KID DAD

Die vierköpfige Alternative-Band aus Paderborn hatte im Jahr 2017 ihr Debüt mit der EP Disorder, drei Jahre später folgte ihr erstes Album In A Box, welches sich aus einem Mix von Synthesizern, Gitarrenriffs und Grunge zusammensetzt. Ihr aktuellstes Werk ist die 2021 erschienene EP Bloom, mit der sie eine Tournee durch Deutschland und Großbritannien planen. In ihrem Proberaum sprachen wir mit Marius (Gesang und Gitarre), Joshua (Gitarre), Max (Synthesizer und Bass) und Michael (Schlagzeug). Zu diesem Zeitpunkt arbeiteten sie an ihrer EP Bloom.

Interview mit KID DAD

 

Transkription des Interviews

Interview zwischen Alex Parusch und KID DAD, Paderborn, 12.09.2021

Quelle: #HowToPop, „Interview mit KID DAD“, 04.02.2022, Youtube, URL: https://www.youtube.com/watch?v=6l2TUcvQU5k&list=PLG-cTcBygJd1Ic5bmS4iv7PE-mOyv0C3P&index=2 (Abruf: 05.02.2022).

 Inhalt

Einleitung

[00:00:07]

Alex: Ja, Hallo erstmal. Wir sind #HowToPop. Wir sind ein Forschungsprojekt aus acht Studierenden der Universität Paderborn und der Hochschule für Musik Detmold. Wir untersuchen, wie populäre Musik erzeugt wird, quasi welche Phasen ein Song durchläuft, bis dieser Song fertig ist. Früher konnte man Musik im Grunde nur auf Papier festhalten, indem quasi musikalische Ideen einfach auf Notenpapier geschrieben wurden. Aber heute gibt es, dank der Technik, viel mehr Möglichkeiten Musik zu gestalten und dadurch sind denn auch die Produktionsprozesse sehr vielseitig geworden, aber vielleicht auch ein wenig unnahbar. Aber um hinter den Vorhang der Musikproduktion zu blicken, sind wir heute zu Gast bei der Band KID DAD. Danke, dass wir hier sein dürfen.

Alle: Hallo, hi …

Alex: Stellt euch mal vor, der Reihe nach.

[00:00:54]

Michi: Ja, ich bin Michael. Ich spiel Schlagzeug bei uns.

[00:00:59]

Joshi: Ich bin der Joshi. Ich spiel Leadgitarre.

[00:01:03]

Marius: Ich bin Marius. Ich spiele Rhythmusgitarre und singe.

[00:01:06]

Max: Ich bin Max und spiel Bass, Synth und Standtom und Percussions, sing auch manchmal ein bisschen mit.

[00:01:14]

Alex: Nochmal danke, dass wir hier sein durften.

[00:01:16]

Marius: Danke, dass ihr hier seid.

[00:01:17]

Alex: Wir wollen heute über die Arbeit eurer Musik sprechen und da stell ich mal gleich die erste Frage. Ist eine sehr allgemeine Frage: Wenn ihr an einem neuen Song arbeiten wollt, wenn ihr an einem neuen Song arbeitet, was passiert als erstes? Wie beginnt quasi euer Prozess?

[00:01:34]

Marius: Die Basis der Songs schreib ich meistens zuhause oder unterwegs. Das sind meistens fängt das an mit so Skizzen irgendwie im Kopf. Wenn ich auf der Arbeit bin, habe ich manchmal irgendwelche Melodien im Kopf und nehme die dann auf nebenbei. Bis hin zu ganz klassisch zuhause mit der Gitarre oder am Klavier. Und das sind oft nur kleine Fetzen, also so gar nicht zusammenhängende Songs. Ich schreibe häufig nur die Ideen auf, die ersten Ideen bzw. nehme die dann auf. Transkribieren kommt irgendwie erst später, wenn sich das gut anhört. Und dann flicke ich sehr viel. Ich habe verschiedene Ideen, die vielleicht am Anfang gar nicht zusammenpassen. Und dann packe ich die in eine Tonlage, gucke, ob die zusammenpassen und dann entstehen sehr, sehr viele Frankenstein-Songs oder ich schreibe halt weiter, das passiert super, super unterschiedlich. Wenn ich dann zufrieden damit bin, setze ich mich meistens an die DAW [Digital Audio Workstation], wenn ich es nicht schon am Anfang, also ich schreib manchmal auch in der DAW direkt dann mit einem Midiboard oder so, aber sehr häufig kommt der Schritt in die DAW erst mit der Grundidee. Dann nehme ich eine kleine Demo auf, schicke das an die Jungs und dann treffen wir uns im Proberaum und machen was draus.

[00:02:54]

Alex: Ok. Hast du dann dabei vielleicht auch schon textliche Vorstellungen oder hast du vielleicht erstmal nur die Musik im Kopf oder kommt das unterschiedlich?

[00:03:04]

Marius: Recht unterschiedlich. Aber die Punchlines bzw. die Zeilen im Refrain oder die ersten in einem Song, also womit der Song anfängt, das sind, finde ich, die wichtigsten und die geben so ein bisschen die Richtung vor. Häufig bestimmt die erste Zeile oder die Hauptzeile, die mir im Kopf ist, auch den Vibe des Songs so ein bisschen. Aber ganz häufig ist es auch umgekehrt, dass ich eine Melodie im Kopf hab und dann muss der Text inhaltlich und auch ja vom Klang einfach auf die Melodie passen und so bedingt das eine das andere. Wir haben da gar keine so feste Regel, dass wir immer sagen, ok erst ist Melodie, dann ist Text und das eine beeinflusst immer das andere, sondern es ist so wechselseitig und super, superabhängig von der Situation, von dem Vibe, von dem Song. Da sind wir ein bunter Salat irgendwie.

[00:03:58]

Alex: Ok, ja cool. Und wenn du dann z.B. die Idee an die Jungs weitergeschickt hast, wie geht es dann weiter mit eurem Song?

[00:04:07]

Marius: Ja ihr könnt ja auch mal was sagen.

[00:04:09]

Joshi: Ja, wir sind nicht nur zur Zierde hier. Häufig geht es eben über, es wird über WhatsApp rumgeschickt oder über irgendeine Mail oder sowas. Wir hören uns alle schon einmal rein und gucken einfach mal gefällt uns das, gefällt uns das nicht, was haben wir für eine Idee dazu, weil das ist immer ein ganz kleinschrittiger Prozess. Derjenige, der z.B. den Text geschrieben hat und die ersten Akkorde, das ist dann, dann hat man schonmal eine Vision im Kopf. Dann trifft das auf einen anderen Menschen und der andere Mensch fühlt vielleicht etwas ganz anderes, so aus diesen Akkorden möchte der eine irgendwie was superschnelles machen, was Geradliniges und wer anders denkt sich, „ey yo, ich denk hier grad irgendwie an was Vertrackteres oder was langsameres“. Und dementsprechend kommen dann Vorstellungen und Ideen zusammen und dann guckt man mal, was so geht und unterhält sich, wie findet man das. Wir haben so eine Aussprache bei uns gefunden, die manchmal sehr schön ist, manchmal sehr im Weg steht und zwar sagen wir „fühl ich“ oder „fühl ich nicht“. Das beschreibt uns als Band eigentlich auch ganz gut, weil über dieses Gefühl sehr viel bei uns geht und im Songwriting-Prozess spielt das eben eine große Rolle.

[00:05:41]

Michi: Ja, ist dann halt oft so, dass wenn wir das angehört haben, dann treffen wir uns irgendwie hier im Proberaum und spielen eigentlich mal drauf los, meistens und gucken halt dann was passiert. Und jeder gibt dann den Input, den er hat, mit rein und gibt die Ideen und die Gefühle, die er zu dem Song hatte, dann quasi irgendwie mit in den Topf mit rein und dann entsteht irgendwie ein Song draus. Oder manchmal ist es auch so, dass wir irgendwie zwei, drei angefangene Ideen haben, wo wir aber nicht so happy mit sind oder mit waren und dann haben wir irgendwie zwei andere Songs zur Hälfte geschrieben und irgendwann denken wir uns so, warum fügen wir das nicht zusammen? Wir haben z.B. „A Prison Unseen“, ich glaub da sind zwei oder drei Songs, die eigentlich mal einzelne Songs waren, die dann irgendwie zu einem Song zusammengefügt wurden, weil irgendwie die Ideen und die einzelnen Parts dann irgendwie doch gut zusammengepasst haben. Und so nimmt das dann seinen Lauf. Manchmal geht es schneller, manchmal braucht es Tage, bis halt irgendwie dann doch was Brauchbares bei rum kommt. Ist immer unterschiedlich.

Inspiration

[00:07:05]

Alex: Und wie findet ihr z.B. die Inspiration zu eurer Musik, also in welchen Situationen z.B., oder zu welchen Zeiten, oder wie kommt das quasi in euern Kopf rein?

[00:07:17]

Marius: Ich glaube, das ist sehr unterschiedlich, also wie gesagt, teilweise bei der Arbeit, teilweise, wenn man Langeweile hat und teilweise auch, wenn man im Stress ist und irgendwie tausend andere Sachen zu tun hat und dann kriegt man halt eine Songidee und dann klingt man sich eben aus der Telko aus und muss eben was einsingen. Das ist zwar nicht so häufig, aber es ist halt, in jedem Bereich kommt es tatsächlich mal vor oder an jedem Abschnitt des Tages, dass einem irgendwie mal so ein Song begegnen kann und wir haben das Glück, dass wir mobile Endgeräte dabeihaben und ständig alles aufnehmen können, unsere Gedanken nieder sprechen, niederschreiben können, das ist glaub ich ein riesiger Vorteil, den unsere Generation im Gegensatz zu der Generation der 50er 60er Jahre so hatte. Da musste man immer einen Stift und Papier parat haben oder ein extrem gutes Langzeitgedächtnis. Aber ich glaube, was Inspiration angeht, und unterschiedliche Gedanken, die dann in den Song fließen, ist es bei uns dahingehend so spannend, dass jeden von uns glaube ich etwas anderes inspiriert. Wir haben zwar Überschneidungen, aber wir haben auch ganz, ganz viel Musik, ganz, ganz viel ja vielleicht auch andere Kunst, die uns als einzelne Musiker inspiriert, wo die anderen sagen: „Hey das würde mich niemals berühren, da kann ich nichts mit anfangen“. Aber das ist irgendwie auch das Spannende. Wir haben irgendwie die ungeschriebene Regel, dass wir uns niemals zu viert auf einem Konzert, bei einer Künstlerin oder einem Künstler zufällig treffen würden, weil wir einfach so unterschiedlich sind. Und das gibt uns die Möglichkeit so diverse, so unterschiedlich inspiriert Mukke zu machen.

[00:09:11]

Joshi: Es gibt ja häufig dieses Klischee von der Band, dass sie sich 18 Uhr, 19 Uhr, ein paar Bierchen, und dann im Proberaum treffen und alle sind dann super inspiriert und trinken was und denken sich „ey yo, das flutscht mal eben so raus und wir haben grad mal eben einen Song geschrieben“. Jetzt für die EP “Bloom”, die wir gerade so parallel ein bisschen veröffentlichen, Stück für Stück, ist es z.B. so, dass wir eine Phase hatten, wo wir uns sehr oft Mittags teilweise auch schon Morgens getroffen haben im Proberaum und dass wir fast, das klingt jetzt total blöd, aber das hatte so einen festen Rhythmus, das hatte schon fast was Jobtechnisches, ohne dass es jetzt einfach nur eine Auftragsarbeit war, das will ich gar nicht sagen, sondern es hatte halt eine Regelmäßigkeit, die eben entgegen dieses Klischees ist. Und diese Inspiration, die wir alle, jeder für sich ja irgendwo rauszieht, mündet dann irgendwie auch in diesen Moment, man trägt das mit rein, und versucht dann auf diese Skizzen, auf diese Grundideen, auf diesen Vibe irgendwie seinen eigenen Vibe, seine eigene Vorstellung da mit rein zubringen. Entsprechend kommt dieses einzigartige Erlebnis heraus, was nur Bands in der Form glaube ich haben, dass verschiedene Gedankenwelten aufeinandertreffen und dann irgendwann nach unzähligen Stunden, Tagen, vielleicht auch ganz wenigen Momenten, aber plötzlich dieses runde Ganze ergeben. Das ist ein großer Unterschied zu einem Einzelkünstler, glaube ich, weil da vieles in dem Kopf eines einzelnen Menschen passiert. Und bei uns passiert, wie bei vielen anderen Bands auch, irgendwann dann in dem Prozess, dass von jedem Kopf was da rein geht in diesen Songpool. Das ist irgendwas, wo sich Inspiration von allen drin trifft. Das ist immer wieder sehr spannend, weil manchmal kommt Käse bei raus, nein Murks, Käse ist manchmal was Gutes. Und manchmal kommt was extrem Gutes bei raus oder irgendwie einfach etwas, wo man Bock hat, richtig viel Zeit zu investieren und immer tiefer zu graben und nicht nur einfach zu sagen „ey, wir haben eine Strophe, wir haben ein Intro, wir hab einen Prechorus, einen Chorus, einen C-Teil“, was weiß ich, sondern, wo man sich denkt, „ey yo, ich will noch einen Akkord haben, der da rein leitet, ich will noch dieses kleine Gimmick, ich will noch dieses Detail. Und ey dieser Sound, ey ich mag die Melodie, aber der Sound ist nicht geil“. Dann guckt man und gräbt immer weiter und immer tiefer. Und das ist dann zwar sehr kleinschrittig, aber auch sehr besonders, weil dann diese kleinen Veränderungen und Erlebnisse plötzlich so einen ganz großen Aha-Effekt erzeugen können.

[00:12:09]

Alex: Ok. Ich hatte dazu auch mal gleich eine Anschlussfrage, weil ihr beide jetzt gesagt habt, dass ihr so unterschiedlich seid und ihr so auch sehr unterschiedliche Inspirationen findet, da stellt sich mir jetzt die Frage z.B. welche musikalischen Vorbilder oder Stile haben euch geprägt? Vielleicht auch bevor es die Band gab oder auch jetzt aktuell noch?

Inspiration/musikalische Bildung

[00:12:33]

Max: Ich würde anfangen, ok. Boah, bei mir hat es, glaube ich, angefangen mit, also, ich glaube, ich habe vier Jahre lang nur Die Ärzte gehört, von 12 bis 16 nur die. Und dann kam irgendwie Blink 182 und dieses ganze Pop-Punk-Universum auf mich rein, dann auch diese Emo-Schiene mit Taking Back Sunday oder die andere vergesse ich jetzt gerade. Das hat mich schon, glaube ich, hart geprägt, auch so in meinen vorherigen Bands. Und, ich glaub, so seit den letzten paar Jahren geht das auch in die Hiphop-Schiene bei mir, aber mehr so diese Lo-Fi-Geschichte, bisschen auf Boom bap, gar nicht dieses moderne, wobei das hin und wieder auch.

[00:13:26]

Alex: Dann erzählt mal weiter. Wie ist das bei den anderen dreien?

[00:13:31]

Marius: Ich habe immer ganz gewaltig intensive Phasen, wo ich Bands, Künstler*innen oder was auch immer, oder irgendwas, was annähernd Musik ist, sehr stark konsumiere. Und dann habe ich wieder keinen Bock mehr drauf. Das war, anfangs bin ich angefangen, so wirklich in Gitarrenmusik reinzurutschen mit Green Day, das war dann nicht Blink, sondern die andere Seite des Pop-Punks sozusagen …

[00:13:58]

Max: … die Böse.

[00:13:59]

Marius: Nee, die Gute. Das hat mich ganz gewaltig geprägt. Ich bin dann aber bevor es dann wirklich an Kajal und so weiter ging, bin ich dann tatsächlich auf eine, auf eher so diese Garage Rock, in diese Garage Rock-Szene gekommen, so West-Coast-Punk. Das war dann so die Zeit, wo wir uns auch gegründet haben, so 2016 und da bin ich, da habe ich ganz viel Brit-Rock gehört, Brit-Pop, vor allem aber auch, also nicht nur Brit-Pop, sondern auch vor allem britische Bands an sich. Habe vorher nur amerikanische Musik irgendwie gehört. Bin dann, ich glaube, ich habe dann ein Kürzel gefunden für die Zeit, in der ich mit Max zusammengewohnt habe, da habe ich sehr viel Radiohead, Eminem, Nirvana und Oasis gehört. Das war so mein magisches Viereck. Ich habe das immer „Reno“ genannt, weil wenn Leute fragen, was hörst du so, dann konnte ich das irgendwie ganz schnell abrufen, indem ich da Kürzel für gefunden hab. Aber die letzten Monate haben mich vor allem, ich glaube, für die letzte Platte hat mich viel Radiohead beeinflusst, für unser Album hat mich viel Radiohead beeinflusst. Für die EP danach war es tatsächlich wieder viel offener. Ich habe auch viel Filmmusik gehört, so Yann Tiersen und so, also vieles, was schnell schwankt zwischen glücklich und traurig. Was ich vor allem durch diesen bunten Mix gelernt habe für mich selber ist, dass man einfach kein Verfechter sein sollte von einer bestimmten Art. Es kommt immer aus mir oder aus uns raus und dann gibt jeder seinen Teil hinzu und so formt sich irgendwie was Eigenes. Man sollte nie irgendwie, das haben wir glaube ich alle gelernt, nie sagen „das ist zu happy“, „das ist zu traurig“, „das ist zu unpoppig“, „das ist zu poppig“. Ich hoffe, ich habe jetzt noch nichts vorweggenommen, da bin ich jetzt so reingerutscht, sorry.

[00:16:07]

Alex: Ne, ne, also alles gut.

[00:16:10]

Joshi: Ich komm aus einem Haushalt, wo, also mein Papa ist auch Musiker, so bis heute, aber witzigerweise hat mich das überhaupt nie interessiert. Habe erst recht spät angefangen Gitarre zu spielen mit fast 17 Jahren. Aber dann so richtig, ich bin dann irgendwie, ich habe Leute kennengelernt, ich komme ursprünglich aus Detmold, so hallo Detmold. Genau und da gabs dieses autonome Kulturzentrum Alte Pauline, das gibt es, glaube ich, immer noch. Die hatten da im Keller Proberäume, wo man nichts für zahlen musste. Die einzige Bedingung war: „Leute, spielt zweimal im Jahr ein Konzert.“ Damit die Stromkosten quasi wieder reinkommen. Über dieses Netzwerk bin ich irgendwie an Musiker, an Szenen herangekommen und es war natürlich anfangs alles Grunge. Dann gabs irgendwie so Pop-Punk-Geschichten. Was mich individuell, also nein, nicht individuell, was mich persönlich bis heute begleitet, ich würde sagen, dass der gemeinsame Nenner, der sich durch meine musikalische Emanzipation zieht, das ist die Band Incubus. Bin da irgendwie einmal darauf gekommen und ja, wir haben uns so ein bisschen auseinander entwickelt in den letzten Jahren, aber ich hör sie immer wieder gerne und ist für mich sehr, sehr entscheidend. Auf Grund dieser Band habe ich mein Lieblings-Gitarrenmodell irgendwie entdeckt, keine Ahnung warum, aber seitdem spiele ich dieses Modell, Fender Jazzmaster, obwohl ich keinen Jazz mag, aber die Gitarre hat nix mit Jazz zu tun. Habe sonst auch wie Max diese Ami-Emo-Schiene mitgemacht, Taking Back Sunday und sowas, Circa Survive irgendwann, fand ich irgendwie geil. Was in den letzten zwei Jahren für mich sehr entscheidend geworden ist, ich habe mir angeguckt, was machen diese Gitarristen – ne, ich bin ja Gitarrist – was machen diese Gitarristen von den Bands, die ich geil finde, eigentlich, was spielen die, wie spielen die das, was benutzen die. Habe mich in so ein paar Sachen rein gearbeitet, nicht kopiert, sondern einfach mein Wissen erweitert. Das, glaube ich, auch jetzt so in diese Schreibphase mit einfließen lassen, was ich da an Erkenntnissen rausgezogen hab. Ich nenn da auch noch einmal Billy Talent als Vorbild, weil ich finde, dass der Gitarrist ein unglaublich stilprägender Gitarrist für die heutige Zeit ist. Es gibt viele Gitarristen, die klingen halt wie Gitarristen und er klingt wie „ahja der Typ von Billy Talent“. Das find ich mega beeindruckend. Das ist z. B. etwas, was mich inspiriert und woran ich für mich selber arbeite, dass ich eine Art von Handschrift entwickle für mich, die ich mag, die mich irgendwie vielleicht auch auszeichnet, weiß nicht, ob es mir gelingt, das ist was anderes. Das ist zumindest etwas, was ich in diesen Schreibprozess auch mit rein trage, nicht kopieren, sondern einfach sich selber als Musiker so ein bisschen weiterentwickeln und Einflüsse aufsaugen und das sich zu eigen machen und sein eigenes Ding daraus entwickeln.

[00:19:38]

Alex: Wie siehts bei dir aus Michi?

[00:19:40]

Michi: Mein Vater ist zwar kein Musiker, aber ein sehr musikbegeisterter Mensch und deswegen, als ich klein war, glaube ich, ist den ganzen Tag Musik gelaufen, auch unterschiedliches, aber sehr viel Soul und Funk. Und deswegen war für mich irgendwie von vorne herein Musik irgendwie so ein Ding, was ich faszinierend und interessant und cool fand. Ich hab dann auch eher wie Marius eher die Green Day-Schiene mitgenommen und auch 30 Seconds To Mars z.B. die ersten Alben, die ich sehr, sehr cool und inspirierend fande. Und habe mich dann irgendwann dazu hin entwickelt, einfach gerne sehr, sehr viel auszuprobieren, sehr viel unterschiedliche Sachen zu hören, um irgendwie so ein bisschen einfach zu schauen, was andere Künstler*innen für Musik machen und habe mich nicht so auf ein Genre fokussiert, sondern irgendwie einfach das, was ich cool fand, habe ich einfach angehört, und hab mir Alben gekauft. Das war sehr, sehr durchwachsen und ist es immer noch, weil ich es einfach spannend finde zu sehen, auch irgendwie aktuelle Tendenzen von Popmusik, und wie sich das alles entwickelt, find ich einfach super, super spannend. Da sind halt sehr, sehr viele Künstler*innen dabei, die einfach coole Musik machen und da bin ich genretechnisch einfach nicht so auf einen Bereich fokussiert. In den letzten Jahren habe ich sehr viel Indie gehört, Half Alive, Circa Waves z.B., Billie Eilish war bei den letzten Jahren auch eine große Inspiration z.B., glaube ich, für Marius auch ein bisschen.

[00:21:40]

Marius: Ich habe mir das Album gekauft, ich kaufe mir selten Alben.

[00:21:43]

Max: Ich habe das Fotobuch von ihr, aber mehr nicht.

[00:21:46]

Michi: Genau, also bei mir ist das sehr, sehr durchgemischt irgendwie.

Inspiration

[00:21:52]

Alex: Ja cool. Ihr habt ja jetzt euren ganzen Pool an Inspiration und Vorbildern quasi in den Raum geworfen und da will ich jetzt mal weiter nachfragen, wie denkt ihr schafft ihr das, eure ganzen Einflüsse miteinander zu vermischen und das das dann zu einem Endprodukt wird?

[00:22:13]

Michi: Ich glaube das funktioniert einfach ganz gut, weil wir die Songs zusammenschreiben und jeder an seinem Instrument durch die Einflüsse und durch die Inspiration, die er hat, entsprechend Parts, Akkorde, Töne, Grooves etc. hat, die dann irgendwie durch uns als vier Individuen irgendwie zusammenkommen und jeder quasi von seiner Inspiration irgendwie profitiert. Aber natürlich die Band halt auch, weil eben so vier ziemlich unterschiedliche Personen, unterschiedliche Musiker quasi einfach irgendwie hier im Proberaum sind und an einem Song schreiben und einfach alles in die Mitte in einen Haufen werfen und dann von jedem einfach ein bisschen was dabei ist.

[00:23:10]

Marius: Ich glaube das ist, ich stimme dir da voll zu, ich glaube aber gar nicht, dass das so ein Ding ist, wie ich höre grade das und das und ich versuche das jetzt einzubringen. Sondern es ist so, man ist selber so eine Sammlung von dem, was man hört, und das shaped den eigenen Geschmack, die eigene Marke irgendwie oder führt dazu wie eine Person musikalisch agiert. Wenn wir vier dann zusammen sind, dann bringen wir eigentlich uns vier nur ein ohne jetzt glaube ich im Hinterkopf zu haben „ok ich muss jetzt da eine Billy Talent-Line reinbringen, aber in Wahrheit sind da so, so, so viele Musiker*innen hinter und Künstler*innen, die uns beeinflusst haben und wir nehmen das in dem Moment gar nicht mehr wahr, dass das gar nicht wir sind, wie wir geboren wurden, sondern dass wir auch geprägt wurden durch unser Konsumieren und da ist jeder von uns ein riesiger Mix und aus diesen vier Mixes macht man dann ein Produkt. Wenn man so will, ist dann, weiß ich nicht, besteht dieser Song dann halt aus Inspiration von, weiß ich nicht, 200 Songs oder 200 Artists, man denkt so, „ok, den haben wir vier geschrieben“, aber uns vier hat halt ganz viel Musik geprägt.

[00:24:22]

Joshi: Ich musste grad daran denken, es gibt dieses eine Meme, was ich sehr gerne verwende, das ist so ein Hund, der sitzt an einem Tisch und es ist einfach in einem Haus und es brennt alles. Und ich denke gerade, dass dieser Hund einfach metaphorisch ein Song ist und wir sind die Flammen, werfen einfach alles rein und der Song denkt sich „I´m fine“. Irgendwann entwickelt sich dann daraus, wir löschen die Brände vielleicht oder so, ich weiß nicht, wie man dieses Bild weiter zeichnen kann. Aber mir schoss das grad in den Kopf und ich wollte das kurz zum Besten geben.

[00:24:56]

Michi: Ja, ich fand das bei uns auch irgendwie immer ganz cool, dass wir nie gesagt haben: „Ja, wir wollen jetzt einen Song schreiben, der nach dem und dem klingt.“ Sondern wir haben uns da einfach, wir waren einfach offen, haben uns da keine Grenzen gesetzt. Ich glaube das war auf jeden Fall auch ein guter Weg, der uns dazu gebracht hat, einfach das zu machen, was irgendwie aus uns herauskommt und dann sich irgendwie zusammen entsteht.

[00:25:24]

Joshi: Wobei ich den Ansatz auch irgendwie, auch wenn wir den nie verfolgt haben, zumindest, seit ich dabei bin, sehr spannend finde, einfach mal zu sagen: „Ich will, angenommen ich will einen Song schreiben, der im Set live an der und der Stelle genau das und das tut.“ So sind wir, glaub ich, nie an einen Schreibprozess heran gegangen, sondern wir haben Demos gehabt, die haben sich irgendwie entwickelt, aber so eine konkrete Absicht, „wir brauchen so einen Song“, hatten wir glaube ich noch nicht.

[00:25:52]

Marius: Ja, viele letzte und viele erste Songs geschrieben, aber irgendwie dazwischen wenig.

[00:25:57]

Joshi: Und ich find das einfach mal spannend, einfach mal mit so einer Zielvorgabe daran zu gehen. Dann setzt man sich halt andere Grenzen. Ja gut, keine Grenzen setzen – Grenzen setzen, ist nicht das gleiche.

[00:26:09]

Alex: Also im Prinzip schreibt ihr einfach drauf los, kann man sagen, und dann guckt ihr, was daraus entsteht, oder? Also ihr habt noch keine konkrete Zielvorstellung, was am Ende dabei heraus kommt?

[00:26:18]

Marius: Also, ich glaube wir schreiben viele Songs, wo wir denken, wenn die nur auf dem Papier sind, oder nur eine kleine abgespackte Demo davon existiert, dann klingt die ja noch nicht nach uns. Die klingt dann vielleicht nach mir, wie ich das eingesungen habe, oder man stellt sich vor, wie das klingen könnte. Aber wenn dieser Song, den man erstmal nur als Song wahrnimmt, durch den KID DAD-Filter geht, sozusagen, dann passiert das Gleiche, was mit Covern passiert. Also wir schreiben so, so unterschiedliche Songs, wo ich niemals sagen würde, „Ey, das Songwriting ist jedes Mal so gleich, das klingt nach uns.“ Das Songwriting klingt nie nach uns, es klingt eigentlich voll häufig, würde ich jetzt behaupten, irgendwie der Sound nach uns oder wie wir das umsetzen. Das heißt, wenn wir jetzt, das haben wir auch manchmal schon gemacht, wir haben Lines oder irgendwelche Covers in unser Set gepackt, sei es am Anfang unserer Bandgeschichte oder später, und es fällt Leuten häufig einfach nicht auf, einfach, weil es nach uns klingt. Wir haben jetzt z.B. mit unserer letzten Single „Apartment“, da haben wir gedacht, „Ey das ist eigentlich so ein Highschool/College Song, so voll leicht, den hatten wir vorher nicht in unserem Repertoire.“ Aber wenn wir den halt durch den KID DAD-Filter schicken, dann ändern wir halt Sachen, die eigentlich bei einem Highschool Song anders wären. Wir ändern die halt so wie sie für uns cool wären, dann wird aus diesem eigentlich kitschigen Song ein KID DAD-Song. Das ist eben, glaube ich, das, was uns so von Bands mit einem Mainsound unterscheidet. Da ist das Songwriting sehr, sehr ähnlich häufig, die Lyrics vielleicht teilweise auch und der Sound und die Stimmung und alles ist irgendwie, kann man sich gut am Stück anhören, aber es klingt halt alles so ACDC-mäßig.

[00:28:00]

Max: Oh, danke, dass du das gesagt hast und ich das nicht machen musste.

[00:28:03]

Yoshi: Der Song „Apartment“ ist eigentlich ein ganz gutes Beispiel dafür, dass wir uns irgendwann gesagt haben, es ist erstmal alles erlaubt, was dem Song gut tut. Hätten wir jetzt einfach gedacht „Ey yo, wir müssen irgendwie so eine krasse Alternative Rock Band sein, dann hätten wir vielleicht das Ding ein bisschen anders geschrieben. Dann hätten wir uns vielleicht andere Grenzen gesetzt. In dem Fall haben wir uns einfach gesagt, einfach, was dem Song gut tut, nicht, was vielleicht Menschen von uns erwarten würden, wie es zu klingen hat. Das war glaub ich auch sehr wichtig für uns, das mal so zu machen.

[00:28:45]

Marius: Bei der Produktion auch glaub ich neu. Also wir haben sonst gesagt, wir wollen das und das als Gesamtsound. Und jetzt haben wir gesagt, „ok wir haben fünf Songs, jeder Song ist anders, wir geben jedem das, was er braucht, was wir glauben, was er braucht.“ So kam halt raus, dass absolute Aufs-Maul-Nummern neben Pop-Nummern irgendwie standen. Es hat irgendwie alles zusammengepasst, weil man es natürlich zusammen in Master geschickt hat und so. Aber das ist eine ganz neue Herangehensweise, so fast als würde man Singles aufnehmen und rausbringen, wir versinglen ja auch aktuell jeden Song. Aber es muss halt irgendwie auch als Gesamtkonzept funktionieren. Ich habe letztens noch von meiner Mama das Feedback bekommen, dass unsere Songs ja sehr dynamisch sind und dass, wenn man sich in eine Stimmung gefunden hat oder in einer Stimmung verloren hat, dass man dann mehr davon will. Das spricht dann eher für Bands, die das wirklich so machen, wo ein Song klingt wie der andere, gleicher Vocaleffect die ganze Zeit, gleicher Gitarreneffekt und gleicher Gitarrensound. Aber irgendwie ist jedes kreative Jahr von uns oder jede Schaffensperiode ist anders und wir versuchen all das, was wir fühlen und das, was wir erlebt haben, irgendwie reinzupacken und wollen nicht sagen, „ok im Großen und Ganzen haben wir jetzt mehr Bock auf ein Album, was richtig auf die Fresse geht, deswegen schreien wir jetzt bei jedem Song und deswegen drehen wir die Verstärker auf bei jedem Song.“ Das ist gar nicht so. Sondern wir schreiben unterschiedliche Songs, produzieren alle unterschiedlich und deswegen haben wir auch so eine krasse Dynamik drin irgendwie.

[00:30:19]

Alex: Interessant auf jeden Fall. Ich wollt noch dazu mal wissen, ob ihr vielleicht dabei noch außermusikalische Wirkung auf eure Songs habt, z.B. persönliches, politisches oder irgendwie Naturphänomene? Habt ihr das Gefühl sowas spiegelt sich auch in euren Songs wider?

[00:30:41]

Max: Was für eine Überleitung! Wir bringen demnächst, oder ich weiß nicht, wann das rauskommt, aber wir haben, sagen wir, wir spielen es in der Zukunft. Auf jeden Fall kommt ein Song heraus, der heißt „As Soon As America“ und der ist halt in Folge dieser ganzen US-Wahlen, die jetzt letztes Jahr stattgefunden haben. Dieser unheimlich widerliche Wahlkampf zwischen dem wütenden orangenen Mann mit den kleinen Händen und Joe Biden. Das hat dann irgendwann gegipfelt in der Stürmung des Kapitols und wir saßen halt hier und haben halt irgendwie Tweets von deutschen Politiker*innen gelesen, die genau das gleiche auch gefordert haben und wir dachten uns so „boah, was geht hier ab“. Dann ist halt ein Song entstanden, der das alles so ein bisschen aufgreift, diese komplette Verunsicherung, die man irgendwie aufgreift, weil da dieser Riesen Staat USA ist mit diesem Typen und das drescht in Deutschland drescht es halt voll auf einen ein und das haben wir noch nie so krass miterlebt. Das Verhalten von Trump, das hat so viel quasi mit dem Verhalten der deutschen Politik gemacht. Es ist gefühlt alles viel populistischer und plumper gewesen. Dieser Begriff der Fakenews ist jetzt gefühlt schon im Duden drin. Und wir dachten uns so „was geht ab?“ Dann hat es diese Thematik und dieses Gefühl halt auch in einen Song geschafft.

[00:32:12]

Marius: Es hat uns irgendwie nie Inhalte gegeben zum Songs füllen, irgendwie war das immer aufs Ich beschränkt und diesmal wurden wir halt so von äußeren Umständen angerüttelt und angetackelt, dass wir das einfach nicht mehr rauslassen konnten, also aus den Song-Thematiken rauslassen konnten. Wir haben uns einfach, nicht nur moralisch, dazu verpflichtet gefühlt, sondern auch irgendwie als Person das wirklich gewollt, einfach was dazu zu sagen zu Dingen, mit denen wir aufgewachsen sind, die jetzt gipfeln oder die Sachen abebben, oder eben bestes Beispiel mit Amerika. Da würden wir jetzt ein Fass ohne Boden aufmachen, aber das sind halt Sachen, mit denen, die uns schon lange beschäftigen, aber die uns jetzt als mitteljunge Erwachsene einfach viel, viel banaler erscheinen, gerade was Max schon angesprochen hat, mit diesem Kapitol-Sturm und allgemein, was die letzten Jahre in Amerika passiert ist. Das hat uns einfach massiv zum Denken, zum Reflektieren angeregt, das hat unser Verhalten, auch die Klimapolitik hat unser Verhalten ganz massiv verändert. Wenn wir jetzt weiter einfach machen und sagen „ich und du und Müllers Kuh“ so, natürlich ist das interessant, was man selber fühlt und was man mitteilen möchte, aber irgendwann ist man auch das, was draußen passiert, nicht nur irgendwann, das ist meistens so, dass das Teil von einem ist und wenn man das komplett beiseite schieben würde, wäre das glaube ich ein bisschen aufgesetzt.

[00:33:49]

Joshi: Ja, wir sind ja alle als Individuum irgendwie auch trotzdem Akteure in einer Gemeinschaft, und wir sind alle dadurch irgendwie schon politische Wesen, zumindest Menschen, die das alles wahrnehmen und sich irgendwie in diesem Kreis bewegen. Ich finde, wenn man einfach mal Parallelen zieht, was unser Wahlkampf gerade zu bieten hat und was vor ungefähr einem Jahr z.B. in den Staaten der Wahlkampf zu bieten hatte. Ja, Die Partei sagt, „Inhalte überwinden“, das soll jetzt kein Statement sein, aber irgendwie fühlt es sich fast so an, als ob es gar nicht mehr darum geht, wofür steht jemand. Sondern es geht irgendwie gerade nur noch darum, warum ist der Andere, die Andere blöd, so, warum sollte man die nicht wählen. Ich weiß nicht, ob das ein tolles Zeichen ist. Wir saugen sowas natürlich auch auf. Was besonders zu beachten ist, ist z.B., dass jetzt z.B. der Song „As Soon As America“, der jetzt 16.9. rauskommt, das ist ja nicht so, dass wir den vor zwei Wochen geschrieben haben, sondern wir haben vor einem Jahr ungefähr, haben wir die Demos produziert oder sind gemeinsam als Band daran gegangen. Aber auch das bedeutet nicht, dass der erst vor einem Jahr entstanden ist, sondern die Erfahrung, die insbesondere Marius, Marius hat die Skizze geliefert, das gedeiht ja schon lange und dementsprechend ist das ein Gedanke, der vielleicht auch schon zwei Jahre oder drei Jahre da ist und irgendwann eben bereit ist, in einem Song verarbeitet zu werden. So beeinflusst eben Weltgeschehen oder auch einfach das, was wir so in unserem Umfeld wahrnehmen auch unsere Musik. Wir sind irgendwie gerade, „In A box“ war ja ein sehr persönliches Album und die EP „Bloom“ wird halt ein bisschen offener mit Einflüssen von draußen, wir sagen mehr, was uns beschäftigt als Wesen in einer Gemeinschaft.

Musikalische Bildung

[00:36:14]

Alex: Joa, ich würde, danke für diesen Beitrag. [Gespräch, Lachen] Ich würde mal zum nächsten Thema überkommen, da geht es um musikalische Bildung und Ziele und da würde ich euch auch erstmal einzeln mal wieder gerne fragen, wo ihr euer Know-how herhabt, wie ihr euer Instrument z.B. gelernt habt, oder wie ihr Vocaltechniken erlernt habt oder sowas? Fangt gerne mal der Reihe nach an.

[00:36:43]

Michi: Dann fange jetzt ich an. Gerade haben wir so rum gemacht, jetzt machen wir so rum, oder?

[00:36:48]

Max: Lass uns mal so rum machen. [Gelächter]

[00:36:53]

Michi: Ich habe, wie auch immer bin ich schon als kleines Kind irgendwie darauf gekommen, dass ich Schlagzeug spielen cool finde. Wie das entstanden ist, kann ich dir auch nicht sagen, aber ich habe mit drei oder so angefangen irgendwie auf Kochtöpfen herum zu trommeln und hab zu meinen Eltern gesagt: „Ich will Schlagzeug spielen. Ich finde das cool.“ Die haben immer gesagt: „Ja, jetzt warte mal ab bis du in die Schule kommst, dann können wir gucken.“ Und ich glaube, ich war keine Woche in der Schule, da habe ich zu meinen Eltern gesagt: „So, wie war das jetzt nochmal?“ Und dann haben die gesagt: „Ja, ok, wenn du das willst, dann kannst du Schlagzeugunterricht nehmen.“ Seit dem, bis ich dann 18, 19 war, habe ich im Drum Department in Stuttgart, wo ich aufgewachsen bin, habe ich Unterricht genommen, mal mehr mal weniger oft, irgendwie einmal in der Woche, ich hatte aber auch Phasen, da war ich zwei Mal in der Woche da, oder auch irgendwie da war ich nur einmal in zwei, drei Wochen oder so da. Habe halt nebenbei, neben der Schule her, wie glaube ich, alle von uns, einfach in Bands gespielt, und irgendwie da die ersten Banderfahrungen gesammelt. Ich glaube, die erste Band war bei mir in der vierten Klasse und dann hat sich das halt irgendwie so durchgezogen, dass man ab und zu irgendwie mit Kumpels eine Band gegründet hat und ein paar Songs geschrieben hat. So gen Abitur wurde das dann irgendwie mal ein bisschen größer. Dann habe ich hier in Paderborn an der Uni angefangen Populäre Musik und Medien zu studieren und da gibt es natürlich auch noch mal einen Input, was Musik betrifft, der ist sehr allgemein und in vielen Punkten auch irgendwie theoretisch, aber auch durch die Gemeinschaft der Studierenden hat man halt irgendwie da auch einen gewissen Input bei irgendwelchen Open Stages oder mal irgendwie mit Leuten in einem Proberaum jammen und so. Da nimmt man ja auf jeden Fall auch Dinge für sich selber als Musiker mit.

[00:39:15]

Joshi: Habe ich vorhin schon kurz angerissen, ich komme halt aus einem Haushalt, wo, weiß ich nicht, mein Papa ist halt Musiker. Ich hatte immer Gitarren zuhause stehen, aber es hat mich überhaupt nicht interessiert, bis ich 17 wurde. Da habe ich, ne, in Detmold groß geworden, irgendwie war ich unzufrieden mit meinem Umfeld da, weil das irgendwie so, für mich war das so hohl alles und dann habe ich irgendwann entdeckt …

[00:39:47]

Max: Ist es jetzt besser?

[00:39:48]

Joshi: Ja, keine hohle Erde mehr. [Gespräch, Gelächter] Dann habe ich plötzlich entdeckt, dass es Menschen gibt, die Bands haben und eigene Songs schreiben, nicht nur so Cover-Geschichten, und das fand ich irgendwie richtig geil und bin dann durch einen Menschen, der mich ganz besonders beeindruckt hat damals – Grüße an Tett, Tetty. Er wird das wahrscheinlich nie sehen, aber wenn, dann wird er lachen. Er hat dafür gesorgt, dass ich irgendwann eine Gitarre in die Hand genommen habe und dann bin ich tatsächlich meiner ersten Band beigetreten, bevor ich angefangen habe Gitarre zu spielen, genau, mit dem Versprechen, dass ich das jetzt lerne. Hatte irgendwie E-Gitarren zuhause stehen und mein Bruder, der ist ein paar Jahre älter als ich, der hat mir dann einen Powerchord gezeigt und meinte: „Yo, den kannste hier spielen, da spielen, spiel den einfach, geht überall.“

[00:40:54]

Max: Und dann hast du Green Day gelernt.

[00:40:55]

Joshi: Nee, dann habe ich AntiFlag und Pennywise und solche Sachen gespielt, so Ami-Punk-Zeug. Nie Unterricht gehabt, ich bin komplett autodidaktisch da groß geworden, habe mir irgendwie Sachen angeguckt und dachte mir „Ah krass, die können sowas machen mit einer Gitarre, das will ich auch!“ Dann habe ich da irgendwie dran gesessen und einfach ausprobiert und von mir aus einen extremen Antrieb gehabt, einfach besser zu werden. Habe das auch irgendwie als eine Art von, weiß ich nicht, ich habe so Rivalitäten aufgebaut, aber eher so freundschaftlich à la „Ey yo, ich will besser als der werden und ich will besser als derjenige werden!“ Dann hat mich das so ein bisschen angetrieben. Irgendwann habe ich auch gelernt, was eine Note ist, wie man die liest, habe ich auch irgendwann verlernt, lerne ich gerade wieder, eigentlich kann ich das mittlerweile. Mündet jetzt tatsächlich darin, dass ich gerade auch ein Gitarrenlehrer bin, arbeite gerade an einer Musikschule, was mir auch noch einmal sehr viele neue Impulse gibt, weil ich nie so didaktisch gearbeitet habe, dadurch, dass ich selber autodidaktisch gelernt habe, gehe ich halt da irgendwie so meinem eigenen Stil nach und bisher funktionierts, mal gucken, ob das weiter so funktioniert. Aber es macht mir sehr viel Spaß, also, was will ich eigentlich sagen, ich will eigentlich sagen, es ist nie zu spät anzufangen, mit einer gesunden Ein- oder Übe-Mentalität dabei, weil wenn man nicht übt, dann passiert nichts, so das muss einem klar sein. Und ja, ich habe mich verhaspelt.

[00:42:48]

Alex: Ja, wir können ja einfach weiter machen. Du hast einen interessanten Beitrag erzählt über deine Erfahrung mit der Gitarre, wie du das gelernt hast. Wie war es bei dir?

[00:42:59]

Marius: Bei mir war es recht ähnlich wie bei Michi, also ich habe ganz früh schon irgendwie im Rhythmus, im Takt geklopft, wenn irgendwo eine Blaskapelle aufgelaufen ist. Mein Opa hat auch immer Horn gespielt, das hat mich voll fasziniert. Danach wollte ich irgendwann, habe ich dann Blockflöte in der ersten Klasse gespielt, hatte aber auch kein Bock mehr drauf. Dann habe ich seit der dritten Klasse bis zur achten Trompete gespielt, auch in diesem Verein, wo mein Opa tätig war, weil das war irgendwie, war das so Uniform anhaben und so, fand ich irgendwie cool, aber bis dahin habe ich es nie geschafft, weil ich nicht so viel geübt habe. Und dann meinte ich so zu meiner Mum irgendwann: „Ich habe einfach kein Bock mehr auf Trompete, gib mir endlich eine Gitarre, ich habe da mehr Bock drauf!“ Und dann sie so: „Nein, du übst das sowieso nicht, du übst das sowieso nicht. Üb erstmal Trompete!“ Dann hing mir das so zum Hals raus und irgendwann sind wir, ich glaub an einer Tankstelle vorbeigefahren, das weiß ich noch, und dann lief ACDC. Und dann ich so: „Ey, Mama, hör mal, wie geil das ist! Als ob du mir keine Gitarre kaufen willst! Ey das ist, ich muss, ich will einfach Gitarre spielen!“ Und sie irgendwann so: „Ja, ok, aber du versprichst mir, dass du übst!“ Und dann hat die mir Gitarrenunterricht organisiert und eine Angus Young nicht unähnliche Gitarre. Man sieht, was das für Auswirkungen hatte. Und hat dann mich da jede Woche hingefahren, Dienstag, das heißt Dienstag war mein Hasstag, weil ich hatte nie Bock auf Gitarrenunterricht, ich wollte einfach spielen können. Und dann hat mir der Gitarrenlehrer jedes Mal so gesagt: „Ja, das kannst du hier spielen und hier und hier.“ Und ich so: „Wie, da oben kann ich auch alles spielen?!” Ich dachte nur unten ein bisschen und die Bünde wären irgendwie nur zur Zierde da, habe ich überhaupt nicht gecheckt. Ich habe das eher vom Hören so gefeiert. Und dann wurde ich auch irgendwann in unserem Dorf in so eine Band reingedrängt, die hat sich auch so aus unserem Fußballverein irgendwie raus kristallisiert. Und da konnte ich nicht mal im Stehen spielen, ich war auch in der Band und konnte nicht spielen, ähnlich wie Joshi. Und dann irgendwann wurde Fußball halt voll öde und ich habe einfach immer mehr Musik gemacht, weniger Fußball, und dann hat sich das irgendwann zu so einer richtigen Band entwickelt. Und dann je ernster es wurde, je mehr Auftritte kamen, desto mehr Leute sind abgesprungen und wurden durch Leute ersetzt, die halt mehr Bock darauf haben, das heißt, sprich, ich bin eigentlich in dieser Band seit 2011 oder so, aber die hat sich immer verschoben und andere Namen bekommen. Michi ist irgendwann eingesprungen, direkt nachdem ich ihn im Studium kennen gelernt habe für unseren ehemaligen Schlagzeuger und dann hat sich das alles so gewechselt. Irgendwann kam Max dazu und dann Joshi. Dann habe ich eigentlich mit der Band Gitarre spielen gelernt, habe aber nie wirklich den Ansporn gehabt, das muss ich zugeben, viel mehr auf der Gitarre zu können als selber aus meinem Kopf herauskommt. Ich habe mich selber durch das Zeug, was ich spielen wollte, was ich geschrieben habe, gepusht, aber war nie wirklich auf lange Sicht der, der Cover geübt hat, oder so wirklich mich mental, oder mental rein getaucht ist in andere Gitarristen oder Gitarristinnen. Da hat mir irgendwie die Motivation gefehlt. Ich habe, wenn dann so ganz trocken geübt oder hab halt meinen eigenen Shit irgendwie gespielt oder es an den Leadgitarristen abgegeben, wenn es zu schwer war. Mein Ding war es eher, irgendwie Songs schreiben, mich selber begleiten zu können, mich ausdrücken zu können, aber dieses ganze Solozeug, das fand ich cool, hatte ich aber nie die Energie dazu, das wirklich zu lernen. Ich kann zwei Soli, oder so, eins davon ist unser eigenes, das andere ist irgendein Chili Peppers Solo. Vielleicht kommt es ja irgendwann noch, vielleicht kriege ich irgendwann noch einmal den Boost. Ich hatte irgendwie letztens eine Phase, da habe ich viel so Zupfgitarre gelernt, so viel Konzertgitarrenzeugs, so Bob Dylan Songs und so gelernt, das hat mir viel gegeben, aber so der Sologitarrist bin ich absolut nicht, deswegen bin ich super froh, dass wir Joshi haben, dass eine Band auch einen Leadgitarristen haben kann. Das wäre mir auch koordinativ zu viel, das beim Singen zu machen, da habe ich größten Respekt vor Bands wie Hirsch Effekt oder auch Billy Talent, die da kranke Arbeit leisten. Aber, was Gitarre spielen angeht, bin ich da eher der Kreierende und weniger der Star.

[00:47:22]

Alex: Also nicht so der Ausführende quasi.

[00:47:25]

Marius: Doch, doch, also ich spiel ja live auch Gitarre und ich kann mein Zeug auch spielen, aber ich bin dann eher der gerne das spielt, was man auch spielen kann, wenn man ausrasten will und so, also es sind nicht nur Powerakkorde oder nicht nur Barré Akkorde, hier und da mal eine Melodie. Aber ich sehe mein Musikmachen als Band-Ding und ich sehe mich gar nicht alleine auf einer Bühne, ich sehe mich mit den Jungs auf der Bühne und jeder übernimmt da den Part und ich lege da halt die Basis mit meiner Gitarre und Joshi füllt das irgendwie mit Leben, mit Topping und gibt die Richtung vor. Wie irgendwie wie in der Klassik, wo man von Streichinstrumenten gezogen wird, dann wieder fallen gelassen wird, so das macht er halt alles. Bei uns ist das so ein bisschen Four Layer Prinzip, jeder hat irgendwie sein Zeug zu tun, da synergien wir irgendwie super. Und damit bin ich voll zufrieden.

[00:48:21]

Alex: Ja das scheint ja auch zu funktionieren bei euch. Die Dynamik passt ja.

[00:48:24]

Marius: Danke.

[00:48:26]

Alex: Wie sieht es bei dir aus, Max? Wie hast du deine musikalischen Fähigkeiten erlernt?

[00:48:31]

Max: Boah, ich habe, ich weiß, ich habe bestimmt mal auf irgendwelchen Töpfen oder sowas rum getrommelt, so mit irgendwelchen Essstäbchen, die ich dann zerschmettert habe. Aber, wie gesagt, ich war ganz großer Ärzte Fan und bin es halt immer noch. Und hatte halt Freunde, die wollten eine Band machen, das Einzige, was denen noch gefehlt hat, war ein Bassist und da habe ich halt meine Eltern gefragt: „Ey, darf ich Bass lernen?“, und die so: „Yo, mach halt.“ Ja, dann habe ich, glaube ich, mit 14 bin ich in die Musikschule gekommen. Habe dann, was ich richtig gut fand, erstmal wirklich viel gespielt. Da ging es gar nicht darum „ok, das ist jetzt eine Terz oder eine Quinte und das ist eine Punktierte“ und sowas. Sondern da war erstmal so „Mach!“ und das fand ich super. Habe dann auch zuhause richtig viel geprobt und irgendwann ging es dann darum „ok, jetzt lernen wir mal Notenlesen.“ Dann habe ich aufgehört mit der Musikschule. Und bin dann, ich glaube dann habe ich echt lange Pause gemacht, was heißt echt lange, zwei, drei Jahre oder so. Und bin dann irgendwie nach Paderborn gekommen, hatte dann mit diesen Leuten hier zu tun und die haben gefragt: „Ey, willst du bei uns Bass spielen? Bei uns ist unser Bassist gerade abgesprungen und keiner von uns hat Bock Bass zu spielen.“ „Ja, ok.“ Und dann war ich halt da, bei KID DAD. Seit dem spiel ich halt Bass und das ist halt auch nie so dieses, keine Ahnung, für mich hat Bass in einer Band halt immer diese Rolle so babababababam, durch ballern, dann irgendwie einen Boden geben. Und dann bin ich vielleicht auch so wie Marius, ich will nicht darüber nachdenken müssen, was ich spiele, weil sonst habe ich da keinen Bock drauf. So, ich will halt irgendwie auf der Bühne noch parallel Synthie spielen oder Standtom oder singen oder ein bisschen rum hüpfen oder auf irgendetwas drauf drücken. Und dabei ist es halt geblieben. Viel, viele Lernprozesse entstehen halt irgendwie im Proberaum bei mir, weil ich denke: „Ok, ich möchte das und das so spielen. Ok, das kriege ich nicht hin. Was muss ich tun?“ Aber das ist dann immer mehr so zweckgebunden und nicht „ich schaffe mir erst eine Grundlage drauf und gucke dann, wo ich die irgendwann einstreuen kann.“ Irgendwann habe ich angefangen mich in so Effekte zu verlieben, und ich habe mittlerweile ein Effektboard, das ist eine kleine Raumstation, gefühlt …

[00:51:01]

Joshi: Auf jeden Fall hätten Astronauten damit früher ein paar Mal um den Mond fliegen können.

[00:51:06]

Max: Ich hoffe ja, ich versuche das auch noch damit. Genau, und jetzt habe ich den Faden verloren.

[00:51:13]

Joshi: Sorry.

[00:51:14]

Max: Alles Gut.

[00:51:14]

Joshi: Du hast dich in Effekte verliebt.

[00:51:15]

Max: Ich habe mich in Effekte verliebt, und das klingt alles ganz toll und wummert so und da ist jetzt, weiß ich nicht, ob das bei allen Bassisten so ist, aber das ist jetzt so mein Ding geworden, zu gucken, „ok, was kann ich alles drücken und spielen“. Mittlerweile ist es bei uns glaube ich so weit, dass ich halt versuche, nie nichts zu tun und ich dann trotzdem jetzt nachdenken muss, was ich tue. Also irgendwie hat das nicht so ganz geklappt, aber so alleine das Bassspielen an sich, das ist immer noch ein yo, muss halt funktionieren, muss sich halt einfügen, nicht zu kompliziert, muss Spaß machen, fertig …

[00:51:58]

Joshi: … muss Bass machen …

[00:51:59]

Max: … muss Bass machen.

[00:52:02]

Alex: Ja, dann kommen wir mal zur nächsten Frage: Und zwar, wie kommt ihr in euren Songs auf Akkorde und Melodien, geht ihr da z.B. durch Experimentieren dran, oder nutzt ihr vielleicht auch die Regeln der Musiktheorie, wie macht ihr das?

[00:52:17]

Marius: Ich glaube, da gibt es zwei Etappen, einmal das, wenn man grundsätzlich anfängt den Song zu schreiben, beeinflusst die Gesangsmelodie die Akkorde oder umgekehrt. Wenn diese Etappe halt von der Basis fertig ist, dann geht man, oder dann geh ich halt mit dem Song an die Band oder auch an den Produzenten, das als optionale dritte Etappe. Da wird dann noch einmal drüber geschaut, kriegt man da vielleicht noch einen passenderen Akkord hin, weil feinere Akkorde oder speziellere Akkorde sind häufig wie ungewöhnlichere Vokabeln, also die sind meistens zutreffender als „er tut“, „er macht“, also ganz normale Standardwörter. G-Dur, C-Dur erfüllen häufig ihren Sinn, aber wenn man dann irgendwelche add9 Sachen hat oder irgendwelche krassen Sachen, Joshi kennt da ein paar, dann lässt sich damit die Suppe häufig irgendwie verfeinern und das ist halt meistens so irgendwie das, was am Schluss passiert. Aber die Basis ist, glaube ich, passiert gleichzeitig mit der Melodie, die Akkorde. Also da habe ich auch gar nicht viel, ich persönlich jetzt nicht viel musiktheoretisches Wissen. Ich mach das, ja, ich bring das ein, was ich kann, irgendwie und das, was halt mehr Verbesserungspotential braucht, das passiert dann halt im Proberaum oder im Studio.

[00:53:42]

Joshi: Daran anschließend, Musiktheorie ist bisher tatsächlich sehr wenig Bestandteil des Songwritings, sondern es ist eher, ich kann das nur aus meiner Sicht schildern, wenn z.B. der Boden quasi gelegt ist, also sprich die Akkorde sind klar, dann guckt man, oder gucke ich, was kann ich mit meinem Spiel für Vibes erzeugen, was passt, was erzeugt ungefähr was für eine Stimmung, was trifft den Charakter, was unterstreicht z.B. den Gesang, was geht entgegen. Und dann, weiß ich nicht, ich bin kein Typ, der Bock hat, nee. Ich versuche Grenzen auszuloten für mich. Dementsprechend probiere ich einfach viel rum und mal passen Sachen, mal nicht, aber es ist sehr viel probieren, aber nicht so stumpf, dass man das komplette Griffbrett rauf und runter wandert, sondern da gehen dann halt die Erfahrungswerte, die man in seinem Leben als musizierendes Wesen so zusammengesammelt hat und dann mündet das irgendwo drin. Man weiß irgendwie intuitiv, „ey, yo, das will ich machen“ und dann wurschtelt man sich das da zurecht. Aber was vielleicht die Musiktheorie ein bisschen ersetzt, ist vor allem unser Spiel mit Effekten, dass wir versuchen da eine andere Ebene mit rein zu bringen, die, wo wir jetzt nicht sagen, „ey, yo, das ist die, keine Ahnung, Stufenharmonik, jetzt dieser Schritt und dieser Schritt“, sondern, „ey, yo, das hat eine krasse Wirkung, das kann man benutzen um irgendwie Spannung aufzubauen“ und nicht durch so einen typisch spannungsgebenden Akkord, den man sich musiktheoretisch herleiten würde, ich glaube, so funktioniert das eher bei uns.

[00:55:42]

Alex: Und wenn ihr dann z.B. eine neue Spiel- oder eine neue Vocaltechnik meinetwegen integrieren möchtet in euren Songs, die ihr vorher z.B. noch nicht gehabt hattet oder noch nicht spielen konntet, wie geht ihr da dann vor?

[00:55:57]

Joshi: Ich glaube nicht, dass wir versuchen, nur weil wir eine neue Technik beherrschen, die zwangsläufig reinzubringen. Sondern es geht darum, dass es dem Song guttut, wenn das passt, dann passt es und wenn es nicht passt, dann geht es uns nicht darum, dass wir irgendwie beweisen, wie gute Musiker wir sind, sondern dass der Song im Vordergrund steht. Weiß ich nicht, Michi haut nicht immer die krassesten, vertracktesten Grooves raus, weil der andere vielleicht einfach passender ist. Ich spiele nicht in jedem Song ein Solo, weil nicht jeder Song ein Solo braucht. Marius hat nicht immer die krassesten Tonwechsel, von hoch nach tief, weil es das vielleicht in dem Song nicht braucht. Max muss jetzt auch nicht sich eine dritte Hand wachsen lassen und …

[00:56:50]

Max: … wär aber schön …

[00:56:51]

Joshi: … wär aber schön, weil es das vielleicht nicht braucht. Wir sind nicht so darauf aus, dass wir den Leuten zeigen, wie krass unsere Techniken sind, sondern wir versuchen einfach Klangwelten zu erschaffen, die für uns einfach etwas Besonderes darstellen und was erzeugen, unabhängig davon, wie anspruchsvoll oder anspruchslos das jetzt ist.

Ziele

[00:57:14]

Alex: Dann kommen wir mal zu einem anderen Thema, und zwar eine ganz allgemeine Frage: Welche Ziele verfolgt ihr mit eurer Musik, oder habt ihr Ziele, habt ihr keine Ziele? Könnt ihr dazu was sagen?

[00:57:27]

Marius: Ich kann ja anfangen und wenn das nicht alles abdeckt, dann können die anderen ja ergänzen. Ich glaube, dass unser Hauptaugenmerk einfach darauf liegt, dass wir uns nicht irgendwo dran ketten, also wenn uns ein Label sagt: „Yo, ihr müsst jetzt alles auf Deutsch machen, dafür werdet ihr reich.“ Hätten wir kein Bock drauf. Auf der anderen Seite wollen wir aber auch davon leben und wollen das nicht als teures Hobby behalten, sondern wir wollen uns kreativ ausdrücken können dauerhaft, und wir wollen, dass wir damit unser Leben finanzieren können. Und das sind so die beiden Hauptpunkte, wenn eins von beiden nicht funktioniert, dann wird es schwierig. Das ist, glaube ich, so das, was es für mich ist.

[00:58:12]

Michi: Das ist eigentlich gut zusammengefasst, wir wollen einfach so viel spielen, Songs schreiben, wie irgendwie geht und damit so viele Leute erreichen, wie irgendwie geht und dann hoffentlich irgendwie damit den Lebensunterhalt finanzieren können.

[00:58:34]

Alex: Du hast ja eben angesprochen, dass du, dass ihr Leute erreichen wollt. Habt ihr da bestimmte Zielgruppen im Kopf z.B. oder sollen es einfach die Leute hören …

[00:58:43]

Marius: Keine Nazis.

[00:58:43]

Alex: … die es hören wollen?

[00:58:44]

Michi: Also, außer keine Nazis oder ähnliches haben wir keine spezielle Zielgruppe, die wir jetzt direkt ansprechen wollen, oder auch wo wir sagen, ok wir schreiben Texte, die die und die Zielgruppe ansprechen, weil wir die unbedingt erreichen wollen. Ich glaube, uns ist einfach wichtig, dass die Leute uns, unsere Mukke und irgendwie die Band cool finden und uns dann hören und uns dann irgendwie begleiten. Aber das ist jetzt nicht festgelegt, was für eine Zielgruppe das sein soll.

[00:59:25]

Joshi: Ich glaube wir sind einfach dankbar für fast jeden Menschen, der uns sein Gehör schenkt und wenn sich Menschen mit unserer Musik und unseren Inhalten beschäftigen wollen, ist das einfach etwas sehr, sehr Schönes, wofür wir unendlich dankbar sind. Weil das ist etwas Einzigartiges irgendwie, wenn man etwas kreatives schafft und Menschen sich damit auseinandersetzen wollen. Das ist schön.

[00:59:56]

Marius: Ich glaube mit der Dynamik und der Range der verschiedenen Songs kommt auch ein gemischtes Publikum. Also wir haben wirklich Leute dabei, die sagen so: „Der und der und der Song das sind voll die verkopften, das sind meine Lieblingssongs.“ Das sind so ehemalige Math-Rock Opis oder Omis, die dann halt sagen: „Ey, das ist voll cool und die und die Songs liebe ich am meisten.“ Dann gibt es da aber auch natürlich so klassische kleine Punkkids, die dastehen, und alles dazwischen halt. Das ist superschön zu sehen, dass wir durch die Bank weg eigentlich jede Art und jedes Alter bedienen. Und alle tragen irgendwie das gleiche Merch, das ist witzig. [Gespräch]

[01:00:41]

Joshi: Es ist unheimlich rührend. Wir haben, wann war denn das, am 05.09. haben wir auf dem Kuppelfest in Schloss Neuhaus gespielt – das ist ein Festival, was ehrenamtlich größtenteils organisiert wurde – und da gab es ein kleines Mädchen, ich glaube die war noch keine 10, und der Papa oder die Mama, ich weiß es nicht mehr, die sind auf jeden Fall zusammen zu uns gekommen und haben nach einem Foto gefragt und dann hat sich im Laufe dieses Prozesses heraus gestellt, dass das ihr allererstes Konzert war und das hat sie total, also sie war sehr begeistert irgendwie und sehr beeindruckt. Das ist ein unglaublich schöner Moment gewesen. Klar finden wir es geil, wenn nach dem Konzert ganz viele Leute dar stehen oder nach einem Song und klatschen. Aber wenn man dann so eine Geschichte dahinter hat, „ey yo, das war mein allererstes Konzert und ich hätte gerne ein Foto mit euch.“ Dann ist das was, wo das Herz einfach so ein bisschen aufblüht und sich freut und hüpft.

[01:01:47]

Alex: Da kommt ihr auf jeden Fall gut bei euren Hörer*innen und Fans z.B. an. Mir stellt sich dann dabei auch die Frage, wisst ihr vorher auch, wie eure Songs bei den Hörer*innen ankommen werden oder wisst ihr möglicherweise z.B. während des Songwritings welcher Song jetzt ein, sag ich mal, ein Hit wird, oder welcher Song beliebter für die Fans wird oder nicht?

[01:02:10]

Michi: Ich glaube, wissen kann man das eigentlich gar nicht, also man kann irgendwie Vermutungen anstellen und wir stellen sehr, sehr gerne Vermutungen an, welcher Song von uns jetzt der nächste Hit ist.

[01:02:20]

Marius: Single Potential.

[01:02:22]

Michi: Genau, Single Potential ist so ein berühmtes Wort in unserem Sprachgebrauch für irgendeinen Song, wo wir sagen: „Ja, der ist bestimmt mega gut und der kommt bestimmt richtig gut an, den müssen wir als Single rausbringen!“ Also ich glaube, wir versuchen so gut es uns irgendwie möglich ist, vorherzusehen, was passiert. Aber ich glaube, das ist eigentlich sehr, sehr schwer möglich und wir sind einfach immer froh, wenn irgendetwas gut ankommt.

[01:02:58]

Joshi: Wenn wir immer auf Single schreiben würden, dann würden wir wahrscheinlich immer den gleichen Song schreiben gefühlt. Deswegen ist das in diesem Prozess eigentlich gar nicht so relevant für uns. Aber es kristallisiert sich dann halt irgendwann heraus, was irgendwie … aber andererseits ich glaube nicht, dass … es gibt halt so ein paar Sachen: Ein schneller Song, der irgendwie schnell und direkt ist, da weiß man, ok, das könnte halt so ein Baller-Song sein, in einem Rockkonzert, das funktioniert halt. Aber jetzt z.B. „Apartment“, die erste Single-Auskopplung dieser EP, ist halt z.B. für uns was recht Neues gewesen vom Klangbild und dann wissen wir vorher nicht, wie das ankommt. Das ist nicht so, dass wir da irgendwie, keine Ahnung, irgendeine geheime Formel entdeckt hätten.

[01:03:48]

Marius: Es gibt ja auch verschiedene Arten von Hits, also eher so Szene-Hits, wo dann im kleinen Clubkonzert alle diesen Song schreien, ist ja eine andere Art von Hit, als wenn der 2, 3 Millionen Spotify Clicks hat oder in irgendeiner Netflix Serie läuft. Das ist dann einfach eine andere Art, einmal eher der kommerzielle Hit, der viele verschiedene Geschmäcker trifft und der Hit, der sich nicht unbedingt gut verkauft, aber wo jeder den Text kennt und so. Diese beiden Ecken, die man mit einem Hit bedienen kann, aber was ist schon ein Hit?

[01:04:27]

Alex: Das ist natürlich sehr, ziemlich allgemein, das kann man, wie du schon sagtest, das kann man aus mehreren Perspektiven betrachten.

[01:04:34]

Marius: Ist auch sehr persönlich oft. Ich habe sehr häufig Prognosen angestellt, „ey das ist unser krassester Song, sorry, das ist unser Hit“ und dann hat der halt ein Zehntel so viele Clicks auf Spotify und die Leute kennen den nach ein paar Jahren immer noch nicht oder nach ein paar Monaten. Da denkt man sich so, „ich habe einfach einen anderen Geschmack als die Leute“, oder weiß ich nicht, „irgendwas haben wir falsch gemacht“, oder weiß ich nicht, es ist immer sehr viele persönliche Gedanken, die da mit reinspielen.

[01:05:03]

Alex: Und beeinflusst das dann auch z.B. eure Kompositionsweise, wenn ihr jetzt z.B. solche Prognosen anstellt, was ein Hit sein könnte, ändert sich dadurch irgendwas im Prozess bei euch?

[01:05:13]

Marius: Ich glaube, nur im Bezug auf live, oder? Also wenn irgendwas live nicht funktioniert, wenn wir merken, wir haben viele zähe Songs, die sehr lange brauchen oder sehr viele, die nur mit Gitarre und Gesang z.B. anfangen oder nur mit Drums, dann versucht man natürlich schon, auf die Gesamtdiskografie gesehen, da Abwechslung zu schaffen, das versuchen wir generell. Aber wenn wir jetzt denken, „ok, der letzte Song hat jetzt, obwohl wir dachten, es wäre ein Hit, ist nicht so gut angekommen oder wurde, weiß ich nicht, bei keinem Radiosender gespielt“, dann sagen wir ja auch nicht: „Ok, die Akkordfolge ist für uns gestorben.“ Dann ist das einfach, weiß ich nicht, dieser Song ist halt dieser Song. Man kann mit den gleichen Akkorden, mit der gleichen Energie, dem gleichen Vibe einen Song schreiben, der sich milliardenfach verkauft. Deswegen ist das glaube ich immer so ein bisschen mit dem Pfeil auf das Glücksrad geworfen.

[01:06:03]

Joshi: Ja, ich glaube, repräsentativ ist da wirklich die aktuelle EP. Wir haben ja vorhin schon kurz angesprochen, dass wir uns dabei dachten, dass jeder Song das bekommt, von dem wir denken, dass das diesem Song guttut. Das bedeutet allerdings nicht, wir haben den Songs das gegeben, damit sie Hits werden, sondern einfach nur, dass wir keine Grenzen gesetzt haben. Das sind auf jeden Fall unterschiedliche Sachen, ich glaube nicht, dass wir so schreiben, dass wir denken, „ey yo, zum Hit braucht der Song jetzt noch das und diese Gesangs-Hookline und ‚woahs‘ und ‚ahs‘ bitte noch.“

[01:06:43]

Marius: Hits sind ja auch Hits, weil sie irgendwas im Kopf auslösen und wenn man danach geht, „ok ich möchte, dass es was im Kopf auslöst“, dann würde ich schon sagen, ok, darauf arbeiten wir bei bestimmten Songs schon hin, wenn wir denken, „ok, es geht in die Richtung“, wie bei „Apartment“ z.B., der sehr leicht zugänglich, dass wir sagen, „ok, dann geben wir dem Song das, in die Richtung, wie er geht, und dass er bestimmte chemische Prozesse im Kopf auslöst.“ Und dann machen wir das aber nicht, weil das zu einem Hit führt, sondern weil häufig Hits einfach diesen Effekt auch haben. So würde ich das, glaube ich, sehen.

[01:07:16]

Alex: Ja, das würde ich mal so unterstrichen lassen als „final statement“, sag ich mal. Also in euren Songs hast du ja auch eben oder habt ihr eben gesagt, dass ihr teilweise politische Themen habt oder auch persönliche Themen, wie verarbeitet ihr die Themen in euren Texten, bzw. in deinen Texten?

[01:07:36]

Marius: Ich bin eigentlich jemand, der recht verschlüsselt schreibt, also in den meisten Songs, glaube ich, arbeite ich vielleicht sogar mit zu vielen Motiven oder mit zu vielen sprachlichen Bildern. Aber ich bin gar kein Fan davon, dass jeder weiß, was der Sänger oder die Sängerin mit dem Text meint, oder der Schreiber, die Schreiberin mit dem Text meint, weil jeder Text, der verschlüsselt bleibt, erzeugt bei jedem individuelle Bilder. Und wenn ich ein Kunstwerk nicht verstehe, dann finde ich es irgendwie faszinierender, also wenn ich im Museum bin und ich gucke mir ein Bild an und ich weiß nicht, was der Künstler oder die Künstlerin sich dabei gedacht hat, dann erfinde ich meine eigene Story dazu. Deswegen versuche ich eigentlich immer Fragen auszuweichen, wie „Was meinst du damit?“, „Was meinst du damit?“ und schreibe sehr, sehr gerne allgemein, ja, mittelallgemein, obwohl ich selber ganz, ganz stark mit dieser Zeile, was ganz Konkretes verbinde. Vielleicht wird es manchmal dann unverständlich oder Leute können gar nichts damit anfangen, aber solange es in die Sprachästhetik passt und wenn es sich gut in den Song einfügt und ich was damit verbinde und nicht das Gefühl habe, ich gebe jemandem vor, er muss das darunter verstehen, er muss das dabei fühlen, habe ich das Gefühl, ich habe einen Text geschrieben, wo jeder was individuell mit anfangen kann. Ich stehe nicht auf diese Texte, die so sagen, keine Ahnung, „Da war ein Junge und da ging ein Mädchen und dann hatten die voll den coolen Sommer und so“. Also klar, „Apartment“ grenzt daran, „Apartment“ erzählt eine Geschichte, eine ganz klare Geschichte und es war auch ein Junge und ein Mädchen und es war Sommer, das versteht man nicht, wenn man nur sich nur den Text durchliest, sondern es ist die Story dahinter und bei dem Song hatte ich irgendwie Bock zu erklären, was dahintersteckt. Aber da haben wir keine Grenzen, keine Linien, dass wir bei jedem Song sagen, „Der muss unverständlich sein! Der muss kryptisch sein!“ oder „Den muss jeder verstehen!“ Ich bin halt, wie gesagt, Fan davon, dass jeder was Eigenes aus der Geschichte macht, wie so ein Malbuch, wo man selber entscheiden kann, welche Farbe man welchem Bereich gibt.

[01:09:53]

Alex: Haben dann auch die anderen aus deiner Band Einflüsse auf deine Texte z.B.?

[01:09:59]

Marius: Definitiv, ja.

[01:09:59]

Alex: Also ich gehe davon aus, dass du die zuerst schreibst …

[01:10:02]

Marius: Ja.

[01:10:03]

Alex: … und dann die anderen darauf schauen, oder?

[01:10:05]

Marius: Manchmal ist es so, dass bis zum Studio einer von den Jungs nicht weiß, worum es da geht, was auch völlig ok ist, finde ich, auch wenn man beim Spielen was anderes versteht. Keine Ahnung, es muss, man fühlt es einfach, man fühlt, was dieser Song aussagt und der Titel sagt viel, die opening line sagt viel und die punch line sagt viel und was die einzelnen Zeilen hergeben, das kommt manchmal erst im Studio raus, oder wenn wir Lyrics irgendwo drauf drucken. Aber ich finde das extrem spannend, ich schreibe, teilweise schreibe ich über die Jungs, und die wissen nicht, dass sie gemeint sind und spielen dann den Song und wissen nicht, dass es ein Song ist, zu dem sie mich inspiriert haben. Ich finde, alles andere wäre ziemlich autobiografisch, wäre durchweg autobiografisch und ich bin kein Einzelkünstler. Ich versuche nach Möglichkeit alle Emotionen, die in dieser Band stattfinden, kanalisiert in die Texte zu packen und möchte nicht Protagonist sein ständig in den Songtexten.

[01:11:17]

Max: Kannst mal fragen, welche Songs von uns über die anderen Bandmitglieder gehen.

[01:11:22]

Alex: Steht jetzt da zwar nicht, aber …

[01:11:23]

Max: Doch, doch, habe ich da gesehen.

[01:11:25]

Alex: Ich glaube, jetzt kommen so Geheimnisse hoch, die vielleicht nicht, die vielleicht Geheimnisse bleiben sollten.

Arbeitsteilung

[01:11:37]

Alex: Das nächste wäre Arbeitsteilung, wie seid ihr innerhalb eurer Band aufgeteilt, also hat jeder von euch bestimmte Funktionen oder macht jeder das, was gerade passt? Wie ist das bei euch?

[01:11:51]

Joshi: Wir lösen nach x auf.

[01:11:53]

Michi: Ja also, wir haben bei so großen Punkten haben wir eigentlich eine ziemlich klare Arbeitsteilung. Also Max z.B. ist der in der Gruppe, der für visuelles verantwortlich ist, sag ich mal, also Max hat die meisten unserer Musikvideos gefilmt, geschnitten, bearbeitet. Max macht quasi alle unsere Fotos auf Social Media. Bei „In A box“ hatte er auch noch, weil halt irgendwie, ja, ein Mann gefehlt hat oder eine Frau, dann auch noch Grafik gemacht und hier mal noch ein Tourplakat gemacht und hat das Artwork für „In A Box“ mit gemacht. Also Max ist so der Mensch für das Visuelle.

[01:12:41]

Joshi: Macht er auch gut und schnell …

[01:12:42]

Michi: Macht er auch gut und schnell. Marius ist auf jeden Fall der, der halt eben mit den Songwriting-Sachen beginnt, also das heißt, das ist so die große Aufgabe, die auch Marius einfach hat, einfach an Nachschub, oder für Nachschub zu sorgen, was das betrifft, und macht in letzter Zeit irgendwie auch viel Social Media-mäßig und ist da sehr aktiv. Joshi macht unseren Merch, unsere Online-Website-Geschichten, verschickt die ganzen Pakete und …

[01:13:23]

Marius: … kocht im Studio …

[01:13:24]

Michi: … kocht im Studio, macht irgendwelche Tabellen über den Bestand von Schallplatten, T-Shirts und er kann gut unseren Proberaum einräumen. Und ich bin so der, ich mach die Finanzen, ich mach so ein bisschen das Business-mäßige, was irgendwie mit unserem Management dann so Hand in Hand geht und irgendwie alles, was halt so ansteht. Manchmal fühle ich mich so ein bisschen wie der Feuerwehrmann. Genau so, das ist eigentlich so die …

[01:14:04]

Marius: Michi macht den Dreck weg.

[01:14:07]

Michi: Ja, das ist so die grobe Aufteilung. Dann ist halt natürlich immer, wenn irgendwas ansteht, oder wenn ein Release ist und viel zu tun ist, dann übernimmt einfach jeder gewisse Aufgaben, so Sachen wie Artwork, Branding etc., so das machen wir gerne einfach zu viert zusammen. Klar haben dann immer irgendwelche Einzelnen Ideen und Inputs, aber da entscheiden wir einfach zu viert, Treffen uns oder haben einen Call auf Skype und sprechen da drüber. Ja, eben, so essenzielle Sachen machen wir einfach alles gemeinsam und der Rest ist ein bisschen aufgeteilt.

[01:14:51]

Alex: Habt ihr da vielleicht auch noch andere Mitwirkende, jetzt nicht nur euch, außerhalb von der Band auch noch, die euch in der ganzen Zeit über helfen oder euch unterstützen?

[01:15:04]

Max: Wir haben seit, ich glaube, 2017 oder sowas, haben wir halt ein Management, ich weiß nicht, warum er das macht, so viel hat er noch nicht mit uns verdient, aber er ist nett und engagiert, manchmal treibt er uns auch zur Weißglut, aber er macht das eigentlich ganz gut und er sorgt halt quasi dafür, ok, er ist so ein bisschen die vermittelnde Person zwischen uns als Band und Industrie. Er guckt dann halt, ok, Booking-Agencys oder Promotion oder Label-Geschichten, da macht er viel Kommunikation und schaut halt, „Ok, das wäre jetzt vielleicht klug, mal wieder eine EP zu machen nach dem Album“ oder „Hier ist eine Initiativ-Musikförderung, rutscht da doch mal rein, vielleicht wird das“ und das hat Gott sei Dank jetzt zweimal schon funktioniert, mit dieser Förderung. Und wie gesagt, wir haben einen Booker oder ein Booking-Team von Karsten Jahnke, haben diverse PR-Menschen in Deutschland, UK und USA. Und bestimmt habe ich irgendwen vergessen. Gibt noch welche, die für das Streaming irgendwie zuständig sind, gibt mittlerweile eine Assistenz vom Management. Wen habe ich vergessen, Michael?

[01:16:19]

Michi: Ja, du hast unser Management in UK vergessen, äh unser Booking in UK. Und natürlich unser Label Long Branch Records und natürlich die ganze Crew, also FUH, Fotografen, also das ist eine sehr, sehr lange Liste, auch an Leuten, die sich in den letzten Jahren irgendwie zusammengefunden haben. Wahrscheinlich haben wir viele vergessen, es tut uns leid, aber danke an alle, die irgendwie dabei sind und die irgendwie Teil des ganzen Projektes sind. Wir hatten in den letzten Jahren einfach ultra Glück, dass wir sehr, sehr viele Leute gefunden haben, die an uns glauben und die irgendwie an die Band und das, was wir machen, glauben und uns damit weiterhelfen wollen und haben dadurch ein ziemlich großes und gutes Team mittlerweile hinter uns stehen.

[01:17:16]

Joshi: Ja, was da, gerade auch, weil es um Musik geht, glaube ich, noch erwähnenswert ist, ist z.B. der Joschka Bender, mit dem wir sowohl „In A Box“ zusammen gemacht haben, also das Debutalbum, als auch jetzt die neue EP „Bloom“. Da haben wir quasi das, also was, zumindest was Songwriting und Produktion angeht, haben wir eigentlich das gleiche Team, also da schon eine Kontinuität drinne. Prinzipiell arbeiten wir eigentlich lange schon mit dem gleichen Stamm an Menschen zusammen, was glaube ich auch noch einmal wichtig für uns ist, dass da, dass wir wissen, wer dabei ist und so weiter.

[01:18:02]

Alex: Die Mitwirkenden, die jetzt nicht ihr vier seid, also die außerhalb der Band stehen, haben die auch konkreten Einfluss auf eure Musik?

[01:18:12]

Michi: Ich würde sagen, dass vielleicht unser Manager als unsichtbarer Fünfter vielleicht eine halbe Stimme hat, vielleicht, oder zumindest mit uns in den Diskurs geht, was er gut findet, was er nicht gut findet. Was auf der einen Seite manchmal supernervig ist, aber auf der wieder anderen Seite ist es wichtig, jemanden zu haben außerhalb, der nicht Teil des Prozesses war, der sagen kann: „Ey, ganz ehrlich, das funktioniert nicht so gut, wie es vielleicht in eurer Bubble funktioniert, denkt da noch einmal drüber nach.“ Und dann denken wir halt manchmal darüber nach und sagen: „Ok, du hast Recht.“ Oder manchmal denken wir darüber nach und sagen: „Juckt uns nicht, also wir nehmen den Song trotzdem auf.“ Oder „Wir machen das so, wir machen das so.“ Also wir haben, wir haben vor allem in musikalischer Hinsicht alle Freiheiten und das ist ein wichtiges Gut, dass wir haben. Kein Label sagt uns, zumindest kein Label, was wir haben, sagt: „Hey, macht das so oder das wars.“ Es geht immer nur darum, dass es Leute findet, die was mit der Musik anfangen können. Natürlich ist es halt irgendwie auch eine Industrie, die da hinter steckt und wir machen das ja nicht nur zum Spaß oder die machen das nicht nur zum Spaß, wir schon. Nein, wir machen das natürlich mit Spaß dahinter und die glauben an uns aber müssen davon irgendwann auch leben und deswegen ist es ganz verständlich, dass uns da Leute Hinweise geben, „Macht das mal so, macht das mal nicht so“. Aber bisher war das nie so, dass wir unglücklich waren mit dem, was wir gemacht haben, wir haben uns immer alles vier, fünf Mal überlegt, diskutieren alles aus bis zum Ende mit jedem, haben auch einen sehr langen Atem, was das angeht, und lassen uns da eigentlich nicht rein quatschen.

[01:20:14]

Joshi: Ich glaube, was da noch exemplarisch ein ganz gutes Beispiel ist. Exemplarisch ein gutes Beispiel? – Premium! Für die jetzige EP hatten wir, glaube ich, ein Demo Pool, also grob Songskizzen aus 40-50 Songs, glaube ich.

[01:20:34]

Marius: Ja, 41.

[01:20:36]

Joshi: 41 Skizzen. Da haben wir dann in Listening Sessions festgelegt, auf welche 10-15 oder so wir uns fokussieren. Und dann sind wir irgendwann tiefer rein gegangen und haben uns dann festgelegt und sind dann in eine Vorproduktion gegangen. Sprich, dass, da hieß es nicht, „Ey schreib den Song so“, sondern es sind Debatten gewesen, was wir uns vorstellen können, wo viel Potential drinnen steckt, was wir fühlen, was wir nicht fühlen, vor allem was wir fühlen und nicht fühlen. Dann ist das so immer kleinschrittiger geworden. Das ist glaube ich so ein Punkt, wo man ganz gut festsetzen kann, ok, da wird uns nicht reingeredet, sondern da wird gemeinsam diskutiert und dann findet sich da irgendwie ein Kompromiss oder halt einfach immer der nächste Weg.

[01:21:35]

Michi: Also wer auf jeden Fall einen Einfluss hat, ist halt Joschka, weil er mit uns die Sachen und die Songs produziert hat. Das heißt halt, er hat zum einen, wir haben meistens, bevor wir ins Studio gehen, machen wir so eine Art Vor-Produktion, d.h. wir gehen über die Songs und schauen gemeinsam mit Joschka nochmal und mit seinem Input, ob es irgendwelche Stellen gibt, die man verbessern kann, oder einfach da nochmal seinen Input zu haben. Natürlich hat er auch im Studio noch einen gewissen Input, den er gibt, den er uns mitgibt und auch noch eigene Ideen, die er an uns heranträgt und sagt: „Ey, vielleicht könntest du das so oder so spielen.“ Oder: „Mach das mal so oder so, wir probieren das jetzt aus.“ Ich glaube er ist auf jeden Fall der, der noch am meisten Input gibt, was das Songwriting betrifft.

[01:22:31]

Marius: Wobei er manchmal auch rausfiltert, weil das der Punkt ist, wo nicht nur wir machen, wo unser Name drunter steht, sondern da fängt es an, wo auch der Produzentenname drunter steht. Er hat es produziert, das heißt er muss es auch feiern. Und es gab schon Fälle, wo er gesagt hat: „Ok, entweder wir machen den Song ein bisschen anders, dann geht es für mich klar, ansonsten nehmen wir einen anderen und ansonsten machen wir das nicht.“ Und das war für uns erstmal so, „uff, ok, wir sind die Band“. Aber das ist natürlich voll verständlich, man will ja auch nicht irgendwie seinen Namen unter etwas setzten, wovon man nicht zu 100% überzeugt ist. Dann mindert das irgendwie die Qualität und auch die Motivation im Studio. Man möchte als Produzent, glaube ich, nur Platten im Regal haben, die man selber produziert hat, wo man jede irgendwie seinem Kind mal geben würde und sagen würde: „Ey, das hat Papa gemacht, das ist cool.“ Und wenn da irgendetwas zwischen ist, wo dann so drei Minuten Free Jazz-Solo drin ist, was aber überhaupt nicht reinpasst, jetzt als krasses Beispiel, dann muss man auch verstehen, dass da irgendwie ein Veto gezogen wird.

[01:23:32]

Alex: Also sobald es zur Produktion geht, dann ist der Produzent ja mit dabei quasi und will auch seine Unterschrift setzen, quasi.

[01:23:39]

Michi: Ja, genau.

Komposition/Preproduction

 

[01:23:41]

Alex: Ja, ich sprach ja schon davon, dass wir uns besonders dafür interessieren, welche Phasen ein Song durchläuft und ihr habt ja auch schon erzählt, wie ihr Ideen findet, wie ihr Ideen auch festhaltet und Inspiration kommt. Wenn euch mal so eine Idee, sagen wir es ist z.B. ein bestimmter Sound, wie haltet ihr diesen Sound fest?

[01:24:05]

Joshi: Ich glaube, da gibt es zwei Stufen: Zum einen erstmal, was Marius bei so einer groben Skizze schon mal macht, da kannst du gleich vielleicht einhaken. Ich habe jetzt gerade ein ganz explizites Beispiel bezüglich der Single „As Soon As America“, die bald kommen wird. Und zwar gibt es da am Ende, man könnte Solo sagen, aber eigentlich ist es nur eine Leadgitarre die Melodie macht. Die Melodie stand recht schnell, aber der Sound stand am Anfang überhaupt nicht und wir haben geguckt, wie wir das besonders machen können. Das war zum einen natürlich wieder Erfahrungsschatz – also was hat man irgendwann mal im Laufe seines Lebens mal gehört und denkt was dazu passt – aber auch einfach stumpfes probieren. Wir, Max hat das ja schon erwähnt, wir sind so sein bisschen sehr verliebt in Effekte und dann haben wir halt einfach mal geguckt, was kann man so machen und dann kann man plötzlich einem Riff, einer Melodie ein ganz anderes Gesicht geben, wenn man einfach mal soundtechnisch experimentiert. Ich denke mal Marius kann dazu auch bei so einer Skizze auch was dazu sagen, weil das formt schon den Eindruck beim Hören, wenn du eine cleane oder eine verzerrte Gitarre hast, wenn du ein cleanes Piano oder wenn du eine verzerrte Orgelfläche hast, obwohl es die gleichen Akkorde sind.

[01:25:50]

Marius: Also das war jetzt auf jeden Fall was sehr gitarrensoundspezifisches, ich kann vielleicht noch kurz was zum Grund-Songsound sagen. Es wird erfahrungsgemäß eigentlich immer am Ende fast 180° anders, wie man es geplant hat, bei mir zumindest. Ich habe z.B., wo wir jetzt bei „As Soon As America“ waren, den Song habe ich auf der Arbeit im Kopf gehabt, also die Choruszeile, und ich hatte vorher, ich weiß nicht mehr welches Album es war, aber das letzte oder vorletzte von The 1975 gehört, und da ist ja „People“ drauf, dieser Hardcore-Song, und ich fand die Energie einfach so monströs geil, ich mein ich kannte den Song vorher schon, aber da habe ich den, da habe ich die Musik ausgemacht und dachte: „Ey, ich will auch so einen Song! Ich will auch so einen Song, wo ich auf die Bühne komme, ich schreie die Leute an und irgendeine politische Message!“ Dann habe ich einfach in mir gekramt, was mich gerade bewegt und hatte dann eben diese Amerikazeile im Kopf, ich glaube die hatte ich auch irgendwann mal aufgeschrieben in meinem Handy und die fiel mir dann ein und dann habe ich diese Memo, also ich arbeite nebenbei bei der Post und hab mich dann irgendwo hinter so einer Hecke versteckt und habe da halt so rein geschrien. Ich habe die Zeile „I don´t wanna be dead as soon as America“ habe ich rein geschrien, wie laut man halt so schreien kann, wenn man als Postbote hinter einer Hecke steht. Dann habe ich mir das später angehört und dachte so: „Ok, das ist cool, aber wie setze ich das jetzt um?“ Und dann habe ich mich an die DAW gesetzt und habe Akkorde drunter gelegt und die waren super, superschön, aber es war einfach nicht dieser Aufs-Maul-Song, den ich mir ausgemalt hatte. Und es wurde dann eher zu einer Hymne, zu was chorartigem, was einfach diese Wut, diese Traurigkeit auf einer ganz anderen Ebene darstellt. Das hat mich auf eine andere Weise berührt, ich dachte: „Ok, jetzt haben wir keinen Schrei-Song im Set, wo ich einfach meine ganze Wut rausschreie, aber habe diese Wut einfach durch diesen Chor geschafft für mich rüberzubringen.“ Und das war einfach, wie gesagt, 180° anderer Song, das war näher an Pink Floyd oder an irgendwelchen anderen The 1975 Songs, die haben ja auch viele mit Chor. Da dachte ich dann: „Ok, es führt mich dahin, also mach ich das.“ Da habe ich halt, wie gesagt, um auf die Frage zurückzukommen, habe ich versucht diesen Sound einzufangen, der Sound hat aber gesagt: „Eh-eh [im Sinne von „Nee, nee“], wir gehen dahin.“ Dann sind wir dahin gegangen und jetzt ist es für mich, ich bin super zufrieden. Also ich lasse mich da gerne an die Hand nehmen und ziehen vom Song.

[01:28:32]

Alex: Also im Prinzip habt ihr dann schon so eine Sound-Idee im Kopf, aber durch weiteres Experimentieren kann es auch mal sein, dass es sich komplett verändert, …

[01:28:41]

Marius: Absolut.

[01:28:41]

Alex: … so in eine ganz andere Richtung geht oder so.

[01:28:43]

Marius: Auch, wenn wir sagen: „Hey, wir wollten einen knochentrockenen Sound oder einen Song, der super organisch ist.“ Und dann kommt Max und legt einen brutal geilen Chorusteppich drunter mit irgendwelchen Pitches, denken wir: „Ok, das klingt jetzt überhaupt nicht mehr nach trocken, das ist jetzt irgendwie ein Raumschiff, aber dann ist es halt ein Raumschiff, es klingt geil, fertig!“

[01:29:04]

Max: Ein trockenes Raumschiff, dann.

[01:29:09]

Alex: Ihr habt ja eben schon etwas das Thema Live-Auftritte angerissen oder Live-Tauglichkeit, habt ihr in der Entwicklung eurer Songs auch schon Gedanken zum Thema Live-Auftrtitt, wie z.B. dieser und dieser Song auf der Bühne rüberkommen?

[01:29:24]

Max: Ja, voll. Ich glaube, wenn wir schreiben und das ist gerade bei so Songs, die halt wirklich brachial nach vorne gehen so, dann gucken wir uns an und denken uns: „Woah, der ballert live schon.“ Und die eigentliche Herausforderung für uns ist quasi, ok, wir gehen ins Studio, nehmen diesen Song auf und da liegen dann nicht nur zwei Gitarren z.B., sondern da liegen vielleicht eine dritte und eine vierte und eine fünfte Gitarre noch und irgendwie Synth-Dinger und wir sind halt nur vier Musiker und dann ist halt die Frage: Ok, wie kriegen wir das überhaupt live umgesetzt? Und das ist für uns immer so ein bisschen die Challenge, die dann aber auch Spaß macht und mittlerweile gibt es da auch diverse work-arounds, wie wir das ganz gut hinkriegen.

[01:30:05]

Alex: Und gibt es z.B. auch Musik, die live weniger umsetzbar ist? Oder würdet ihr sagen, generell würde alles auf die Bühne passen?

[01:30:14]

Marius: Also Musik, die wir jetzt machen?

[01:30:16]

Alex: Genau, eure Musik.

[01:30:18]

Joshi: Ich glaube, dass wir bisher, wenn sie z.B. in der Version, in der sie mal aufgenommen oder ge-demot war, nicht so ganz unseren Erwartungen entsprochen hat, bzw. wir das nicht gefühlt haben, dass wir dann einfach ein bisschen daran herum geschrieben haben und ausprobiert haben. Es gibt z.B. Songs von der allerersten EP, die klingen da ganz anders als jetzt, wir haben die halt einfach ein bisschen angepasst, ein bisschen daran herumexperimentiert und haben die so in eine Form gekriegt, dass die Spaß machen für uns wieder.

[01:31:03]

Alex: Und dass es dann vielleicht auch auf der Bühne den Hörern und den Hörerinnen auch Spaß macht.

[01:31:07]

Joshi: Joa, schon, ich denke.

[01:31:10]

Marius: Schlussendlich sind wir ja eine Band, die auch live spielt, und wir, manchmal kommen Songs raus, die klingen nach Elliot Smith, mehr nach im Kleiderschrank eingesperrt und Lo-Fi und so und das ist auch irgendwie cool und wenn sowas irgendwann mal auf einer Platte landet, dann weiß ich auch noch nicht, wie wir das umsetzen, ob wir das umsetzen können, wollen oder sollten. Aber bisher war es immer so, ok, z.B. haben wir einen Song auf der Platte, der heißt „Live With It“ und der ist auch super introvertiert, den hätte man auch mit einer Akustikgitarre umsetzen können, aber wir dachte so: „Hey, was sind wir für eine Band?“ Wir haben diese Instrumente und jeder möchte Teil dieses Songs sein, also nehmen wir eine Version davon auf, die wir auch live spielen können. Und da transportiert es das ganze weg aus dem Kleiderschrank und hin zum Band-sitzt-eng-in-einem-dunklen-Raum-und-spielt-diesen-Song oder die-Flutlichter-sind-aus-und-es-ist-nur-noch-ganz-dunkel. Das ist der gleiche Song, anders umgesetzt, aber, ich glaube aktuell haben wir den Anspruch jeden Song, den wir rausbringen, auch live umsetzen zu können. Wir haben bisher keinen, das haben manche Bands, habe ich schon gesehen, es gibt Songs, die spielen die partout nicht, entweder weil sie nicht wirklich ein Saxophon dabei haben z.B., oder weil man, weil man dafür einfach, wie bei “Bohemian Rhapsody”, einfach einen krassen perfekten Chor im Hintergrund braucht und man sich das einfach nicht leisten kann, oder warum auch immer. Aber wir, wie Max schon sagte, haben work-arounds, die uns helfen, den Song dann doch so umsetzen zu können, dass wir damit zufrieden sind, wie er auf der Bühne klingt. Es klingt nie wie im Studio, das ist auch gar nicht unser Anspruch, wir wollen den Songs das Momentum einhauchen, den Charakter geben, den eben eine Liveshow hat. Manchmal ist eine Liveshow absolute Ekstase und manchmal ist eine Liveshow ruhig und verspielt oder was auch immer. Wenn wir eben selber die Mukke nicht immer versuchen wie auf der CD oder auf der Platte oder auf MP3 zu imitieren, können wir die Stimmung, die sich in der Location befindet auch einfangen und das umsetzen.

Produktion/Aufnahme

[01:33:27]

Alex: Du hast eben erwähnt, dass ihr keine Studioband, sage ich mal, an sich seid, sondern eine Liveband. Aber trotzdem müsst auch ihr als Band ins Studio gehen und eure Songs aufnehmen. Zu dem Thema würde ich jetzt mal kommen, also wenn ihr jetzt z.B. eine Demo habt, oder Ideen gesammelt habt, geht es natürlich ins Studio für euch, wie läuft dann eine Aufnahme ab? Kann das jemand von euch mal ganz grob erläutern?

[01:33:58]

Joshi: Ok, ich wollte erst noch eine Frage in diese Runde stellen, ob wir sagen würden, dass wir keine Studioband sind?

[01:34:03]

Marius: Ne, ich meinte nur, wir sind auf jeden Fall auch eine Liveband, um Verwirrung vorzubeugen.

[01:34:09]

Joshi: Weil wir sind auf jeden, also wir sehen nicht nur das eine oder das andere, oder das eine oder das andere ist eine Last für uns, sondern beides sind eigene Welten, auf die wir beide Bock haben.

[01:34:22]

Marius: Das geht Hand in Hand.

[01:34:23]

Joshi: Genau.

[01:34:24]

Alex: Klar, das schließt sich ja auch nicht gegenseitig aus.

[01:34:27]

Joshi: Es gibt ja schon diese Bands, die einfach sagen: „Joa, wir sind jetzt im Studio und wir hauen da alles Mögliche drauf, was live niemals im Leben umsetzbar ist, aber wir machen das, weil das im Studio möglich ist. Bei uns ist es irgendwie, weiß ich nicht, ich glaub, nicht so dogmatisch. Wir haben da einfach keine Grenzen. Wir sehen uns nicht als das eine oder das andere, sondern wir versuchen das eine in das andere zu transportieren, und alles.

[01:34:58]

Marius: Nur als kleines Sternchen, dass wir keine durchgehende Liveband sind.

[01:35:01]

Alex: Gut, dass du das erwähnt hast. Reine Studioband klingt jetzt so, als wäre das nur eine Richtung, aber klar, das ergänzt sich gegenseitig. Aber um trotzdem jetzt mal auf die Studioarbeit zurückzukommen. Wie läuft eine Aufnahme bei euch ab?

[01:35:19]

Michi: Also im Moment ist es so, dass wir nicht die Möglichkeit haben zu sagen: „Ja, wir gehen ins Studio.“ Sind fünf Wochen im Studio und schreiben da quasi von scratch auf. Sondern wir sind aktuell so, dass wir schauen, dass wir hier im Proberaum die Songs so weit es geht fertig machen, das heißt wir recorden zig Demoversionen, also ich nehme das irgendwie alles mit den Jungs auf und kann auch sein, dass da irgendwie mal Version 10 und 15 und 20 entsteht.

[01:35:55]

Joshi: Und die Joshi-Version ohne Gitarre.

[01:35:57]

Michi: Genau, richtig. Und dann bounce ich mal noch eine Version raus für Joshi und dann überlegt der sich noch zwei Wochen lang eine neue Gitarren-Line. Auf jeden Fall machen wir das alles hier und dann gehen wir quasi her, nehmen die Demos, wo wir sagen: „Ok, damit sind wir erstmal cool, das ist für uns ein geiles Konstrukt, mit dem wir weiterarbeiten können.“ Und haben uns jetzt bei den letzten zwei Tonträgern mit Joschka zusammengesetzt, haben quasi gesagt: „Ey, das hier sind die Songs.“ Und dann hat er nochmal Input gegeben, hat gesagt: „Ey, probiert da mal vielleicht das und das aus.“ Oder: „Ändert mal da den Groove.“ Oder: „Wollt ihr da nicht noch einen Akkord dazu nehmen?“ Oder sowas in der Richtung. Und dann überarbeiten wir die Songs quasi noch einmal, bis wir halt an dem Punkt sind, dass wir sagen: „Ok, der Song ist so fertig, damit können wir ins Studio gehen.“ Dann fahren wir ins Studio, wir waren jetzt zwei Mal in Berlin in der – oh Gott, wie heißt es …

[01:37:03]

Joshi: Soundwerkstatt.

[01:37:03]

Michi: Soundwerkstatt, genau. Wir haben dann eine Liste an Songs, die wir aufnehmen wollen, die wir quasi abarbeiten und fangen eigentlich immer mit Schlagzeug an und natürlich da auch immer erstmal gucken: Ey, welche Instrumente, also welche Snair benutzt man, welche Becken benutzt man etc.. Und dann recorden wir den Song mit Schlagzeug. Da ist natürlich auch, wenn man das recorded, on fly fallen da noch Ideen ein, oder man hat dann doch mal irgendwie eine Eingebung und sagt: „Ey, komm, lass das so und so machen. Das ist zwar anders wie auf der Demo, aber das ist irgendwie cooler.“ Und so gehen wir quasi jedes Instrument durch und layern das einfach, also wir nehmen es Track by Track auf und nicht alle gemeinsam. Das haben wir auch schon gemacht, also wir haben bei „Disorder“, bei der Debut-EP haben wir quasi alle zusammen in einem Raum aufgenommen und auch alle gleichzeitig den Song gespielt. Jetzt aktuell war es auf jeden Fall so, dass wir es quasi immer nacheinander gemacht haben, weil uns das irgendwie die Möglichkeit gegeben hatte, dass wir alle noch einmal explizit auf einzelne Parts, auf einzelne Instrumente schauen konnten und dann irgendwie jeder noch einmal da auch im Studio seinen Input geben konnte. Dann nehmen wir das Track by Track jeder hintereinander auf und haben dann am Ende, hoffentlich, ein cooles Produkt, einen coolen Song.

[01:38:47]

Alex: Kommt es auch teilweise mal vor, dass ihr z.B. Instrumente elektronisch einspielt?

[01:38:52]

Michi: Ja, also bei „Bloom“ jetzt auf jeden Fall deutlich mehr als bei „In A Box“. Wir haben z.B., wir haben ja jetzt schon ein paar Mal über „As Soon As America“ gesprochen, da haben wir z.B., da ist eine Drum Machine drunter, da haben wir eins zu eins die Samples benutzt, die Marius und ich damals auf Ableton gebastelt haben. Wir haben z.B. noch ein Glockenspiel recorded hier im Proberaum, das hat es auch eins zu eins quasi in den Song geschafft. So Geschichten sind selten, aber es kommt dann doch schon einmal vor, dass wir echt auch was aus den, was ich mit den Demos recorded habe, dass wir das einfach nehmen und dann irgendwie noch einmal Joschka drüber geht und dann kommt das so rein. Es gibt auf jeden Fall einige Sachen, die z.B. digital, natürlich die ganzen Effekt-Geschichten, die kommen digital dazu. Wir haben so ein paar Piano-Roads-Geschichten, die halt irgendwie mal ein Filler sind, einfach um noch einen gewissen, noch ein Instrument und noch mal irgendwie was anderes reinzubringen, die man vielleicht nicht im Studio dar stehen hat, die man dann einfach durch einen Plug-in rein bringt.

[01:40:08]

Marius: Aber, ich glaub, wir nehmen echt fast alles außer Drums, Vocals und Akkustikgitarre nehmen wir digital auf.

[01:40:13]

Michi: Ah, genau, richtig, also die Gitarren durch einen Kemper nehmen wir die digital auf, oder einen Helix.

[01:40:21]

Joshi: Ich wollt grad fragen, wo ist da grad die Grenze? Also, was bedeutet digitales Aufnehmen? Bedeutet das, dass wir z.B. per Midi-Keyboard irgendwie …

[01:40:30]

Alex: Also, das wäre schon digitales Aufnehmen. Die Grenze würde ich jetzt festlegen bei, wenn ein Mikrofon vor einem steht und ihr fangt das ins Mikrofon auf.

[01:40:39]

Joshi: Weil, das ist nämlich eine riesengroße Baustelle dann. Was heißt Baustelle, wir spielen halt alle mittlerweile digitale Amps, also alle schließt Michi natürlich aus, weil er ist Schlagzeuger. Wobei du spielst digitales Pad teilweise auch. Dementsprechend ist tatsächlich sehr viel digital.

[01:41:02]

Michi: Wir haben aber auch digital die Gitarren auch schon recorded, als ihr noch Amps gespielt habt.

[01:41:07]

Marius: Haben wir auch noch digital. Aber wir haben auch sehr viel roh aufgenommen, also uneffektiert, vor allem manche Zusatzgitarren und Rhythmusgitarre, und da kam dann erst in der Produktion, in der Postproduction kamen Effekte drauf, und da hat man halt ganz andere Möglichkeiten, als man sie hat, wenn man analog aufnimmt. Natürlich fängt es irgendwie den Charme ein, wenn man in einem Raum steht und man hört alles gleichzeitig über jedes Mikrofon, aber wir sind gerade so ein bisschen unromantisch geworden, also wir nehmen einfach das, was am coolsten klingt, sind eher auf der Future-Seite gerade und versuchen mehr, oder setzen uns einfach keine Grenzen Equipment technisch mehr. Haben auch Bock auf Synthesizer, auf digitales Zeug, Pads, Drum Machines.

[01:41:58]

Joshi: Das ist auch irgendwie kein Plädoyer für oder gegen irgendwas, sondern wir haben uns einfach für etwas entschieden und fahren das halt als Band. Für uns würde das jetzt einfach keinen Sinn machen, wenn ich z.B. wieder einen Verstärker hier hinstelle und extrem laut spiele. Wir spielen halt einfach gerade diese digitalen Set-ups und bisher funktioniert das für uns so ganz gut.

[01:42:21]

Alex: Michi, du hast ja eben gesagt, dass ihr auch selber Samples, selber dran gebastelt habt. Gibt es auch z.B. Samples, die ihr von anderen Sound-Bibliotheken z.B. nutzt?

[01:42:33]

Marius: Die Drum Machine ist aus Ableton.

[01:42:34]

Michi: Die Drum Machine ist quasi direkt stock Ableton. Ich glaube, Joschka hat auf jeden Fall auch im Studio noch so ein paar Sachen, die aus irgendwelchen Datenbanken sind. Aber ich glaube doch, dass wir auf jeden Fall das meiste dann doch noch irgendwie selber quasi einspielen. Bei „Bloom“ ist relativ oft so ein Juno-Synthesizer drunter. Da hatten wir halt das Glück, dass einer im Studio war, den wir dann selber spielen konnten und nicht per midi und plug-in ziehen mussten. Aber je nach dem wie es sich halt ergibt, es kommt schon vor, ist bei uns noch relativ selten, aber wir sagen jetzt nicht: „Wir müssen alles selber aufnehmen.“ Wenn irgendein cooler Sound auf einer Datenbank ist, dann kann man den auch benutzen.

[01:43:32]

Alex: Und wie lange dauert dann durchschnittlich, sag ich mal, so ein Recording-Prozess eines Songs? Kann man das überhaupt so grob sagen?

[01:43:42]

Max: Wir können es quasi runter brechen, von der aktuellen EP, die jetzt quasi frisch recorded ist, ich glaube wir waren zwei Wochen im Studio?

[01:43:49]

Michi: 10 Tage.

[01:43:50]

Max:10 Tage und es waren 5 Songs.

[01:43:54]

Michi: Manche Songs gehen schneller, manche dauern langsamer, aber wir …

[01:43:58]

Marius: Aber wir haben auch viel Zeit investiert noch in den ersten zwei Tagen, um herauszufinden, was wir jetzt genau bei welchem Song machen, d.h. die Vor-Produktion war nicht so „Genau so nehmen wir es auf.“, sondern das war noch ausprobieren dabei und Sound-Findung. D.h. ich würde sagen, vielleicht eineinhalb Tage pro Song, wenn ich mich jetzt nicht zu weit aus dem Fenster lehne.

[01:44:15]

Joshi: Es ist auf jeden Fall ein super dynamischer Prozess. Ich weiß gar nicht, ob man das so starr in so eine Zeit fassen kann. Es ist z.B. so, wenn Michi gerade drin war, beim Drumzeugs, dann hat man die ein, zwei, drei Songs vielleicht gemacht, die z.B. die gleiche Basedrum hatten, du hast die glaube ich irgendwann mal gewechselt. Und dann hat man das einfach in einem Rutsch schon einmal gemacht, wenn Michi gerade drin war und wenn es dann irgendwann hieß, „Ok, ich bin jetzt einfach drüber, die Konzentration reicht nicht mehr“, oder so, dann geht man auch mal zu einem anderen Song, zu einem anderen Instrument und nicht immer starr nach so einer Reihenfolge, sondern eigentlich so, wie es sich vielleicht gerade ergibt und wie bereit jemand auch gerade ist. Nur wenn man irgendwie einen 12-16 Stunden Tag im Studio hat, bedeutet das nicht, dass jeder zu jeder Zeit grad irgendwie …

[01:45:09]

Marius: … verfügbar ist.

[01:45:10]

Joshi: … ja, oder so frisch dafür ist und dementsprechend ist es sehr organisch, der Prozess. Es wird halt viel Vorarbeit geleistet. Also z.B. bei dem Schlagzeug, wenn wir dabeibleiben, da haben wir am Anfang ganz viel geguckt, welche Sounds haben wir, welches Equipment steht da gerade rum, was passt zu welchem Song und das ist halt so eine Sound-Findung, die irgendwie eine Art von Fundament legt, was man dann später nicht mehr pro Song immer wieder braucht, sondern man hats halt am Anfang mal ausgecheckt. Was Gitarren Amps angeht, also die Simulation z.B., da haben wir dann eben auch anfangs etwas länger an einem Grund-Set-up gebastelt, was wir dann eventuell auch in anderen Songs reingetragen haben und feinjustiert haben. Aber am Anfang hat man halt so eine Fundamentlegung, wenn man das so ausdrücken kann. Ich glaube Gesang ist da auch ein spannendes Thema, weil man kann irgendwie nicht sagen: „Ok, wir machen erst zwei Tage Drums, dann zwei Tage das und das und am Ende wird zwei Tage nur Gesang durch geballert.” Weil irgendwann kommt eine Stimme, die braucht halt auch Ruhephasen und Erholung.

[01:46:26]

Marius: Meine krassester Tag war, glaube ich, der vorletzte, da hatte ich acht Stunden am Stück Gesangssachen, aber das ging halt, weil die EP sehr gemischt ist, also wir haben wirklich Songs, die sind einfach zu singen und dann haben wir aber auch richtige Schreipassagen, und wenn wir jetzt z.B. ein Album aufnehmen würden, dass von der Dynamik ganz weit oben wäre und jeden Song müsste ich schreien, dann bräuchte ich bestimmt doppelt so lange für die Vocals, als wenn ich ganz gemütlich, in einer komfortablen Range irgendwie singe.

[01:46:55]

Michi: Wir haben das halt jetzt eigentlich so gemacht, dass wir halt immer geguckt haben, ok, wir nehmen dann irgendwie abends an den Tagen nochmal zwei, drei Stunden, um Vocals zu machen und das dann halt auf die Tage verteilt, damit eben Ruhezeiten und sowas da sind. Ich glaube, da waren wir jetzt im Studio auch einfach relativ flexibel, wie es irgendwie gepasst hat, aber ich glaube so unterm Strich ein bis zwei Tage kann man pro Song schon so zusammenrechnen.

[01:47:22]

Alex: Und wie lange würdet ihr z.B. den reinen Vocalprozess, also wie viel nimmt er davon ein von der Gesamtaufnahme?

[01:47:31]

Marius: Ich würde fast sagen, pro Song halber Tag. Wenn wir jetzt, wir hatten jetzt Chöre drin, die wir teilweise selber, teilweise mit Freunden gemacht haben, da dauert es natürlich dann, „As Soon As America“, würde ich jetzt fast sagen, hat einen Tag vocalmäßig gedauert. Dafür gingen zwei andere Songs, darunter „Apartment“ war an einem Abend in zwei Stunden eingesungen. Also ich würde jetzt sagen, zweieinhalb bis drei Tage haben Vocals für fünf Songs unserer Intensität gebraucht.

[01:48:06]

Michi: Kommt auch wieder auf den Song drauf an, aber so zwischen einem Drittel und einem Viertel.

[01:48:12]

Marius: Man muss halt bedenken, es ist wirklich nicht nur Mainvocals, das, was man so aktiv hört. Max macht auch Backings, ich habe auch viele Harmonien gesungen, es ist viel auch Falsett, es ist viel tief, es sind viele Dopplungen, rechts, links, Mitte. Also was man in dem Song hört, das ist wirklich nur ein Bruchteil von dem, was wirklich eingesungen wird. Und man macht ganz viel, also man hört dann nur aus dem Regieraum: „Jetzt sing noch das. Jetzt sing noch das. Jetzt sing noch das.“ Und man weiß gar nicht, wie viel überhaupt noch kommt, man macht es einfach und irgendwann wird gesagt: „Ja, komm mal rüber, wir checken das.“ Und dann guckt man, ob noch was fehlt und wenn nicht, dann ist cool so. Aber man versucht natürlich dem Mischer und dem Masterer möglichst viele Möglichkeiten zu bieten, den Song entweder groß oder klein zu machen. Aber ich würde sagen, dass es so lange dauert, wie ein anderes Instrument auch. Auf jeden Fall mit mehr Verschleiß, vielleicht ähnlich wie Schlagzeug und ein bisschen weniger rum probieren, aber ich würde jetzt sagen zweieinhalb bis drei Tage, ca.

[01:49:21]

Alex: Und so als abschließende Frage zum Aufnahmeprozess, wollte ich euch noch fragen, welche Rolle spielt für euch der Aufnahmeprozess für das Endprodukt. Seht ihr da z.B. nur ein Mittel zum Zweck, dass, ja klar, die Aufnahme muss gemacht werden? Oder versteht ihr darunter vielleicht auch noch etwas Tiefgründigeres?

[01:49:39]

Michi: Also ich glaube, dass wir, also ich kann natürlich nicht für uns alle sprechen, aber ich glaube, dass wir diese Studiozeit an sich trotzdem als wichtig und auch sehr, sehr gut für uns als Band ansehen. Wir machen das immer so, dass wir meistens mittags irgendwie gemeinsam kochen, die Leute, die halt gerade irgendwie nichts zu tun haben und wir dann halt einfach mal zwei, drei Wochen irgendwie wirklich konzentriert zusammen an etwas arbeiten, ich glaube, das macht auch was mit einem. Natürlich geht man sich irgendwann vielleicht auch mal für einen halben Tag auf den Sack. Aber, ich glaube, dass wir trotzdem das als wichtigen Punkt in dem Bandleben haben, so diese Studiozeit, weil wir einfach gemeinsam an den Songs arbeiten können und das ist irgendwie schon was, also es ist erstmal cool, dass wir die Möglichkeit haben, so professionell und auf so einer Basis ins Studio zu fahren und das so machen zu können. Und ich glaube, das ist einfach schon auch eine gute Zeit, die wir da gemeinsam verbringen.

[01:50:51]

Joshi: Gefühlt ist das ein Schlaraffenland. Wahrscheinlich haben wir da alle andere Emotionen irgendwie bei, aber für mich persönlich ist es z.B. der Ort, wo das, wo man die letzten Wochen und Monate im Proberaum verbracht hat, plötzlich wirklich zum Leben erweckt wird. Alles, was vorher so war, „ok das reicht für eine Demo, das reicht für eine Demo, das reicht für eine Skizze“, nimmt dann plötzlich Form an á la „ey, das ist noch nicht gut genug für die Produktion“. Und dann geht man richtig rein und mit jedem Tag, mit jedem Fortschritt lebt das irgendwann mehr. Wenn dann dieser Moment kommt, dass man wirklich für einen Song mal alles aufgenommen hat, ohne dass es jetzt gemixt ist und man das mal hört, das ist so, also für mich ist das ein ganz großer Moment immer gewesen, wo man dann gemerkt hat, „oh wow, krass, das passiert hier gerade“. Der Song beginnt neu zu leben, neu zu atmen. Ich weiß nicht, für mich ist das ein sehr, sehr, sehr intensives Erleben, was man da hat. Das ist allerdings jetzt gerade nur die sehr romantisierte, schöne Seite. Natürlich bedeutet das auch viel warten. Es ist ein sehr vielfältiger Prozess, es ist nicht nur alles geil, geil, geil, geil, geil, sondern man guckt auch und wartet und versucht Zeit zu überbrücken und guckt, wie man das sinnvoll machen kann, oder vielleicht auch nicht. Man kann sich sehr ausprobieren.

[01:52:31]

Marius: Ich muss noch ganz kurz was hinzufügen, ich finde nämlich, dass es nicht nur irgendwie auf der Erlebnisseite oder auf das, was es für uns als Band ist, wichtig ist, sondern irgendwie auch als Punkt oder Schlussstrich für diesen Schreibe-Prozess, weil wir, wenn man uns keinen Punkt vorsetzen würde und sagen würde: „Ey, Michi, ihr fahrt irgendwann ins Studio, schreib den Song perfekt!“ Wir würden jetzt noch an unserem ersten Song sitzen, wirklich! Wir würden den kaputt schreiben, wir würden so lange daran sitzen, bis irgendwer sagt: „Hör auf jetzt!“ Das ist das Schöne am Studio, dass das halt nicht nur irgendwie eine Momentaufnahme ist, von dem, wo du gerade bist, sondern auch irgendwie: Das ist jetzt der Song, das bestimmt, was der Song ist und das ist die Basis für alles, was wir live machen und das, wie man sich an den Song erinnern wird. Für mich ist es nicht so: Wir gehen ins Studio, nehmen das auf und direkt, wenn wir weiterkommen, arbeiten wir weiter daran, sondern dann ist das Kapitel erst einmal abgeschlossen. Das heißt nicht, dass wir den Song live nicht ein bisschen verändern können, sondern das Ding ist durch, es ist aus dem Kopf und jetzt können neue Ideen wachsen und das finde ich, ist so ein super, superwichtiger Punkt bei uns, dass er einfach ein Punkt macht.

[01:53:43]

Alex: Vor der Aufnahme setzt ihr dann quasi einen Schlussstrich, so dass die Skizze vom Song steht.

[01:53:49]

Marius: Ne, nach dem Aufnahmeprozess, also es verändert sich noch während des Aufnehmens und wenn es wirklich alles im Kasten ist, dann sagen wir: „So!“

[01:53:56]

Alex: Ja, ihr habt ja eben schon gesagt, dass ihr auch während der Aufnahme noch ein paar Dinge verändert. Welchen Stellenwert nehmen diese improvisatorischen Elemente beim Aufnehmen für euch?

[01:54:09]

Max: Die sind für uns eigentlich ziemlich wichtig, weil, Marius sagt immer, das ist so intrinsisch, was dann passiert, weil, keine Ahnung, man hat sich dann halt Wochen, Monate vorher Gedanken über den Song gemacht, wie arrangiert man den, wie nimmt man den auf? Und dann hört man den so an den Monitorboxen und jetzt gerade bei der letzten EP saß Marius dann irgendwann da und hat Gitarre gespielt und hat ein bisschen zu gejammt und war dann so: „Boah, ist eigentlich ganz geil, können wir noch einmal aufnehmen?“ Und dann ist das halt noch dazu gekommen und das war dann irgendwie so ein sehr iconic Gitarrenpart, den er da irgendwie geschrieben hat und das war für uns, ja irgendwie witzig, weil das halt so ungeplant war, aber das teilweise mit zu den schönsten Dingen gehört, die da so passieren, weil man dann natürlich auch die Möglichkeit hat, ok das mal auszutesten. Das ist halt dieses Studioding, du kannst halt alles zusammenfügen, was du haben willst und wenn du hier im Proberaum sitzt, bist du halt nur begrenzt auf vier Menschen und da sind es halt theoretisch unendlich viele.

Postproduction

[01:55:20]

Alex: Wenn ihr jetzt die Aufnahme fertig gemacht habt, dann wird der Song in die Postproduction übergeben und wir würden halt gerne wissen, wie daraus ein fertiger Tonträger wird, also was passiert für euch als Band noch Entscheidendes in der Postproduction?

[01:55:35]

Max: Am Song?

[01:55:36]

Alex: Am Song, ja.

[01:55:36]

Joshi: Viele Telkos.

[01:55:39]

Max:Wir kriegen meistens dann erst einmal einen Mix von dem, der das halt mixt und dann hören wir uns den erst einmal an. Wir versuchen das über so viele Geräte wie möglich uns anzuhören, dass wir auch einen, dass wir nicht irgendwie beeinträchtigt von Laptoplautsprechern oder es gibt ja auch irgendwelche Lautsprecher, die übelst basslastig sind, dann irgendwelche, die übelst mittenlastig sind. Wir versuchen dann auf jeden Fall jeder irgendwie einen guten Weg zu finden und dann schreibt sich quasi jeder das auf, was er hat und dann geht das Feedback nicht direkt zurück an den Produzenten oder an den Menschen, der das mixt, sondern das wird dann erstmal im Plenum oder in einer Runde besprochen. Dann wird geschaut, gut, welche Punkte überschneiden sich, weil es bringt nichts, wenn derjenige oder diejenige dann einfach zwanzigmal … viermal den gleichen Punkt kriegt, sondern wir schauen halt, „ok, was von uns überschneidet sich? Was sind vielleicht Sachen, die nicht untereinander stimmen?“ Wenn Michi jetzt sagt: „Punkt a muss lauter.“ Und ich sage: „Punkt a muss leiser.“ Dann wird halt erstmal diskutiert, „ok, was wollen wir eigentlich? Und was wollen wir damit bezwecken?“ Weil manchmal wollen wir auch das gleiche. Aber Michi sagt dann: „Gut, der Teil muss leiser.“ Und ich sag: „Der Teil muss lauter.“ Da versuchen wir einfach immer einen Mittelweg zu finden. Dann geht das halt wieder zurück an denjenigen, der es mixt, und wir kriegen wieder was Neues und dann wiederholt sich das Ganze, bis es halt irgendwann zu einem Ergebnis kommt, womit wir alle sehr, sehr zufrieden sind. Dann in der letzten Instanz geht es eigentlich noch einmal ans Mastern, das nehmen wir meistens ab, weil weiß nicht, also ich persönlich hab da jetzt nicht so den Plan von und sage: „Boah das klingt jetzt noch mal krass anders und das muss jetzt vier Hertz irgendwie eingedellt werden“ – keine Ahnung, ob das so Worte sind, die man dafür benutzt. Und dann hast du irgendwann das Ergebnis und dann kriegst du einen Drivelink oder so und kannst dir das runterladen und hast dann so deine Musik, deine Platte.

[01:57:52]

Michi: Beim Mastern haben wir sehr oft Joschkas Feedback irgendwie vertraut, weil der hat einfach ein sehr krasses Gehör. Bei Joschka kann dann sein, er sagt: „Ja, mach mal hier bei Frequenz 1,7 kHz, mach das mal um 0,37 dB lauter und leiser. So das kann halt von uns keiner.

[01:58:16]

Marius: Und dann kommt halt sowas wie: „Ah, jetzt geht die Sonne auf!“ Wir hören dann so, „Ist das das gleiche wie vorher?“

[01:58:21]

Michi: Aber ansonsten ist das eigentlich das, was Max gesagt hat. Da sind halt einfach noch mal einige Feedback-Schleifen, die halt im Mix und ein, zwei, die halt im Master noch anstehen.

[01:58:34]

Joshi: Es ist auf jeden Fall ganz interessant, was in diesem Prozess sich noch bandintern herauskristallisiert, und zwar, dass, obwohl wir die Spuren alle aufgenommen haben, wie wir sie halt aufnehmen wollten, dass dann auch noch einmal Diskussionen aufkommen á la „ah, ich dachte der Song soll eher so einen Vibe haben“ und „der Song soll eher so einen Vibe haben“. Und dann haben wir tatsächlich noch einmal Diskussionen in welche Richtung wir den Mix jetzt steuern wollen. Ich weiß jetzt gar nicht mehr, ob das bei uns in der Diskussion so Thema war, aber „wollen wir da eher einen Rock Song oder wollen wir einen Popsong so mixtechnisch haben?“ Entsprechend ist das einfach, man denkt sich ja irgendwie, „ah, ihr habt jetzt eure Instrumente aufgenommen, jetzt ist der Song fertig“ – nee, das dauert noch ein bisschen, bis dann wirklich der Mix fertig ist. Den haben wir übrigens vorhin vergessen, der Mensch, der … Genau. Joe Joaquin heißt der, der ist auch in Berlin ansässig. Der hat sowohl die „In A box“-Songs, zumindest die zweite Hälfte hat der gemixt und gemastert. Und jetzt für „Bloom“ hat der auch den Mix und den Mastering auch.

[01:59:57]

Alex: Also ist das auch, kommt das bei euch öfter vor, dass auch der Mixer oder die Mixerin das auch mastert?

[02:00:02]

Michi: Also es war bis jetzt so, dass immer Joschka als Produzent so einen groben Mix schon einmal gemacht hat, so in die Richtung soll es gehen. Und dann haben wir es jetzt bei „Bloom“ und bei der zweiten Hälfte „In A Box“ quasi an Joe gegeben, der dann noch einmal mit einem frischen und einem anderen Ohr einfach drüber geguckt hat und dann quasi noch einmal einen zweiten Mix gemacht hat und dann gemastert hat. Es war jetzt eigentlich keine bewusste Entscheidung zu sagen, der, der irgendwie mixt, soll es auch mastern. Es hat sich jetzt in dem Fall einfach angeboten, weil Joe halt beides echt gut kann und das so gut funktioniert hat.

[02:00:42]

Joshi: Hat wohl auch irgendwie Gründe, dass Joschka und Joe öfters mal zusammenarbeiten und sich dementsprechend auch irgendwie schon kennen, miteinander kommunizieren können. Sie wissen, wie sie arbeiten, sie wissen, was sie brauchen untereinander, gegenseitig und dadurch ist so ein Workflow da, den du vielleicht nicht so hast, wenn da Leute aufeinandertreffen, die sich überhaupt nicht kennen, geschweige denn mögen. Und dementsprechend reiten wir eine Welle des Glücks.

[02:01:14]

Alex: Dazu anschließend hätte ich noch eine passende Frage, wenn ihr euch Produzenten aussucht, was ist euch wichtig bei denen, also was müssen Produzenten für euch mitbringen, damit ihr euer Ergebnis erreichen könnt?

[02:01:26]

Marius: Er muss es fühlen. Er muss die gleiche Vision haben, wie wir. Er muss gleichzeitig Know-how haben und bezahlbar sein, ich glaube, das sind die einzigen drei, oder die drei Hauptpunkte, die erstmal wichtig sind, bevor man jemanden kennenlernt. An Joschka sind wir auch nur gekommen, weil unser Manager meinte: „Ja, ich habe mal mit einem in einer Band gespielt und so.“ Dachten wir so: „Ok, das ist jetzt irgendeine Notlösung oder so.“ Es klang auf jeden Fall so. Aber, er ist halt eine nicht unbekannte Hausnummer in Berlin und er hat echt was auf dem Kasten. Bevor wir ihn kennen gelernt hatten, war uns eigentlich nur wichtig, findet der uns überhaupt gut, mag der uns oder will der nur Kohle machen? Aber dann hat sich herausgestellt, dass er unsere Vision teil und unser Verständnis von Musikmachen, dass er bezahlbar ist und dass er ein gewisses Level an Know-how für die Gerätschaften, die er hat und die wir haben, mitbringt, das heißt er hat Gitarre studiert, das heißt ein Instrument hat er schonmal sehr gut drauf, das ist immer für einen Produzenten. Wir haben auch schon mit dem ersten Produzenten, mit dem wir gearbeitet haben, der war auch Gitarrist, das heißt wir kennen eigentlich nur Gitarren gelernte Produzenten. Das waren so unsere wichtigsten Punkte für den ersten Eindruck. Und dann ist natürlich wichtig, dass man sich versteht, das heißt, bei Joschka war es so, er ist erst zu uns nach Paderborn gekommen, wir haben mit ihm so eine Soundsession gemacht, erstmal sich beschnuppert. Haben abends dann noch irgendwie ein bisschen zusammen was getrunken, haben uns kennengelernt. Bevor das nicht gewesen wäre, hätten wir niemals gesagt: „Komm, lasst uns ein Album aufnehmen!“ Weil, das ist einfach so etwas intimes, das würden wir niemals mit einer gänzlich unbekannten Person angehen, auch wenn sie günstig und skillfull ist.

[02:03:34]

Max: Was vielleicht noch ganz wichtig ist, was wir bei Joschka unheimlich schätzen ist, dass wir quasi mit einer Idee an ihn herantreten können, auch quasi während des Recordingprozesses und er nicht so ist á la „nee, wir haben das jetzt schon so besprochen, und so aufgenommen, das machen wir nicht.“ Sondern er hört sich das halt wirklich an und auch, wenn er von etwas vorher nicht überzeugt war, und er es hört und er ist doch überzeugt, dann sagt er das halt offen. Und er hat halt nicht dieses Ego zu sagen: „Ich bin der Produzent, ich habe Recht, ich bin hier einfach in der krasseren Position als ihr.“ Und das ist halt unheimlich wichtig für uns auch, dass wir sagen können: „Lasst uns das mal ausprobieren.“ Und dann machen wir das und er akzeptiert es so und das ist ganz cool.

[02:04:13]

Marius: Voll diplomatisch auch.

[02:04:15]

Joshi: Das ist wirklich schön, das ist nicht so dieses: „Nein.“ Sondern auch wenn er sich denkt: „Ey, nee, ich fühle das überhaupt nicht, was ihr da sagt.“ Aber bevor wir das nicht ausprobiert haben, und bevor das nicht aus den Köpfen raus ist, geht es nicht weiter. Das ist etwas, was für uns als Band sehr wichtig ist, weil wir müssen viele Dinge ausdiskutieren und wir müssen die Dinge einfach mal ausprobiert haben, um sie aus den Köpfen zu kriegen. Danke, Joschka!

[02:04:55]

Alex: Und wenn ihr jetzt z.B. mit Joschka einen Song fertig gemacht habt, oder der Song steht, wann ist für euch der Song beendet? Wann sagt ihr: „Jetzt ist Schluss, jetzt arbeiten wir nicht mehr weiter dran“? Habt ihr da z.B. bestimmte Kriterien, oder habt ihr einfach ein Gefühl dabei?

[02:05:11]

Joshi: Ich glaube, wir hören irgendwann im Studio auf zu arbeiten, aber dann fangen wir erneut an dran zu arbeiten, wenn es um die Live-Umsetzung geht.

[02:05:19]

Alex: Ok, inwiefern dann?

[02:05:22]

Joshi: Wie Marius z.B. eben schon dargelegt hat, wir haben 20 Vocalspuren aufgenommen, wie setzen wir das live um? Was brauchen wir live? Was hört man wirklich auf der Aufnahme? Mit Gitarren das Gleiche. Wenn vier Gitarren übereinander liegen, mit Dopplung hier und da und da eine Akzentgeschichte, kannst du ja nicht alles spielen. Wie setzt man das um? Und dann arbeitet man wieder mit dem Song, aber auf einer ganz anderen Basis eben, auf, bzw. für einen ganz anderen Zweck. Ich denke, beendet ist der Song auf jeden Fall, also die Studioproduktion, mit dem Mastering. Es ist egal, ob irgendwer dann noch unzufrieden ist oder zufrieden, wenn es gemastert ist, und irgendwann geben wir es halt einfach darein. Oder es wird entschieden, dass er jetzt darein geht, gemeinsam, dann können wir ja nichts mehr dran ändern, dann ist der Song irgendwann fertig und dann geht der so, wie der zu dem Zeitpunkt ist, irgendwann ins Presswerk bzw. auf die Streamingportale oder einfach in dieses „Internetz“ rein.

[02:06:31]

Alex: Und dann gibt es auch kein Zurück mehr, dann ist das da, und dann steht der Song.

[02:06:35]

Joshi: Ich weiß nicht, ob irgendwelche supergroßen Künstler mit viel, viel mehr Budget dann irgendwann sagen können: „Ja, ne, wollen wir nicht mehr, wir gehen jetzt noch einmal zurück in den Mix.“ Bei uns nicht.

[02:06:46]

Michi: Ist das nicht möglich.

[02:06:47]

Max: Wie Kanye West, der einfach sein Album immer wieder verschiebt.

[02:06:51]

Joshi: Ja, z.B..

[02:06:56]

Michi: Ich glaube, wir haben aber davor, also bevor der Song dann wirklich fertig ist, haben wir schon so oft und so ausführlich über die ganzen Sachen diskutiert und gesprochen, dass wir dann einfach an einem Punkt sind, wo jeder cool damit ist, dass dieser Song so ist und so fertig ist und so dann auch veröffentlicht wird. Ich glaube, da sorgen wir schon dafür, dass das dann funktioniert.

[02:07:17]

Marius: Wir reiten dann irgendwann nur noch auf so Nuancen rum, wo man dann als Außenstehender sagen würde: „Ey, ihr habt sie doch nicht mehr alle.“ Aber für uns ist das dann so wichtig, dass da noch dieser Punkt, dass das noch ein bisschen lauter ist, „in der Demo war es viel cooler, da wars ganz anders, mach das nochmal so.“ Und dann so: „Ey, halt die Klappe, wir machen das jetzt einfach so.“ Ein Außenstehender würde niemals den Unterschied bemerken.

[02:07:39]

Joshi: Ich möchte, dass die Snair eher so piuuuuuu und weniger piu macht.

[02:07:43]                                                                                                             

Alex: Ein kleiner, aber feiner Unterschied.

[02:07:46]

Marius: „Das wird für immer so bleiben, wir können das jetzt nicht so lassen, wir haben jetzt noch die Chance das zu ändern!“ Dann neues Fass aufgemacht.

[02:07:53]

Joshi: Und dann diskutiert man eine Stunde darüber, ob man das Fass jetzt aufmachen musste.

[02:08:01]

Alex: Ja, cool. Das waren jetzt alle Schritte, die wir gerade durchgegangen sind in eurem Song. Ich hätte doch eine Abschlussfrage. Und zwar, wenn ihr einen Song schreibt, der für ein Album stehen soll oder als Single dar stehen soll, ich weiß nicht, ob ihr das vorher schon im Hinterkopf habt, aber ändern sich dadurch Schritte im Prozess bei euch? Oder behandelt ihr jeden Song im Prinzip gleich?

[02:08:28]

Michi: Eigentlich behandeln wir jeden Song gleich. Also das war auch vor „In A Box“ und auch vor „Bloom“ war eigentlich nie 100% klar, welcher Song jetzt eine Single wird. Bei „In A Box“ zum Teil schon, weil wir dann auch mal nur für einen Song im Studio waren, aber wir haben danach dann auch zweite Hälfte quasi fünf Songs, glaube ich, oder sechs am Stück aufgenommen und wir meistens dann im Prozess eher später an den Punkt kommen, wo wir darüber diskutieren, welcher Song wird jetzt eine Single und welcher Song bleibt ein Album-Song. Deswegen ist, glaube ich, der Punkt bei uns im Songwriting nicht so vorhanden, einfach weil wir erst eine Stufe später entscheiden, welcher Song jetzt als Single rauskommt und welcher nicht.

[02:09:18]

Marius: Aber bei, ich muss sagen, ich erinnere mich an eine Situation, wo wir irgendetwas ausreizen wollten, oder irgendetwas extrem lang oder extrem anders oder unkonventioneller machen wollten und dann fiel der Satz: „Ach, komm, wird eh keine Single. Das machen wir jetzt einfach.“

[02:09:37]

Max: Aber, welcher Song?

[02:09:38]

Joshi: „Hello?“ Oder?

[02:09:40]

Marius: Ne, ich glaube bei „Your Alien“. Ich glaube das war irgendwas auf „In A Box“, das war so irgendwas so „ach komm …“

[02:09:46]

Michi: Bei “Your Alien” haben wir dann trotzdem nochmal später darüber diskutiert, ob der jetzt eine Single wird oder nicht.

[02:09:50]

Marius: Jaja, aber das weiß man vorher nie so genau. Aber wenn man, wie jetzt bei wir mit „Bloom“ ins Studio geht, man versinglet jeden Song, das war jetzt bei dieser EP der Plan, dann hat es eh keine Relevanz, dann machen wir eh das, was dem Song am besten steht und das ist so ein bisschen das, die Flagge, unter der dieses Schiff jetzt fährt. Jeder Song kriegt das, was er braucht, ganz besonders penibel darauf geachtet. Aber bei „In A Box“, wie gesagt, erinnere ich mich daran, dass ein, wir hatten schon zur Hälfte, also nach der Hälfte des Aufnahmeprozesses hatten wir schon drei Songs versinglet und dann sollten noch einmal drei kommen und dann konnte man schon ausschließen, dass zwei, drei Songs nicht versinglet werden und da erinnere ich mich daran, dass wir gesagt haben, oder Joschka hat das, glaube ich, sogar gesagt, so: „Ey, kommt Jungs, wir machen das jetzt einfach. Das ist zwar irgendwie strange, aber wir machen das jetzt. Haben wir Bock drauf.“ Und dann haben wir das gemacht und dann war es auch cool. Aber wenn das jetzt eine Single geworden wäre, wäre es jetzt auch kein Drama gewesen.

[02:10:54}

Joshi: Jetzt bei „Bloom“ bei dem Aufnahmeprozess hat sich ein Song tatsächlich strukturell noch einmal sehr verändert und zwar unsere kommende Single „As Soon As America“. Und zwar hatten wir ursprünglich eine Version gedacht, wo jeder Chorus sehr groß wird und in den Strophen wieder kleiner wird und Joschka hat da für uns ein Wort geprägt und einen Vorschlag gemacht, und zwar: Den Karottensong. Und zwar geht eine Karotte, die ist klein und dann wird die größer. Das ist irgendwie mit „As Soon As America“ passiert und warum ich das jetzt erzähle, das ist ein komplett anderer Song als die Demo, die wir aufgenommen haben, obwohl wir eigentlich nur mit Elementen anders gespielt haben, die ohnehin schon Teil dessen waren. Und dementsprechend weiß ich gar nicht, ob man jetzt vorher hätte sagen können: „Ja, den machen wir so und so, weil Hit.“ Weil der sich einfach sehr verändert hat. Bzw. Single.

[02:12:08]

Marius: Hitsingle, sag es doch.

[02:12:10]

Joshi: Hitsingle. Keine Ahnung. Ich kann nur wiederholen, jeder Song hat unserer Meinung nach das bekommen, was dem Song am besten getan hat und nicht, was den Song am radiotauglichsten gemacht hat, sondern, was dem Song am besten gestanden hat. Da waren wir alle mehr oder weniger offen für. Ich weiß noch, wir hatten Diskussionen bei „As Soon As America“, ich habe es gar nicht gefühlt anfangs.

[02:12:43]

Marius: Ich auch nicht.

[02:12:45]

Alex: Aber dann habt ihr es alle gefühlt danach, oder?

[02:12:47]

Marius: Wir haben es gemacht und dann irgendwann haben wir es gefühlt. Also es gehört auch eine Portion Vertrauen dazu, wenn jemand schon 300 Songs produziert hat, die allesamt irgendwie gut sind, dann muss man ab irgendeinem Punkt, wo es 50/50 steht, kann man nicht sagen: „Ok, boys, wir bauen jetzt hier eine Decke auf und machen Armdrücken.“ Sondern man muss sagen: „Joschka, du machst den Call einfach, wir vertrauen dir da jetzt einfach.“ Und dann haben wir das so gemacht. Ich glaube, er hat sogar noch gesagt: „Ok, wenn wir das jetzt so karottig machen, dann ist es halt eher ein Popsong und wenn wir es klein-groß-klein-groß machen, ist es eher ein Rocksong.“ Und weil wir aus den Demos rausgegangen sind und dachten: „Ok, das ist vielleicht eher ein popigerer Song“, haben wir uns vielleicht eher dahingehend entschieden, dass wir denken: „Ok, für uns schreit der nicht ´Rock´, sondern für uns schreit der eher ‚Pop‘ und deswegen machen wir es so. Joschka, wir vertrauen dir.“ Und dann haben wir es so gemacht.

[02:13:39]

Joshi: Das ist auf jeden Fall so ein Punkt, wo Künstlerego eine Rolle spielt, wo man Sturheit eventuell überwinden muss, wo man die Argumente von anderen Menschen annehmen muss, auch wenn man vielleicht selber anderer Meinung ist. Das ist glücklicherweise in dieser Band so, dass wir das aussprechen können, auch wenn wir natürlich nicht begeistert sind, wenn irgendwer sagt: „Ey, nee, das gefällt mir nicht.“ Aber das ist die Grundlage eigentlich dafür, dass es funktioniert und dass wir so ein Songwriting haben, wie wir das haben, dass wir das aussprechen können und unsere Egos auch mal zurückstellen und einfach mal ausprobieren und akzeptieren können.

[02:14:24]

Alex: Ja, das würde ich auch so jetzt mal als Schlussplädoyer stehen lassen, das hat jetzt gut gepasst. Ich bedanke mich bei euch, dass wir echt ein ausführliches Interview hatten und auch viele Einblicke in eure Arbeit finden konnten. Danke dafür.

[02:14:41]

KD(alle): Sehr gerne. Danke euch für die Zeit. Hat viel Spaß gemacht.

[02:14:45]

Alex: Uns auch.