
In unseren Mentoring-Programmen betonen wir oft, wie wichtig es ist, sich frühzeitig ein Unterstützungsnetzwerk aufzubauen. Gerade in der Übergangsphase zwischen Studium und Promotion können solche Kontakte eine zentrale Rolle spielen – sie geben Orientierung, bieten emotionalen Rückhalt und helfen dabei, sich im neuen System zurechtzufinden.
In diesem Beitrag spreche ich mit Verena Pöpperl, die aktuell an den informellen Netzwerktreffen teilnimmt – einem Angebot für Doktorandinnen im ersten Promotionsjahr. In einem vertrauensvollen, konkurrenzfreien Raum tauschen sich dort Wissenschaftlerinnen über die ersten Herausforderungen und Fragen der Promotionszeit aus.
Das Thema Netzwerke ist für Verena kein Neuland: Bereits in ihrer Masterarbeit hat sie sich mit verschiedenen Gehirnnetzwerken beschäftigt und die Thesis mit dem Titel „Auswirkungen einer körperlichen Ausbelastung auf Small-World-Eigenschaften in Ruhe-EEG-Daten von Personen mit Epilepsie“ abgegeben. Heute arbeitet sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin und promoviert im Themenbereich „Demenz und Sport“, welcher in nächster Zeit noch genauer definiert wird, wenn ihr Projekt anläuft.
Der Start: Zwischen Rolle und Realität
Den Übergang vom Studium zur Promotion beschreibt Verena als „interessant“. Besonders der Wechsel in die neue Rolle war mit einigen offenen Fragen verbunden:
„Meine erste Aufgabe war klar definiert – ich sollte am Manuskript für die Veröffentlichung meiner Masterarbeit arbeiten. Aber die weiteren Aufgaben: Wie entsteht das Promotionsprojekt, wann reichen wir Abstracts ein, wann schreiben wir das erste Paper? – das war unklar für mich. Und die Fragen, die mich beschäftigten, waren: Müsste ich es besser wissen? Geht es nur mir so? Viele haben gesagt, lass es erstmal auf dich zukommen – aber ich bin nicht der Typ, der alles auf sich zukommen lässt. Ich habe lieber einen Plan.“
Diese Unsicherheit ist typisch für die ersten Monate der Promotion. Während man die „Spielregeln des Studiums“ inzwischen gut kannte, wirken die „Regeln des Promovierens“ oft diffus. Vieles erschließt sich erst mit der Zeit – durch Erfahrungen, Gespräche und den Vergleich mit anderen.
Netzwerke als Orientierungsräume
Im Idealfall sind Betreuende und Kolleg*innen ansprechbar, doch gerade am Anfang kann ein zusätzlicher Blick über den Tellerrand enorm hilfreich sein – etwa in den informellen Netzwerktreffen. Verena erzählt:
„Ich fand es super interessant, dass die Gruppe fachübergreifend war. Ich war die Einzige aus den Naturwissenschaften und habe andere Perspektiven bekommen. Obwohl alle das gleiche Ziel haben, ist der Weg dahin anders, z. B. über die Monografie, kumulativ, der Prozess des Paperschreibens, Peer-Review-Prozesse. Eine Doktorandin berichtete, dass sie bereits 120 Seiten geschrieben hatte und ich? Noch nichts –aber musste ich ja auch noch nicht.“
Solche Einblicke schärfen das Verständnis für disziplinäre Unterschiede – eine Fähigkeit, die auch in späteren interdisziplinären Projekten hilfreich ist. Die Inhalte der Treffen bestimmen die Teilnehmerinnen selbst: Themen wie Betreuungsvereinbarungen oder erste Lehrerfahrungen stehen dabei genauso im Fokus wie die erste Konferenz, der erste Vortrag und weitere individuelle Herausforderungen.
„Es ist wichtig, dass alle etwas sagen und sich aktiv beteiligen können, auch die, die dann z. B. keine Lehre geben. Zu Beginn haben wir deshalb die Frage gestellt: Wie können wir uns heute gegenseitig weiterhelfen? Das ist die Vorgehensweise, wenn wir neuen Doktorand*innen uns in der AG zusammensetzen und die habe ich mit in die Netzwerktreffen genommen. So konnte jede ihre Fragen einbringen.“
Gemeinsam unterwegs – auch mit Unsicherheiten
Was trägt die Gruppe? Für Verena ist es vor allem das Gemeinschaftsgefühl:
„Das Gefühl, man ist nicht alleine mit den Fragen. Es ist oft schwierig, Leuten außerhalb der Wissenschaft zu erklären, was ich mache. Da denke ich ganz oft: Ich bin ein exotischer Vogel. Mit anderen Frauen zusammenzusitzen, die das Gleiche machen, und bei denen direkt ein Verständnis für die eigene Situation da ist, ist ganz schön.“
Die Gruppe lebt von aktiver Beteiligung und offener Kommunikation – auch dann, wenn jemand merkt, dass die wissenschaftliche Laufbahn vielleicht doch nicht das Richtige ist oder aus Zeitgründen aussteigt.
Netzwerke wirken weiter – auch nach dem Treffen
Die informellen Netzwerktreffen zielen darauf, „weak ties“ aufzubauen – also lockere, aber strategisch wertvolle Verbindungen. Die Netzwerktheorie unterscheidet zwischen „strong ties“ (enge Kontakte) und „weak ties“ (lose Kontakte). Gerade letztere sind oft entscheidend für neue Informationen, Jobchancen oder Projektideen.
Auch wenn der regelmäßige Kontakt im Laufe der Promotion abnimmt, bleibt ein Grundstein gelegt: Man kennt sich, trifft sich innerhalb der Uni in Weiterbildungen oder Gremiensitzungen wieder, tauscht Informationen aus. Und über das Mentoring-Netzwerk ergeben sich weitere Berührungspunkte – etwa in gemeinsamen Abschlussformaten wie der „Endspurtgruppe“, wenn es darum geht, die letzten Punkte auf der Promotionsliste zu erledigen.
Autorin: Dr. Julia Steinhausen