Inšallāh

Wallace: „Werden Sie uns sagen, wieviel Steuern Sie in 2016 und 2017 bezahlt haben?“

Trump: „Millionen von Dollar!“

Wallace: „Sie bezahlten Millionen von Dollar?“

Trump: „Millionen von Dollar. Und das werden Sie sehen! Das werden Sie sehen!“

Biden: „Wann!? Inšallāh!?“

Diese kurze Auseinandersetzung in der Präsidentschaftsdebatte der US löste einige heftige Online-Debatte aus. Die Palette der Kommentare reichte von Bidens Arabophobie und Islamophobie durch die beleidigende Nutzung des Ausdrucks „so Gott will!“ (in šāʾ Allāh) bis hin zum Lob, da er diese kolloquiale Phrase auf den Punkt gebracht hat: in der muslimischen Gesellschaft gilt inšallāh nämlich längst als ein Euphemismus dafür, dass etwas nie geschehen wird; ein im Vorfeld gebrochenes Versprechen, könnte man sagen.

Dass dieser Ausdruck das Jahr 2020 maßgeblich geprägt hat, ist inzwischen klar: neben der sarkastischen Bemerkung Joe Bidens, machten im Januar die Nachrichten die Runde, dass diese Phrase im Jahr 2020 in den Duden aufgenommen wurde (was allerdings nicht stimmt, da sie bereits seit 1942 im Duden steht, wie die Duden-Sprecherin Nicole Weiffen erklären musste). Die ursprüngliche Bedeutung der Phrase – aus der eine gewisse Schicksalsergebenheit spricht, gemäß welcher sich der Mensch dem Willen Gottes (mašīʾat Allāh) ergibt und sein Urteil annimmt – gewann mit dem Ausbruch der Pandemie seit März dieses Jahres wieder an Bedeutung.

Alle unsere Pläne sind bis auf Weiteres verschoben: Familienbesuche sagen wir bis auf unbestimmte Zeit hoffnungsvoll ab; geplante Aufenthalte, Veranstaltungen und Konferenzen sind uns sogar für das Jahr 2021 unsicher. Auf das Digitale sind wir zwangsweise angewiesen. Uns fehlt die menschliche Nähe. Und das blöde Mikrofon vergessen wir immer auf Laut zu stellen, wenn wir was über Zoom sagen wollen. Alles wirkt so „plastisch“, virtuell und unnatürlich. Deswegen äußern wir gerade mit der Phrase inšallāh, voller Hoffnung und Demut, unseren Wunsch, dass die Pandemie bald vergeht und wir wieder in den Alltag zurückkehren können. So, wie der Prophet Muḥammad, Friede sei mit ihm, auf die Offenbarung der Geschichten von den „Gefährten der Höhle“, sowie der des Ḫiḍr und der des Ḏū l-Qarnayn wartete, um den Dialog mit einer Delegation der Juden aus Naǧrān fortzuführen – genauso warten auch wir. Anfangs sagte der Prophet Muḥammad der Delegation zuversichtlich, sie sollen am nächsten Tag kommen und er wird die Antworten für sie parat haben. Dabei sagte er aber nicht „inšallāh.“ Sein Warten auf die Offenbarung dauerte 40 Tage. In dieser Zeit wurde er selbst durch das Warten bedrückt. Der Wurm des Zweifels fraß sich in die Herzen einiger seiner Gefährten. Nach 40 Tagen wurde die Sure Kahf endlich offenbart – mit allen Antworten auf die Fragen der Delegation aus Naǧrān. In Mitten der Sure, in Versen 23 und 24, wurde der Grund für die unerwartete Verzögerung dieser Offenbarung angegeben:

„Und sag nicht von einer Sache: «Ich werde dies morgen tun», es sei denn (du fügst hinzu): «So Gott will.» Und gedenke deines Herrn, wenn du es vergessen hast, und sag: «Mein Herr möge mich zu etwas rechtleiten, was der richtigen Handlungsweise eher entspricht als dies!»“ (18:23,24)

Die Phrase ist im christlichen Kontext als „jakobäischer Vorbehalt“(Conditio Jakobaea) längst bekannt und erinnert daran, dass die geplanten Ereignisse dem Willen Gottes unterliegen. Sie geht auf den Jakobusbrief zurück, in dem der Apostel vor Selbstsicherheit warnt und auf den Willen Gottes hinweist: „Dagegen solltet ihr sagen: Wenn der Herr will, werden wir leben und dies oder das tun.“ (Jak 4, 15)

Freitags soll die Sure Kahf rezitiert werden: „Wer Sure Kahf am Freitag rezitiert, bekommt ein Licht (nūr), welches für ihn bis zum nächsten Freitag scheint.“ (Ḥadiṯ) So rezitieren wir diese und vergessen nicht auf unsere Zukunftspläne „Inšallāh!“ zu sagen – nicht sarkastisch, wie das Biden gemacht hat – sondern demütig und hoffnungsvoll. Und wer weiß, vielleicht zeigt tatsächlich auch Donald Trump seine Steuererklärung bis zum 3. November doch noch, Deo volente!

Ahmed Husić ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Seminar für Islamische Theologie der Universität Paderborn.