Mixing und Mastering

Popmusikproduktion zwischen Kunst und Technik

von Jonathan Markert und Alex Parusch, Version 1.0, 02.02.2022 14:00

Inhalt

Wenn wir Musik hören, gibt es viele Faktoren, die unser Hörerlebnis bestimmen. So zeichnet sich klassische Musik durch kompositorische Phänomene aus, die ohne elektronische Verstärkung von Musiker*innen realisiert werden können und dessen Klangergebnisse auch nach einer Studioaufnahme möglichst unverfälscht wiedergegeben werden sollen. (Vgl. Wandler 2012, 224f.)  Bei populären Musikformen ist das anders: Seit dem 20. Jahrhundert entstandene Musikformen sind zunehmend von elektronischen Mitteln geprägt. (Vgl. Ahlers 2009, 432.) Werfen wir also einen Blick auf die Produktionsprozesse in populärer Musik, so fallen neben den herkömmlichen kompositorischen Komponenten der Songs weitere wichtige Schritte auf, welche in der Analyse und Beurteilung der Endprodukte gerne übersehen werden: Zwei unabdingbare Vorgänge, bei denen es sich nicht nur um technisch notwendige, sondern auch um künstlerische Prozesse handelt, sind das Mixing und Mastering. Diese sollen im Folgenden als Technik beschrieben und innerhalb des Schaffens der von uns interviewten Künstler*innen verortet werden.

Was ist Mixing?

Das Mixing beschreibt den vorletzten Arbeitsgang der Produktion eines Songs. Dafür benötigt die mischende Person entweder ein analoges Mischpult oder eine Digital Audio Workstation (DAW) – ein digitales Mischpult. Alle Audiospuren – z.B. aufgenommene oder am Computer erzeugte Instrumente sowie Gesänge – stehen hier zunächst in unbearbeiteter Form zur Verfügung.

Diese werden beim Mixing mithilfe einer Reihe von Tools und Effekten bearbeitet, damit sie im Zusammenklang ein optimiertes Soundbild erzeugen. Eine zentrale Aufgabe dieser Person ist es dabei, für ein ausgewogenes, ausbalanciertes und transparentes Klangbild zu sorgen. (Vgl. Owsinksi 2007, 69.) Denn in einem unbearbeiteten Mix ist es wahrscheinlich, dass sich Songelemente aufgrund ähnlicher Klangeigenschaften im Weg stehen, sodass eine klangliche Differenzierung der einzelnen Spuren noch nicht gewährleistet ist. Die späteren Hörer*innen könnten dann noch nicht alle Elemente des Songs deutlich erkennen. Demnach müssen die Spuren so bearbeitet werden, dass sie allesamt adäquat wahrnehmbar sind. (Vgl. ebd., 70f., 76f.)

Was ist Mastering?

Das Mastering ist nach dem Mixing der finale Schritt einer Musikproduktion. Dieser lässt sich in das Premastering und das eigentliche Mastering unterteilen. Im Premastering werden eher technische Arbeitsschritte und Fehlerkorrekturen vollzogen. (Vgl. Dubsch/Gypser 2006, 5.) Dazu gehört bspw. das Beseitigen verschiedener Störgeräusche oder das Normalisieren, also das Einstellen des höchsten Pegels auf den Referenzpegel, um eine Grundlage für die nächsten Schritte zu schaffen. Im eigentlichen Mastering werden anschließend künstlerische Feinheiten vorgenommen. Auf diese Aspekte werden wir im weiteren Verlauf noch eingehen.

Doch warum wird das Mastering nicht schon im Mixing inbegriffen? Der wohl größte Faktor ist unser subjektives Hörempfinden, denn nach dem zwangsläufig multiplen Hören eines Songs, das während der vorherigen Produktionsprozesse gefragt ist, kann ein ,frisches‘ und unvoreingenommenes Gehör für den finalen Prozess wertvoll sein. Dieses Gehör liefert die für das Mastering verantwortliche Person. Außerdem dient dieser letzte Arbeitsschritt auch der Anpassung für das Abspielen auf verschiedenen Endgeräten wie Smartphone, Autoradio oder Kopfhörer. Da sich bei diesen die Größe und die Anzahl der eingesetzten Lautsprecher unterscheidet, muss das Audio so bearbeitet werden, dass trotzdem auf allen Endgeräten der gewünschte Klang erzielt wird.

Auch nach dem Recording ist eine künstlerische Auseinandersetzung signifikant

Vor allem im Pop steht der Charakter des – möglichst einzigartigen – Sounds im Vordergrund. (Vgl. Pfleiderer 2003, S.19ff./ Helms 2003, S.197ff.) Es liegt also nahe, zu untersuchen, welchen Stellenwert die Prozesse des Mixing und des Mastering für die von uns befragten Künstler*innen haben. Vorweg: Es lässt sich erkennen, dass diesem Prozess ein durchaus großer Stellenwert zugeschrieben wird.

Die Psychedelic Pop-Musikerin LISA WHO betont, dass ihr die Beteiligung am Mixingprozess sehr wichtig ist. Sie sagt, sie habe von sich aus bereits sehr genaue Vorstellungen davon, wie die Elemente eines Songs am Ende klingen sollen – das Mixing fängt für sie auch bereits bei der Aufnahme an. Ausschließlich Personen aus ihrem nahen Umfeld sind zusätzlich involviert, sodass sie diesem Prozess stets eng verbunden bleibt. (Vgl. Lisa Who, 01:21:39 ff.) Sie vermeidet es, das Mixing an externe Personen abzugeben, da das Klangbild dadurch verfremdet werden könnte: „[W]as ja viele machen – zu sagen, wir geben den Mix in komplett andere Hände, dann guckt auch nochmal jemand anders drauf und bringt da nochmal eigene Impulse rein – finde ich immer sehr schwierig.“ (ebd.)

Auch bei der á Capella-Band Maybebop ist eine eigenverantwortliche interne Zusammenarbeit für das Mischen wichtig. Zwar ist das Bandmitglied Lukas dafür zuständig, doch geben auch die anderen Bandmitglieder ihre Meinungen und Revisionsvorschläge ab. Das Mixing sei für sie als Band insgesamt auch noch mal ein kreativer Prozess. (Vgl. Maybebop, 00:20:33 ff.)

In der Alternative/Shoegaze-Band KID DAD wird eine externe Person für das Mixing engagiert. (Vgl. KID DAD, 01:55:38 ff.) Jedoch behalten auch hier die Bandmitglieder die Kontrolle über das Mixingergebnis. Max beschreibt, wie sich alle den Mix aufmerksam anhören und anschließend im Plenum diskutieren, was noch verbessert werden muss. (Vgl. ebd.) Die Kompromisse dieser Diskussion gehen dann wieder zur mischenden Person zurück und die Songs werden erneut überarbeitet. Dies wird so lange wiederholt, bis alle Beteiligten zufrieden sind. (Vgl. ebd.)

Zu guter Letzt betont auch die Singer-Songwriterin Zara Akopyan die Wichtigkeit des Mixings. Dazu führt sie weiter aus: „[W]as ich […] über die Jahre […] gelernt habe [ist], dass […] die ganz verschiedenen Mixingprozesse auch komplett die Wirkung eines Songs […] ändern können.“ (Vgl. Zara Akopyan, 00:43:26 ff.) Je nachdem, wie der Song letztendlich klingen soll, ändern sich ihr zufolge die Aufgaben, die beim Mischen anfallen. (Vgl. ebd.) Diese Aufgaben scheinen für sie also ein wesentlicher und künstlerischer Bestandteil des Mixings zu sein. Auch die oben besprochenen Aussagen unserer anderen drei Interviewpartner*innen sollen zeigen, dass das Mixing nicht nur eine technische Nebensache, sondern ein kreatives Verfahren von zentraler Bedeutung ist. (Vgl. Lisa Who, 01:21:39 ff./ KID DAD, 01:55:35 ff./ Maybebop, 00:20:33 ff.)

Wie der Musikpädagoge Michael Ahlers berichtet, stellte der britische Musikproduzent Brian Eno in der frühen Phase der Entwicklung der elektrifizierten Musik bereits fest: „A fact of almost any sucessful pop record is that its sound is more of a characteristic than its melody or its chord progression“. (Brian Eno, zit. n. Ahlers 2009, 432.) Eno erhebt bei Popmusik also den Stellenwert der Produktion und das dadurch erschaffene Klangbild über herkömmliche musikalische Aspekte wie Melodie oder Akkordfolge.

Wenngleich diese Aussage Diskussionspotential enthält, so weist sie auf ein wichtiges Phänomen der Popmusik hin: Während es in der klassischen Musik darum geht, den natürlichen Klang z.B. eines Sinfonieorchesters möglichst unverfälscht und originalgetreu wiederzugeben, sind die technischen Eingriffe im Zuge des Mixings in der Popmusik essenzieller Bestandteil des Endproduktes. Der Einsatz von Mixing-Effekten wird genutzt, um durch diese selbst der Musik ein individuelles und charakteristisches Klangbild zu verschaffen. (Vgl. Wandler 2012, 224f.)

Der Mixing-Prozess – Die Entstehung des Popcharakters

Um den von den Künstler*innen eingeräumten Stellenwert des Mixing genauer zu verstehen und um die damit verbundenen Herausforderungen einordnen zu können, möchten wir nun ein paar Einblicke in die wichtigsten Komponenten dieses Prozesses geben.

Wir beginnen mit dem Panning, welches den Umgang mit dem Stereopanorama bezeichnet. Hierbei werden die Audiospuren an unterschiedlichen Stellen im horizontalen Klangfeld platziert (links/rechts), um einen gewünschten Effekt räumlicher Breite zu gestalten, sodass alle Songelemente einen hörbaren Platz im Mix bekommen – wie auf einer Bühne. Feinheiten in der exakten Platzierung spielen hierbei eine entscheidende Rolle für die Qualität des Mixes. (Vgl. Owsinski 2007, 84f.)

Darüber hinaus besteht die Möglichkeit zur Nutzung besonderer Effekte und Techniken: Instrumente können z.B. so bearbeitet werden, dass sie wirken, als erklängen sie außerhalb der Lautsprecher – es entsteht eine Entfernungsillusion. Zudem lassen sich Songelemente im Verlaufe eines Songs bewegen – sodass etwa der Gesang vom linken auf das rechte Ohr ,wandert‘. (Vgl. Owsinski 2007, 81ff.) Eine weitere Option ist das Verdoppeln von Soundsignalen, um diese anschließend an verschiedenen Stellen des Panoramas anordnen zu können. (Vgl. Wandler 2012, 229.)

Das nächste wichtige Tool des Mixings ist der Equalizer. Mit diesem lässt sich das Frequenzverhalten einzelner Songelemente manipulieren, damit bestimmte Tonhöhenbereiche dieser Klangquellen innerhalb des gesamten Songs mehr oder weniger stark hervortreten. (Vgl. Owsinski, 99 ff.) Wird ein Instrument mit dem Equalizer bearbeitet, muss zunächst herausgefunden werden, welche Frequenzen bei diesem dominant sind. Z.B. besitzt die Bass Drum eines Schlagzeuges natürlicherweise einen Höhenanteil (Kick), einen eher mittigen Resonanzanteil und einen Bassanteil (Druck). Im Mixing muss sich mit den individuellen Klangeigenschaften aller Songelemente vertraut gemacht und nun ausprobiert werden, wie die Frequenzausschläge angehoben oder abgesenkt werden müssen, um den Klang des Elementes zu optimieren und ihm seinen ,Platz im Mix‘ zu geben. Im Falle des Beispiels einer Bass Drum könnte ein störender Resonanzteil abgesenkt werden, damit der Klang durch Anhebung des Kick- und Druckanteils druckvoller wird.  (Vgl. Gypser/Dubsch 2006, 47/70.)

Das allgemeine Ziel des Equalizing ist es, einzelne Audiospuren klarer und definierter zu gestalten und dabei jeweils für den Gesamtkontext unwichtige Frequenzbereiche zu eliminieren. Für jedes Instrument bzw. für jede Gesangsspur sollten also eigene Tonhöhenbereiche betont werden, damit es keine Überschneidungen gibt. So kann schließlich ein volles und ausgewogenes Klangbild im Gesamtmix entstehen. (Vgl. Owsinski 2007, 76/100.)

Eine weitere große Rolle nehmen die Effekte Reverb und Delay ein. Beim Reverb (dt.: Hall) handelt es sich um einen Effekt, der dafür sorgt, dass die jeweiligen Soundsignale künstlich nachhallen und an räumlicher Tiefe gewinnen. (Vgl. Kaiser 2018, 202 ff.) Hierdurch kann eine Simulation verschiedener Hallräume erzeugt werden – z.B. einer Kirche oder einer Kammer. Die Anwendung erzeugt also den Eindruck, die Audiospuren seien in dem jeweils ausgewählten Raum aufgenommen worden.

In der Auswahl und Bearbeitung dieser Effekte steckt viel kreatives Potential. So gibt es darüber hinaus die Möglichkeit, auf ,künstliche‘ Halleffekte zurückzugreifen, welche gegen Naturgesetze funktionieren: Dabei klingt der Nachhall z.B. nicht aus, sondern schwillt an oder bricht abrupt ab – Vorgänge, die in dieser Art eben nur künstlich existieren. (Vgl. Owsinski 2007, 128 ff.)

Delay (dt.: Verzögerung/Echo) erzeugt einen ähnlichen Effekt wie Reverb. Hierbei werden die Soundsignale des jeweiligen Songelementes mit leichter Verzögerung nach dem Ursprungssignal als Echo wiederholt, sodass der Klang auch hier an Substanz gewinnt. Feingespür ist gefragt, wenn es darum geht, zu entscheiden, wie oft das Signal wiederholt werden, wie lang es nachklingen und mit welchem Abstand zum Ursprungssignal es einsetzen soll. (Vgl. Owsinski 2007, 120 ff.)

Auch die Anwendung eines Kompressors ist ein wesentlicher Bestandteil des Mixings. Er dient zur Bearbeitung der Dynamik. Während dies in ,klassischer‘ Musik nahezu keine Rolle spielt, ist es in der Popmusik sehr wichtig, denn im Verlauf der Aufnahme von Songelementen können sich große, nicht erwünschte Lautstärkeunterschiede ergeben. In diesem Fall hilft der Kompressor, den zu großen Dynamikumfang zu verringern: Laute Stellen werden leiser, leise Stellen lauter (vgl. Kaiser 2018, 159 f.) und im Klangbild entsteht ein deutlicher Zugewinn an Präsenz. (Vgl. Wandler 2012, 230.) Je nach Eigenschaften der Soundsignale können und müssen die Kompressoreinstellungen dabei sehr unterschiedlich ausfallen. Demnach gilt es bspw. zu überlegen, wie stark und ab welchem Lautstärkewert die Pegelspitzen des Klangverlaufes gesenkt werden sollen. (Vgl. Dubsch/Gypser 2006, 73ff.)

Zudem ist es laut dem amerikanischen Produzenten Bobby Owsinski für den Mixing-Prozess wichtig, sich für die Songs auch wirklich zu interessieren. Zunächst müsse dabei jenes Instrument ausfindig gemacht werden, welches den Puls des Songs darstellt (den Groove). Dieses sollte anschließend durch sorgfältige Bearbeitung mithilfe wohlausgewählter Anwendung der besprochenen Werkzeuge und Effekte verstärkt werden, um entsprechend hervorzustechen. (Vgl. Owsinski 2007, 174 ff.) Noch bedeutender aber sei laut Owsinski die Identifizierung und Hervorhebung der Songelemente, die den Song am stärksten charakterisieren. Dies ist meistens der Gesang – oder auch mal ein Gitarrenriff o. Ä. Es müsse also zwischen den Funktionen der verschiedenen Songelemente eine Differenzierung und gewissermaßen eine hierarchische Ordnung vorgenommen sowie ein Gespür für die Konzeption der Songs entwickelt werden. Nicht alle Audiospuren sollten in gleich starkem Maße oder in gleicher Weise in Erscheinung treten. (Vgl. Owsinksi 2007, 176 ff.) Zudem gehe es beim Mixing darum, die Songs mit einer Spannungskurve zu versehen und dabei dynamische Verläufe durch Wechsel zwischen Anspannung und Entspannung zu erzeugen, die sich zu einem Höhepunkt hin entwickeln: Emotionalität und Leidenschaften sollen dadurch ihre Wirkungsmächtigkeit entfalten. (Vgl. Owsinski 2007, 173.) Für Owsinski sind diese letztgenannten Aspekte von zentraler Bedeutung – Aspekte, die das pragmatisch-handwerkliche also endgültig übersteigen.

Wurden alle Spuren nach den Vorstellungen von Künstler*in und Mischer*in bearbeitet, kann der Song an das Mastering übergeben werden. Hierbei bedarf es einiger finaler Anpassungen, bevor ein Song in ein Presswerk oder an Streaming-Plattformen gesendet werden kann.

Die Musikproduktion auf der Zielgeraden

Anders als beim Mixing geht aus unseren Interviews hervor, dass die befragten Künstler*innen nicht mehr im Mastering-Prozess involviert sind. Auch die für den Mix Zuständigen geben die Arbeit teilweise weiter. Zum einen, um ein zweites und ,frisches‘ Gehör urteilen zu lassen und zum anderen, weil es „nochmal eine ganz andere Kunst ist“ sagt Alex Nolte. (Vgl. Alex Nolte, 01:03:04.) Die Band KID DAD hat ihre EP Bloom beispielsweise einer solchen Arbeitsteilung unterzogen. Zuerst hat ihr Produzent Joschka Bender die Songs gemischt, anschließend wurden diese nach mehreren Rückmeldungen seitens der Band in das Mastering an Joe Joaquin – einen Arbeitskollegen von Joschka – übergeben.  Ab der Übergabe in das Mastering kam auch kein Input mehr von den Bandmitgliedern. Somit war die Produktion der EP für sie zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen. (Vgl. KID DAD, 02:05:20 ff.) Dasselbe gilt für die Singer-Song-Writerin Zara Akopyan, die ihre Songs an das Mastering übergibt, sobald sie mit dem Mixing Ergebnis zufrieden ist. (Vgl. Zara Akopyan, 00:44:29 ff.) Insgesamt kristallisiert sich heraus, dass die von uns befragten Künstler*innen eher weniger Fachwissen zu diesem Prozess mitbringen. Michi von KID DAD erkennt in diesem Arbeitsprozess sogar kaum klangliche Unterschiede und fragt sich, ob es nicht „das gleiche wie vorher“ ist. Sein Bandkollege Marius betont jedoch, dass sie da auf das Feedback des Mastering Engineers und auf sein sehr gutes Gehör vertrauen. (Vgl. KID DAD, 02:21:02 ff.)

Doch wenn teils nicht einmal die urhebenden Künstler*innen selbst den Unterschied hören, ist es dann noch ein künstlerischer Prozess oder geht es nur um reine technische Bearbeitung? Obwohl es für keinen Song ein gleichermaßen anwendbares Rezept gibt, so lohnt es sich, für die Einordnung dieser Fragen einen Blick auf die typischen Prozesse im Mastering zu werfen.

Der Mastering-Prozess – Fingerspitzengefühl ist gefragt

Im Mastering geht es nun nicht mehr darum, zu entscheiden, welche Spuren den Charakter eines Songs besonders prägen und wie diese zu betonen sind oder wie das Geflecht von verschiedensten Signalen eine Homogenität erzeugt, sondern vielmehr um die simultane Bearbeitung aller Signale. In der Regel bekommt die Person, die für das Mastering verantwortlich ist, auch nur eine exportierte Gesamtspur als Stereosignal geliefert, also die Summe aller Einzelspuren. Die angewendeten Effekte beeinflussen nun die gesamte Produktion – also alle Klänge in gleichem Maße.

Dennoch erfolgt die Arbeit mit nahezu denselben Tools wie beim Mixing. Auch hier wird bspw. ein Equalizer und ein Kompressor verwendet, um bestimmte Frequenzen hervorzuheben oder abzusenken und die gewünschte Dynamik zu erzielen. Dabei sind gute Genrekenntnisse gefragt, denn für den Stil eines Songs müssen typische Charakteristika gewahrt werden. Beispielsweise lebt der Reggae generell von einem längeren und druckvolleren Bassanteil der Bass Drum, da diese meist nur auf zwei Schlägen pro Takt vorkommt und dadurch mehr Zeit hat, nachzuklingen. Der Klang einer Bass Drum des Punk Rock hingegen beinhaltet weniger Bass, aber einen höheren Kick-Anteil, da dieser auf Grund des schnelleren Tempos, schneller abklingen muss. Fingerspitzengefühl ist also gefragt und es muss aufmerksam entschieden werden, welche Bereiche betont werden. (Vgl. Katz 2002, 101.)

Aber auch reine Fehlerkorrekturen sind in diesem im finalen Schritt inbegriffen. So werden z.B. mit Hilfe des Denoising und Declicking Störgeräusche entfernt und das Grundrauschen auf ein Minimum gesetzt. (Vgl. Herla 2014, 878.)

Das Verhältnis von Mixing und Mastering – Mehr Kunst oder mehr Technik?

Insgesamt liegt der wesentliche Unterschied von Mixing und Mastering also im zugrundeliegenden Bearbeitungsgegenstand: Beim Mixing sind die Spuren einzeln zu bearbeiten und somit in das Gesamtergebnis zu mischen und beim Mastering ist noch einmal auf das Gesamtbild zu schauen und es sind letzte Feinschliffe vorzunehmen. Es könnte vermutet werden, dass es sich lediglich um Abläufe handelt, die einem auswendig gelernten handwerklichen Know-How zugrunde liegen, doch so einfach ist es nicht: Zwar gibt es grobe Maßgaben, nach denen man sich richten kann, doch jedes Musikprodukt ist ein einzigartiges Produkt, welches durch ein komplexes Zusammenspiel aller verwendeter Werkzeuge und Effekte (von denen wir in diesem Beitrag nur einen kleinen Teil darstellen) eine einzigartige Bearbeitung erfordert. (Vgl. Dubsch/Gypser 2006, 4/70.)

Um zunächst einen transparenten Mix zu erzeugen, in dem jedes Songelement seinen gerechten Platz bekommt, benötigt die mischende Person ein genaues Gehör für das Verhältnis der Songelemente zueinander. Während Instrumente oder Gesangsstimmen einzeln optimal klingen, können sie im Gesamtmix zu einem undifferenzierten Klangbild verschwimmen. (Vgl. Dubsch/Gypser 2006, 6.) Allerdings darf es auch nicht darum gehen, die Trennung der Songelemente so weit zu treiben, dass sie als zusammenhanglose Einzelspuren nebeneinander stehen und eine Einheit vermissen lassen. Der oder die Mischerin muss also Fingerspitzengefühl beweisen, um neben dem ausbalancierten und transparenten Klangbild gleichzeitig eine Homogenität zu erzielen (Vgl. Wandler 2012, 229), damit für das anschließende Mastering eine solide Grundlage gegeben ist.

Im Falle des Mixings werden unsere Erkenntnisse durch die von uns interviewten Künstler*innen bestätigt: Wir haben von der engen Zusammenarbeit zwischen Musiker*innen und Techniker*innen, was uns verdeutlicht, dass es den Musikschaffenden wichtig ist, die Entwicklung ihrer Songs auch über das Recording hinaus mitzubestimmen. Dies weist darauf hin, dass dieser Prozess von hoher Signifikanz ist.

Beim Mastering – unabdingbar zur Herstellung klanglicher Kompatibilität in Bezug auf Endgeräte – ist die Beteiligung im Falle unserer interviewten Künstler*innen nicht mehr gegeben, dennoch ist es von hoher Bedeutung, auch hier einige Bearbeitungen vorzunehmen. Diese lassen kunstbezogene Kategorien nicht außer Acht: Es bleibt zwar nicht mehr viel Raum für künstlerische Gestaltung, dennoch ist es wichtig mit dem jeweiligen Genre vertraut zu sein, um der Produktion den letzten charakterlichen Feinschliff zu verpassen.

Abschließend können wir also festhalten: Mixing und Mastering sind technische Prozesse, welche in ihrer Komplexität und Relevanz einen maßgeblichen Teil zur Musik beitragen. Vor allem das Mixing verleiht mit seinem hohen gestalterischen Anspruch dem Endprodukt in der Popmusikproduktion einen künstlerischen Mehrwert. Dagegen formt das Mastering zwar die Songs nicht mehr so offenkundig, zeigt sich durch die zusätzlichen Verfeinerungen in der finalen Optimierung aber ebenfalls als Prozess künstlerischer Produktion.

Quellenverzeichnis

#HowToPop: „Interview mit Alex Nolte von Julia´s Mind“, 26.01.2022, in: Youtube, URL: https://www.youtube.com/watch?v=6l2TUcvQU5k&list=PLG-cTcBygJd1Ic5bmS4iv7PE-mOyv0C3P&index=2 (Abruf: 31.01.2022).

#HowToPop: „Interview mit KID DAD“, 06.01.2022, in: Youtube, URL: https://www.youtube.com/watch?v=6l2TUcvQU5k&list=PLG-cTcBygJd1Ic5bmS4iv7PE-mOyv0C3P&index=2 (Abruf: 31.01.2022).

#HowToPop: „Interview mit Lisa Who“, 06.01.2022, in: YouTube, URL: https://www.youtube.com/watch?v=pvjhYPwvGj4&list=PLG-cTcBygJd1Ic5bmS4iv7PE-mOyv0C3P&index=4 (Abruf: 31.01.2022).

#HowToPop: „Interview mit Oliver Gies von Maybebop“, 06.01.2022, in: YouTube, URL: https://www.youtube.com/watch?v=2tNtXjMm0Dk&list=PLG-cTcBygJd1Ic5bmS4iv7PE-mOyv0C3P&index=1 (Abruf: 31.01.2022).

#HowToPop: „Interview mit Zara Akopyan“, 06.01.2022, in: YouTube, URL: https://www.youtube.com/watch?v=0As0z7EDm8Q&list=PLG-cTcBygJd1Ic5bmS4iv7PE-mOyv0C3P&index=3 (Abruf: 31.01.2022).

Literaturverzeichnis

Ahlers, Michael (2009), „Komposition und Produktion von populärer Musik“, in: Handbuch Musik und Medien, hrsg. von Holger Schramm, Konstanz: Springer VS, S.421–448.

Gypser, Florian; Dubsch, Karsten (2006), Mixing: Die Mischung macht´s; Das Skript zum Workshop, Waldorf: audio-workshop.

Gypser, Florian; Dubsch, Karsten (2006), Mastering: alles zum Thema; Das Skript zum Workshop, Waldorf: audio-workshop.

Helms, Dietrich (2003), „Auf der Suche nach einem neuen Paradigma: Vom System Ton zum System Sound“, in: Pop Sounds – Klangtexturen in der Pop- und Rockmusik. Basics – Stories – Tracks., hrsg.  von Thomas Phleps, Bielefeld: transcript, S.197-228.

Herla, Siegbert (2014), „Digitale Tonaufzeichnung“, in: Handbuch der Tonstudiotechnik, hrsg. von Michael Dickreiter; Volker Dittel; Wolfgang Hoeg; Martin Wöhr, Berlin; Boston: De Gruyter Saur, S.828-880.

Kaiser, Carsten (2018), Homerecording, Frechen: mitp.

Katz, Bob (2002), Mastering audio: the art and the science, Oxford: Focal Press.

Owsinski, Bobby (2007), Handbuch für Toningenieure, München: GC Carstensen.

Pfleiderer, Martin (2003), „Auf der Suche nach einem neuen Paradigma: Vom System Ton zum System Sound“, in: Pop Sounds – Klangtexturen in der Pop- und Rockmusik. Basics – Stories – Tracks., hrsg. von Thomas Phleps, Bielefeld: transcript, S.197-228.

Wandler, Heiko (2012), Technologie und Sound in der Pop- und Rockmusik, Osnabrück: epos-Music.