Ein heißer Sommer nähert sich seinem Ende. Diese Septemberwoche ist bestimmt von ambivalenten Erfahrungen – geschenkten Spätsommertagen auf der einen Seite, zerstörerischen Wetterkapriolen auf der anderen Seite. Die diesjährigen Hitzewellen, Brände hervorrufenden Dürreperioden und extremen Starkregen mit Überflutungen wurden mit „apokalyptischen“ Szenarien verglichen. Folgen des Klimawandels? Die Dringlichkeit des Klimaschutzes durch gesamtgesellschaftliche und individuelle Verhaltensänderungen tritt damit besonders drastisch vor Augen.
Der September firmiert im kirchlichen Kalendarium als „Schöpfungszeit“: Im Kirchenjahr wird damit der Zeitraum zwischen dem 1. September und dem 4. Oktober (Gedenktag des Franziskus von Assisi)[1] bezeichnet: Ausgerufen von der dritten Europäischen Ökumenischen Versammlung der Kirchen 2007 im rumänischen Sibiu, erinnert die ökumenische Zeit der Schöpfung daran, sich auf die Verantwortung zur Bewahrung der Schöpfung zu besinnen.
Die Initiative kam von orthodoxer Seite: Der 1. September gilt in den orthodoxen Kirchen als der Tag der Schöpfung. Bereits 1989 hatte der damalige Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Dimitrios I. (1914–1991), „die gesamte christliche Welt“ eingeladen, „jedes Jahr an diesem Tag den Schöpfer aller Dinge anzurufen und anzuflehen, ihm Dank zu sagen für die grosse Gabe der Schöpfung und ihn um ihre Bewahrung und ihr Heil zu bitten“. Mit Rekurs auf die Schöpfungserzählung am Anfang der Bibel mahnte er: „Indem der Mensch seine Sonderstellung in der Schöpfung und Gottes Auftrag ‚über die Erde zu herrschen (Genesis 1,28)‘ missbraucht, hat er die Welt an den Rand apokalyptischer Selbstzerstörung geführt …“[2]
Hier zeigen sich die unterschiedlichen Lesarten biblischer Schöpfungsnarrative in der Rezeptionsgeschichte. Wie lässt sich die priesterschriftliche Schöpfungserzählung im ersten Kapitel der Genesis gegenüber traditionellen Deutungsmustern auslegen? Die sich aktuell potenzierenden Krisen rufen nach einer Kritik und Veränderung überkommener Logiken im „Anthropozän“, das sich mit aus der Bibel abgeleiteten anthropozentrischen Überlegenheitsansprüchen legitimierte.
Im Horizont altorientalischer Vorstellungswelten verweist die imago Dei in Gen 1,26–28 auf ein „demokratisiertes“ Herrscherideal in Repräsentanz Gottes („Gottesbildlichkeit“ des Menschen gleichsam als Statthalterschaft): Das als königliche Herrschaft – die nun der Menschheit kollektiv übertragen wird – verbildlichte dominium terrae ist nicht als Freibrief zur Ausbeutung der Schöpfung und zur Zerstörung von gemeinschaftlich überantworteten Ressourcen zu verstehen, sondern verkündet einen Dauerauftrag zum Einsatz für die Vielfalt der Schöpfung. Anstatt von Dominanz die Verbunden-, Verwoben- und Verwiesenheit in der gemeinsamen Kreatürlichkeit im Schöpfungskollektiv zu sehen, bringt einen notwendigen Perspektivenwechsel in der handlungsleitenden Interpretation.
In seiner Botschaft anlässlich des Weltgebetstages für die Schöpfung am 1. September (seit 2015 im katholischen Kirchenkalender verankert) forderte Papst Franziskus zu „ökologischer Umkehr“ auf, sich „an die Seite der Opfer von Umwelt- und Klimaungerechtigkeit zu stellen und diesen sinnlosen Krieg gegen die Schöpfung zu beenden“.[3] In einer gemeinsamen Erklärung zum Auftakt der „Schöpfungszeit“ riefen auch der Rat der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) und die Konferenz Europäischer Kirchen (KEK) zur Beteiligung auf: Eine gerechtere und nachhaltigere Lebensweise für die gesamte Menschheit hänge vom Engagement aller für das „gemeinsame Haus“ ab.[4] Die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in Deutschland lud am 1. September zur zentralen Feier des diesjährigen Ökumenischen Tages der Schöpfung (seit 2010 am ersten Freitag im September) in Bremen ein.
Am heutigen Freitag, dem 15. September setzen verschiedene Klimaschutzbewegungen, Religionsgemeinschaften (z.B. Religions For Future in Wien) und Jugendorganisationen mit einem „globalen Klimastreik“ ein öffentliches Zeichen.
Schöpfungszeit als interkonfessionelles (und interreligiöses) Programm – es ist höchste Zeit für die Schöpfung.
[1] In der EKD der 3. Oktober (Todestag).
[2] Europäisches Christliches Umweltnetz [ECEN], Eine Zeit für Gottes Schöpfung. Ein Aufruf an die europäischen Kirchen, hg. v. Isolde Schönstein und Lukas Vischer, Genf 2006, 10–11; online zugänglich unter: 2006_ecen_schoepfungszeit.pdf (unibe.ch).
[3] Papstbotschaft zum Weltgebetstag für die Bewahrung der Schöpfung: Wortlaut – Vatican News.
[4] Kirchen in Europa: Klima braucht mehr politischen Einsatz – Vatican News.
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Prof. Dr. Andrea Taschl-Erber verantwortet den Bereich Biblische Theologie am Institut für Katholische Theologie an der Universität Paderborn.