Nicäa – Ort christlicher Erinnerung an Einheit

Was haben die Hochzeit Martin Luthers mit seiner Frau Katharina von Bora, Thomas von Aquin, Johann Sebastian Bach, die Täuferbewegung und das Konzil von Nicäa gemeinsam? Neben einigen mehr oder weniger konstruierten Verbindungslinien finden diese Menschen bzw. Ereignisse eine Schnittstelle im Jahr 2025. Im langsam zu Ende gehenden Jahr 2025 gedenkt man der Hochzeit des Reformators aus Wittenberg, den Geburtstagen des Kirchenlehrers und des musikalischen Genies barocker Musik, dem Aufbruch der reformatorischen Bewegung im 16. Jahrhunderts sowie dem ersten ökumenischen Konzil. Jubiläen, die sich im Leben eines jeden Menschen in Form von Geburtstagen alljährlich ereignen, binden historische Ereignisse mit der Gegenwart zusammen. Sie sorgen dafür, dass sich die Bedeutung von konkreter Geschichte nicht verliert, sondern in die gegenwärtige Zeit hineingerettet und aktualisiert wird.

Diese Aktualisierung in die Gegenwart hinein hat die christlichen Kirchen im Jahr 2025 mit Blick auf das sich zum 1700. Mal jährende Gedenken an das Konzils von Nicäa beschäftigt. Im Jahr 325 beruft Kaiser Konstantin eine Synode nach Nicäa ein, um Streitigkeiten in der Reichskirche zu schlichten. Das Motiv des Kaisers, der seit 324 Alleinherrscher im Römischen Reich ist, ist sehr wahrscheinlich in erster Linie politisch – die Diskussionen der versammelten Bischöfe in erster Linie – so hoffen wir – theologisch. Es geht um den Streit um die Position des Theologen Arius, der sagt, es habe eine Zeit gegeben, in der der göttliche Sohn nicht gewesen sei. Eine Aussage mit christologischer Sprengkraft. Wenn es eine Zeit gegeben hat, in der der göttliche Sohn nicht gewesen ist, dann ist der Sohn selbst nicht ewig, sondern ein Geschöpf des ewigen Gottes, des Vaters. Kann man unter diesen Voraussetzungen aber von der wahren Göttlichkeit Jesu Christi sprechen?

Die Konzilsväter verurteilen die Position des Arius und formulieren ein Bekenntnis, das knapp 60 Jahre später im Rahmen des Konzils von Konstantinopel (381) rezipiert und um Bekenntnisaussagen zum Geist Gottes erweitert wird. Im Zentrum des Bekenntnisses steht der stark diskutierte und im Nachgang zum Konzil noch heftig umstrittene griechische Begriff homoousios, der die Gleichwesentlichkeit zwischen Gott, dem Vater, und seinem Sohn zum Ausdruck bringen soll. Der Sohn sei nicht weniger als der Vater, sondern in gleicher Weise göttlich. Die Rede von der Gleichwesentlichkeit von Sohn und Vater ist ein trinitätstheologisches Motiv mit soteriologischer Tiefenwirkung: Sie zeigt an, dass in der Begegnung mit Jesus Christus Gott selbst erfahrbar wird. Die theologischen Ausdifferenzierungen, die am Bekenntnis zur wahren Göttlichkeit Jesu Christi hängen, erschweren die Verständigung innerhalb des Christentums in den Jahren nach Nicäa. Nichtsdestoweniger wird das Bekenntnis von Nicäa breit getragen und stellt sowohl im Osten als auch im Westen die Grundlage christlich-theologischen Denkens dar.

Es ist gerade diese Besonderheit des Konzils von Nicäa, die im Jahr 2025 besonders hervorgehoben wird. Nicäa steht inhaltlich für die Einheit der christlichen Kirchen. Alle großen christlichen Kirchen können sich auf die Grundwahrheit Nicäas einigen und das nicänische Bekenntnis mitbeten. Die Symbolkraft, die von Nicäa für die Verbindung der Kirchen untereinander ausgeht, ist groß. Umso wichtiger ist es, dass Nicäa nicht nur dankbar erinnert, sondern immer wieder neu aktualisiert wird – liturgisch wie theologisch.  Die vielen Feiern, Tagungen, Vorträge und Publikationen des Jahres 2025, die Nicäa in den Mittelpunkt gestellt haben, geben Zeugnis von dem Bemühen, das 325 formulierte Bekenntnis wach und lebendig zu halten.

Jubiläen – im rechten Licht betrachtet ist es fast schon kurios, Menschen und Ereignisse nur deshalb zu feiern, weil sich ihr Gedenktag rundet. Wenn diese Jahrestage allerdings Anlass sind, wichtige und entscheidende Momente der Geschichte für die Gegenwart wachzurufen und für das Heute zu durchdenken, sind sie unverzichtbare Meilensteine zwischen gestern und heute.