Prophet*innen?

Anlässlich des Weltfrauentages am 8. März sprach ich mit einer Freundin über das gendergerechte Sprechen. Die sprachlichen Gewohnheiten wie auch die Strukturen der gewachsenen Sprache hindern häufig an der Absicht, alle Menschen ansprechen zu wollen. Durch die männliche Form des Plurals wird die Existenz von weiblichen Professoren, Studenten, Ärzten und Bäckern nun mal verschwiegen. Das wird besonders tragisch, wenn diese sich nicht mehr zu Wort melden können, wie die Jüngerinnen und Prophetinnen der Bibel, die allzu oft unter dem Plural der Jünger und Propheten verschwinden. Die Frauen um Jesus herum mögen durch die Evangelien noch explizit genannt werden, sie werden aber oft nicht als Jüngerinnen wahrgenommen. Und was ist zum Beispiel mit den Prophetinnen Mirjam, Deborah und Huldah? Noch nie von ihrer Frauenpower gehört? Dann muss sich das ändern. Hier kann das nur stichwortartig geschehen, in den biblischen Schriften klingt das viel schöner:

Mirjam ist vermutlich am bekanntesten als Schwester der großen Gestalten Mose und Aaron, die ihnen dadurch gleichgestellt ist (Mi 6,4). Sie ist an der Rettungsaktion Moses aus dem Schilfmeer maßgeblich beteiligt (Ex 2,4-8), besingt als Prophetin und Führerin des Volkes Israel den Auszug aus Ägypten (Ex 15,20f.) und nach ihrem Tod versagt die Führung Moses und Aarons (Num 20,1-13). 

Deborah dient nicht nur als Prophetin sondern auch als Richterin, die unter der Deborah-Palme Recht spricht. Sie wird zudem explizit als Frau und Ehefrau sowie als Sängerin, militärische Führungsgestalt, Kriegerin und Mutter charakterisiert (Ri 4-5).

Huldah prophezeit mit der prophetischen Botenformel „So spricht der Herr“ den Zorn JHWHs über die Stadt, nachdem sie von Priester Hilkija gebeten wurde, als Prophetin eine im Tempel gefundene Schriftrolle auszulegen und (2 Kön 22; vgl. auch 2 Chr 34). Warum wurde sie gefragt und nicht ihr Zeitgenosse Jeremia?

Neben diesen namentlich genannten Prophetinnen wird es noch weitere gegeben haben, die nur notizhaft erwähnt werden (Jes 8,3; Ez 13, 17-23; Neh 6,14) oder sich nur durch ihre prophetische Tätigkeit und nicht durch den Titel identifizieren lassen (Rebekka? Abigail?). Das ließe sich auch am Neuen Testament aufzeigen, doch dafür wäre ein weiterer Blogbeitrag nötig. Schon diese kurzen Charakterisierungen zeigen, dass die Prophetinnen Israels dieselben Aufgaben erfüllten, wie ihre Kollegen. Es muss von Ihnen erzählt werden und ich finde, sie sollten auch sprachlich Erwähnung finden, weil man sie sonst allzu leicht vergisst.

Bild: Das Lied der Debora von Gustave Doré (ca. 1866)

Dr. Cordula Heupts ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Systematischen Theologie am Institut für Katholische Theologie der Universität Paderborn.

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