Schöpfung, Universität und Schule

Jährlich findet Anfang September der ökumenische Tag der Schöpfung statt. Dieser für 2022 von der ACK (Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland) entwickelte Festtag bereichert das Kirchenjahr, indem von Christ*innen konfessionsübergreifend die Relevanz der Schöpfungstheologie herausgestellt wird. Ihr Bekenntnis zur Schöpfung lautet sinngemäß: Wir sind alle Geschöpfe Gottes und sollten anlässlich des Festes immer wieder neu dankbar und besonnen sein. Dazu kann gehören, den Bewahrungsauftrag aus Gen 2,15 zu reflektieren und beherzigen: 

Und Gott der HERR nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten Eden, dass er ihn bebaute und bewahrte. (Luther 2017)

2022 wird dieser Auftrag von der ACK durch ein Tagesmotto der in Karlsruhe anstehenden ÖRK-Vollversammlung ergänzt: „Die Liebe Gottes versöhnt und eint die leidende Schöpfung“. [1] Darin klingt auch das menschliche Scheitern und die göttliche Vergebung an, worüber ich mit Studierenden dieses Semester nachgedacht habe. Deshalb möchte ich auch hier in diesem Blog Schöpfung in ökumenischer Perspektive in den Blick nehmen. Außerdem halte ich das Thema für schulische und universitäre Kontexte über die Theologien hinaus für zukunftsweisend. 

Mein Blockseminar Anfang April trug den Titel „Schöpfung als Thema im Religionsunterricht“. Zum Beginn der Veranstaltungswahl hatte ich in kürzester Zeit über 70 Anmeldungen. Diese riesige studentische Begeisterung für das Thema hatte ich nicht erwartet. Auch in den vorbereitenden Reflexionsaufgaben und während der Seminararbeit zeigte sich die Bereitschaft der Teilnehmenden, das facettenreiche Thema Schöpfung zu ergründen. Alle Studierende hatten teils unabhängig von ihrer religiösen Sozialisation zahlreiche Vorerfahrungen und Berührungspunkte mit Schöpfungserzählungen aus der Kindheit und Jugend. Im Austausch zeigte sich, dass die hohe Beteiligung nicht allein mit der Zugehörigkeit zur Fridays for Future-Generation zu begründen ist. Gerade die komplexeren Fragen (z. B. „Wie kann man auf Basis der biblischen Zeugnisse mit Schüler*innen über die Fragen nach Schöpfung und Evolution, nach dem individuellen Lebensbeginn und dem Beginn der Welt sprechen?“ oder „Welche Verantwortung tragen Kirchen angesichts der Schöpfungsaufträge in dem Versuch der Abwendung der Klimakatastrophe?“) wurden von den Studierenden teils kontrovers diskutiert.

Auch nach dem Blockseminar zeigte sich in Sprechstunden, bei Prüfungen und Hausarbeiten ein Run auf Themenaspekte innerhalb der Schöpfungstheologie. Sei es gendersensible Exegese der Schöpfungserzählungen, ethische Implikationen, Schöpfungsaussagen in Glaubensbekenntnissen oder (religions-)pädagogische Umsetzungsmöglichkeiten – das Thema trifft für zukünftige Lehrkräfte trotz Corona- und Kriegsberichterstattung den Nerv der Zeit. In Schulen, aber auch in Universitäten, sollten wir Lehrenden uns deshalb von zukünftigen Generationen fragen lassen, ob wir den Bewahrungsauftrag umsetzen. In diesem Sinne möchte ich mein eigenes Dasein und Handeln als Geschöpf Gottes immer wieder reflektieren, und sei es wenigstens einmal im Jahr anlässlich des Tages der Schöpfung.

Ich möchte alle Lesenden an der studentischen Begeisterung und Diskussionsfreude für praxisbezogene Schöpfungstheologie teilhaben lassen und die Reflexion anregen, ob der Tag der Schöpfung auch interreligiös und interdisziplinär Anknüpfungspunkte bietet. Denn Handlungsaufforderungen mit Schöpfungsbezug lassen sich auch jenseits von jüdisch-christlich tradierten Bibeltexten finden, beispielsweise im Jonas’schen Imperativ:

Handle so, dass die Wirkungen deiner Handlung verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden. (Hans Jonas: Das Prinzip Verantwortung, Wiesbaden 1985, S. 36)

Allen Mitgeschöpfen, die sich angesprochen fühlen, einen gesegneten, reflexionsreichen Tag der Schöpfung! 


[1] ACK (Hrg.): Ökumenischer Tag der Schöpfung 2022, https://www.oekumene-ack.de/themen/glaubenspraxis/oekumenischer-tag-der-schoepfung/2022/, Zugriff: 19.07.2022.

Logo des Schöpfungstags 2022 des ACK (abrufbar unter: https://www.oekumene-ack.de/fileadmin/user_upload/schoepfungstag/Karlsruhe_2022/TdS2022_ACK_KeyVisualText_CMYK.jpg)

Anne Breckner ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Evangelische Theologie der Universität Paderborn.

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