Alle Jubeljahre wieder

Funfact: Das deutsche Wort „Jubel“ stammt vom Hebräischen „יובל“ und bedeutet ursprünglich Widder. Aus dessen Horn wird das Schofar hergestellt, ein Blasinstrument und mit diesem wurde das biblische Erlassjahr (shanat ha-jovel, also „Jahr des Widders“ bzw. Jubel-Jahr) eröffnet. Alle 50 Jahre soll es nach Lev 25,8-55 einen Schuldenerlass für alle Israeliten geben und so erklärt sich auch besser die Verknüpfung zwischen einem Huftier und überschwänglicher Freude.

Weiterer Funfact: Aus diesem Jubeljahr entstand in der Kirche spätestens ab dem Jahr 1300 die Tradition des Heiligen Jahres bzw. Jubeljahres, welches inzwischen alle 25 Jahre in der katholischen Kirche gefeiert wird. Das Highlight ist auch hier ähnlich wie beim jüdischen Vorbild: Katholische Menschen können unter bestimmten Voraussetzungen einen vollständigen Sündenablass bekommen. An Heiligabend 2024 wird von Papst Franziskus das heilige Jahr 2025 eröffnet, das Motto lautet dieses Mal „Pilger der Hoffnung“.

Neben besonderen Festen und Zeiten ist Pilgern eines jener Rituale, welches in vielen Religionen vorkommt, gerade auch in den abrahamischen Religionen. Zeit und Ressourcen auf sich zu nehmen, um zu einem besonderen Ort zu gelangen, um sich dort ein „Mehr“ an Gnade oder ein Näher-Sein an Gott zu erhoffen, eint anscheinend viele Gläubige. Für Viele ist auch das Pilgern an sich ein spirituelles Erlebnis, weswegen sich insbesondere der Jakobsweg einer großen Beliebtheit erfreut. Das „Mehr“ wird dort sogar von religionsfernen Menschen gefunden, die den Jakobsweg als Auszeit, Ruhephase und Zu-Sich-Selbst-Kommen erfahren – ohne die religiöse Konnotation so spüren zu müssen wie katholische Gläubige am Grab des Apostels Jakobus. Einige dieser Pilgerinnen und Pilger können zudem ein außergewöhnliches heiliges Jahr erleben, wenn der Festtag des Apostels Jakobus auf einen Sonntag fällt. Auch dafür gibt es einen Ablass, wenn bestimmte Rituale befolgt werden.

Damit enden die interreligiösen Verknüpfungen wieder größtenteils. Selbst das jüdische Erlassjahr wird heute in der jüdischen Tradition anders gefeiert und hat nicht mehr jenen vollständigen, flächendeckenden Erlass-Charakter. Auch der Islam hat ein anderes Sündenverständnis und im Umgang mit Ablässen in der Kirche hat sich diese in der Reformation sogar selbst entzweit. Noch heute habe ich den Eindruck, dass durch den Ablasshandel der Ablass selbst als eine seltsame und negativ konnotierte katholische Eigenart angesehen wird, zum Teil sogar innerhalb der katholischen Kirche. Das hat vermutlich auch mit der Beichtpraxis zu tun, die ebenso umstritten ist. Dieses Fass möchte ich hier aber nicht noch öffnen.

So kritikwürdig und fremdartig die Ablass- und Bußpraxis der katholischen Kirche auch sein mag, kann sie im Kern doch als eine erhebliche Entlastung angesehen werden. Der Umgang mit Sünde und Schuld ist in den Religionen und teils eben auch in den Konfessionen unterschiedlich, aber klar ist den meisten Gläubigen: Menschen machen Fehler. Zu Gott, der fehlerlos ist, müsste man also auch nur dann kommen können, wenn diese Fehler in irgendeiner Form wirkungslos geworden sind. Dies geschieht katholisch gesehen durch Buße, fromme Werke und eben auch Wallfahrten. In letzter Instanz geschieht es durch das ignis purgatorio, das reinigende Feuer. Das Fegefeuer, wieder so eine katholische Eigenart. Es wirkt tatsächlich altbacken und brutal, aber was dabei oft vergessen wird: Das Fegefeuer bedeutet die Aufnahme in den Himmel! Das Feuer soll die Sünden verbrennen und so reinigend wirken. Hier liegt vielleicht das Problem, wenn die Vorstellung herrscht, der ganze Mensch verbrenneim Fegefeuer. Das wäre aber ein höllisches Szenario und katholischerseits muss man sich ganz schön anstrengen, um in die Hölle zu gelangen. Hans Urs von Balthasar spricht 1987 in diesem Zusammenhang von der Hoffnung, dass die Hölle leer sei. Auch moderne Theologinnen und Theologen bevorzugen die Vorstellung der Reinigung, um mit sich selbst und mit Gott ins Reine zu kommen vor einer endgültigen Vereinigung mit diesem.

Ein direkterer oder schnellerer Weg zu Gott: So mögen Ablässe in der katholischen Kirche und damit auch das Heilige Jahr 2025 als Großereignis und Freudenereignis vielleicht besser verstanden werden. 

Zu guter Letzt glauben Christinnen und Christen sowieso daran, dass spätestens durch Jesus Christus alle Menschen zu Gott gelangen können. In diesem Sinne frohe Weihnachten an alle Feiernden, ruhige Festtage und ein gutes neues Jahr!