Das Pader-Projekt

von Niklas Hanewacker und Emil Riesner

Unser Projekt hat sich für uns teils aus bereits bestehenden persönlichen Interessensbereichen, teils aus neu entstandenen Eindrücken und Anregungen ergeben.
Niklas hatte bereits seit längerem das Ziel, Aufnahmen mit einem Hydrophon für seine private Soundbibliothek zu machen und mein [Emil Riesners, Anm. d. Red.] Interesse wurde durch die Exkursion zur Ausstellung Seaphony1 in Berlin und Unterwasseraufnahmen von Jana Winderen2 auf das Thema gelenkt.

Durch die unmittelbare Nähe zur Pader hat es sich für uns angeboten, diese zunächst als Versuchsobjekt zu mikrophonieren. Bei weiterer Beschäftigung kamen wir über die Seite Geoportal Paderborn3 schließlich dazu, dass die Pader auf den wenigen Kilometern bis zum Pader-Lippe-Zusammenfluss verschiedene Soundscapes durchläuft (Innenstadt, Erholungsorte, Industriegebiet, Naturschutzgebiete). Aus dieser Idee ist schnell der Plan gewachsen, menschliche Einflüsse auf die Unterwasser Soundscape der Pader herauszufinden und diese in einer akustischen Karte des Flusses festzuhalten.

Hierfür haben wir die Pader zunächst in drei für uns sinnvolle Abschnitte unterteilt. Teil 1: Von der Quelle unter bzw. neben dem Paderborner Dom, bis zum Mühlencafé. Teil 2: Vom Mühlencafé bis zum ersten Wehr hinter dem Pader See.
Teil 3: Vom Wehr hinter dem Pader See bis zum Pader-Lippe-Zusammenfluss.

Teil 1 und 3 haben wir zu Fuß bestritten und an allen Orten, wo es uns möglich war, oder aber alle 50-100 Meter die Strömung, interessante Geräuschquellen und -gegebenheiten akustisch festgehalten. Im ersten Teil befanden wir uns noch in der Innenstadt. Hier sind selbst Unterwasser teilweise die schreienden Kinder der nahen Schule oder aber Martinshörner zu hören. Außerdem haben wir die Erfahrung gemacht, dass man beim Aufnehmen oft mit dem Satz „Was machen Sie da?“ angesprochen wird. Darum hat sich bei uns die Arbeitsweise etabliert, dass in Regionen, wo viele Leute unterwegs sind, nur einer aufnimmt und der andere „wachesteht“, um Fragen zu beantworten und abzufangen, die ansonsten auf der Aufnahme zu hören wären.

Im dritten Teil sind wir ähnlich vorgegangen. Hier war allerdings weniger los und parallel zu den Aufnahmen mit dem Hydrophon „Cjossul“ der Marke Organic Audio konnte noch angenehm mit dem Zoom H3 Mikrophon aufgenommen werden. Ein Mikrophon, dass sich besonders gut zum Einfangen von so genannten „Atmo-Sounds“, also Soundscapes Überwasser, eignet. Diese Aufnahmen haben wir später zum „Unterfüttern“ benutzt.

Teil 2 war der für uns spannendste Teil, da wir hier auf dem Wasser selbst aufgenommen haben und somit noch mehr Teil der Soundscape Unterwasser wurden. Wir haben für diesen Teil des Projektes eng mit dem Kanu Club Paderborn zusammengearbeitet und von ihnen ein „Zwei-Mann-Kanu“ gestellt bekommen. An dieser Stelle möchten wir uns ausdrücklich bei allen Beteiligten bedanken! Mit diesem Kanu war es nun möglich, dass einer im Boot mikrophoniert, während der andere sich ganz auf das Steuern konzentrieren konnte.

Diese Aufgabenteilung hat sich allerdings als schwieriger herausgestellt, als wir erwartet hatten. Obwohl unsere Leistung später von unserem erfahreneren Begleiter als „stabil“ eingestuft wurde, fühlten wir uns an vielen Stellen der Strömung mehr schlecht als recht Untertan.

Und dann war da noch der Schwan. Vor dem Antritt unserer Fahrt wurden wir vor dem aggressiven Verhalten dieser Tiere gewarnt, vor allem da sie zu dieser Zeit Küken hatten. Was im ersten Moment lustig klang, hat uns im Nachhinein doch zu denken gegeben. Uns gehört dieser Fluss nicht. Wir sind dort weder zuhause noch besonders geschickt unterwegs und wenn man zu zweit mit technischem Equipment auf einem wackeligen Kanu unterwegs ist, überlegt man sich zweimal, ob man sich wirklich mit einem wütenden 13 Kilo Vogel und seiner Familie anlegen möchte. Wir haben uns dagegen entschieden, sind bei Sichtkontakt sofort gelandet und haben eingepackt und die Rücktour angetreten.

Es gab noch mehr unvorhergesehene Schwierigkeiten wie Sandbänke, auf denen wir plötzlich feststeckten oder Orientierungsschwierigkeiten, aber alles in allem waren besonders drei Dinge zu erwähnen:

  1. Das Kanu an sich macht Geräusche, wenn man paddelt, oder mit dem Plastik des Bootes oder der Außenhülle des Hydrophons Unterwasser irgendetwas streift.
  2. Wenn man sich in der gleichen Geschwindigkeit mit der Strömung bewegt, ist diese auf dem Hydrophon nicht zu hören (gleiches Prinzip wie Geschwindigkeit, die nicht wahrgenommen wird, wenn man sich mit ihr bewegt).
  3. Die Pader fließt teilweise so langsam, dass sie von sich aus Unterwasser für das Hydrophon völlig geräuschlos ist.

Mit all diesen Aspekten muss man bei der Arbeit umgehen. Man kann sie entweder integrieren, umgehen/ausschneiden oder verändern.
Da unser Projekt das vorhandene Klangbild komprimiert und nicht in voller Länge darstellen soll, war uns zuvor schon klar, dass die „klanglosen“ Teile der Pader von uns ausgeschnitten, bzw. drastisch gekürzt werden würden. Zusätzlich haben wir uns entschieden, die „klanglosen“, längeren Unterwasser-Passagen mit den Aufnahmen des „Zoom H3“ zu unterfüttern, um den Zuhörenden etwas zu geben, woran sich das Ohr orientieren kann.
An dieser Stelle steigen wir auch in die Frage zum künstlerischen Aspekt ein.
Ursprünglich war von meiner [Emil Riesners, Anm. d. Red.] Seite aus noch geplant, dem ganzen Projekt einen künstlerischen Touch zu geben, indem die vorhandenen Strukturen (Strömungsgeschwindigkeit, Tiefe, Verlauf des Wassers) durch Synthesizer Sounds interpretiert werden. Ich habe mich allerdings aus Zeitgründen dagegen entschieden, zumal auch die Veränderung der vorhandenen Aufnahmen durch uns einen eindeutig künstlerischen Aspekt präsentiert.
So ist unser Ein- und Ausstieg zum Beispiel durch die jeweiligen Glockenschläge des Paderborner Doms und der, am Pader-Lippe-Zusammenfluss befindlichen, St. Heinrich und Kunigunde-Kirche in Schloss Neuhaus umklammert. Zusätzlich wurde noch ein Chor aus einer vorher vorhandenen Soundbibliothek eingefügt, um die Reise durch das Kirchenschiff hinunter zur Quelle unter dem Dom zu verdeutlichen. Zur Verbildlichung der „Innenstadt“ am Anfang des Projektes ist außerdem eine von uns aufgenommene Prozession zu hören, die natürlich in dieser Form ein einmaliges Event darstellt und nicht zur Standard-Soundscape der Innenstadt gehört.
Das Pader-Projekt ist somit im Fahrwasser von Projekten wie der Seaphony von Chris Watson et al. oder Jana Winderens „Aquaculture“ zu hören und stellt eine bewusst erstellte Komposition von tatsächlichen Klangereignissen dar, die den Hörer*innen kommentarlos zum Interpretieren und Wahrnehmen überlassen werden.

Fußnoten

1 Website zur Ausstellung Seaphony: https://www.oceans21.org/de/projekte/seaphony/ zuletzt aufgerufen am 04.07.2022, 14:33 Uhr.
2 Jana Winderen: „Aquaculture“, auf: Energy Field, EP, Touch (https://www.youtube.com/watch?v=YNAcRveixNI), zuletzt aufgerufen am 04.07.2022, 14:37 Uhr.
3 Karte „Schutzgebiete (gesamt)“, Geoportal Paderborn, https://kreispaderborn.maps.arcgis.com/apps/webappviewer/index.html?id=248babee773240589fc318071edb704e, zuletzt aufgerufen am 04.07.2022, 13:37 Uhr.

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