Karneval und OWL

Ob Karneval seinen festen Ort in Ostwestfalen-Lippe (OWL), in Paderborn und an der Universität hat, ist für mich als gebürtige Rheinländerin eine wiederkehrende Frage, der ich mich heute widmen möchte. Dazu erst einmal ganz grundlegend gefragt: Was ist eigentlich Karneval?

Diese regional unterschiedlich verankerte Festzeit wird christlich begründet mit der einzuläutenden Fastenzeit, deshalb auch die alternative Bezeichnung Fastnacht. Vor dem Verzicht wird noch einmal geprasst und die Rollen verkehrt, die in der ‚alltäglichen‘ Ordnung bestehen. Der Karneval ist ein Übergang vom Weihnachtsfestkreis, dem Auftakt des Kirchenjahrs mit der frohen Botschaft von Jesu Geburt, in die bedächtige Passionszeit, die in Jesu Tod gipfelt und erst durch die österliche Hoffnung aufgelöst wird. Karneval als Auszeit und Übergang zelebriert die menschliche Freude, zeigt aber auch exzessiven Abgründe. Deshalb wurde und wird der Karneval trotz seiner religiösen Verwurzelung längst nicht von allen Christ*innen gut geheißen, oft mit Vorwürfen des Sittenverfalls und sündhaftem Verhalten verbunden. Das mag auch daran liegen, dass die religiöse Bedeutung des Karnevals gesellschaftlich nicht mehr im Vordergrund steht, sondern medial das bunte, wilde Treiben bei Karnevalssitzungen, Karnevalsumzügen und in Festzelten betont. Kritik am Karneval kommt dabei nicht nur aus konservativen christlichen Kreisen, sondern auch von liberalen, aufgeklärten Stimmen. Dabei steht z. B. die Fragen im Raum, wie politisch korrekt Kostüme sein sollten und ob provokante Pappmaschee-Figuren von Festwagen wahlweise zu unpolitisch oder zu verletzend seien.[1]

Sichtbar wird an diesem kurzen Abriss zum Karneval bereits, dass Karneval polarisiert. Deshalb möchte ich nun zu meiner Ausgangsfrage zurückkommen: Gehört der Karneval nach OWL, nach Paderborn und an die Universität? Meine kurze, subjektive Antwort lautet Ja. Die etwas längere Antwort soll aber nicht unerwähnt lassen, dass OWL sehr unterschiedlich mit dem Karneval umgeht. Während Delbrück beispielsweise eine närrische Hochburg darstellt, hat Paderborn trotz seiner katholischen Verwurzelung aus rheinischer Sicht keine so ausgeprägte, flächendeckende jecke Feierkultur, obwohl gerade der Pfarrkarneval in einzelnen Gemeinden Tradition hat. Paderborn scheint die polarisierende Wirkung des Karnevals exemplarisch auszustrahlen: Die einen feiern verkleidet und fröhlich den Karneval und stimmen in das „Hasi Palau“ ein, die anderen stehen kopfschüttelnd daneben oder distanzieren sich so weit wie möglich von den närrischen Bräuchen. Ähnlich verhält es sich auch im Mikrokosmos Universität. Die Karnevalsparty der Mitarbeitenden ist nach pandemiebedingten Ausfällen wieder möglich, aber längst nicht alle folgen der Einladung. Karneval polarisiert, auch kulturwissenschaftlich und theologisch in der Forschungsliteratur, das zeigen z. B. Bachtin und Fechtner. Deshalb ist es an der Zeit, im Rahmen des ZeKK-BloKKs zu fragen: Wie positionieren Sie sich dem Karneval gegenüber? Mit einer ablehnend-kritischen Haltung, einer phänomenologisch interessierten Offenheit, einer begeisterter Beteiligung oder wiederum ganz anders?


[1] Vgl. dazu Verletzung religiöser Gefühle im Karneval? Jaques Tillys Großplastiken als Beispiele für die ambivalente Bewertung von religiös konnotierter Karnevalskunst, in: Janus, Richard u. a. (Hg.), Massen und Masken, Wiesbaden 2017 (pop.religion: lebensstil – kultur – theologie 2), 247-274.

Anne Breckner ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich Praktische Theologie am Institut für Evangelische Theologie der Universität Paderborn.

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