Sei gegrüßet, o Libori

In dieser Woche wird in Paderborn Libori gefeiert. Ein großes Fest, welches Kirche und Kirmes miteinander verbindet. Es geht zurück auf die Überführung der Gebeine des heiligen Liborius aus Le Mans nach Paderborn im Jahr 836. Ihm zu Ehren gibt es einige Prozessionen, in denen der Schrein mit den Gebeinen noch heute präsentiert wird. 1521 wurde dann mit dem Magdalenenmarkt auch noch ein weltlicher Markt in derselben Zeit abgehalten. Daraus entstand das Libori-Fest, wie man es heute kennt.

Der Tradition nach soll 836 die gesamte Strecke von Le Mans nach Paderborn ein Pfau der Reisegruppe vorangeflogen sein und sich auf dann auf dem Paderborner Dom niedergelassen haben. Als alle den Dom betreten hatte, fiel der Pfau tot um. Dieser Mythos machte den Pfau, insbesondere seine Federn, zu einem bekannten Symbol in Paderborn. Pfauen sind generell auffällige Tiere, gerade die Schwanzfedern und die Präsentation dieser sind wunderschön anzuschauen. Es ist also kein Wunder, dass Pfauen oder seine Federn oft in Paderborn zu sehen sind: In städtischen Einrichtungen oder in Geschäften zum Beispiel. Selbst der SC Paderborn nutzt für die Saison 2023/2024 stilisierte Pfauenfedern als Muster auf seinen Heimtrikots. Auch in den kirchlichen Prozessionen spiegelt sich der Pfau wider: Ein unverzichtbares Objekt in der Liturgie zum Libori-Fest ist ein großer Pfauenwedel. Es ist einer der wenigen noch im liturgischen Gebrauch benutzten Wedel in der katholischen Kirche.

So erstaunlich die Verbindung eines Tieres aus dem asiatischen Raum mit einer ostwestfälischen Stadt hat, umso normaler erscheinen die Verbindungen in Religionen, die der Herkunft der Pfauen näher sind:

In der griechischen Mythologie ließ Hera durch den vieläugigen Riesen Argus ihre Nebenbuhlerin Io beobachten, sodass ihr Gemahl Zeus nicht mit ihr verkehren konnte. Argus wird schließlich durch eine Pan-Flöte eingeschläfert und getötet. Als Erinnerung an dessen „Argusaugen“ überführt Hera diese in das Gefieder der Pfauen.

Auch in persischen und islamischen Kontexten kommt der Pfau vor. Die Schwanzfedern schmücken häufig Abbildungen von mythischen geflügelten Wesen, wie etwa dem Simurgh aus der persischen Mythologie oder Buraq, dem Reittier, auf dem der Prophet Muhammad seine Himmelsreise angetreten haben soll. Pfauen sind auch häufig auf Malereien zu sehen. Auch hier könnte man noch weitere Geschichten erzählen.

Eine zentrale Rolle spielt der Pfau im ezidischen Glauben. Gott schuf zunächst sieben Engel, die ihn repräsentieren und die Schöpfung in der Folge weiter ausführten. Der größte und ehrenvollste davon ist Melek Taus, der als Pfau dargestellt wird. Er wird als Vermittler zwischen Gott und den Menschen gesehen. Der Begründer des Ezidentums wird als Inkarnation Melek Taus gesehen. So wurde der Pfau zum wichtigen Symbol im Ezidentum.

In Indien ist der Pfau Nationalvogel, man begegnet ihm dort in vielerlei Hinsicht. Neben ästhetischen Gründen wird er in hinduistischen Strömungen und anderen Erzählungen als Reittier von Göttern und Göttinnen gesehen. Zudem verzehren Pfaue junge Schlangen, sodass sie auch ganz praktische Gründe haben.

Christliche, griechische, islamische, persische, ezidische, hinduistische Kulturen: Sie alle haben ihre eigenen Geschichten, Ideen und Vorstellungen von Pfauen.  Es gäbe so viel, was man sich erzählen könnte, so viele verschiedene Perspektiven, so viel Stoff für den interreligiösen Dialog!

Wie eingangs erwähnt, fußt die Paderborner Pfauensage auf der Reliquienüberführung des hl. Liborius aus Le Mans nach Paderborn, die genauen Umstände sind aber unklar. Was hingegen klar ist: Seit 836 sind die Städte Le Mans und Paderborn miteinander verbunden. Damit ist es die älteste noch erhaltene Städtepartnerschaft europaweit. Vielleicht vermag auf diese Weise der hl. Liborius mit der Pfauensage nicht nur ein Vermittler zwischen Frankreich und Deutschland, zwischen Kirche und Welt, sondern auch zwischen Religionen sein.

Benedikt Körner ist Referent für den interreligiösen Dialog sowie Sekten- und Weltanschauungfragen des Erzbistums Paderborn.

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