Alles ist im Fluss, nur die Veränderung ist konstant. Wenn es nicht gut läuft, sehnt man sich nach Veränderung und freut sich über den Neuanfang. Läuft es hingegen gut, wünscht man sich Stabilität, das Festhalten am Bewährten. Diese Dynamik zeigt sich nicht nur in natürlichen Prozessen, wie dem Wandel des Weltalls, der irdischen Geologie oder den stetigen Erneuerungsprozessen von Organismen (ohne die sie absterben), sondern auch in Industrie, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft.
In unserer modernen Welt prägt auch der technologische Fortschritt den Wandel in rasantem Tempo. Künstliche Intelligenz, beispielsweise Large Language Models wie ChatGPT und andere KI-Anwendungen, haben tiefgreifende Veränderungsprozesse angestoßen. Diese Technologien revolutionieren unsere Art zu kommunizieren, Wissen zu verarbeiten und Prozesse zu gestalten. Sie ermöglichen es, große Datenmengen in Sekundenschnelle zu analysieren, kreative Ideen zu generieren und bieten innovative Ansätze für Herausforderungen und Probleme – auf Basis der Quelltexte, mit denen sie trainiert wurden. Sie generieren Kommunikation, die kaum von menschlicher zu unterscheiden ist, neigen dazu Vereinfachungen und Stereotype zu perpetuieren und immer echter aussehende deep fakes von Audio- und Bildmaterial verdeutlichen, dass sogar das zweifache Hinsehen manchmal nicht ausreicht. Reale Kommunikation von Angesicht zu Angesicht könnte eine noch größere Bedeutung erlangen als bisher (und uns während der Covid-19 Pandemie in allen Bereichen des Lebens vor Augen geführt wurde). In der Bildung ist das Erlernen von „lower-order thinking skills“, die häufig leicht von KI übernommen werden können, schwer vermittelbar – jedoch gehen wir vielfach davon aus, dass sie die notwendige Voraussetzung für das Erlernen von „higher-order thinking skills“ sind, deren Erlernen damit zu einer noch größeren Herausforderung wird.
Gesellschaftliche Akteur*innen stehen vor der kontinuierlichen Aufgabe, den Einsatz von KI und die Entwicklung von KI-bezogenen Kompetenten sinnvoll zu integrieren, denn KI wird nicht mehr verschwinden und vermutlich diejenigen bevorteilen, die mit ihr gut umgehen können. Aber die Verbesserung ihrer Leistung und der stark zunehmende Einsatz – vielfach ohne entsprechende Kenntlichmachung, wie aus Gesprächen immer wieder deutlich wird – sorgt bei mir auch immer wieder für das bedrückende Gefühl, dass wir zunehmend durch KI miteinander kommunizieren und die menschliche Kommunikation weniger wird.
Jede meiner Nutzungen von ChatGPT und entsprechenden KI-Anwendungen stimmt mich daher nachdenklich. Ich merke die Power und Entwicklungsgeschwindigkeit dieser Systeme, habe das Gefühl den Überblick und irgendwie die Kontrolle zu verlieren und bin irgendwie überwältigt. Jede Nutzung verdeutlicht für mich das Ausmaß des revolutionären Wandels, in dem wir uns aktuell befinden. Und ja, er geht mit Chancen einher, aber ich merke auch, dass er mir gehörigen Respekt einflößt und mir viel abverlangt: Nämlich diesen Wandel nicht einfach geschehen zu lassen, sondern ihn (für mich) aktiv, vorausschauend und kreativ zu gestalten, um nicht überwältigt zu werden – und Menschen und reale Interaktion in den Vordergrund zu stellen.
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Prof. Dr. Dominik Rumlich ist Professor im Bereich Didaktik am Institut für Anglistik und Amerikanistik der Universität Paderborn.