Wie es ist, mit einer Historikerin zusammenzuleben – oder – wenn es um Jesus geht, dann maximal um den historischen

„Jonas, kannst du mir noch einmal das Verständnis des Christentums von Trinität erklären?“ Meine Freundin – Historikerin – beschäftigt sich in Folge einer Hausarbeit mit dem Filioque und erhofft sich trotz eigener tiefgreifender Kompetenz durch meine theologische Expertise eine andere – eben theologische – Perspektive auf den Sachgegenstand. Ich, der sich schon während des Studiums mehr zu den didaktischen als historischen Prozessen hingezogen gefühlt hat und sogar nachfragen muss, wann der Streit um das Filioque überhaupt war, kann ihr nur eine immer noch durch Klaus von Stoschs Systematische Theologie geprägte aktuelle Einführung in die Trinität bieten, woraufhin mich ein Schwall historischen Unverständnisses ihrerseits trifft.  „Du immer mit deiner Didaktik, ich brauche das Verständnis von 1054. Gerade du als Didaktiker müsstest doch eigentlich um die Bedeutung historischer Ereignisse wissen!“ Auch wenn ich meinen Opa hier sehr präsent im Ohr habe „was interessiert mich denn, wann irgendein Kaiser geboren oder gestorben ist?“ hat meine Freundin vollkommen Recht. Wenn ich auf den schulischen Religionsunterricht schaue, wäre eine Vernachlässigung oder gar Ausblendung historischer Zusammenhänge fatal. Braucht es doch gerade die historischen Erfahrungen und Perspektiven aus der Tradition, besonders vor dem Hintergrund trauriger aktueller Ereignisse, ohne die moderne Phänomene nicht gedeutet werden könnten und Schüler*innen eine reflektierte und urteilsfähige Teilhabe an einer pluralen Gesellschaft gerade im Hinblick auf eine mündige Standpunktfähigkeit hinsichtlich religiöser und demokratischer Phänomene verwehrt bliebe. Um Schüler*innen im Religionsunterricht die Möglichkeit bieten zu können, Fähigkeiten zu entwickeln, die sie in die Lage versetzen, religiöse und weltanschauliche Vielgestaltigkeit zu reflektieren, sich produktiv mit ihr auseinanderzusetzen und somit in einer pluralen Gesellschaft interagieren, kommunizieren und sich positionieren zu können, braucht es sowohl eine biblische, empirisch-aktuelle, systematische, schüler*innenorientierte und die immer wieder gerne vergessene, historische Perspektive. Besonders durch einen historischen, an der Tradition orientierten Bezug, kann eben die Bedeutsamkeit eines Themas für die Lebenswirklichkeit der Schüler*innen ersichtlich werden, wodurch Wirklichkeitserfahrungen vor dem Hintergrund tradierter Erfahrungen reflektiert und transformiert werden können. Unsere leidige Diskussion „Alt“ gegen „Neu“ entbehrt demnach jegliche Zeitmäßigkeit, da es sich doch eher um ein korrelatives miteinander und eben nicht um ein „entweder – oder“ handelt. Gerade ich als Didaktiker, dem Klaus Bergmann, seine Multiperspektivität und sein historisches Lernen fest im Gedächtnis verankert sind, müsste um die Bedeutung der Perspektivenvielfalt historischer Sachverhalte für den Religionsunterricht und die Schüler*innen wissen.

Daher kann ich nur jedem empfehlen, einmal mit einer Historikerin unter einem Dach zu leben, die einem beizeiten den historischen „Tritt in den Allerwertesten“ verpasst, um eben auch die historischen Phänomene wertzuschätzen und gerade nicht zu vernachlässigen.

Qumran Nationalpark