Alles Gute, World Wide Web!

Alles Gute, World Wide Web!

Am 30. April 1993 gab das Forschungsinstitut CERN in der Schweiz das World Wide Web zur öffentlichen Nutzung frei. Es war die Geburtsstunde des uns bekannten „Internets“, das aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken ist. Welche Intention hatte das Forscherteam um Tim Berners-Lee, als sie das WWW mit seinem Übertragungsprotokoll „http“ und seinem Dateistandard „html“ freigaben?
Das klassische Narrativ, dass das Internet in Folge des „Sputnik-Schocks“ als Netzwerk US-amerikanischer Forschungseinrichtungen entstand und insbesondere eine militärische Bedeutung haben sollte, ist zwar im Sinne einer Computervernetzungsgeschichte richtig, doch hatte es wenig mit dem uns bekannten Internet gemeinsam. Es wurden vielmehr einzelne und bereits bestehende Computernetzwerke miteinander vernetzt, um Forschungsdaten auszutauschen. Kurze Zeit später wurden die Netzwerke um weitere Kommunikationsmöglichkeiten erweitert, wie zum Beispiel eMail und Chaträumen. Über ein weltweites Netz lässt sich hierbei nicht sprechen. Die Informationen und die Kommunikationsmöglichkeiten waren nicht jedermann zugänglich und es gab zahlreiche technische Barrieren. Im Anfangsstadium wurde das Netzwerk vor allem für den Austausch zwischen den WissenschaftlerInnen genutzt, die auch zunehmend über private Dinge, wie Science-Fiction Literatur debattierten.
Erst als 1989 Tim Berners-Lee in einer Forschungskooperation mit verschiedenen Forschungsinstituten zusammenarbeiten musste, zeigten sich die Probleme, die durch einen nicht standardisierten Austausch entstehen können und er begann mit der Entwicklung und Erprobung eines geeigneten Standards. Die grundlegende Idee war es, die Informationen dezentral auf Servern auszulagern, diese sinnvoll miteinander zu verknüpfen und über eine einheitliche Benutzerschnittstelle abrufbar zu machen. Hierfür wurde das uns bekannte „http“-Übertragungsprotkoll und „html“-Dateiformat entwickelt. Durch diese Technologien, konnten nun Dokumente einheitlich im Netz abrufbar und verknüpfbar gemacht werden. 1993 wurden diese Technologien der Öffentlichkeit freigegeben und die erste Internetseite „ging online“. Bis heute ist sie sogar noch abrufbar: http://info.cern.ch/hypertext/WWW/TheProject.html.
Mit dieser Technologie war der Weg frei für das World Wide Web – ein weltweites Netzwerk von standardisierten Dokumenten, die miteinander verknüpft und durch eine einheitliche Benutzerschnittstelle eingesehen werden können. Obwohl die Technologie schon damals eine große Neuerung darstellte, wurde sie nicht kostenpflichtig oder gar lizenziert veröffentlicht. Dem Entwickler-Team ging es darum, eine Infrastruktur für den einheitlichen und freien Informationsaustausch zu schaffen. Das World Wide Web reiht sich somit in die unzähligen freien und offenen Software-Entwicklungen ein, die seit den ausgehenden 1960er Jahren die Computerwelt revolutionierten und bis heute die Basis der computergestützten Vernetzung sind.
Bereits kurze Zeit später, in den ausgehenden 1990er Jahren, begann Berners-Lee mit
der Weiterentwicklung des Web of Documents. Das sogenannte „semantic web“ soll nicht
mehr aus Dokumenten bestehen, sondern aus Informationen. Die Informationen können
durch Computer ausgelesen, verstanden und verknüpft werden. Ein einfaches Beispiel:
Wenn Sie heute nach „Bundeskanzler Bundesrepublik Deutschland“ im Netz suchen, erhalten Sie zahlreiche Treffer mit einer Auflistung der Bundeskanzler. Die Treffer sind durch Menschen erstellte Dokumente. Im „semantic Web“ würden sie die Informationen automatisiert erhalten und dazu noch eine Fülle weiterer Informationen, wie zum Beispiel Wahlergebnisse. Sie können sich also das „semantic web“ als Gehirn vorstellen, das sämtliche Informationen aus dem Netz zusammentragen kann.
In den digitalen Kulturwissenschaften ist das „semantic Web“ ein Forschungsgegenstand, dessen Möglichkeiten und Umsetzung KulturwissenschaftlerInnen und InformatikerInnen beschäftigen. So gibt es einige Teilbereiche, deren Informationen bereits im „semantic Web“ vorliegen. Es wird jedoch noch einige Zeit dauern, bis es sich auch in weiteren Teilen des Internets etabliert hat. In diesem Sinne kann man gespannt sein, was die nächsten 25 Jahre bringen werden.

Ein Beitrag von Sven Siemon, Arbeitsbereich Zeitgeschichte, Universität Paderborn.