterereignisse als Folgen des menschengemachten Klimawandels, der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, die Wirtschaftskrise, das Wiedererstarken des Rechtsextremismus und nun der Angriff auf Israel: Es ist eine riesige Fülle an negativen Ereignissen, die allein in den vergangenen drei Jahren über uns kamen. Nicht immer können wir das allein oder im Gespräch mit Verwandten, Bekannten und Freund*innen verarbeiten. Daher sei an dieser Stelle auch noch einmal auf die Telefonseelsorgeangebote der drei Religionen verwiesen:
Christliche Telefonseelsorge: 0800 1110111
Jüdische Telefonseelsorge: 0800 0001642
Muslimische Telefonseelsorge: 030 443509821
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Stephanie Lerke ist Lehrkraft für besondere Aufgaben in der Abteilung Theologie an der Universität Bielefeld und Lehrbeauftragte am Institut für Evangelische Theologie der Universität Paderborn, Jan Christian Pinsch ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Evangelische Theologie der Universität Paderborn und Lehrbeauftragter am Institut für Evangelische Theologie und Religionspädagogik der Julius-Maximilians-Universität Würzburg.
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