May I introduce:
Dr. Sebastian Bischoff vor, der seit 2014 am Arbeitsbereich Zeitgeschichte tätig ist. Er verfasste seine Dissertation über Annexionsdebatten im Ersten Weltkrieg in der deutschen Öffentlichkeit und arbeitet nun an einem neuen Projekt im Verbund mit Kolleginnen des Berliner Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM) an der HU Berlin.
Er schreibt: „In meiner Lehre ist mir vorrangig das Erlernen des historisch informierten Argumentierens wichtig. Zentral ist, einerseits das Vetorecht der Quellen anzuerkennen, zugleich aber auch die Grenzen von Geschichte als Argument auszuloten. Es muss m.E. darum gehen, die permanente Überprüfung eigener eingeschliffener und liebgewonner Gewissheiten und damit den sanften Zwangs des besseren Arguments schätzen zu lernen. Es soll eine Lust geweckt werden, sich an der Gegenmeinung gerade in ihrer elaboriertesten Form zu messen. Die hier von mir gewählte Sprache ist dabei nicht zufällig, es geht mir um eine Begeisterung an der wissenschaftlich-intellektuellen Auseinandersetzung. Oder um es in hoch trabendere,aber vor allem schönere Worte zu fassen, die Giovanni Pico della Mirandola im Jahr 1486 gewählt haben soll: Zwar sei er sich seiner Schwäche durchaus bewußt, aber er scheute sich nicht, die besten Gelehrten zum öffentlichen Disput aufzufordern,denn der Streit um die Wahrheit sei die einzige Form des Wettkampfes, „bei dem besiegt zu werden ein Gewinn ist.“ (Genau diesen „Wettkampf“, der etwas anderes als eine Konkurrenzsituation ist, möglichst herrschaftsfrei zu gestalten, hateinige Voraussetzungen, die zugleich reflektiert werden müssen).
Inhaltlich zieht sich durch meine Lehre und meine Forschungsarbeit wie ein roter Faden die Frage „Wie wird man fremd, wie wird man Feind?“ Wie wurde und wird die Vorstellung vom abzulehnenden Anders-Sein einer Gruppe, die Handlungen – in der Selbstwahrnehmung meistens „Reaktionen“ auf das bösartige Verhalten der Anderen –nötig macht, zur kulturellen Selbstverständlichkeit? Zugleich findet sich Feindbildproduktion sehr oft entlang nationaler Grenzen. Kann dabei vielleicht sogar die moderne Nation als eine permanente, vorgegebene Feindschafts- und Verbrüderungsstruktur, auf die ideologisch Bezug genommen wird, gedacht werden?
Mein neues Forschungsprojekt „‚Undoing nation?‘ – Postnationale Netzwerke, Theorien und Praxen in Geschichte und Gegenwart“ will einen Schritt weitergehen und beschäftigt sich mit der Frage, inwieweit ein Außen dieser Struktur denkbar ist. Denn anders als ein kluger Mensch 1971 sang: „Imagine there’s no countries/It isn’t hard to do“, stellt es sich praktisch-lebensweltlich, aber auch theoretisch als ein nicht ganz so leichtes Unterfangen heraus.“