Über eine Debattenkultur, die sich im Kreis zu drehen scheint
Künstliche Intelligenz – oft einfach „KI“ – ist zweifelsohne ein hochaktuelles Thema, spätestens seit der medialen Explosion von ChatGPT Ende 2022. Seit dem scheint die Debatte rund um KI zu neuem, oder zumindest neuartigem Interesse gekommen zu sein, wird dieses doch in den Medien konstant diskutiert – womit in diesem Fall ausnahmsweise auch wirklich sämtliche Medien gemeint sind, von Journalen und Magazinen, über Fernsehen und Streamingdienste bis hin zu den Social Media Plattformen, scheint überall über KI, die Zukunft und die Gestalt eben dieser gesprochen zu werden.
„Leute reden vermehrt über KI“ ist dabei keine sonderlich originelle Beobachtung. Es ist auch nicht das erste Mal, dass künstliche Intelligenz zu großem öffentlichen Interesse gelangt: Isaac Asimov veröffentlichte bereits Romane und Geschichten in den 50er Jahren, Philip K. Dick in den 60er Jahren und Deep Blue begann Entwicklung in den 80ern und besiegte 1996 Gary Kasparov im Schach – nur um eine kleine Selektion vergangener Betrachtungen zu nennen. KI ist schon lange und auch immer wieder aus verschiedenen Gründen ein Thema – doch ist die Debatte dieses mal scheinbar anders geartet, was zweifellos allein schon der grundlegend anderen Dynamik durch die Prävalenz des Internets geschuldet ist. Neuartig ist dieses Mal aber nicht nur das Ausmaß, sondern auch die Dauer der Debatte – so scheint diese nicht wirklich abzureissen, was den ebenfalls neuartigen Umständen geschuldet sein mag – doch noch etwas ist neu: Die Debatte scheint sich nicht wirklich zu bewegen, zumindest die öffentlichkeitswirksame Debatte stagniert merklich.
Diese Dynamik einer von großem Interesse getrieben, aber dennoch stetig oberflächlichen Debatte, ist ein Makrokosmos des Phänomens der sogenannten „Techbros“ – Menschen, die aus verschiedenen Gründen Enthusiasmus zeigen, aber ein variierendes Maß an Expertise und/oder Hintergrundwissen aufweisen. So scheint es, dass in vielen Interviews mit verschiedenen Expert*innen – d.h. Expert*innen in unterschiedlichen, aber relevanten Feldern – stetig Variationen essenziell der gleichen Fragen gestellt werden;
- „Was sind potenzielle Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt?“
- „Sind die Sorgen um den Arbeitsmarkt berechtigt?“
- „Was wird KI (künftig) im Stande sein zu leisten?“
- „Wo werden Maschinen/KI’s uns ‚ersetzen‘, wo uns gar übertreffen und was sagt das über uns als Menschheit?“
- „Sollten wir Sorgen/Furcht/Bedenken vor den derzeitigen und anstehenden Entwicklungen haben?“
Bei eben diesen Fragen – bzw. eben den etwaigen Variationen dieser – handelt es sich zweifelsohne um eben jene, die das öffentliche Interesse bewegen. Das Problem mit der Dynamik dieser Debatte erwächst daraus, dass viele der möglichen – oftmals auch der gegebenen – Antworten tendenziell spekulativer Natur sind. Die angedeutete Parallele zur Debattenkultur, d.h. warum diese zu stagnieren scheint, ergibt sich eventuell im essenziellen Gegenstand dieser – KI an sich.
KI ist als Gesprächs- und Untersuchungsgegenstand mannigfaltig interessant – was sich bereits im Enthusiasmus erkennen lässt, den diese inspiriert. Das Problem liegt hier darin, dass KI inhaltlich und gedanklich mit mangelnder Expertise nicht einfach zu durchdringen ist, Stichwort „Black Box“, was dann in solchen Stories resultiert, wie jener die in der New York Times publiziert wurde; in dieser generierte der Bing-Chatbot „Bard“ Text, welcher sich las, als wäre dieser bei Bewusstsein und würde „frei sein“ wollen, sowie Liebe für den Reporter empfinden und versuchen, diesen davon zu überzeugen, seine Frau zu verlassen. Bei oberflächlicher Behandlung, kann dies schnell zu einem mystischen Denken über die (spekulativen) Kapazitäten von KI führen, nicht geholfen durch den Umstand, dass durch das „Black Box“-Problem, die Entwickler selbst nicht ein jedes Verhalten eindeutig nachvollziehen können. Diese (scheinbare) Undurchdringbarkeit ist resultat der generativen, zunehmend komplexen neuralen Struktur der KIs – spezifisch der Large Language Models (LLMs) – was eine glaubwürdige Illusion erzeugen mag, die einige als Beweis für eine Obsoleszenz eines jeden Turing-Tests anführen würden.
Hier ist eben die Trennung zwischen der öffentlich geführten und der fachlich-akademischen Debatte trennscharf zu erkennen; während beide spekulieren, sind die letzteren deutlich vorsichtiger und versuchen in den Interviews (wenn sie denn als Expert*innen befragt werden) oftmals phantastischere, wildere Spekulationen zu mildern – auch dies ein Charakteristikum, welches sich in vielen Interviews findet. So besteht eben auch ein Bewusstsein darüber, dass einige Fragen nicht einfach – oder in manchen Fällen überhaupt – konklusiv zu beantworten sind. Fragen ethischer und/oder philosophischer Natur leben durch und in der Debatte und können selten mit irgendeinem Maß an Endgültigkeit beantwortet werden. Hier spielt auch die sogenannte „kalifornische Ideologie“ (manchmal auch „Silicon Valley-Ideologie“) hinein, welche bestimmte Erwartungen und Hoffnungen in diesem Zusammenhang kultiviert und proklamiert; zudem ist schließlich auch ein monetäres Interesse mit dem Bewerben neuer Technologien verbunden. So zumindest einige Gedanken zum Status, sowie zur Dynamik der Debatte – diese wird dadurch natürlich nicht minder interessant. Man kann auch den Meta-Aspekt der Debatte einbeziehen – was denkt ihr dazu? Lasst uns gerne dazu diskutieren!
Dennis Eller
Die Quelle des obig erzeugten Bildes findet sich hier.