Der rechtsterroristische Anschlag von Hanau ist ein Attentat auf unsere Art zu leben. Es kann und darf nicht sein, dass Menschen aus der Mitte unserer Gesellschaft auf offener Straße um ihr Leben fürchten müssen. Dass dies mittlerweile nicht selten der Fall ist, liegt nicht nur einfach an der Verrohung westeuropäischer Gemeinschaften durch Rechtspopulismus und soziale Segregation. Es liegt auch daran, dass wir verlernt haben, selbst Verantwortung zu übernehmen für die Gesellschaft, in der wir leben bzw. leben wollen. Die Wurzel der öffentlichen Präsenz von Rassismus und konsequenter rassistischer Gewalt liegt nicht zuletzt darin, dass wir noch allzu oft glauben, man könne gegenwärtig eine vom politischen Geschehen weitgehend unbeeindruckte, sorglose Bausparer-Existenz fristen.
Die alltagsliberalistische Weigerung, das Private im Öffentlichen zu verorten, transportiert immer auch das verstecke Verständnis des Staates als einer Fremdinstitution. Es versucht zu kaschieren, dass die Öffentlichkeit als Schutzraum des Privaten und Bürgerlichen nur so lange existiert, wie wir bereit sind, selbst in diese Öffentlichkeit zu investieren. Hier geht es natürlich nicht nur um finanzielle Investitionen – es geht um Engagement, um eine kritische Bindung des Einzelnen an die Gemeinschaft, in der er lebt. Freiheit heißt eben nicht einfach nur, nicht am Handeln gehindert zu werden; es heißt gleichzeitig auch, etwas tun zu können. Und etwas tun zu können, fordert dazu heraus, diese seine Fähigkeiten zu nutzen.
Der Kampf gegen organisierten Rechtsterrorismus wird nicht nur auf den höchsten politischen Entscheidungsebenen durch bessere nachrichtendienstliche und polizeiliche Arbeit gewonnen, er wird auch nicht nur durch eine Bildungspolitik gewonnen, die sich ihren Namen erst wieder verdienen müsste. Er wird vor allem da gewonnen, wo Menschen im Alltag mühsame Ortsvereinstreffen und Kommunalwahlen stemmen und wo im Pfarrgemeinderat über Strategien der Integration von Geflüchteten gebrütet wird. Er wird da gewonnen, wo sich im Großen das Publikum im Fußballstadion gegen rassistische Schreihälse wehrt und wo im Kleinen der politischen Konfrontation im Freundeskreis nicht ausgewichen wird.
Wir müssen neu lernen, uns aus dem Privaten ins Öffentliche aufzumachen, Diskurse zu kultivieren, argumentative Kommunikation über Meinung zu stellen. Nur dann wird es gelingen, menschenverachtende Überzeugungssysteme wirksam zu bekämpfen. Christian Vooren hat auf ZEIT ONLINE gefordert, den Erinnerungskorridor an die Opfer von Hanau nicht sofort routiniert zu schließen. Dieser Forderung wird man eben am besten entsprechen können, wenn wir Routinen durchbrechen und neu Verantwortung übernehmen – für die Gesellschaft, in der wir leben, und damit für diejenigen, die als Teil unserer Gemeinschaft fürchten müssen, selbst Opfer zu werden.
Dr. Aaron Langenfeld ist geschäftsführender wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Komparative Theologie und Kulturwissenschaften.
Mit Rechtspopulisten kann Dialog noch möglich sein – vielleicht auch kooperativ. Mit Rechtsradikalen und Gewalttätigen wird das wohl schwieriger. Die gehören in die psychiatrische Begutachtung – je gewaltbereiter umso mehr muss man sie vor sich selbst schützen…! N.F.