Die „Schwestern vom Kostbaren Blut“ in Paderborn Neuenbeken und die Aufarbeitung ihrer kolonialen Vergangenheit

Am Arbeitsbereich Neure/Neueste Geschichte der Universität Paderborn entsteht seit 2022 ein studentischer Blog Paderborn Postkolonial, in dessen Rahmen Studierende sich mit der Aufarbeitung des kolonialen Erbes von Stadt und Region beschäftigen. Bei dieser Beschäftigung stößt man sehr rasch auf die zahlreichen Missionsorden, die in und um Paderborn ansässig waren und von hier aus Ihre Missionar*innen in alle Welt ausgesandt haben, z.B. die Jesuiten. Es gab aber auch Frauen-Missionsorden in der Region. In Neuenbeken siedelten sich kurz vor dem Ersten Weltkrieg die Schwestern vom kostbaren Blut an, die 1885 im Kloster Mariannhill in Südafrika gegründet worden waren. Sie unterhalten in Neuenbeken bis heute auch ein Missionsmuseum mit Mitbringseln, Geschenken und anderen Gegenständen aus ihren Einsatzorten auf der ganzen Welt, das nach Anmeldung besichtigt werden kann.

Nach der ersten Kontaktaufnahme von Seiten des Arbeitsbereichs Neuere/Neueste Geschichte stellte sich schnell heraus, dass die Schwestern großes Interesse an einer wissenschaftlichen Aufarbeitung ihrer Geschichte haben. Mehrmals konnten wir sie mit Studierenden besuchen, das Museum studieren und ins Gespräch über die Mission in Vergangenheit und Zukunft kommen. Dieser Austausch war und ist geprägt von gegenseitigem Respekt und Interesse, so unterschiedlich die Teilnehmenden auch sind. Immer wieder scheinen aber auch die Schwierigkeiten durch, die die Auseinandersetzung mit den kolonialen Verstrickungen der Mission für die Schwestern bedeutet, z.B. wenn es um das uns heute ganz fremde Missionsverständnis am Ende des 19. und Beginn des 20. Jahrhunderts geht oder um die Sprache der ordenseigenen Publikationen in der Zeit des Nationalsozialismus: Für die Schwestern ist die Erinnerung an ihre Gründung und die frühen Jahre wichtiger Teil ihrer Identität, und so ist es eine echte Herausforderung, Strukturen und Praktiken kritisch aufzuarbeiten, dem sich die Schwestern jedoch engagiert stellen.

Wenn wir als Historiker*innen die Vergangenheit des Ordens erforschen wollen, dann brauchen wir dazu Quellen. Einiges davon liegt publiziert vor, z.B. in dem reich bebilderten Band „Gute Erde. Missionsschwestern vom Kostbaren Blut. Pionierinnen: 1885 – 1910“ von Schwester Annette Buschgerd aus dem Jahr 2017. Darüber hinaus teilte die Autorin auch Exzerpte aus Quellen mit uns, die sie im Ordensarchiv im Mutterhaus im niederländischen Aarle-Rixtel angefertigt hat. Zuletzt stellten die Schwestern uns sogar ihre Bestände von zwei Missionszeitschriften zur Digitalisierung zur Verfügung: die „Caritas-Blüten“ und das „Vergissmeinnicht“. Für die erste ist die Digitalisierung durch die Universitätsbibliothek Paderborn inzwischen abgeschlossen, für die zweite wird das in Kürze der Fall sein. Die Zeitschriften liegen nun also über der Katalog der UPB elektronisch vor und sind nutzbar für die historische Forschung.

Auf dieser Basis und unterstützt von Schwester Annette konnte die Studentin Aminah Schneider einen Blogbeitrag Missionsschwestern vom Kostbaren Blut (Mariannhiller Missionsschwestern): Neuenbekens Rolle in der Mission schreiben. Außerdem sind inzwischen eine Masterarbeit und eine Bachelorarbeit in Arbeit, deren Ergebnisse wir mit Spannung erwarten. Mit dem Seminar „Mission und Kolonialismus im 19. Jahrhundert“ (Prof. Dr. Nicole Priesching/Prof. Dr. Korinna Schönhärl) werden wir die Schwestern auch bald schon wieder besuchen – Interessierte können sich dieser Exkursion gerne anschließen und sich bei Korinna Schönhärl dazu anmelden.

Text zum Foto: Sr. Philippine und die ersten missionierten Schülerinnen der Missionsniederlassung Mariannhill 1885: Die bewusst arrangierte Anordnung hebt die zentrale Rolle der Schwester hervor, während die Schülerinnen in gereihter Formation die
eindeutigen Hierarchien verdeutlichen. Quelle: Buschgerd, Gute Erde, S.31.