Im Oktober 2024 bin ich genau ein Jahr im Amt der zentralen Gleichstellungsbeauftragten an der Universität Paderborn. Ein guter Zeitpunkt, um eine erste Bilanz zu ziehen und einen Ausblick auf kommende Monate zu wagen.
Ich hatte mich für dieses Amt zur Wahl gestellt, weil mich eine hohe intrinsische Motivation antrieb, mich aktiv für die Gleichstellung von Frauen und Männern einzusetzen. Insbesondere die Corona Pandemie mit ihren Auswirkungen und Belastungen führte mir die Ungleichheiten unserer Gesellschaft ganz deutlich vor Augen. Und je mehr ich mich mit Geschlechterungleichheiten beschäftigte, desto wichtiger erschien mir der Einsatz dafür.
Als ich im September 2023 als Nachfolgerin von Irmgard Pilgrim gewählt wurde, habe ich mich sehr gefreut, obwohl mir viele Stimmen vorab sagten, dass dies kein „dankbares“ Amt sei und man bzw. frau viel Gegenwind erwarten müsse. Zudem erwies sich der denkbar ungünstige Zeitpunkt der Wahl – mitten im Findungsprozess eines neuen Präsidiums unserer Universität – als herausfordernder Einstieg in das Amt der neuen zentralen Gleichstellungsbeauftragten.
Das gefällt mir an dem Amt und meiner Arbeit…
Ich konnte mich von Anfang an sehr glücklich schätzen, dass es ein wunderbares Team im Gleichstellungsbüro gab und gibt, das zu großen Teilen mit dafür verantwortlich ist, dass mir die Arbeit als Gleichstellungsbeauftragte Spaß macht. Darüber hinaus sind weitere Kolleg*innen innerhalb, aber auch außerhalb der Universität wichtige Personen für mich, persönlich wie inhaltlich. Auch Irmgard Pilgrim nach dem Ausscheiden aus dem Amt als erfahrene Ansprechpartnerin zu wissen, ist ein Privileg für mich, das ich sehr schätze.
Auf inhaltlicher Ebene ist das Amt der zentralen Gleichstellungsbeauftragten äußerst vielfältig. Die Erarbeitung von Konzepten, Maßnahmen und Aktionen im Team mit dem Fokus auf unsere Schwerpunkte Gleichstellung, Vereinbarkeit und Diversity ist für mich ein sehr sinnstiftendes und kreatives Aufgabenfeld.
In den vielen Gremien und Kommissionen, in die ich als Gleichstellungsbeauftragte eingebunden bin, lerne ich viel darüber, wie Hochschulpolitik funktioniert, aber auch wie Menschen „funktionieren“, wie sie kommunizieren und agieren.
Herausforderungen im Amt…
In der genannten Vielfalt der Aufgabenbereiche liegt zugleich auch eine der größten Herausforderungen: Die Kunst hier die ‚richtige‘ Balance zu halten, erfordert ein fortdauerndes Abwägen. Da gibt es Einzelberatungsgespräche, die, je nachdem, um welche Inhalte es sich handelt, intensiv sind und für die es Zeit braucht. Die Mitwirkung und Eingebundenheit bei strukturellen Entscheidungen ist ebenfalls bedeutend und zeitintensiv, genau wie die Arbeit an Gleichstellungsplänen, -konzepten und –berichten sowie Auditierungen. Die Teilnahme an Personalauswahlverfahren und die Leitung des Gleichstellungsteams mit der Abstimmung der dezentralen Gleichstellungsbeauftragten ist nicht minder intensiv und erfordert ein hohes Maß an Organisation.
Da gibt es noch Potential für Verbesserungen…
Die Gleichstellungsbeauftragte wird nicht überall als Amtsträgerin betrachtet, die eine zentrale und sinnvolle Unterstützungs- und Beratungsfunktion innehat, um die Universität stark für die Zukunft zu machen. Und m.E. wird zudem oft nicht von denselben Zielen ausgegangen, z.B. wenn Gleichstellung als etwas Hinderliches betrachtet wird, das heute nicht mehr gebraucht werde oder Abläufe lediglich unnötig aufhalte. Glücklicherweise ist genau das in vielen Bereichen anders. Für mich ist in erster Linie ein konstruktiver Austausch die Basis für eine gute Zusammenarbeit, bei dem es wichtig ist, zu den eigenen – in meinem Fall gleichstellungspolitischen – Zielen zu diskutieren.
In der Universität arbeiten wir weiterhin genau daran. Sorge bereiten mir allerdings die gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen insgesamt: In vielerlei Hinsicht sind Bestrebungen eines ‚Backlash‘ für die Gleichstellung zu beobachten. Sie zeigen, wie fragil gewonnene Errungenschaften sein können und wie sehr es gilt, sich für diese weiterhin einzusetzen.
Ein Blick in die Zukunft…
Genau da, wo ich Potential zur Verbesserung sehe, gilt es für mich, aktiv zu sein. Die Schlüsselkompetenz einer zentralen Gleichstellungsbeauftragten ist aus meiner Sicht die Kommunikationskompetenz. Die Ungleichheiten der Geschlechter, die noch in vielen Bereichen existieren, müssen wir immer wieder deutlich machen. Lösungsstrategien dazu brauchen einen breiten Konsens. Gleichstellungswissen, und damit meine ich neben juristischem Wissen insbesondere das Wissen der Geschlechterforschung, das eine Basis für die Gleichstellungsarbeit ist, ist im Hochschulkontext in vielen Teilbereichen und Fachkontexten noch immer nicht ausreichend bekannt. Dies führt m.E. dazu, dass Maßnahmen mit Gleichstellungszielen oder der Einbezug einer Gleichstellungsbeauftragten als nicht notwendig betrachtet werden. Darüber im Gespräch und in der Diskussion zu bleiben – an vielen Stellen der Universität und über sie hinaus – erscheint mir als eine meiner großen Aufgaben für kommende Monate.
Und privat…Für mich hat die Übernahme des Amtes auch privat Veränderungen mit sich gebracht. Das Familienmanagement mit drei noch nicht ganz so großen Kindern erfordert bei zwei vollzeitarbeitenden Elternteilen viel Organisation. Und ein Plan B ist dabei genauso hilfreich wie Flexibilität. Gleichstellung ist für mich deshalb auch persönlich ein sehr zentrales Thema geworden und ich finde es interessant, welche Parallelen und auch Unterschiede sich dabei zu meinem Amt zeigen. Meine Kinder sind ein ganz wesentlicher Grund, mich für eine chancengleiche und gerechte Zukunft einzusetzen. Meiner Tochter sollen die gleichen Türen offen stehen wie anders herum auch meinen Söhnen.