Monikas Entscheidung

„Na komm, Monika, stell Dich nicht so an, tue es doch einfach für uns alle, fürs Land, für Deine Freunde. Damit setzt Du doch ein Zeichen. Jetzt brauchen wir Zusammenhalt wie noch nie. Du, ich find’s auch übertrieben von den „da oben“, dass die Euch so Druck machen! Aber ein bisschen kann ich die auch verstehen. Es herrscht Unruhe im Land, Inflation wird immer schlimmer. Ohne Solidarität geht’s nun mal nicht im Moment. Da muss der einzelne zurücktreten und mitziehen. Machs einfach! Kriegste deine Bescheinigung und dann wars schon!“

Monika schaute die Freundin mit ihren schwarzen Augen an.

„Tja, ich tue mich damit auch nicht so leicht… Mir fehlen die Spaziergänge mit Euch Mädels durch die kleinen Lädchen, die Markthallen…“

„Komm, das geht schneller als gedacht. Und Du sagst doch selbst, dass Euer Gott Euch so liebt! Er wird’s schon verkraften, wenn Du unseren Staatsgöttern etwas opferst! Das versteht er! Oder ist es nicht genug, dass sein einziger Sohn schon für Euch gestorben ist? Ist doch nur ein Opfer! Ein Klacks ist das. Denn pass auf, der Druck wird steigen. Jetzt bedrängen die Euch mit Geldstrafen, aber du weißt nicht, was denen noch alles einfällt… Das Volk braucht jetzt einen Schuldigen! Panem et circenses! Die machen auch vor deinen schönen Augen nicht halt.“

Valeria umarmte ihre schwarzäugige Freundin und strich ihr die lockige Haarsträhne aus der Stirn. Monika hakte sich bei ihr ein und die Mädchen schritten fort. 

Monikas Familie ließ sich vor knapp zwei Monaten taufen. Monika war stolz auf ihren Glauben und doch machten ihr all die Schicksalsprüfungen, die dadurch plötzlich in ihr junges Leben kamen, auch zu schaffen. 

Kaiser Diokletian wollte durchgreifen. Er war ein beliebter homo politicus, stark, ein richtiger Macher, ein Kümmerer auch. Bodenständig. Ein Knallhartkaiser eben. Einen wie ihn brauchte das Imperium, um die Inflationswelle zu brechen, die vielen neuen Sekten in Schach zu halten und sich die Barbaren vom Leibe zu halten. Alle Religionen haben Existenzberechtigung, aber jeder muss den Staatsgöttern opfern. Das ist doch, bei Jupiter, nicht zu viel verlangt! Einfach sich aufraffen, dem Staat den nötigen Respekt zu zollen. Der Staat darf sich nun mal nicht erpressen lassen. Natürlich hatte er versprochen, dass es nie eine Pflicht geben würde, der religio romana anzugehören… Er brach sein Wort nur ungern. 

Das Opfern ist problemlos möglich, keinerlei Hindernisse, dauert ja auch nur ein paar Minuten. Und dann sollen sie doch weiter ihrem Jesus dienen. Soll mir recht sein.

Wenn die Zeit rum ist, müssen die halt nochmal hin, aber ihnen fallen doch nicht die Arme ab.

Das dachte sich der Diokletian beim Weinfrühstück. Ein Rubin-Ring schmückte seine grobe Soldatenhand. Er war eben ein Soldat geblieben, in seinem Herzen. Er machte das Handwerk des Kaisers gut, beim Jupiter! Und wenn manchmal Blut fließen musste, dann floss es eben. Schließlich gelten ja die gleichen Regeln für alle. 

Es war Zeit, sich zu verabschieden. Die schönen Römerinnen gaben sich je ein Wangenküsschen.

„Bis morgen, meine Liebe.“

„Bis morgen, Valeria.“

Monika konnte den Jupiter-Tempel sehen, keine Hundert Schritte entfernt… Die Sonne ließ ihre letzten roten Strahlen auf ihn fallen. Monika schloss die Augen und atmete tief aus.

Unter Diokletian (284 – 305) wurden alle Bewohner des Landes aufgefordert, den Staatsgöttern ein Opfer darzubringen. Der Vorgang wurde entsprechend dokumentiert und der Betroffene erhielt ein Nachweispapier, eine Bescheinigung darüber, dass er sein Opfer vollbracht hat. Es handelte sich um eine Formalie und einen Loyalitätsbeweis. 

Elizaveta Dorogova ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Seminar für Islamische Theologie der Universität Paderborn.

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