“Ich studiere Geschichte. Nein ich will damit nicht an die Schule gehen. Ich will…” – ja … was eigentlich?
Solche oder ähnliche Unterhaltungen haben wohl schon die meisten von euch geführt, welche ein fachspezifisches Studium absolvieren.
Wir haben ehemalige Geschichtsstudierende gefragt, wie sich ihr beruflicher Werdegang gestaltet hat und was sie euch für den Einstieg in die Arbeitswelt raten würden.
Als nächstes möchten wir euch Astrid Plaßhenrich vorstellen. Sie studierte an der Universität Paderborn Geschichte, machte dann ein Volontariat in einer Kommunikationsagentur und arbeitet nun als Sportredakteurin beim Mindener Tageblatt.
Frau Plaßhenrich, Sie haben in Paderborn Geschichte studiert. Warum Geschichte?
Geschichte ist meine Leidenschaft. Es war schon während der Schulzeit eines meines Lieblingsfächer. Insofern war es nur eine logische Konsequenz, das Wissen im Studium zu vertiefen. Trotzdem habe ich nach dem Abi zunächst eine zweijährige Ausbildung zur Industriekauffrau absolviert, während der ich schnell festgestellt habe, dass ein 9-to-5-Bürojob nichts für mich ist.
Mittlerweile arbeiten Sie als Sportjournalistin. Ganz pragmatisch gefragt: Wie haben Sie es geschafft im Sportbereich Fuß zu fassen?
Ich habe den klassischen Weg eingeschlagen, wie es wohl der Großteil der Redakteure macht. Mit 16 Jahren habe ich beim Westfalen-Blatt als freie Mitarbeiterin begonnen und bin dann immer mit dem Fotoapparat auf meinem Rücken von Sportplatz zu Sportplatz, von Turnhalle zu Turnhalle geradelt. Da ich bereits als Kind total sportbegeistert war und 26 Jahre lang Fußball gespielt habe, wollte ich unbedingt ins Sportressort. Auch das hat viel mit Leidenschaft zu tun.
Schließlich fällt die Hauptarbeitszeit am Wochenende oder abends an. Dazu muss man bereit sein, denn das Privatleben muss danach organisiert werden. Trotzdem war ich sofort von der Arbeit fasziniert und bin seitdem süchtig.
Gerade die Fußballberichterstattung ist ja vorwiegend männlich dominiert. Hatten Sie jemals das Gefühl, sich als Frau mehr behaupten zu müssen?
Das Gefühl habe ich sehr oft — auch noch nach mehr als 20 Jahren im Job. Aber ich sehe es als Herausforderung an, mit meiner Arbeit tagtäglich überzeugen zu müssen. Das motiviert mich, das ist ein Antrieb. Es schadet meinem Berufsleben auch nicht, dass ich mich immer wieder beweisen muss. Ein Trainer sagte mal zu mir, dass ich für eine Frau recht viel von Fußball verstehe. Er wollte mir wahrscheinlich ein Kompliment machen, es zeigt aber vielmehr wie die Sportwelt im 21. Jahrhundert noch tickt. Lustig ist auch immer, wenn Leser anrufen und mit einem Sportredakteur verbunden werden wollen. Wenn ich dann sage, dass sie bereits mit einem sprechen, herrscht meistens erst einmal ein paar Sekunden Stille.
Wie sieht der typische Berufsalltag in einer Sportredaktion aus?
Kein Tag ist wie der andere. Das macht den Reiz aus. Das Schöne an der Redaktionsarbeit einer Tageszeitung ist: Morgens sitzen wir vor leeren Seiten, spätestens mit Druckbeginn müssen diese gefüllt sein, und am nächsten Tag halten wir das Ergebnis in den Händen, an dem wir gemessen werden. Grundsätzlich geht es darum, Inhalte zu bewerten und zu gewichten. Was sind die relevanten Themen, wie wollen wir diese präsentieren? Danach werden die Seiten geplant, oft wird das Layout im Laufe des Tages aktualisiert oder sogar – je nach Ereignissen – verworfen. Daneben schreiben wir Artikel und Kommentare, führen Interviews, recherchieren Hintergründe, vereinbaren Termine und redigieren Texte. Wichtige Nachrichten werden schnellstmöglich vorab im Internet veröffentlicht. Wir besuchen Veranstaltungen, schauen uns Fußball-, Handball-, Volleyball-, Tennisspiele oder was sonst so anfällt an und schreiben anschließend über diese. Dabei wird immer wichtiger, dass die Berichterstattung über das reine Ergebnis hinausgeht, soll heißen:
Wir müssen über die Geschichten schreiben, die hinter dem 1:0 stehen. Auch das ist eine Herausforderung. Dazu steht täglich um 16.30 Uhr die Konferenz an. Zusammen mit dem Chefredakteur werden die Seiten bewertet. Reizt die Überschrift zum Lesen an? Wird dem Leser sofort deutlich, worum es geht? Ist die Bildunterzeile korrekt?
Danach werden die Seiten finalisiert und anschließend für die Online-Leser
aufbereitet. Vielleicht ist dann Feierabend, oft steht aber noch ein Abendtermin an.
Wenn Sie heute an ihr Studium zurückdenken, gab es für Sie Erkenntnisse, welche Sie nachhaltig geprägt haben?
Ich habe gelernt, Zusammenhänge besser und schneller zu erkennen und zu
spezifizieren sowie verschiedene Recherchemethoden anzuwenden.
Mir wurde bereits bei meiner Einführungsveranstaltung zum Geschichtsstudium gesagt: „Jeder Dritter von ihnen wird später keinen Job finden.“ Nicht gerade ermutigend! Wie haben Sie den Berufseinstieg empfunden? Hatten Sie jemals Sorge, nicht zu wissen, wo die berufliche Reise hingeht?
Ich wusste, dass ich Redakteurin werden möchte. Das war das große Ziel, darauf habe
ich hingearbeitet. Das einzige, was ich bei Studienbeginn nicht wusste, war, bei welchem Medium und Verlag ich landen werde. Durch meine langjährige freie Mitarbeit und zahlreiche Praktika hatte ich ein gutes Fundament geschaffen, der den Eintritt in die Medienwelt erleichtert hat. Das war wichtiger als der Studienabschluss.
Zum Abschluss noch eine Frage zum Volontariat: Mittlerweile gibt es ja auch viele Freelancer, welche nicht den klassischen Weg eines Volontariats wählen. Würden Sie es dennoch empfehlen? Warum?
Volontäre durchlaufen während der Ausbildung verschiedene Ressorts, sie lernen
crossmedial zu arbeiten, und sie erhalten interne und externe Schulungen. Es ist eine standardisierte Ausbildung. Dazu kann man sich an verschiedenen Themen ausprobieren. Für mich war es auch sehr hilfreich, von erfahrenen Kollegen zu lernen. Wie gehen sie schwierige Sachverhalte an? Wie recherchieren sie? Und man erhält immer und sofort ein Feedback.
„Praktika, Praktika, Praktika“ und „sich trauen, seiner Leidenschaft zufolgen“, würde ich als Quintessenz mitnehmen aus dem Gespräch mit Ihnen.
Gibt es noch etwas, was Sie Studierenden vor ihrem Einstieg ins Berufsleben als Rat mitgeben wollen würden?
„Praktika, Praktika, Praktika“ ist so nicht ganz richtig – ich glaube, Qualität geht vor Quantität. Den Satz mit der Leidenschaft unterschreibe ich aber sofort.