Ein paar Gedanken zum Internationalen Tag gegen Rassismus von Herrn Dr. Schubert

Die Vereinten Nationen haben 1966 den 21. März als „Internationalen Tag zur Überwindung von Rassendiskriminierung“ ausgerufen. Sie machten mit der Wahl des Gedenktages Erinnerungspolitik in einer Welt, deren Verwurzelung in den Ideen des Rassismus im südafrikanischen politischen und gesellschaftlichen System besonders augenfällig war: Am 21. März 1960 wurde eine friedliche Demonstration in Sharpeville in Süd-Afrika in Reaktion auf ein Gesetz über die Apartheid blutig niedergeschlagen. 69 Menschen wurden dabei ermordet.

In den Kultur- und Gesellschaftswissenschaften, zu denen auch die Zeitgeschichtsforschung gehört, besteht Einigkeit darüber, dass nicht erst Menschen sterben müssen, um von ‚Rassismus‘ zu sprechen. Rassismus ist eine Sache des Denkens, des Sprechens und der Rechtfertigung höherer gesellschaftlicher Stellung oder politischer Herrschaft. Rassismus ist, um mit Albert Memmi einen weitestgehend akzeptierten Experten zum Thema zu zitieren, „die verallgemeinerte und verabsolutierte Wertung tatsächlicher oder fiktiver Unterschiede zum Vorteil des Anklägers und zum Nachteil seines Opfers, mit der seine Privilegien oder seine Aggressionen gerechtfertigt werden sollen“ (Rassismus, 2. Aufl. Hamburg 1992, S. 103). Aus Ungleichheit, die zweifelsohne menschliches Leben ausmacht, wird Ungleichwertigkeit. Kolonialismus wurde rassistisch legitimiert, nationalsozialistische Herrschaft und mit ihr die Durchsetzung von ‚Volksgemeinschaft‘ bauten auf rassistischer Weltanschauung auf. Das haben wir überwunden, mag man jetzt denken und in der Tat: Mit unserem historischen Bewusstsein sind wir sehr gut geworden im Identifizieren von Rassismus.

Und was sehen wir nun in unserer Gegenwart hier in Deutschland? Durchaus auch Bedauern über die nicht abgeschlossene Vergangenheit, die die Rassisten*innen daran hindert, doch offen rassistisch zu sein. Manchmal bricht die Lust der rassistischen Provokation auch brachial hervor, die dann als ‚Kameltreiber‘ diffamierten haben das Recht, das Recht unserer offenen Gesellschaft zur Gegenwehr zu nutzen. Doch meistens versteckt sich der Rassismus im Alltag der sichtbar ‚Anderen‘, die bei der Fahrt in öffentlichen Verkehrsmitteln mit Aggressionen umzugehen haben und bei der Wohnungs- oder Arbeitssuche abgewertet werden. Und er versteckt sich hinter dem vermeintlichen Populismus, der doch nur dem ‚Volk aufs Maul‘ schaue und dessen Ängste, Wut und Besorgnis angesichts der Konfrontation mit den ‚Fremden‘ ernst nähme. Das ist mitunter rassistische Legitimation einer privilegierten Stellung in einer von Unterprivilegierung geprägten Welt. Sie reicht bis an die Ideen derjenigen, die sich für die Unterprivilegierten unserer Städte einsetzen: So wurde das freche Auftreten bestimmter Männer in der Warteschlange wohltätiger Essensausgabe verallgemeinert und verabsolutiert als vermeintlicher Ausdruck ihrer ‚Herkunft‘ und ‚Kultur‘ – zum Nachteil aller ihrer ‚Kultur‘, zum Vorteil aller der ‚richtigen Herkunft‘. Rassistischer Ausschluss war die Folge. Wo und ab wann wird aus rassistischen Ideen auch rassistische Gesellschaft?