Vor einigen Tagen habe ich eine merkwürdige Situation erlebt. Ich saß auf einem Stuhl an der Haltestelle und wartete auf den Bus. Ein alter Mann kam zu mir und hat mich freundlicherweise gefragt: „Gibt es einen freien Platz für einen alten Mann, der 70 Jahre alt ist?“ Ich habe bejaht und habe ihm gesagt: „Sehr gerne.“ Dann saß er neben mir und wir haben über unterschiedlichen Themen gesprochen. Die Atmosphäre der Diskussion war sehr gut, bis er herausgefunden hat, dass ich islamische Studien an der Al-Azhar Universität in Kairo studiert habe.
Er fragte mich: Was studierst du?
Ich: Ich habe islamische Studien und Kulturwissenschaften studiert.
Er: Bist du Islam, hmm gläubig?
Ich: Ich bin Muslim.
Er: Betest du und beugst du so … das ist eine Art der Unterdrückung und Unterwerfung, genauso wie die Kirche im Mittelalter.
Ich: Nach meinem Verständnis gibt es im Islam keine Kirche und keinen Vermittler zwischen mir und meinem Gott.
Er: Aber es gibt Moscheen und Leute wie Priester.
Ich: Du hast recht, es gibt Imamen, die die Menschen nutzen, aber das ist falsch nach meiner Einstellung.
Seine Laune hat sich verändert und er sah mich wütend an.
Dann sagte er: Ich will dich nicht beleidigen, aber dein Prophet hat Kriege geführt und Menschen im Namen des Islams getötet.
Ich: Wir können darüber bestreiten und diskutieren, wenn Sie wollen.
Danach stand er auf, nahm seinen Rucksack und sagte: Wir können streiten, aber du wirst deine Meinung nicht ändern.
Danach habe ich ihm gesagt: Hier geht es nicht um die Meinungsveränderung. Ich habe eine andere Sichtweise und wir können darüber diskutieren.
Er machte sich auf den Weg und nach einigen Schritten drehte er sich um, schaute mich an und sagte zu mir mit einer lauten Stimme: Du solltest mit deinen christlichen Freunden darüber reden und sie werden deine Meinung verändern.
Tatsächlich war ich geschockt, weil die Stimmung des Gesprächs wunderbar war, bis er wusste, dass ich Muslim bin. Nun frage ich mich, ob ich meinen Glauben und meine Gedanken verstecken sollte, damit ich in Ruhe und Frieden leben kann?
Von meinem Tagebuch am 15.07.2019.
Ahmed Elshahawy ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Paderborner Institut für Islamische Theologie.
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